Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

In diesem Sinne hatten wir in der Hamburgischen Bürgerschaft vor einem Jahr mit großer Mehrheit einen entsprechenden Antrag auf den Weg gebracht. Der Senat hat uns jetzt eine Drucksache vorgelegt, aus der hervorgeht, was er getan hat, um unserem Ersuchen zu folgen und es umzusetzen. Seine Bemühungen waren erfolgreich. Dass es so gekommen ist, ist nicht zuletzt aber auch ein

Resultat der ersten europäischen Bürgerinitiative "Wasser ist ein Menschenrecht".

(Beifall bei der SPD)

Die europäischen Gewerkschaften, in Deutschland vor allen Dingen ver.di, aber auch weitere Organisationen wie der Verband kommunaler Unternehmen und die Umweltverbände haben sich gegen den Binnenmarktkommissar Michel Barnier gestemmt und von ihm verlangt, eine Garantie für eine sichere, saubere und bezahlbare Trinkwasserversorgung sowie eine sanitäre Grundausstattung aller Bürgerinnen und Bürger in der EU zu geben. Die Initiative wollte damit verhindern, dass Wasserwerke in Städten und Gemeinden den Regeln des Marktes unterworfen werden und in der Folge zwingend an europaweiten Ausschreibungen teilnehmen müssten. Die Bürgerinitiative sammelte dafür in ganz Europa in sieben Ländern 1,5 Millionen Unterschriften und war damit auch erfolgreich. Vertreter des EU-Parlaments und des Ministerrats sowie der EU-Kommission haben sich vier Wochen nach Vorlage der Unterschriften im Juni letzten Jahres auf die Herausnahme des Wasserbereichs aus der geplanten Konzessionsrichtlinie geeinigt.

Meine Damen und Herren! Die Möglichkeit, auf Europaebene Bürgerinitiativen zu initiieren, existiert erst seit 2012. Zwingen können Bürgerinnen und Bürger in Europa die Kommission aber nicht. Es ist lediglich vorgesehen, dass Vertreterinnen und Vertreter der EU-Kommission die Repräsentanten der Initiative drei Monate nach einer erfolgreichen Unterschriftensammlung empfangen. Die Kommission muss dann schriftlich Stellung nehmen und Aussagen machen, wie sie auf die vorgetragenen Forderungen der Initiative eingeht. Eine Verpflichtung, entsprechende Gesetze vorzulegen und entsprechend zu handeln, ist mit der europäischen Bürgerinitiative noch nicht verbunden. Dennoch hat sich am Beispiel der Wasserversorgung gezeigt, dass eine Initiative erfolgreich sein kann, wenn sie zusätzlich Rückenwind aus den Staaten und Gesellschaften Europas bekommt, und das war hier ganz stark der Fall.

(Beifall bei der SPD)

Vor allem in Deutschland hatte der Vorstoß der Kommission heftige Gegenwehr ausgelöst. Mehr als 1,2 der 1,5 Millionen vorgelegten Unterschriften kommen aus Deutschland. In unserem Nachbarland Polen zum Beispiel haben lediglich 1500 Menschen die Initiative gezeichnet, in Österreich waren es immerhin 60 000. Trotzdem wurde die Anforderung an eine EU-Bürgerinitiative, genügend Unterschriften aus wenigstens sieben Ländern vorzulegen, erfüllt, wenn auch knapp. Das zeigt, wie wichtig und richtig es war, dass in Hamburg alle Hebel in Bewegung gesetzt wurden, um die Kommission zu bewegen. Das ist vor allem deswegen gelungen, weil es einen breiten Konsens in der Politik und auch in der Gesellschaft gab.

(Erster Vizepräsident Frank Schira)

In Deutschland gab und gibt es wohl niemanden, der die Wasserversorgung in private Hände legen möchte. Alle Fraktionen im Deutschen Bundestag – mit Ausnahme der FDP – und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten vor der Gefahr einer Wasserprivatisierung gewarnt und klargestellt, dass Wasser ein lebensnotwendiges Gut sei und eine qualitativ hochwertige und bezahlbare Wasserversorgung Ziel guter Politik sein und bleiben müsse. Auch der Bundesrat warnte davor, dass bei einer gesamteuropäischen Ausschreibung die Qualität des Trinkwassers zum Nachteil der Verbraucherinnen und Verbraucher kontinuierlich schlechter werden könnte; das warnende Beispiel von London ist allen vor Augen.

Meine Damen und Herren! Vor knapp einem Jahr hat die Hamburgische Bürgerschaft mit großer Mehrheit, allerdings ohne die Stimmen der FDP, den Senat aufgefordert, die Wasserversorgung nicht den EU-Wettbewerbsregeln zu unterwerfen und dafür Sorge zu tragen, sie von der Richtlinie auszunehmen. Außerdem hatten wir unsere hamburgischen Abgeordneten im Europaparlament sozusagen interfraktionell aufgefordert, sich entsprechend einzusetzen, und das ist dann auch passiert. All das ist geschehen, all das können Sie in der Drucksache nachlesen.

Um jeglicher Kritik die Spitze zu nehmen: Die Wasserversorgung unterliegt zwar nicht zwingend dem europäischen Vergaberecht, sie findet aber keinesfalls im rechtsfreien Raum statt, wie der Bundesgerichtshof schon vor einem Jahr festgestellt hat. Es kam vor allen Dingen darauf an, die Handlungsfreiheit der Kommunen, der Städte und Gemeinden zu wahren. Das ist jetzt der Fall. Will eine Stadt oder eine Kommune ihre Wasserversorgung ausschreiben, kann sie es selbstverständlich tun, aber sie muss es nicht, der Zwang besteht nicht.

Meine Damen und Herren! Wir sind alle froh über das Erreichte. Es besteht aber kein Grund, sich zurückzulehnen, denn die Akteure in Sachen kommunaler Wasserversorgung müssen aufpassen, dass der erreichte Erfolg nicht durch die Hintertür wieder kassiert wird. Auch bei den Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa steht die Wasserversorgung auf der Tagesordnung. Der Verband kommunaler Unternehmen, aber auch ver.di warnen bereits davor, dass der politische Konsens über die Organisationsfreiheit der Städte und Kommunen in Sachen Wasserversorgung erneut gefährdet sei und unter die Räder kommen könne. Der beste Weg, das zu verhindern, wäre der gleiche, der jetzt erfolgreich beschritten wurde, nämlich sich weiter dafür einzusetzen, dass die kommunale Wasserversorgung beim Freihandelsabkommen ausgeklammert wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Heintze hat das Wort.

(Olaf Ohlsen CDU: Ohne Woter geiht dat nich!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da schon viel Entscheidendes gesagt wurde, will ich mit etwas noch Entscheidenderem anfangen. Auch die CDU in der Bürgerschaft ist froh, dass es so ausgegangen ist, wie wir es gemeinsam auf den Weg gebracht haben – ein sehr schöner Erfolg.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Frau Dr. Schaal, ich kann Sie beruhigen. Die Einigkeit, die Sie bezüglich der Frage, wie wir mit der Wasserversorgung in Europa umgehen wollen, skizziert haben, ist auch durch das anstehende Freihandelsabkommen, das bekanntlich immer für eine Menge Szenarien herhalten muss, nicht gefährdet. Aber auch der politische Wille der Akteure in der Bürgerinitiative, in der Bürgerschaft, im Bundesrat, im Bundestag und in zahlreichen Fraktionen des Europäischen Parlaments ist nicht gefährdet. Also keine Angst: Auch TTIP, wie dieses Abkommen kurz heißt, wird diesen Erfolg nicht gefährden, dafür werden wir alle arbeiten – von daher bitte keine Schreckensszenarien.

Ich glaube, wir haben zwei weitere Erfolge erreicht, die Sie nicht angesprochen, aber sicherlich im Blick gehabt haben. Mit diesem gemeinsamen Einwirken auf Entscheidungen, die in Brüssel getroffen werden, haben wir den Binnenmarkt gestärkt und fairen Wettbewerb ermöglicht, weil die Richtlinie eben nicht gescheitert ist, sondern an einer entscheidenden Stelle ergänzt wird. Im Sinne einer vereinheitlichten, fairen und einfacheren Vergabe ist diese Richtlinie so, wie sie jetzt beschlossen wird, ein politischer Erfolg und gut für Hamburg.

Nichtsdestotrotz gibt es noch eine zweite Komponente; Sie hatten sie angesprochen. Erstmals haben wir es geschafft, staatenübergreifend Menschen für ein Thema in Europa zusammenzubringen. Das ist sicherlich ein großer Erfolg der Bürgerinitiative. Die Zeitenabfolge, in der Kommission und Parlament entschieden haben, ist ein gutes Signal dafür, dass man etwas bewegen kann – auch wenn man in Deutschland, Spanien oder sonst wo in Europa sitzt –, wenn man die Instrumente, die der Europäische Rat und das Europäische Parlament geschaffen haben, auch nutzt.

(Dirk Kienscherf SPD: Europa ist wichtig!)

Ich würde mir wünschen, dass es weitere Themen gibt, wo das so funktioniert, und auch, dass das Verständnis wächst, dass es so funktioniert. Dafür werden wir uns als CDU-Fraktion auf jeden Fall einsetzen, und wir freuen uns über den erreichten Erfolg.

(Dr. Monika Schaal)

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Frau Fegebank.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist nahezu alles gesagt, nur nicht von jedem.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Und von je- der!)

Und von jeder, richtig.

Deshalb will ich es natürlich nicht versäumen, auch noch einmal den Faden aufzunehmen zum Thema "Wasser ist ein Menschenrecht" und "Keine Liberalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge". Auch die GRÜNEN haben von Beginn an auf allen Ebenen, sowohl hier als auch auf dem Deutschen Städtetag, im Bundestag und im Europäischen Parlament, dafür gekämpft, dass es beim Thema Wasser eine Ausnahme in der Konzessionsrichtlinie gibt. Und wir freuen uns, dass wir diesen Erfolg nach der Verabschiedung im Parlament in der letzten Woche jetzt alle zusammen feiern können.

Ich will noch einmal betonen, was wir schon vor einem Jahr angesprochen haben, dass hier ein neuer Weg beschritten wurde, der sich nicht nur auf parlamentarische Debatten und Resolutionen bezieht, sondern bei dem sich viele Bürgerinnen und Bürger grenzüberschreitend der Initiative "right2water" verpflichtet und es in 14 Ländern fast 2 Millionen Unterschriften gegeben hat. Das ist ein großer Erfolg, weil auf diese Art und Weise gezeigt wird, wie innerhalb Europas für ein Thema mobilisiert und öffentlich Druck ausgeübt werden kann. Es ist in diesem Fall auch zivilgesellschaftlichem Engagement zu verdanken, dass etwas verhindert wurde, für das wir uns alle im breiten Konsens und mit großer Mehrheit eingesetzt haben. Das ist gut, diesen Weg müssen wir weitergehen und, wie Herr Heintze es sagte, auch europäische Initiativen zu anderen Themen unterstützen.

(Zuruf von der CDU: Herr Dr. Heintze geht ja nach Europa! – André Trepoll CDU: Dann müssen Sie ihn auch wählen!)

Ich wollte gerade sagen – und da nehme ich Sie beim Wort –, dass ich es nicht versäumen will, Ihnen etwas mit auf den Weg zu geben, denn im Koalitionsvertrag steht dazu nichts. Und die Hinweise, die man bisher von der Kanzlerin oder den zuständigen Verantwortlichen bei der CDU bekommt, geben auch nicht viel her. Wir werden Sie also beim Wort nehmen, Herr Heintze, wenn es darum geht, das Freihandelsabkommen TTIP tatsächlich dahingehend zu entwickeln, dass auch hier der Wasserbereich ausgenommen wird. Da stehen Sie in der Verantwortung, wenn Sie in vier, fünf Monaten für

Hamburg als gewählter Abgeordneter im Europaparlament sitzen.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Also wundern Sie sich nicht, wenn da die eine oder andere Frage auf Sie zukommt. Wasser und Freihandelsabkommen wird das nächste große Thema sein.

Ich will auch noch einmal darauf verweisen, dass IWF und Weltbank in dem Rettungspaket, das teilweise auch hier die Debatten bestimmt hat, darauf gedrängt haben, dass bei den Empfängerländern eine Wasserprivatisierung stattfindet. Auch das ist ein Thema, das weiter auf der Tagesordnung bleiben sollte. Ansonsten hoffe ich, dass wir auch bei anderen Themen, die grenzüberschreitend von Aktualität sind – gerade wenn es um Daseinsvorsorge, öffentliche Güter oder Menschenrechte geht –, zukünftig mit europäischen Initiativen, die breit getragen werden, so viel Druck erzeugen, dass wir die Kommission zu einem Ein- und Umlenken bewegen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Das Wort hat Herr Dr. Kluth.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich sage zu dieser Debatte: Sturm im Wasserglas, dritter Teil. Zum dritten Mal in anderthalb Jahren diskutieren wir nun das angeblich drohende Problem einer Privatisierung der Wasserversorgung.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist Ihnen wohl unangenehm, was?)

Sie schüren damit Angst vor einer angeblich drohenden Privatisierung der Trinkwasserversorgung durch die Europäische Kommission. Das ist unberechtigt, das ist unredlich und nicht sachlich begründet. Ihr Debattenbeitrag, Frau Schaal, stand unter dem Motto: Ich habe meine Meinung, bitte behelligen Sie mich nicht mit den Fakten.

(Beifall bei der FDP)

Eigentlich wurde bei der Sitzung des Europaausschusses der Bürgerschaft am 7. November schon alles Wesentliche gesagt. Matthias Petschke, der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, war anwesend und hat ausgeführt – Zitat –:

"In Deutschland habe […] aufgrund der Tatsache, dass das Wasser erfasst worden sei, der Vorwurf im Raum gestanden, dass […] insbesondere die öffentliche Wasserversorgung einer Privatisierung unterworfen werden solle. Die EU-Kommission habe sich gegen diesen Vorwurf mit dem Hinweis gewehrt, dass es nicht um Privatisierungen ge

(Dr. Roland Heintze)

he und die öffentliche Hand derartige Dienstleistungen selbstverständlich weiterhin uneingeschränkt"

ich wiederhole: uneingeschränkt –

"bei sich belassen könne."

Damit ist die Sachlage eigentlich schon geklärt. Dort, wo die Trinkwasserversorgung in Europa derzeit von Privaten ausgeführt wird, kann dies auch nach der Richtlinie so bleiben, und dort, wo das öffentliche Betreiber wie Stadtwerke oder andere kommunale Unternehmen tun, kann es ebenfalls weiterhin so bleiben. Mit anderen Worten: Die Richtlinie sieht an keiner, aber auch wirklich keiner Stelle einen Privatisierungszwang vor. Sie setzt sich jedoch – und das ist richtig – für mehr Transparenz bei der Vergabe von Konzessionen und bei der Festlegung von Preisen ein. Daher frage ich mich in der Tat, warum das Thema heute schon wieder zur Debatte angemeldet worden ist. Wir debattieren damit nämlich ein Problem, das es gar nicht gibt.

(Beifall bei der FDP)