Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

"Ich rede am Mittwoch in der Hamburgischen Bürgerschaft zu einem Antrag der Grünen, dass in Hamburg künftig auch Volkspetitionen online möglich sind. Möchte mir jemand was dazu mit auf den Weg geben?"

(Jan Quast SPD: Wer sind die GRÜNEN?)

Zunächst kamen die auf Facebook üblichen "Gefällt mir"-Klicks. Ich habe dann relativ schnell geschrieben "Nicht nur liken", denn ich wollte ja Meinungen hören. Das Ergebnis: Die meisten sehen die Möglichkeit positiv. Einige hatten Aufklärungsbedarf, und einige äußerten die Sorge, dass ältere Menschen benachteiligt werden könnten. Beson

ders erwähnenswert finde ich den Beitrag von Andreas Hedrich. Er schrieb:

"Ich sehe das zwiespältig. Grundsätzlich sollte es möglich sein. Viel wichtiger als das ist aber die Auseinandersetzung mit den jeweiligen Themen. Die zunehmende Petitionswut im Netz ähnelt Deinem ersten Kommentar oben: 'Nicht nur liken'. Geklickt ist vieles schnell. Ob Zuspruch für Opfer von Hochwasser und Misshandlungen. Auch 'dagegen' kann man in vielen Netzgemeinden schnell sein, doch die Auseinandersetzung braucht eine breite und differenzierte Öffentlichkeit. Eine Volkspetition online verschiebt scheinbar und symbolisch den Prozess ins Digitale. Das sollte man nur mitdenken und berücksichtigen, dass dies vielleicht auch Bürger/innen abschrecken kann."

Wer ist Andreas Hedrich, werden sich nun vielleicht einige fragen? Einige werden ihn kennen. Er ist Medienpädagoge und gehört dem Vorstand des Mediennetzes Hamburg an. Außerdem ist er einer der Experten, die den Schul- und den Wirtschaftsausschuss am 11. Februar 2014 zur Medienkompetenzförderung beraten werden. Ich finde seinen Beitrag deswegen sehr hilfreich, um das Instrument der Online-Volkspetition realistisch einzuordnen.

Verehrte Abgeordnete! Die Fraktion DIE LINKE ist der Auffassung, dass Volkspetitionen wichtig und richtig sind und gefördert werden sollten. Es geht bei der Erweiterung des Gesetzes über Volkspetitionen aber lediglich darum, einen weiteren Weg zu öffnen. Ich würde es gutheißen, wenn die allein regierende SPD sich dem Anliegen nicht verschließt und fordere Sie auf, die Idee schnell Realität werden zu lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Müller.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Kollegin Duden, ich habe natürlich sehr aufmerksam Ihren Worten gelauscht und bin mir sicher, dass wir im Ausschuss das eine oder andere werden klären können. Vielleicht haben einige von Ihnen Lust, sich vorab schon einmal anzuschauen, wie das in den anderen Landtagen läuft. Tatsächlich setzt man nicht einfach ein "Like", sondern es gibt ein Registrierungsverfahren. Es ist nicht hochkomplex, weil eine Petition tatsächlich keine unmittelbare Folge hat, aber es ist nicht anonym. In den Landtagen gibt es unterschiedlich ausgestaltete Verfahren. Ich würde vorschlagen, uns das im Ausschuss in Ruhe anzuschauen. Wir schlagen auch vor, dass weiterhin Unterschriften gesammelt werden können, man sich aber auch zum selben Thema online registrieren kann. Zudem – das ist neu

(Kersten Artus)

und gibt eine kleine Antwort auf den Beitrag der Kollegin der LINKEN – haben alle Landtage ein Diskussionsforum zur Online-Petition.

(Zuruf von Sören Schumacher SPD)

Das bietet zum Beispiel die jetzige Form der Unterschriftensammlung nicht. Hier gibt es gar keine Diskussion, außer über die Medien. Ich finde es schon interessant, dass neben der Online-Petition in einem Diskussionsforum Pro und Kontra ausgetauscht werden können. Ich fand es sehr spannend, wie das in anderen Landtagen genutzt wird, und freue mich auf die Debatte im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es liegen nun keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen deswegen zur Abstimmung.

Wer möchte einer Überweisung der Drucksache 20/10433 an den Verfassungs- und Bezirksausschuss zustimmen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist einstimmig.

Damit kommen wir zum Tagesordnungspunkt 90, Drucksache 20/10451, Antrag der FDP-Fraktion: Vorratsdatenspeicherung verhindern.

[Antrag der FDP-Fraktion: Vorratsdatenspeicherung verhindern – Drs 20/10451 –]

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Herr Ritter.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die ganze Welt erregt sich über die NSA-Affäre, in Europa wird gegen die Vorratsdatenspeicherung geklagt. Die Große Koalition in Berlin aber will ungerührt die Vorratsdatenspeicherung auf den Weg bringen. Wie man so unsensibel sein kann, liebe Sozialdemokraten, bleibt uns Liberalen ein Rätsel.

(Beifall bei der FDP)

Die Überlegung der großen Volksparteien scheint zu sein, dass es nicht weiter schadet, wenn der eigene Staat zur Sicherheit pauschal alle Daten speichert, da wir vermutlich tagtäglich von Geheimdiensten fremder Staaten überwacht werden. Das ist bei Konservativen vielleicht noch eine verständliche Denke, entstanden vor dem Hintergrund ihres Menschenbildes, der Mensch sei an sich und von Natur aus böse.

(Olaf Ohlsen CDU: Tatsächlich?)

Seit wann aber vertritt die sich bisweilen ach so liberal gebende SPD ein solches Menschenbild? Dass das in Ihren eigenen Reihen auf Widerstand

stößt, zeigt das Mitgliederbegehren "Sozis gegen Vorratsdatenspeicherung". Ich möchte Ihnen einmal zeigen, was in Ihrer eigenen Partei läuft und Ihnen das mitgebracht: "Sozis gegen Vorratsdatenspeicherung".

Meine Damen und Herren von CDU und SPD! Wir Liberale vertreten ein aufgeklärtes Welt- und Menschenbild. Wir sind wirklich liberal, aber nicht doof. Wir meinen, dass die allermeisten Menschen in diesem Land zunächst einmal gut und vernünftig sind. Einige wenige andere gibt es zweifellos auch, aber das ist noch längst kein Grund, den Zigmillionen anständigen Menschen in diesem Land pauschal die Hoheit über ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und Schutz der Privatsphäre zu nehmen.

(Beifall bei der FDP)

Die SPD, die sich laut Berichterstattung weiterhin für das No-Spy-Abkommen mit den USA einsetzt, möchte laut Koalitionsvertrag nun die eigene Bevölkerung überwachen dürfen, denn nichts anderes ist die Vorratsdatenspeicherung. Jede Verbindung wird gespeichert, nicht der Inhalt, aber wohl der Standort, die Dauer des Gesprächs und die Verbindungsdaten des Gesprächspartners. Mit diesen Daten lässt sich aber eine ebenso wirksame Überwachung bewerkstelligen. Bei der Vorratsdatenspeicherung werden Daten von den Anbietern gespeichert. Die Missbrauchswahrscheinlichkeit ist, wie das aktuelle Ereignis des Ausspähens der E-Mail-Passwörter zeigt, hoch und der Zugriff durch Dritte keineswegs ausgeschlossen. Wenn diese Sicherheitslücke bekannt und vermieden werden kann, indem diese Daten erst gar nicht gespeichert werden, dann sollte man das nicht zweimal überlegen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Zudem gibt es eine echte Alternative zur Vorratsdatenspeicherung, nämlich das Quick-Freeze-Verfahren. Dabei werden die Verbindungsdaten nur auf konkreten Tatverdacht auf Antrag der Strafverfolgungsbehörden eingefroren. Dieses Verfahren befürwortet nicht nur der frühere Datenschutzbeauftragte Peter Schaar, sondern auch wir als FDP. Außerdem zeigen Untersuchungen des MaxPlanck-Instituts, dass die Vorratsdatenspeicherung zu keiner systematisch höheren Aufklärungsquote führt. Was vor allem also eingeführt werden soll, wird ein bürokratisches Monster und ein höheres Risiko für Datenklau und Datenmissbrauch.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Ich sage nicht, wer geklatscht hat.

Wenn die Große Koalition die Meinung der Mehrheit der Wähler in diesem Land abbilden würde, dann müssten Sie, meine Damen und Herren von der SPD und der CDU, auf die Vorratsdatenspeicherung verzichten. Nach schon lange bekannten

(Farid Müller)

Umfragen lehnen zwei Drittel aller Deutschen die anlasslose, verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung ab. Daher wäre es konsequent, die Vorratsdatenspeicherung nicht nur vorübergehend auf Eis zu legen, sondern sofort ganz auf sie zu verzichten.

(Beifall bei der FDP und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Bundesjustizminister Maas hat zwar einen ersten Schritt in die richtige Richtung gewagt, versteckt sich aber unserer Meinung nach noch viel zu sehr hinter der anstehenden Entscheidung des EuGH. Das reicht aus Sicht von uns Liberalen beileibe nicht aus.

(Beifall bei der FDP)

Um die vielbeschworene Strafzahlung nicht leisten zu müssen, könnte sich Deutschland zum Beispiel auf EU-Ebene gegen die Vorratsdatenspeicherung stark machen. Herr Heintze ist schon oft benannt worden, auch von uns. Setzen Sie sich gegen die Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene ein oder streben Sie im Notfall eine Nichtigkeitsklage vor dem EuGH an. Wie die NSA-Affäre gezeigt hat, ist mittlerweile zudem auch die EU-Kommission eher kritisch im Umgang mit staatlicher Totalüberwachung. Gerade in Anbetracht der kommenden Datenschutzgrundverordnung, für die sich die SPD ebenfalls stark gemacht hat, wäre es daher nur konsequent, wenn Sie Datenschutz nicht nur privatwirtschaftlich, sondern auch im staatlichen Bereich groß schreiben würden.

Wer sich wie Herr Scholz als liberal, aber nicht doof bezeichnet, der darf nicht an der Vorratsdatenspeicherung festhalten. Hamburg muss sich von der Einführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung abwenden. Dazu müssen Sie nur das tun, was Sie bei weit unwichtigeren Themen schon mehrfach gemacht haben: eine Bundesratsinitiative starten. Stimmen Sie unserem Antrag zu. Seien Sie alle "Sozis gegen Vorratsdatenspeicherung". – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Farid Müller GRÜNE)

Das Wort bekommt Herr Tabbert.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Ritter, zunächst lese ich Ihnen einmal etwas vor, was Ihnen bekannt vorkommen müsste:

"Wir werden den Zugriff der Bundesbehörden auf die gespeicherten Vorratsdaten der Telekommunikationsunternehmen bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung aussetzen und bis

dahin auf Zugriffe zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben und Freiheit beschränken."

Was war das? Das war der Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb im Bund 2009. Vor diesem Hintergrund können Sie doch eigentlich mit der Grundhaltung unseres neuen Justizministers Heiko Maas, Sie haben es gerade auch signalisiert, gar kein Problem haben, denn er macht im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH praktisch das, was die FDP im Bund im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die wir nunmehr seit 2010 kennen, gemacht hat.

(Glocke)

(unterbrechend) : Herr Tabbert, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ritter?

Nein, er kann sich nachher noch einmal melden.

Nach Einschätzung des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs, der der EuGH in der Regel folgt, ist die Richtlinie in ihrer bestehenden Form mit dem Erfordernis unvereinbar, dass jede Einschränkung der Ausübung eines Grundrechts gesetzlich in ausreichendem Maß geregelt sein muss. Angesichts des qualifizierten Eingriffs in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens hätten in der Richtlinie Mindestgarantien für den Zugang zu den erhobenen und auf Vorrat gespeicherten Daten und für ihre Auswertung festgelegt werden müssen. So hätte es dem Unionsgesetzgeber beispielsweise oblegen, die Straftatbestände, die den Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den Daten rechtfertigen, näher zu konkretisieren. Er hätte ferner den Grundsatz aufstellen müssen, dass Behörden, die Zugang zu den Daten erhalten, verpflichtet sind, diese zum einen zu löschen, sobald sie nicht mehr benötigt werden, und zum anderen die Betroffenen über den erfolgten Zugang zumindest nachträglich zu informieren. Der Generalanwalt ist ferner der Ansicht, dass die Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar ist, soweit sie den Mitgliedsstaaten eine Speicherdauer von bis zu zwei Jahren vorschreibt. Den Schlussanträgen ist ferner zu entnehmen, dass vielmehr eine Frist von weniger als einem Jahr für angemessen erachtet wird. Eine abschließende Entscheidung über die Gültigkeit der Richtlinie ist damit aber noch nicht gefallen, auch wenn wahrscheinlich ist, dass die Richtlinie in ihrer jetzigen Fassung vom EuGH für grundrechtswidrig erklärt wird. Dies bedeutet politisch aber doch wohl, dass zunächst eine grundrechtskonforme Richtlinie erarbeitet werden muss, und vor diesem Hintergrund ist das Ziel Ihres Ersuchens schon im Verfahren verfehlt. Die Länder, auf die die Stoßrichtung Ihres