Protokoll der Sitzung vom 08.06.2011

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist falsch! Da stimmt nichts von!)

Meine Damen und Herren! Eine Energiewende sieht anders aus.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kerstan, ich glaube, Sie wollen in Wirklichkeit etwas ganz anderes. Sie haben Ihre ordnungspolitischen Vorstellungen in dem Streitgespräch relativ freimütig dargestellt. – Zitat Kerstan –:

"[Bei einem] Unternehmen, das die Netze besitzt, […] handelt [es] sich um ein Monopol, bei dem der Konzessionsinhaber unbegrenzt verdienen kann."

Da wird klar, wo die Reise hingehen soll, nämlich Energieeinsparung durch Energieverteuerung oder, mit anderen Worten, Reglementieren und Abkassieren als Grundkonzept grüner Politik. Die Zeche zahlen letztendlich die Hamburger Bürger und Unternehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Völsch, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kerstan, ich würde Ihnen dringend empfehlen, einmal über den Rathausmarkt zu gehen und Leute zu fragen, wer in der Stadt als parteipolitisch motivierter Krawallmacher wahrgenommen wird.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Als was?)

Ich kann Ihnen die Antworten sagen: Es wird Ihnen gesagt werden, dass das Leute sind, die zum Beispiel andere Leute persönlich diffamieren, ob es

nun Kollegen aus dem Hause sind wie Wolfgang Rose oder ob es Angehörige von Kollegen aus unserem Hause sind wie Manfred Körner. Das, was Sie eben geleistet haben, war unanständig, Herr Kerstan.

(Beifall bei der SPD)

Ich will mich nicht lange mit dem Meinungsbiotop der FDP zum Thema Staatlichkeit aufhalten, ich will nur einige Bemerkungen machen zum angemeldeten Thema, nämlich dem Rückkauf der Netze.

Erstens: Der Verkauf der HEW war ein Fehler. Das sage ich auch als Sozialdemokrat, wir tragen dafür auch Verantwortung. Aber Sie machen so einen Fehler nicht wieder gut, indem Sie einen neuen Fehler begehen. Sie drehen damit das Rad der Zeit nicht zurück.

(Beifall bei der SPD – Jens Kerstan GAL: Wider besseren Wissens den Fehler zum zweiten Mal machen: an Vattenfall ausver- kaufen!)

Wunderbar, Herr Kerstan.

Zweitens: die Energiewende. Wir wollen eine Energiewende und ich bin mir ziemlich sicher, Thorsten Schäfer-Gümbel kennt die Bedingungen in Hamburg auch sehr gut. Er würde, wenn er darauf angesprochen wird, etwas ganz anderes sagen. Wir wollen eine Energiewende und den Klimaschutz voranbringen. Aber Sie wissen ganz genau, dass der Beitrag, den die Netze dazu leisten werden, denkbar gering ist. Er ist auch deutlich kleiner, als einige Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus und die Initiative uns weismachen wollen. Für die Energiewende müssen wir die Pflöcke in Berlin und in Bonn, bei der Netzagentur, einschlagen, nirgendwo sonst.

(Beifall bei der SPD)

Drittens: Es gibt das Märchen vom 100-Prozent-Kauf. Natürlich unterstützen wir das Ziel einer am Gemeinwohl orientierten und dem Gemeinwohl verpflichteten Energieversorgung.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Sie sagen immer nur überwiegend!)

Der Betrieb der Netze muss Teil der Daseinsvorsorge sein. Was wir aber nicht unterstützen, Frau Heyenn – da würde ich Ihnen empfehlen, mit dem Kollegen Bischoff zu reden, der viel Erfahrung mit öffentlichen Unternehmen hat –, ist ein Ritt auf einer finanzpolitischen Rasierklinge, den wir begehen würden, wenn wir tatsächlich die Rücklage bei HAMBURG WASSER plündern würden. Sie wissen ganz genau, dass diese Rücklage nicht HAMBURG WASSER gehört, sondern der Hamburger Stadtentwässerung. Sie wurde viele Jahre aus den Gebühren der Gebührenzahler finanziert, die diese an die Stadtentwässerung gezahlt haben. Die wer

den uns was husten, das garantiere ich Ihnen, wenn wir das Geld für irgendwelche energiepolitischen Träumereien ausgeben würden und einfach auf den Kopf hauen. Im Übrigen hieße dies auch, dass wir das niemand anderem geben als Vattenfall.

(Beifall bei der SPD)

Eine letzte Bemerkung. Man wundert sich schon an der einen oder anderen Stelle, wenn Schriftliche Kleine Anfragen beantwortet werden und drei Tage vorher schon vertrauliche Gutachten in der Presse erscheinen, die genau die Frage behandeln, die in dieser Schriftlichen Kleinen Anfrage angesprochen wurde. Man fragt sich dann schon, wer da mit vertraulichen Behördenunterlagen parteipolitische Spielchen treibt.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das kennen Sie ja überhaupt nicht!)

Wenn wir etwas erreichen wollen, dürfen wir nicht irgendwelchen verstaubten, etwas anachronistischen Vorstellungen von Markt und Staat nachhängen, wie es die Kollegen von der FDP offensichtlich immer noch tun. Wir dürfen aber auch keinen Wunschträumen nachhängen, wie das andere Kollegen in diesem Hause machen, sondern wir müssen gut und ordentlich regieren, und genau das werden wir tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Hajduk.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte zu einem Aspekt Stellung nehmen, den ich am deutlichsten wahrnehme, wenn die SPD argumentiert, warum sie der Initiative nicht folgen will. Es ist erklärungsbedürftig, weil ich die SPD eigentlich als eine Partei kenne, die ein positives Bekenntnis hat zum öffentlichen Unternehmertum. Man muss einmal herausfinden und da will ich Ihnen gern folgen – Herr Völsch, man kann es auch mit wenig Schaum vorm Mund machen –, warum die SPD so zurückhaltend ist, einen mit Sicherheit gestaltenden Einfluss in einem Politikbereich anzustreben, der im Moment ein Kernbereich der Reformdebatte in ganz Deutschland ist. Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar. Ihr Hauptargument ist, es sei nicht finanzierbar. Hier gewinnt man langsam den Eindruck, wenn der SPD etwas nicht gefällt, dann schiebt sie eine dicke Milliardenzahl vor und sagt, es sei nicht finanzierbar.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Ich möchte daran erinnern, dass Sie und Ihre Fraktion damals, als Sie noch in einer anderen Rolle waren, auch mitdiskutiert haben bei einer Expertenanhörung, die wir zum Thema Rekommunalisie

(Thomas Völsch)

rung und Übernahme der Netze einberufen hatten. Da ist von allen Experten, auch von denen, die Sie benannt haben – dem muss man natürlich nicht folgen –,

(Thomas Völsch SPD: Richtig!)

einmütig gesagt worden, dass Minderheitenübernahmen von 25,1 Prozent gerade aus finanziellen Erwägungen überhaupt nicht überzeugend seien. Dazu müssten Sie eigentlich Stellung nehmen, wenn Sie das finanzpolitische Argument so nach vorn stellen. Da ist die FDP in ihrer Argumentation wenigstens konsequent.

(Beifall bei der GAL und der FDP)

Es wird durch ständiges Wiederholen nicht wahrer, wenn Sie behaupten, dass wir unmittelbar den Haushalt belasten und eine Netzübernahme nicht finanzierbar wäre. Gerade durch eine staatliche Regulierung – im Übrigen gedeckelt, Herr Kluth, man kann hier nicht den Bürgern unbegrenzt in die Tasche greifen – kann man eine sichere Rendite erwirtschaften. So ein öffentliches Unternehmen wäre allerdings nicht dasselbe, das auch den Strom erzeugt. Das machen auch alle anderen Kommunen in Deutschland und sie können es auch und trauen es sich zu, Hamburg jedoch unter absoluter SPD-Herrschaft anscheinend nicht. Da lässt sich eine Konstruktion gestalten, mit der man eine Großinvestition, die Rendite erwirtschaftet, wie ein privates Unternehmen auch kreditär finanziert. Sie kennen das argumentativ, weil Sie eine Partei sind, die gerade in Hamburg positiv gegenüber der Leistungsfähigkeit öffentlicher Unternehmen steht. Ich fände es ehrlicher, wenn Sie sagen, warum Sie die Netzübernahme nicht wollen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

Das hat bei Ihnen keine finanzpolitischen Gründe, sondern es liegt daran, dass Sie sich mit wichtigen Mitarbeiter- und Arbeitnehmergruppen, die in bestimmten Gewerkschaften organisiert sind, nicht anlegen wollen. Das ist jedoch eine andere Begründung und zu der sollten Sie ehrlich stehen, aber nicht das Märchen in Hamburg erzählen, Rekommunalisierung sei nicht finanzierbar. Das tut kein anderer SPD-Landesverband in Deutschland. Ich glaube, Sie haben hier ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem Sie sich eher unglaubwürdig machen. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Das Wort hat nun Frau Sudmann.

In dieser Debatte ist eine Überraschung untergegangen. Wenn Sie alle Frau Stöver aufmerksam gelauscht haben, haben Sie festgestellt, dass sie Kriterien genannt hat, die die CDU anlegt und die alle erfüllt werden können.

Von daher bin ich guter Hoffnung, dass die CDU sich dem Volksbegehren vielleicht sogar in Gänze, zumindest aber durch einzelne Personen, anschließt. Ich habe immer auf den Haken gewartet und vermute, dass er bei Ihnen noch irgendwo steckt. Aber wenn es keinen Haken gibt, haben Sie wirklich eine überraschende Rede gehalten. Dafür zolle ich Ihnen Anerkennung.

(Beifall bei der LINKEN und bei Katharina Wolff CDU – Andy Grote SPD: Das hat Ihre Fraktion gar nicht bekommen!)

Die zweite Überraschung hat die SPD geliefert, und zwar deswegen, weil, besonders auch bei Herrn Völsch, keine neuen Argumente aufgetaucht sind. Die SPD hatte bis Dezember 2010 beziehungsweise Januar 2011 durchaus gute Argumente, die auch für eine hundertprozentige Übernahme der Netze gesprochen haben. Es gibt nur eine einzige Änderung, und zwar die, dass Sie jetzt in der Regierungsverantwortung sind. Es ist ein echtes Armutszeugnis, jetzt die eigenen Gedanken zu verbieten.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Völsch, was Sie über die Rasierklinge gesagt haben – Frau Hajduk hat das eben schön auseinandergenommen –, erweckt bei mir das Gefühl, dass sie eher zum Selbstmord führen wird, weil Sie mit 25,1 Prozent nichts bewirken. Sie würden nachher nicht nur gefrustet sein, sondern sich fragen, was man mit 25,1 Prozent machen soll,

(Dirk Kienscherf SPD: Kommt auf den Ver- trag an!)

denn damit kann man nichts anfangen.

Zur FDP kann ich nur danke sagen, denn sie liefert wirklich Beweise und Argumente dafür, warum es so wichtig ist, die Netze in staatliche Regie, wie Sie gern sagen, zu übernehmen. Sie pochen immer darauf, dass das, was Gewinne macht, unbedingt privatisiert werden soll. Ich erinnere mich an die Diskussion zur Hypo Real Estate, bei der die FDP sagte, sie müsse verstaatlicht werden, sie habe schlecht gewirtschaftet und große Verluste gemacht. Und nach Ihrer Logik – das haben Sie wohl auch erkannt – sind die Netze sehr gewinnbringend. Sie können im Internet auf der Homepage der Initiative "Unser Hamburg – Unser Netz" nachlesen, dass Hamburg jährlich 450 Millionen Euro einnehmen könnte, die jetzt Vattenfall durch die Durchleitungsgebühren erhält. Das ist Geld, das wir gut gebrauchen können. Es ist aber auch Geld, das wirklich viele Gewinne abwirft. Aber die wollen Sie nicht haben, denn Sie hätten es lieber privatisiert. Deswegen danke ich für Ihre Argumentationshilfe für das Volksbegehren.