Protokoll der Sitzung vom 27.02.2014

(Dora Heyenn DIE LINKE: Vor allem ganz egal, welcher Herkunft!)

egal, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, ein höheres Bildungsniveau erreichen können.

Frau Heyenn, Sie sind doch gleich dran!

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ja, genau! – Finn-Ole Ritter FDP: Aber erst mal bin ich dran!)

Und um dieses zu erreichen, haben wir uns gemeinsam darauf verständigt, die Stadtteilschule einzuführen.

Meine Damen und Herren! Die Stadtteilschule ist auf dem Weg, dieses Ziel sehr wohl zu erreichen. Sie führt inzwischen über 2500 Kinder im Jahr zum Abitur, und wenn mir ein Schulleiter in Lurup berichtet, dass mittlerweile 120 Kinder die Oberstufe einer Luruper Stadtteilschule besuchen, dann ist das ein großartiger Erfolg. Das sollte uns allen Stolz und Respekt abverlangen, und wir sollten nicht der Versuchung erliegen, die Stadtteilschule nur schlechtzureden.

(Beifall bei der CDU)

Dennoch gibt es Probleme, Frau von Berg sagte es bereits. Manche Stadtteilschulen sind extrem erfolgreich, sie sind attraktiv, die Eltern wählen sie gern, weil sie vom pädagogischen Konzept überzeugt sind. Aber andere Stadtteilschulen, und das

(Lars Holster)

sind nicht selten solche in sozial benachteiligten Stadtteilen, sind leider weniger erfolgreich und weniger attraktiv. Diese Schulen stehen im Wettbewerb, und zwar im Wettbewerb mit anderen Stadtteilschulen und mit den Gymnasien. Und ich sage ausdrücklich: Das ist auch gut so. Wettbewerb ist nämlich die einzige Chance, tatsächlich Schulentwicklung auf Dauer voranzubringen. Es nützt auch nichts, die Probleme an diesen Stadtteilschulen zu verschweigen oder ein Redeverbot über Schwierigkeiten zu verhängen. Das wird so nicht gehen. Diese Schulen werden überzeugen müssen mit ihrem pädagogischen Konzept, und Eltern werden diese Schulen als die attraktiveren in ihrem Umfeld wieder wählen müssen.

Wenn wir aber – auch da gebe ich Frau von Berg recht – die Stadtteilschulen mit dem Thema Inklusion allein lassen, wenn Stadtteilschulen nicht überzeugend darlegen können, dass Kinder, die tatsächlich zum Abitur geführt werden wollen, auch eine Chance bekommen, in der Mittelstufe schon einen entsprechenden Leistungsstand zu erreichen, wenn diese Stadtteilschulen das nicht nach außen deutlich machen, dann werden die Eltern mit den Füßen abstimmen. Und das werden Sie auch durch alle Rhetorik nicht vermeiden können.

(Beifall bei der CDU – Glocke)

Ich habe mir schon gedacht, dass die Zeit zu kurz ist.

Auf das Thema Inklusion komme ich dann gleich noch. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Dann hat jetzt zunächst Herr Ritter das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vergangene Woche titelte das "Hamburger Abendblatt": Inklusion überfordert viele Schulen. Damit verdichtet sich unsere Befürchtung zur allgemeinen Erkenntnis. Schulleiter, Lehrer, Eltern und Schüler in der ganzen Stadt sagen, dass die Mangelinklusion des Schulsenators Rabe gescheitert sei, vor allem an den Stadtteilschulen.

(Beifall bei Robert Heinemann CDU – Dirk Kienscherf SPD: Die kriegen so viel Geld wie nie!)

Dies bringt das ganze Zwei-Säulen-Modell in die Gefahr zu scheitern. Diese Krise hat allerdings mehrere Ursachen, und wir machen es uns da nicht so ganz einfach.

CDU und GRÜNE, die heute Krokodilstränen über die Probleme vergießen, haben den Grundstein dafür gelegt. Unter ihrer Führung wurde das Schulgesetz um Paragraf 12 ergänzt. Schüler mit Behinderung und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben so Wahlfreiheit zwischen einer

Förderschule und einer allgemeinbildenden Schule erhalten. Nur hat niemand von Ihnen Vorsorge dafür getroffen, dass dieses Wahlrecht breit in Anspruch genommen werden kann. Unterausgestattet und überfordert wurden vor allem die Stadtteilschulen in diesem Prozess alleingelassen. Und Sie, Herr Senator Rabe, haben daran in drei Jahren Amtsführung nichts verändert. Unterausgestattet, alleingelassen und nun auch noch bei der Anmelderunde zunehmend abgemeldet, das ist die verheerende Bilanz Ihrer Politik, Herr Senator Rabe.

(Beifall bei der FDP)

Sie scheitern dabei nicht nur an der Realität, wie es Frau von Berg gesagt hat, sondern Sie missdeuten auch die UN-Behindertenrechtskonvention. Dort heißt es, dass Schüler mit Behinderung ein Recht auf ein inklusives Schulsystem haben, ein Recht, aber keine Pflicht. Genau das, nämlich eine Pflicht, haben Sie jedoch de facto daraus gemacht.

(Gerhard Lein SPD: Was ist das denn für ein Quatsch! – Dirk Kienscherf SPD: Das stimmt doch gar nicht! Die haben weiterhin Wahl- recht!)

Die Förderschulen werden geschlossen, zusammengelegt und insgesamt vernachlässigt. Die Schüler müssen weite Wege auf sich nehmen, um dann in schlecht ausgestatteten, regionalen Bildungs- und Beratungszentren beschult zu werden. Das aber verlangt keine UN-Konvention, im Gegenteil, sie weist darauf hin, dass es weiterhin gesonderte Einrichtungen für Kinder mit Behinderung geben kann, wenn sie gebraucht werden. Das aber hat schon Schwarz-Grün in seiner Art Tugendgetriebenheit übersehen, und die SPD macht aus Gründen der Einsparpotenziale genau das Gleiche.

Sie setzen dann noch eins drauf durch die Vernachlässigung der Stadtteilschule. Auch das begann unter Schwarz-Grün mit der fehlgeleiteten Fixierung auf die Primarschule. Das setzt sich fort. Ressourcen und Kinderzahlen passen überhaupt nicht zusammen, die Zahl der Kinder ist an manchen Schulen mehr als dreimal so hoch wie von der Behörde angenommen. Ihre Reaktion darauf ist an Ignoranz kaum zu überbieten, und Schuld hätten natürlich die Schulen. Sie zählen falsch und sagen, die Diagnosemaßstäbe hätten sich verschoben. Herr Senator Rabe, Sie lassen die Schulen nicht nur mit ihren Problemen allein, Sie verhöhnen sie dann auch noch.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl CDU – Dirk Kienscherf SPD: Un- glaublich!)

Ihre misslungene Ressourcenverteilung führt dazu, dass zwischen Anspruch und Wirklichkeit Welten liegen.

(Karin Prien)

Zum Scheitern verurteilt ist auch die Rolle rückwärts, die die CDU jetzt vorschlägt. Ihre Leuchtturmschulen sind nichts weiter als die R-Klassen von früher, Kollegin Prien. Wir brauchen stattdessen dringend wieder die Einzelfalldiagnostik. Sie wird von Schulleitern, Lehrern und Sonderpädagogen verlangt, und die FDP hatte sie im Herbst beantragt. Aber Senator Rabe und die SPD verweigern sich, man könnte fast denken, absichtlich, als wollten Sie die Krise der Inklusion und der Stadtteilschule gar nicht lösen, als wollten Sie alles noch schlimmer werden lassen, bis die Einheitsschule als Ergebnis aus den Trümmern von Stadtteilschule und Gymnasien entsteht.

Diesem politischen Versagen muss Einhalt geboten werden. Lehrer, Eltern und vor allem Schüler erwarten dies. Nehmen Sie die immer lauter werdenden Proteste endlich ernst, führen Sie die Einzelfalldiagnostik und die fallgerechte Finanzierung ein, bevor Inklusion zum Schimpfwort verkommt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt hat Frau Heyenn das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! 2010 sind wir in dieser Bürgerschaft und in der Stadt gestartet mit dem ZweiSäulen-System, und es war immer die Rede von Gleichwertigkeit, von gleichwertigen Abschlüssen und zwei gleichwertigen Strängen. Jetzt hören wir jeden Monat entweder, dass wir die Stadtteilschule stärken müssen, oder wir hören, dass man aufhören muss, die Stadtteilschule schlechtzureden.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Vor allem der letzte Punkt ist wichtig!)

Wir haben jetzt eine Situation, in der wir ernsthaft darüber reden müssen, was aus diesem Zwei-Säulen-System eigentlich geworden ist. Warum müssen wir eigentlich ständig darüber reden und warum muss ständig ein Antrag eingebracht werden oder eine Diskussion stattfinden mit der Überschrift "Stadtteilschule stärken"?

Der Anteil der Viertklässler, die bei den Gymnasien angemeldet werden, liegt inzwischen bei 55 Prozent. Und ich glaube, keiner in diesem Raum zweifelt daran, dass, wenn dies so weitergeht und nichts geändert wird, diese Zahl bald bei 60 Prozent liegt. Dann ist die Stadtteilschule das, was die Hauptschule einmal war, nämlich die Restschule. Das will keiner und deswegen muss etwas passieren.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Das Problem ist, dass von diesen Schülern, die in den Gymnasien ankommen, 12 Prozent nach der

sechsten Klasse wieder zurückgehen. Das sind über 800 Schülerinnen und Schüler. Und sie kommen nicht in der Stadtteilschule an mit einem Hurra, dass sie endlich dort sind und endlich ein neues Schulsystem und moderne Pädagogik genießen könnten, sondern sie kommen dort als Verlierer an. Sie kommen mit dem Wissen im Gepäck an, dass sie für das Gymnasium zu dumm waren. Das muss man einmal ganz deutlich sagen. Und als Lehrer oder Lehrerin brauchen wir mindestens ein halbes Jahr, um diesen Schülerinnen und Schülern wieder Selbstbewusstsein zu geben. Das ist etwas, das unbedingt aufhören muss.

(Beifall bei der LINKEN und bei Gerhard Lein SPD und Christa Goetsch GRÜNE)

Und was ist mit den 45 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die nach der vierten Klasse in der Stadtteilschule ankommen? Davon haben im Durchschnitt 9 Prozent eine Gymnasialempfehlung, beim Gymnasium dagegen sind es 91 Prozent mit einer Gymnasialempfehlung. Der Durchschnitt von 9 Prozent bei Stadtteilschulen bedeutet aber auch, dass wir Stadtteilschulen haben, zu denen nur 2 Prozent der Fünftklässler mit einer Gymnasialprognose kommen. Das bedeutet, wenn diese Schulen eine Oberstufe haben, dann müssen viel Pädagogik und viel Förderung eingesetzt werden, damit man das überhaupt schafft. Im Grunde ist das die Quadratur des Kreises, und das ist eine derartige Herausforderung für die Stadtteilschulen und eine Hypothek, die man kaum tragen kann.

In den letzten zwei Jahren haben sich auch durch die Hilfe dieses Parlaments die Bedingungen der Stadtteilschulen verschlechtert. Ich erinnere nur daran, dass wir mit Mehrheit darüber abgestimmt haben, dass nach der zehnten Klasse Gymnasium abgeschult werden kann in Klasse 11 der Stadtteilschule. Das ist das gleiche System, und es ist wieder so, dass dort Schüler ankommen mit einem gebrochenen Selbstbewusstsein.

Der zweite Punkt ist, dass die Daten der Schulinspektion jetzt veröffentlicht werden sollen. Nun kommt die CDU und hat eine eigene Datenbank ins Netz gestellt. Das hat sie gemacht durch Auswertungen von Schriftlichen Kleinen und Großen Anfragen. Ich habe mir das angeschaut, da ist alles Mögliche enthalten. Es steht dort, wie viele Stunden ausfallen, wie viele Vertretungslehrer es gibt und so weiter.

(Gerhard Lein SPD: Falsch, falsch!)

Aber das Problem ist, dass das für keine einzige Schule zutrifft, weil Sie nämlich veraltete Schriftliche Kleine Anfragen verarbeitet haben. In Ihrer Liste steht beispielsweise über eine Schule, dass sie vier Container habe. Das waren die letzten vier, die nachgenehmigt wurden, eigentlich hat die Schule aber 35 Container. So geht das immer weiter, das ist einfach ein Unding.

(Finn-Ole Ritter)

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD – Robert Heinemann CDU: Das sind die Zahlen des Senats!)

Das Ziel dieser Datenbank ist deutlich. Sie wollen jetzt nämlich auch noch diesen gebeutelten Stadtteilschulen ein Ranking aufzwingen. Ehrlich gesagt, wenn Sie mit 91 Prozent der Schüler, die eine Gymnasialempfehlung haben, ankommen, und machen dann in der zehnten Klasse einen Vergleich bei den Noten oder in der 12. beziehungsweise 13. Klasse einen Vergleich bei den Abiturnoten, dann liegt es doch auf der Hand, dass die Noten in den Gymnasien besser sein müssen, weil dort ganz andere Schüler ankommen. Dann sagt Frau Prien, dass Wettbewerb toll sei und Wettbewerb sein müsse. Was ist denn das für ein Wettbewerb mit völlig ungleichen Voraussetzungen? Das ist einfach der Tod der Stadtteilschule.

(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei den GRÜNEN und bei Gerhard Lein SPD)

Der CDU ist noch mehr eingefallen. Da sich jetzt so viele Schülerinnen und Schüler bei der Stadtteilschule anmelden, kommen Sie auf die Idee und wollen Aufnahmeprüfungen machen lassen. Haben Sie eigentlich vergessen, was im Volksentscheid stand? Dort stand, dass der Elternwille entscheiden solle und keine Aufnahmeprüfung.