Protokoll der Sitzung vom 27.02.2014

[Antrag der FDP-Fraktion: Gesellschaftliche Anerkennung des Ehrenamts durch die Ehrenamtskarte stärken – Drs 20/10997 –]

Diesen möchte die FDP-Fraktion an den Sozialausschuss überweisen. Die SPD-Fraktion möchte ebenfalls eine Überweisung an den Sozialausschuss. – Das Wort hat Frau Fegebank.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich ganz herzlich für die Geburtstagswünsche bedanken. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Meine Fraktion hat mich mit vier Debatten heute beschenkt, und auch darüber ist die Freude schier grenzenlos.

(Beifall bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE – Heiterkeit im Plenum – Erster Vizepräsident Frank Schira übernimmt den Vorsitz.)

Ich beginne mit der ersten, bei der ich mir sicher bin, dass sie etwas weniger emotional als die gerade in der Aktuellen Stunde geführte Schuldebatte verläuft. Es geht um das Thema Anerkennung des Ehrenamts. Ich weiß, dass wir uns in diesem Hause im Prinzip alle einig sind, dass in Hamburg als Stadt der Bürgerinnen und Bürger mit einem sehr ausgeprägten Gemeinsinn das Ehrenamt und das bürgerschaftliche Engagement eine zentrale Rolle spielen als Säule und Stütze der Gesellschaft und der menschlichen Metropole. Dieses Engagement trägt immer dazu bei, die Stadt weiterzuentwickeln. Tatsächlich engagieren sich rund 460 000 Menschen – das ist nahezu jeder dritte Hamburger, jede dritte Hamburgerin – in völlig unterschiedlichen Bereichen, sei es im Katastrophenschutz, bei der freiwilligen Feuerwehr, im Bereich des Sports oder der Kultur, in der Seniorenarbeit, in Organisationen für Migranten, im Bereich des Sozia

(Dora Heyenn)

len oder auch im Bereich der Wirtschaft. Jeder von Ihnen wird die Heldinnen und Helden des Alltags kennen, die sich neben Job, Familie und vielleicht einer Pflegeverpflichtung überdurchschnittlich in einem Bereich engagieren.

Wir wissen aber auch – dazu haben wir hier schon die eine oder andere Debatte geführt, und der Senat hat sich mit dem Vorschlag auf den Weg gemacht, demnächst eine Freiwilligenstrategie einzubringen –, dass sich laut Freiwilligensurvey 25 Prozent der Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren und damit die Bürgergesellschaft in Hamburg stärken, eine bessere, sichtbarere Anerkennung wünschen. Da gibt es verschiedene Wege, die schon im Sinne der Freiwilligenstrategie skizziert wurden, durch Empfänge, Urkunden und auch den Hamburger Nachweis, den wir ausdrücklich gut und richtig finden, wo aufgelistet wird, wann sich jemand wo und in welchem zeitlichen Umfang engagiert. Das soll auf jeden Fall weiterentwickelt werden, denn das sind alles richtige Ansätze.

Wir glauben, dass das bürgerschaftliche Engagement darüber hinaus geht und nicht nur eine Anerkennung staatlicher Stellen, also des Senats und der Bürgerschaft, vorsehen sollte, sondern dass es breiter getragen werden sollte im Sinne von "Ich unterstütze dich in deinem Engagement". Deshalb wollen wir nach dem Vorbild von inzwischen mehreren Bundesländern – dazu gehören NRW, unser Nachbarland Schleswig-Holstein, Bayern und Sachsen – eine Ehrenamtskarte einführen und fordern den Senat auf, das auf den Weg zu bringen.

Ich habe hier ein vergrößertes Modell einer Ehrenamtskarte dabei. Diese ist nicht sonderlich handlich, aber sie ist im Original sehr viel kleiner und im Scheckkartenformat dann auch im Portemonnaie mitzuführen. Das ist hier das Beispiel aus Nordrhein-Westfalen, die einfach deutlich schöner ist als die aus Schleswig-Holstein. Bei der Ehrenamtskarte geht es darum, mit Partnern aus der Stadt, mit Theatern, Kinos, Museen, Restaurants und vielleicht auch dem einen oder anderen Laden aus dem Einzelhandel Verabredungen zu treffen, dass diejenigen, die sich ab dem 16. Lebensjahr mit einer bestimmten Stundenzahl in der Woche oder im Jahr engagieren, in den Besitz dieser Karte kommen und damit Vergünstigungen oder Ermäßigungen erhalten als Zeichen der Anerkennung und des Dankes. Das funktioniert in anderen Bundesländern gut. Es ist eine breite Wertschätzung spürbar, die sich jenseits des staatlichen und institutionalisierten Spektrums befindet. Uns ist die Verantwortung der gesamten Gesellschaft für diejenigen wichtig, die sich ehrenamtlich engagieren. Wir wollen die Ehrenamtskarte nicht nur als Symbol nutzen, sondern den Menschen richtig etwas in die Hand geben und eine gesellschaftliche Wertschätzung für diejenigen ausdrücken, die sich oft über die Maßen hinaus viele Stunden in der Woche mit

unterschiedlichen Formen des Ehrenamts auseinandersetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Idee ist, dass Unternehmerinnen und Unternehmer, soziale, kulturelle und sportliche Einrichtungen sagen: Wir bedanken uns bei euch dafür, dass ihr die Stadt ein bisschen zu dem macht, was sie ist. Und da ist Hamburg führend als Stadt der Bürgerinnen und Bürger mit einem sehr ausgeprägten Gemeinsinn. Deshalb diese Ehrenamtskarte, die mehr als reine Symbolik ist. Deshalb beinhaltet unser Antrag auch einen Prüfauftrag an den Senat, ob der HVV sich einbringen könnte, denn wir wissen von vielen Ehrenamtlichen, dass Ermäßigungen im öffentlichen Personennahverkehr von vielen gewünscht sind und als Ausdruck von Anerkennung wahrgenommen werden würden.

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Diskussion im Sinne des gesellschaftlichen Engagements und der Anerkennung dieses Engagements im Sozialausschuss weiterführen könnten, und freue mich auf die Debatte. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt hat Frau Müller das Wort.

Sehr geehrtes Präsidium, meine Damen und Herren! Noch einmal herzlichen Glückwunsch, Frau Fegebank, zum Geburtstag.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Das Spannendste zuerst: Wir werden den Antrag "Gesellschaftliche Anerkennung des Ehrenamts durch die Ehrenamtskarte stärken" überweisen, und zwar an den Sozialausschuss, wo er auch hingehört, genauso wie wir es mit dem Antrag der FDP zu der Drucksache 20/10997 machen werden. Warum nicht gleich beschließen? Die Antwort findet sich zum einen in der Antwort des Vorgängersenats auf die Schriftliche Kleine Anfrage des SPD-Kollegen Buschhüter, Drucksache 19/7216: "Einführung einer Ehrenamtskarte?" und zum anderen in einem Antrag der SPD, Drucksache 20/ 5856: "Hamburg 2020: Eine Freiwilligenstrategie für Hamburg". Ich zitiere aus der Antwort der Vorgängersenats auf die Frage 8:

"Inwieweit erachten der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Einführung einer Ehrenamtskarte für sinnvoll, welche Vor- beziehungsweise Nachteile sieht der Senat?"

"Im Austausch mit Ehrenamtlichen und Netzwerken wurde kein Bedürfnis nach einer Ehrenamtskarte festgestellt. Als entschei

(Katharina Fegebank)

dende Form der Wertschätzung wird dort die Bereitstellung von Finanzmitteln für die eigenen Projekte, die öffentliche Anerkennung des Engagements und die Möglichkeiten zur Qualifizierung und Absicherung vor Unfallund Haftpflichtrisiken gesehen."

So weit die Antwort des von CDU und GRÜNEN getragenen Senats aus dem Jahr 2010. Aktuell wird ein Konzept zur Verbesserung verschiedener Aspekte des bürgerschaftlichen Engagements entwickelt, in dem es im Besonderen um die Anerkennungskultur geht, die Freiwilligenstrategie 2020. Weiter ins Detail zu gehen, würde hier den Rahmen sprengen. Für ausführliche Informationen kann ich Ihnen die Seite www.hamburg.de/freiwilligenstrategie-2020 empfehlen. Sie ist wirklich sehr gut gemacht, und es wird deutlich, wie viel Engagement dahintersteckt.

(Beifall bei der SPD)

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Mitwirkenden des Beteiligungsverfahrens, bei den Teilnehmern der Veranstaltungen des Strategieforums, den Arbeitsgruppen und dem Bürgerforum für die Zeit, die Ideen und die Arbeit, die sie freiwillig in dieses für Hamburg erstmalige Projekt einer bereichsübergreifenden Freiwilligenstrategie investiert haben, herzlich bedanken.

(Beifall bei der SPD)

Egal, ob sie aus dem zivilgesellschaftlichen Engagement, der gewinnorientierten Wirtschaft oder dem gemeinwohlorientierten staatlichen Bereich kommen, dieses trisektorale Vorhaben nähert sich dem Punkt, an dem sich die Bürgerschaft mit dem erarbeiteten Konzept beschäftigen wird. Aus Wertschätzung erfolgt jetzt auch die Überweisung des Antrags, selbst wenn er nur einen Teilaspekt dieser gewaltigen Aufgabe behandelt. Freiwilliges Engagement ist wichtig. Wir können ihnen nur immer wieder zeigen, wie dankbar und erfreut wir über ihr Engagement sind. Ganz besonders möchte ich auch den Beteiligten der federführenden BASFI danken. Wir, unsere Fraktion, wissen alle, wie groß die Aufgabe war, vor der die Mitarbeiter standen und mit wie viel Engagement sie sich in die Arbeit gestürzt haben. Auch dies verdient unsere Wertschätzung und ist nicht selbstverständlich.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN und der FDP, ich schlage deshalb vor, dass wir das Thema Ehrenamtskarte im Licht der Ergebnisse der Freiwilligenstrategie im Sozialausschuss besprechen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Dr. Föcking.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Müller, ich habe mir die alte Drucksache auch noch einmal angeschaut und erinnere mich, dass damals die Schwierigkeiten mit dem Familienpass Anlass für diese Antwort waren, die auf die Ehrenamtskarte gegeben wurde. Es ist eigentlich eine Binsenweisheit und kann trotzdem nicht oft genug wiederholt werden, welche Bedeutung das Ehrenamt hat. Du, liebe Katharina, liebes Geburtstagskind, hast vor allen Dingen den Bereich freiwillige Feuerwehr, DLRG-Rettungsschwimmer, Vorlesepaten erwähnt, aber unser ganzes Gemeinwesen lebt eigentlich vom Ehrenamt; denken wir an die vielen Beiräte in der Stadt, die Deputationen, die Gewerkschaften, die Kirchen

(Dirk Kienscherf SPD: Die Parteien!)

und nicht zuletzt die Parteien.

(Dirk Kienscherf SPD: Die größte Ehren- amtskarte ist die SPD-Karte!)

Es wird nämlich gerne vergessen, dass auch wir alle davon profitieren, dass es sehr viele Menschen gibt, die arbeiten, ohne für ihre Arbeit und ihre Arbeitszeit Geld zu verlangen. Insofern ist die Unterstützung des Ehrenamts oder des freiwilligen Engagements, wie es auch gerne heißt, für uns alle ein wichtiges Anliegen. Auch die Regierungskoalition in Berlin – darauf kann man hier einmal hinweisen – hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Voraussetzungen für dieses Engagement weiter zu verbessern und für mehr Anerkennung dieses Engagements zu sorgen.

In Hamburg haben wir, das ist auch schon gesagt worden, bereits eine ganze Menge dieser Anerkennungsformen, von Medaillen und Preisen bis hin in die Regionalausschüsse und Bezirksversammlungen, und auch der Hamburger Nachweis, der 2005 unter der CDU eingeführt wurde, gilt als Erfolg, übrigens auch bei der einschlägigen Arbeitsgruppe der schon erwähnten Freiwilligenstrategie. Die Ehrenamtskarte kann durchaus ein weiteres Mittel der Anerkennung sein.

Allerdings, liebe Katharina, muss ich ein bisschen Wasser in deinen Geburtstagswein gießen: Wenn man sich die Zahlen aus Schleswig-Holstein anschaut, dort gibt es die Ehrenamtskarte seit 2009, dann waren es nach einem Dreivierteljahr – lassen Sie mich jetzt nichts Falsches sagen – ungefähr 1000 Karten pro Jahr, die abgegeben wurden. Das ist nicht so furchtbar viel. Allerdings sind auch die Kosten nicht so schrecklich hoch; 10 000 Euro pro Jahr kostet das den Kieler Landeshaushalt. Das wäre jetzt nicht unbedingt ein Grund, gegen die Karte zu sein. Wir werden das im Sozialausschuss ausführlicher behandeln, und dort sollten dann auch die Fragen, die im FDP-Antrag zum Tragen kommen, genauer beraten werden. Übrigens hätten Sie durchaus in die Anfrage Ihres FDP-Kolle

(Doris Müller)

gen in Schleswig-Holstein schauen können; zumindest für dort sind die Zahlen schon veröffentlicht.

Falls wir die Ehrenamtskarte in Hamburg einführen sollten, haben wir von der CDU allerdings eine zusätzliche Forderung: Dann sollte die Ehrenamtskarte auch in unseren Nachbarbundesländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein gelten. Das wäre sinnvoll. Niedersachsen und Bremen kennen eine solche Kooperation, und auch beim Thema Ehrenamt sollten wir nicht nur von der Metropolregion reden, sondern in der Beziehung auch handeln.

(Beifall bei der CDU)

Handeln beim Thema Ehrenamt – damit komme ich zu der berühmten Freiwilligenstrategie – muss jetzt aber vor allem der Senat.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Wo ist der Senat eigentlich?)

Vor anderthalb Jahren wurde die sogenannte Freiwilligenstrategie 2020 gestartet. Seitdem haben Foren und Arbeitsgruppen getagt, und wichtige Forderungen wie die nach einer Förderung von Seniorengenossenschaften wurden in diese Foren überwiesen und, wie ich fürchte, dort begraben, um sie nicht direkt ablehnen zu müssen.

(Dirk Kienscherf SPD: Das war doch ein Witz, inhaltlich war das doch völlig leer!)

Noch immer warten wir auf konkrete Ergebnisse. Frau Müller hat gesagt, wir näherten uns gerade dem Punkt, wo wir damit vielleicht auch rechnen können. Stattdessen – das muss hier auch gesagt werden, wenn wir über Ehrenamt reden – verschlechtert der Senat de facto an ganz vielen Stellen die Rahmenbedingungen für das freiwillige Engagement, nämlich überall dort, wo bei den Zuwendungen vor allem für kleinere Einrichtungen und Träger gespart wird.

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Frau Dr. Föcking, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihrer Kollegin Müller?