Protokoll der Sitzung vom 07.05.2014

(Beifall bei der LINKEN)

Unsere Forderung für bessere Bedingungen in der Pflege lauten: Mindestpersonalbemessung in der Pflege, ein Mindestlohn von derzeit wenigstens 12,50 Euro, ein baldiger Tarifabschluss in den Krankenhäusern und, das können und sollten wir hier konkret in Hamburg tun, eine Änderung des Hamburgischen Krankenhausgesetzes, damit die vielen Investitionskostenzuschüsse in Millionenhö

he mit konkreten Auflagen und Berichtspflichten sowie Personalbesetzung und Kontrollmöglichkeiten verbunden werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Frau Timmermann von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Artus, Ihr Titel zur Aktuellen Stunde ist nicht gerade eine Imagekampagne für die Pflegeberufe.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP und Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Die Pflegekräfte in den Krankenhäusern und in den Senioreneinrichtungen leisten eine sehr verantwortungsvolle und engagierte Arbeit. Sie tun den Pflegekräften unrecht, wenn Sie behaupten, die Pflege in Hamburg liege am Boden.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Es ist unbestritten, dass wir einen Pflegefachkräftemangel haben, der sich, wenn wir nicht gegensteuern, weiter verschärfen wird. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist die Ausprägung in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. Hamburg hat im Ländervergleich bis 2030 die zweitniedrigste Steigerungsrate bei dem zu erwartenden Anstieg der Zahlen der Pflegebedürftigen. Hamburg liegt bei 32 Prozent und, nur, um einmal ein Gefühl dafür zu bekommen, Schleswig-Holstein bei über 50 Prozent. Trotzdem haben wir es mit einer großen Herausforderung zu tun, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Uns ist sehr bewusst, dass wir den Pflegeberuf attraktiver gestalten müssen. Dazu gehört, wie Sie schon gesagt haben, eine bessere Bezahlung. Da sind aber die Tarifpartner gefordert. Außerdem sind, Sie haben es deutlich gesagt, gute Arbeitsbedingungen und vor allem ein höheres Ansehen in der Gesellschaft, eine höhere Wertschätzung der Tätigkeit der Pflegekräfte unbedingt vonnöten.

Der Senat hat in den vergangenen drei Jahren bereits einige Maßnahmen auf den Weg gebracht, wie zum Beispiel die Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres, die Einführung der Ausbildungsumlage in der Pflege zum Ausbildungsjahr 2013/2014 – vielleicht noch einmal für Sie zur Erinnerung, Frau Artus, bei unserem Antrag haben Sie sich seinerzeit enthalten –, die Festschreibung einer 50Prozent-Fachkräftequote in den Pflegeeinrichtungen, die Umfrage zur Einrichtung einer Pflegekammer mit dem Ergebnis, dass dies in Hamburg mehrheitlich nicht gewünscht worden ist, aber auch die Förderung des Netzwerks Palliative Geriatrie durch die BGV zur Förderung eines würdevollen Umgangs mit dem Lebensende, sei es in der Pfle

(Kersten Artus)

geeinrichtung, im Krankenhaus oder zu Hause. Auch in dem Demografiekonzept "Hamburg 2030", das der Senat kürzlich vorgelegt hat, ist auf den Themenkomplex Pflege sehr intensiv eingegangen worden. Es sind Wege aufgezeigt worden, wie die Zahl der Ausbildungsplätze bedarfsgerecht ausgebaut werden soll. So soll zum Beispiel in der Altenpflege die Anzahl der Ausbildungsplätze von zurzeit 400 auf 700 angehoben werden. Es werden unterschiedliche maßgeschneiderte Ausbildungswege eröffnet, um den jungen Menschen berufliche Perspektiven geben zu können.

(Beifall bei der SPD)

Auch auf Bundesebene hat dieser Themenkomplex eine hohe Priorität. Die Bundesregierung will noch in diesem Jahr ein Pflegeberufegesetz auf den Weg bringen, mit dem ein einheitliches Berufsbild mit einer gemeinsamen Grundausbildung und einer darauf aufbauenden Spezialisierung für die Alten-, Krankenund Kinderkrankenpflege geschaffen werden soll. Ferner sieht der Koalitionsvertrag vor, dass ein verbindliches Verfahren zur Beteiligung aller Einrichtungsträger an den Ausbildungskosten geprüft werden soll. Zudem soll die Ausbildung für jeden Auszubildenden in Zukunft kostenfrei sein.

Zur Pflegereform: Mit der beabsichtigten Erhöhung des Beitrags in der Pflegeversicherung wird die Voraussetzung für die Umsetzung der dringend nötigen Pflegereform geschaffen. Das Leistungsvolumen der Pflegeversicherung wird sich dadurch um circa 20 Prozent erhöhen. Für die Pflegebedürftigen stehen dann am Ende circa 5 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Die Zahl der Betreuungskräfte wird von jetzt 25 000 auf 45 000 erhöht werden. Bereits zum 1. Januar 2015 sollen 2,4 Milliarden Euro für den Ausbau der Familienhilfe und die Verbesserung des Betreuungsschlüssels in den Pflegeeinrichtungen bereitstehen. Bis spätestens 2017 soll dann auch endlich der erweiterte Pflegebegriff Geltung finden und die bisherigen drei Pflegestufen durch fünf Pflegestufen ersetzt werden. Die Erprobungsphase hierfür hat bereits begonnen.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Timmermann.

Ich habe darauf hingewiesen, dass eine Vielzahl von Wegen aufgezeigt worden sind, die Situation für die Pflegekräfte zu verbessern. Ich glaube, dass es wenig Sinn macht, das hier schlechtzureden. Und ich glaube auch nicht, dass es ein Thema ist, das man parteipolitisch ausschlachten sollte. Hier sind wir gemeinsam gefordert, bessere Wege zu finden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat das Wort Frau Dr. Föcking von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wer ein Thema zur Aktuellen Stunde anmeldet – da gebe ich Ihnen recht, Frau Timmermann –, macht es gern dramatisch. Heute aber, liebe LINKE, sind Sie mit Ihrer Anmeldung über das Ziel hinausgeschossen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

"Die Pflege liegt am Boden." Wer so formuliert, erklärt die Pflege für todkrank. Da sind Sie nicht mehr weit entfernt von Heribert Prantl von der "Süddeutschen Zeitung", der kürzlich behauptet hat, die Zustände in der Pflege seien himmelschreiend.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Da hat er recht!)

Wer so etwas sagt, der beschädigt, sicher ungewollt, alle diejenigen, die Tag für Tag und Woche für Woche sehr viel dafür geben, dass die Pflege in Deutschland eben nicht am Boden liegt,

(Beifall bei der CDU und der SPD)

dass sie trotz schwieriger Umstände weiter funktioniert und die allermeisten Menschen im Krankenhaus, in Pflegeheimen, in Wohngruppen oder auch zu Hause gut und liebevoll versorgt werden. Das haben die 1,2 Millionen Pflegekräfte in Deutschland nicht verdient.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Damit will ich die Probleme nicht kleinreden. Tatsache ist, dass die allermeisten Pflegekräfte grundsätzlich ihren Beruf lieben, aber wegen schwieriger Arbeitsbedingungen anderen oft nicht mehr weiterempfehlen würden. Das größte Problem für die meisten ist der Personalmangel; zu wenig Zeit für zu viele Patienten und Pflegebedürftige. Viele wünschen sich auch ein höheres Einkommen, und rund ein Drittel der Pflegekräfte in Deutschland fühlt sich emotional erschöpft. Hinzu kommen überbordende Dokumentationspflichten und die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Neben diesen harten Faktoren, die vielleicht zu steuern sind, gibt es einen weichen, der sehr viel schlechter zu beeinflussen ist. Zwei Drittel der Pflegekräfte beklagen die geringe Anerkennung für ihre Arbeit, sei es von den Ärzten in den Kliniken, sei es aber auch von der Öffentlichkeit, die sich auf Skandalfälle schlecht versorgter Heimbewohner stürzt und dabei die täglich hochqualifizierte Pflegearbeit übersieht. Ein Teil dieser Probleme ist tatsächlich von der Politik, allerdings vor allem auf Bundesebene, anzugehen. Unser CDU-Gesundheitsminister Hermann Gröhe geht dabei sehr

(Karin Timmermann)

schnell voran und packt die größte Reform der Pflegeversicherung seit deren Bestehen an, damit die Pflege eben nicht am Boden liegt.

(Sören Schumacher SPD: Mit unserer Hilfe!)

Bereits ab 2015 wird der Personalschlüssel in den Heimen erheblich verbessert. Eine Pflegerin muss dann nicht mehr 24 Menschen versorgen, sondern 20. Außerdem wird gerade erprobt, wie auch die Bürokratie abgebaut werden kann. Die Leistungen für die einzelnen Pflegestufen werden erhöht, das bringt noch einmal 890 Millionen Euro mehr im Jahr in dieser ersten Stufe. Aber man muss sich klarmachen: Diese Leistung gibt es nicht für lau. Schon in der ersten Stufe der Reform muss der Beitrag zur Pflegeversicherung um 0,3 Prozentpunkte erhöht werden. Damit werden also auf Bundesebene durch den CDU-Gesundheitsminister wichtige Schritte getan. Und der Pflegebevollmächtigte Laumann, ebenfalls von der CDU, ist genau der Richtige, um über die Umsetzung dieser Schritte zu wachen.

(Beifall bei der CDU)

Wichtig ist aber nun, dass der Hamburger SPD-Senat diese Maßnahmen nicht auf Landesebene konterkariert, Stichwort Ausbildung. Für künftige Altenpflegekräfte brauchen wir gute und viele Altenpflegeschulen. Hamburg stellt aber an deren Lehrer im Bundesvergleich so überhöhte Anforderungen, dass nichtstaatliche Altenpflegeschulen diese kaum erfüllen können. Eine private Schule musste bereits schließen und die nächste steht kurz vor dem Aus. So, meine Damen und Herren, fördert man nicht den Nachwuchs in der Altenpflege, so behindert man ihn.

(Beifall bei der CDU)

Stichwort Personaldecke. Durch die neue Personalverordnung wird die Beschäftigung von Zeitarbeitnehmern in der Pflege nahezu unmöglich gemacht. Dabei fehlen hier ohnehin die Fachkräfte. Das ist schöne Senatstheorie, die mit der schwierigen Praxis wenig zu tun hat. Das ist keine Hilfe für die Pflege.

Stichwort angemessene Bezahlung. Mehr als zwei Jahre lang musste die Hamburger Pflegegesellschaft mit den Pflegekassen und der Stadt als Sozialhilfeträgerin um höhere Vergütungen bei der ambulanten Pflege kämpfen. Die Auseinandersetzung endete vor dem Schiedsgericht mit einem Vergleich. Da wollte auch der Senat an den Pflegekräften sparen.

Aber es ist ja nicht so, dass der SPD-Senat nicht auch etwas richtig macht. Der Empfang ist schon erwähnt worden. Ich denke, das ist ein schöner Weg, um den Menschen, die in der Pflege arbeiten werden, Anerkennung für diesen wichtigen und schwierigen Dienst für uns alle zu erweisen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: So sind wir!)

Dann ist es auch an uns, ihnen für diese Aufgabe Mut zu machen. Das macht man aber nicht durch Schlagzeilen von der Pflege, die am Boden liegt, das macht man durch öffentliche Anerkennung und eine Politik, wie sie maßgeblich von der CDU im Bund vorangetrieben wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Jetzt hat Frau Schmitt von der GRÜNEN Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Aktion "Pflege am Boden" wird am 10. Mai bundesweit und am 12. Mai hier in Hamburg mit Flashmobs und Demos für eine Verbesserung der Situation von Pflegenden, Gepflegten und Angehörigen protestieren, und das aus gutem Grund.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Seit Jahren ist die Situation in der Pflege extrem angespannt. Das drängendste Problem, es wurde schon angesprochen, ist der Fachkräftemangel. Schon heute fehlen bundesweit etwa 30 000 Fachkräfte. Allein in der Altenpflege werden bis 2025 etwa 150 000 zusätzliche Kräfte benötigt; andere Schätzungen gehen sogar von einem Bedarf von über 200 000 schon im Jahr 2020 aus.

In der Krankenpflege wurde der Mangel durch die Personalpolitik der Häuser noch verschärft. Der Personalabbau in den Kliniken hat zu einer enormen Arbeitsverdichtung geführt. Das geringe Einkommen von Pflegekräften steht dabei in einem eklatanten Missverhältnis zur Arbeitsbelastung und zur Verantwortung in der Pflege.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN)

Dass die pflegerische Versorgung der Bevölkerung überhaupt aufrechterhalten werden kann, ist einzig dem hohen Engagement und dem hohen Einsatz der Pflegekräfte zu verdanken.