Protokoll der Sitzung vom 21.05.2014

Drucksache 20/11767 in der Neufassung, Antrag der FDP-Fraktion: Effektive Maßnahmen gegen gewaltbereiten Salafismus und religiösen Extremismus ergreifen.

[Antrag der FDP-Fraktion: Effektive Maßnahmen gegen gewaltbereiten Salafismus und religiösen Extremismus ergreifen – Drs 20/11767 (Neufassung) –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/11878 ein Antrag der GRÜNEN Fraktion vor.

[Antrag der GRÜNEN Fraktion: Effektive Maßnahmen gegen gewaltbereiten Salafismus und religiösen Extremismus ergreifen – Drs 20/11878 –]

Wird das Wort gewünscht? – Frau von Treuenfels von der FDP-Fraktion, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Bundesamt für Verfassungsschutz warnt auf seiner Website dieser Tage ausdrücklich und nachdrücklich vor dem Salafismus. Das Attentat auf US-Soldaten am Frankfurter Flughafen vor gut drei Jahren, Hausdurchsuchungen in Hamburg und sechs anderen Bundesländern nach dem Verbot der salafistischen Vereinigung "Millatu Ibrahim" vor knapp zwei Jahren und auch der bewaffnete Konflikt in Syrien haben den gewaltbereiten Salafismus verstärkt in die Öffentlichkeit und auch in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Auch in Hamburg sind salafistische Strömungen bereits seit Langem auffällig geworden. Deren Anhänger werden seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet.

(Vizepräsidentin Kersten Artus übernimmt den Vorsitz.)

Seit einem Jahr allerdings erleben wir nun eine deutlich offensivere Agitation der Salafisten. Sie verbreiten ihr radikales Gedankengut verstärkt an Schulen und auch in Jugendeinrichtungen. Sie versuchen, Anhänger in Moschee-Gemeinden zu rekrutieren. Jugendliche tragen dann dieses Gedankengut in Klassen, Vereine, Freundeskreise und Familien. Einige Schüler sind so beeinflusst und manipuliert, dass sie Andersgläubige und Andersdenkende mobben, diskriminieren und sogar bedrohen. Lehrer berichten von einzelnen Schülern und Gruppen, die radikalislamistisches Gedankengut verbal aggressiv vertreten, die intolerant und fast nötigend auftreten, besonders gegenüber ihren Mitschülerinnen. Plötzlich wird dann vieles zum Problem, was vorher ganz leicht war, wie gemeinsamer Sportunterricht, Schwimmunterricht, Klassenfahrten oder Kleidung.

Während die Schulbehörde diese Problemlage zumindest erkannt hat und über sie informiert, reicht uns die Reaktion der Sozialbehörde nicht aus. Mittel für erfolgreiche Projekte, die bis Ende 2013 vom Bund kamen, laufen aus und wurden bis jetzt nicht ersetzt. Workshops für Klassen, Fortbildungen für Lehrer und Beratungsangebote für Eltern und Freunde sind damit rar. Gute Angebote mussten eingestellt werden, weil die Finanzierung fehlt. Offensichtlich fehlt hier bislang eine gemeinsame politische Zielsetzung der zuständigen Behörden.

Genau deshalb brauchen wir ein koordiniertes, gemeinsames Vorgehen und die Beteiligung aller relevanten Akteure, von Schulen und Lehrkräften, Moscheengemeinden, Jugendhilfeund Beratungsstellen und auch von Familien und deren Freunden. Was nämlich oberflächlich betrachtet als rein schulisches Problem daherkommt, ist in Wahrheit viel weitreichender. Es ist vielmehr ein gesamtgesellschaftliches Problem, das man nicht als Phänomen jugendlicher Rebellion beiseitewischen darf, denn es handelt sich nicht nur um Schüler, sondern auch um junge Erwachsene. Es ist ihnen gemeinsam, dass sie sich in einer Art Lebensunsicherheit befinden, und die Salafisten schaffen es, diese Lücke auszufüllen. Ihr Ziel ist es, durch religiösen Extremismus unsere tolerante und vielfältige Lebensweise zu unterminieren. Das untergräbt am Ende die freiheitlich-demokratische Grundordnung, und das dürfen wir alle nicht zulassen.

(Beifall bei der FDP)

Allerdings müssen wir so engagiert wie klug vorgehen und das Thema besonders differenziert angehen, denn Islamismus und Islam müssen klar voneinander abgegrenzt werden. Der Islam ist die Religion vieler Millionen Menschen in Deutschland, der Islamismus und mit ihm der Salafismus sind politische und radikale Strömungen, die sich nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren lassen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Genauso wie die NPD!)

Typische Merkmale sind die Absolutsetzung früherer islamischer Glaubensregeln als Lebens- und Staatsordnung, die Gottes- statt die Volkssouveränität als Legitimationsbasis, der Wunsch nach ganzheitlicher Durchdringung der Gesellschaft, nach einer homogenen Sozialordnung im Namen des radikalen Islam und die Ablehnung und Bekämpfung des demokratischen Verfassungsstaats. Das sind triftige Gründe, derentwegen Salafisten vom Verfassungsschutz beobachtet werden, und es sind auch Gründe dafür, dass die große Mehrheit der Hamburger, egal ob Christen, Muslime oder Atheisten, dieses Gedankengut ablehnt. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich dieser religiöse Extremismus in unserer Gesellschaft ausbreitet und sie von innen heraus beschädigt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Wir müssen deshalb alle Akteure der Gesellschaft einbinden, um unsere Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, eigentlich alle Mitglieder der Gesellschaft, vor solchen Rekrutierungsversuchen zu schützen.

Zum Antrag der GRÜNEN: Sie fordern in Ihrem Antrag ein genaues Lagebild und eine wissenschaftliche Aufarbeitung des Problems. Das hört sich zuerst einmal gut an, aber Sie verkennen damit das Problem, denn es drängt. Es gibt außerdem auch schon ein Lagebild. Die Erstellung solcher Lagebilder ist die originäre Aufgabe des Verfassungsschutzes, und es liegt vor.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Nö!)

Außerdem liegt auch eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation an Schulen vor. Wir sollten deshalb nicht länger warten, auch nicht auf wissenschaftliche Untersuchungen, die lange dauern können. Wir sollten handeln und das schnell, wir sollten uns koordinieren, und das sollten wir alle zusammen tun, damit wir diesem Problem schnell, effektiv und praxisnah begegnen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Herr Holster von der SPD-Fraktion hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Keine Angst, es wird keine Schuldebatte. Ich möchte einsteigen mit dem Verfassungsschutzbericht aus dem Jahre 2013 und kurz aus dem Punkt 4.5 zum Thema Salafismus zitieren:

"Der Salafismus stellt eine radikale und kompromisslose Ausrichtung innerhalb des sunnitisch-islamistischen Spektrums dar. Salafisten wollen den Islam von allen vermeintlich 'unerlaubten' Neuerungen bereinigen, wie sie vor allem im Volksislam verbreitet sind."

Zitatende.

Gerade dieser letzte Teil des Satzes greift in meinen Augen einen ganz wichtigen Aspekt auf, denn Salafisten richten sich mit ihren Worten und Taten nicht nur gegen Nicht-Muslime, sondern auch gegen Muslime, die einen aufgeklärten und liberalen Islam leben. Es ist besonders besorgniserregend, dass hier vor allem der schnelle Anstieg der scheinbar erfolgreichen Anwerbestrategie von Salafisten greift. Daher teile ich die Einschätzung von Frau von Treuenfels, dass vom Salafismus eine nicht zu unterschätzende Gefahr ausgeht.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels)

Neben der erfolgreichen Arbeit der Sicherheitsbehörden müssen wir deshalb in einem behördenübergreifenden Konzept der Prävention eine sehr hohe Bedeutung einräumen. Hierzu haben der Senat und auch die SPD-Fraktion bereits wichtige Dinge in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht. An erster Stelle möchte ich die Verträge mit den muslimischen Verbänden und den Aleviten erwähnen, die Vorbildcharakter für andere Bundesländer haben.

Ein zweiter Punkt ist ein wichtiger Antrag der SPDFraktion, Drucksache 20/9180, in dem wir den Senat aufgefordert haben, sich für die "Junge Islam Konferenz" zu bewerben. Diese Bewerbung war erfolgreich, und wir bekommen im Herbst in Hamburg die "Junge Islam Konferenz". Auch hier wird Hamburg ein Zeichen setzen und zeigen, wie ein vorurteilsfreier, informativer und respektvoller interkultureller Dialog von Muslimen und Nicht-Muslimen stattfinden kann.

(Beifall bei der SPD)

Im Schulausschuss haben wir das Thema Salafismus in einer Selbstbefassung diskutiert, und auch hier wurde sehr deutlich, dass es kein schulisches Problem ist, sondern ein gesellschaftliches. Dieses Thema darf nicht auf dem Rücken der Schulen ausgetragen werden.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei der FDP und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Prävention setzt früh an. Junge Menschen sollen gestärkt werden, um extremistischen Gesinnungen mit einer klaren Haltung für Demokratie und Menschenrechte begegnen zu können. Ich möchte deshalb drei bereits bestehende Maßnahmen der Schulbehörde kurz herausgreifen.

Erster Punkt: Es findet eine Lehrerfortbildung zur Stärkung und Grundrechtsklarheit und zur Verbesserung der pädagogischen Prävention von Menschenrechts- und Demokratiefeindlichkeit statt.

Zweiter Punkt: Es finden schulinterne Informationen und Aufklärungen über salafistische Strategien und Taktiken im Bereich von Schulen und Jugendeinrichtungen statt.

Dritter, sehr wichtiger Punkt: Es wurde eine sehr gute Lehrer-Eltern-Handreichung mit dem Namen "Vielfalt in der Schule" zur Unterstützung der interkulturellen Bildung herausgegeben. Diese Handreichung ist sehr lesenswert.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen ein umfassendes Aktionsprogramm und eine zentrale Beratungsstelle, bei der sich Angehörige und Bezugspersonen beraten lassen können. Der FDP-Antrag ist daher sinnvoll und schlüssig und greift viele Aspekte auf, die bereits in den intensiven, behördenübergreifenden Planungen der letzten Monate

erarbeitet wurden. Daher werden wir diesem Antrag heute zustimmen.

Zum Zusatzantrag der GRÜNEN kann ich mich ausnahmslos den Worten von Frau von Treuenfels anschließen. Diesen werden wir auch aus den gleichen Gründen heute ablehnen.

Lassen Sie uns gemeinsam die Chance ergreifen, den vorhandenen Vorurteilen und den Pauschalisierungen in der öffentlichen Diskussion durch gezielte Aufklärung entgegenzuwirken. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Herr Warnholz von der CDU-Fraktion hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Unser Grundgesetz ist Ausdruck einer liberalen Gesellschaftsordnung.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das ist Ih- re Rede vom letzten Mal!)

Artikel 3 unseres Grundgesetzes gibt diese Grundhaltung exemplarisch wieder. Das Grundgesetz macht keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen, der Sprache, der Heimat und Herkunft, dem Glauben oder auch den religiösen oder politischen Anschauungen. Jeder soll und kann nach seiner Fasson glücklich werden. Das bedeutet aber auch, dass wir gemeinsam diese Werte verteidigen sollen und auch müssen. Die, die unsere freiheitliche demokratische Grundordnung infrage stellen, müssen mit einem wehrhaften Rechtsstaat konfrontiert werden.

(Beifall bei der CDU)

Der Kampf gegen den politischen und auch den religiösen Extremismus ist eine Aufgabe, bei der wir alle präventiven Möglichkeiten ausschöpfen müssen. Dabei handelt es sich um eine klassische Querschnittsaufgabe aller Fachbehörden, in denen die CDU eine führende Rolle bei der Innenbehörde sieht. Im Kampf gegen den Rechtsextremismus hat unser Hamburg das mobile Beratungsteam geschaffen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Stadt auch ein solches Team gegen den Salafismus einrichtet. Vielleicht sollten wir darüber nachdenken.

Meine Damen und Herren! Staat und Gesellschaft müssen frühzeitig deutlich machen, dass wir solche Bestrebungen nicht dulden. Staat und Gesellschaft müssen aber auch denen, die auf dem falschen Weg sind, die Hand reichen und sie in unsere Wertegemeinschaft zurückholen, ob in der Schule, ob am Arbeitsplatz,

(Beifall bei der CDU)

(Lars Holster)

ob beim Sport oder an der Universität, wo auch immer, wir sollten immer wieder die Hand reichen. Wir werden dem Antrag zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)