Protokoll der Sitzung vom 04.06.2014

se 5. Auch das kann man in vielen Tabellen dieser hundertseitigen Großen Anfrage lesen. Auch hier habe ich Sie eben richtig verstanden, dass Sie daraus schließen, je mehr Empfehlungen für das Gymnasium es gibt, desto höher ist die Qualität dieser Grundschule.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist verrückt!)

Aber genau das haben wir doch jetzt herausgefunden, nämlich dass viele Grundschulen offensichtlich falsch liegen mit der Prognose, weil die Anzahl der Abschulungen von Klasse 6 nach 7 offensichtlich gestiegen ist. Das heißt, man kann doch nicht gleichsetzen, dass viele Empfehlungen für das Gymnasium bedeuten, dass diese Schüler da wirklich hingehören. Auch diesen Rückschluss, dass das eine hohe Qualität der Bildung an den Grundschulen ist, kann man so nicht ziehen.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Doch!)

Nein, das kann man nicht.

(Beifall bei der SPD)

Die Überladung der Eckdaten der Schulinspektion halten wir für unnötig, das wiederhole ich noch einmal. Die Schulinspektion soll den Unterricht besuchen, soll den Unterricht evaluieren und bewerten, sie soll die Sichtung der schulinternen Stoffverteilungspläne vornehmen, und sie soll schauen, auf welche Art und Weise die Führung und das Management an der einzelnen Schule stattfindet, dies dann evaluieren und beraten, und auf diesem Weg sollte die Schulinspektion auch bleiben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Holster. – Das Wort hat Frau Prien von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich die Debattenanmeldung der FDP las, war ich erst ein bisschen ratlos. Wir haben damals Ihr Anliegen unterstützt, Frau von Treuenfels, auch diese Daten in der Schulinspektion zu veröffentlichen. Dazu stehen wir, und auch die Forderung nach mehr Transparenz halten wir aufrecht. Wir halten nach wie vor mehr Wettbewerb für geeignet, um die Qualität an Schulen zu verbessern. Aber bei näherer Betrachtung habe ich mich dann gefragt, was die FDP eigentlich will. Das ist ja kein neuer Antrag, sondern einfach nur ein Hinweis auf die Große Anfrage. Es ist gut, dass wir diese Daten haben. Wir haben sie teilweise schon an anderer Stelle gehabt, aber Daten sind immer gut.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das kommt darauf an!)

Ob so viele Eltern da aber nun hineinschauen werden, Frau Schneider, weiß ich nicht.

Dennoch geht es bei der Schulinspektion eigentlich um etwas anderes. Schulinspektion ist zunächst einmal ein Steuerungsinstrument, um Schulqualität zu verbessern. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Schulinspektion ging es darum, durch Veröffentlichungen und mehr Transparenz dieses Instrument besser nutzen zu können. Wenn ich mir aber jetzt die Daten, um die es hier geht, anschaue, werde ich wirklich ratlos, denn diese Daten, die Sie veröffentlichen wollen, sind gar keine Bewertungskriterien im Rahmen des Orientierungsrahmens Schulqualität.

(Finn-Ole Ritter FDP: Lassen Sie das doch die Eltern entscheiden!)

Wenn Sie einmal in den Orientierungsrahmen Schulqualität schauen, dann werden Sie die Frage der Gymnasialempfehlung zum Beispiel nicht als Qualitätskriterium finden.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Das ist schlimm genug!)

Sie werden natürlich auch die Frage mehr oder weniger fördern und fordern nicht als Bewertungskriterium bekommen, weil möglicherweise eine Schule gerade dann besonders gut ist, wenn sie besonders wenige Schüler im Rahmen von "Fördern und Wiederholen" einstufen muss, weil sie das mit dem individualisierten Lernen vielleicht einfach besser hinbekommt und deshalb gar keine additive Förderung mehr braucht. Das ist als Kriterium also wahrscheinlich nicht geeignet.

Zum Übergang nach Klasse 4 als Kriterium: Ich persönlich wäre sehr froh, wenn mehr Grundschulen ihrer Verantwortung gerecht würden und weniger Schüler auf die Gymnasien schickten. Darüber haben wir in diesem Hause keinen Konsens, aber für unsere Fraktion kann ich sagen, dass wir das richtig fänden. Deshalb kann man überhaupt nicht sagen, dass die Zahl der Gymnasialempfehlungen ein Qualitätskriterium für gute Schulen sei.

Ich darf es vielleicht zusammenfassen. Wenn wir über die Frage sprechen, ob es wirklich richtig ist, diese Daten zu veröffentlichen, dann würde ich immer für Transparenz plädieren. Es ist sicherlich richtig, dass Eltern diese Daten bei der Veröffentlichung der Schulinspektionsergebnisse – alle fünf Jahre übrigens – auch sehen können, aber auch nur deshalb sehen können, damit sie in dem Gespräch, in dem es um die Aufnahme in die Schule geht, den Direktor oder das entsprechende Mitglied der Schulleitung vielleicht einmal fragen, warum das bei ihnen so ist. Warum habt ihr weniger oder mehr Fördern statt Fordern? Warum sind es bei euch nur 20 oder 40 Prozent oder womöglich 80 Prozent der Schüler, die anschließend aufs Gymnasium gehen? Das sind wichtige Nachfra

(Lars Holster)

gen, die Eltern stellen können sollen, und deshalb gehört das auch in die Veröffentlichung. Aber dass das Kriterien für gute Schule sind, das kann man nicht sagen. Dann müssten wir den Orientierungsrahmen Schulqualität völlig neu schreiben, Frau von Treuenfels. Darüber können wir gerne diskutieren. Aber dass zum Beispiel der Übergang von Klasse 4 in Klasse 5 des Gymnasiums grundsätzlich werthaltiger ist als der auf die Stadtteilschule, darauf würden wir uns nicht verständigen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Andrea Rug- barth SPD)

Vielen Dank, Frau Prien. – Das Wort hat Frau Dr. von Berg von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das ist eine wichtige Diskussion, die wir hier gerade führen. Wie bemisst sich die Qualität von Schule, wie ist Bildung zu definieren? Sind es Notenspiegel, sind es Abschlussquoten, ist es die Anzahl der Gymnasialempfehlungen, sind es die Abiturnoten, die Anzahl der Lehrerinnen und Lehrer? Sind es wirklich diese Zahlen, Daten und Fakten, die Bildung qualifiziert darstellen, die eine Qualität von Schule messen? Wir GRÜNE sagen ganz klar nein,

(Beifall bei Dr. Till Steffen GRÜNE)

denn Bildung ist ein Prozess. Schule ist mehr als die Summe des Outputs. Daher sind wir auch ganz klar erstens gegen die Veröffentlichung solcher Eckdaten und zweitens gegen jegliches Ranking von Schulen in unserer Hansestadt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schulen sind keine Wirtschaftsunternehmen und können sich deswegen ihr Umfeld und alles, was sie ausmacht, nicht aussuchen, sondern Schulen sind dafür da – das ist ihre Aufgabe –, mit den Mitteln zu arbeiten, die ihnen vom Senat zur Verfügung gestellt werden – das sind mal mehr, mal weniger –, mit den Kindern zu arbeiten, die sie haben, mit den Lehrerinnen und Lehrern zu arbeiten, die sie haben, und das Bestmögliche daraus zu machen. Ich bin fest überzeugt davon, dass die Hamburger Schulen dieses auch leisten.

Was würde so ein Ranking bewirken? Wir haben doch vor einem halben Jahr gesehen, was das Ranking der Stadtteilschulen und der Gymnasien in dieser Stadt angerichtet hat. Das ist ein echtes Desaster, was da ausgelöst wurde, und ich glaube, wir werden in den weiterführenden Schulen dieser Stadt noch lange, lange daran zu knabbern haben. So etwas darf nie wieder vorkommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es wurde schon einiges gesagt zum Sinn oder Unsinn der Fragen der FDP, und das erstaunlich unisono. Sowohl SPD als auch CDU und wir – und ich bin mir sicher, Frau Heyenn von der LINKEN wird es auch noch einmal wiederholen – haben dargelegt, dass die Fragen, die gestellt wurden, wirklich nichts über die Qualität der Schulen aussagen. Was ich mir gewünscht hätte, wären Fragen danach gewesen, wie die Inklusion umgesetzt wird, wie es mit den Bildungsangeboten aussieht oder ob eine neue Lernkultur umgesetzt und jahrgangsübergreifendes Lernen praktiziert wird. Ich hatte eigentlich auch erwartet, Frau von Treuenfels, dass Sie nach der Hochbegabtenförderung fragen, das liegt Ihnen doch sehr am Herzen – zu Recht, das unterstützen wir auch. Aber nach all diesen Sachen haben Sie nicht gefragt, sondern Sie haben wirklich Zahlen, Daten, Fakten abgefragt, die nichts über unsere Schulqualität aussagen. Wir müssen diese Anfrage, in die mit Sicherheit viel Arbeitszeit geflossen ist, nun zur Kenntnis nehmen, aber wir halten sie nicht für zielführend. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. von Berg. – Das Wort hat Frau Heyenn von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf Frau Prien eingehen. Frau Prien, Sie haben eben gesagt, man müsse dafür sorgen, dass die Grundschulen nicht so viele Kinder in die Gymnasien schickten. Die Grundschulen schicken die Kinder nicht auf die Gymnasien, das tun die Eltern, und Sie waren doch an vorderster Stelle mit dabei, als die Initiative "Wir wollen lernen!" gefordert hat, dass das Elternrecht durchgesetzt wird. Insofern schieben Sie der Schule einen Schwarzen Peter zu, den sie gar nicht hat.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Wir hätten gerne, dass der Senator sich endlich dazu bekennt, dass es keine Gymnasialempfehlung mehr gibt, sondern eine Schullaufbahnempfehlung; das würde wirklich helfen. Ich werde nicht müde, es immer wieder vorzuschlagen, Herr Rabe.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Und dann, Frau Prien, haben Sie auch noch gesagt, es wäre gut, wenn es einen Wettbewerb unter Schulen gäbe. Wettbewerb unter gleichen Schulen, okay, aber wir haben extrem unterschiedliche Schulen, und wenn die in einen Wettbewerb gejagt werden, kann das nur schiefgehen, herauskommen würde eine reine Katastrophe. Die

(Karin Prien)

Schulen, die es schwer haben, würden es immer schwerer haben, und Sie müssten darüber nachdenken, wo es Schulschließungen gibt. Das geht überhaupt nicht.

Jetzt zur Großen Anfrage. Wir haben schon einmal die Diskussion über die KESS-Faktoren gehabt. Wir von der LINKEN haben uns damit beschäftigt und deutlich herausgefunden, dass die Art und Weise, wie die KESS-Faktoren entstehen, höchst dubios ist. Das geht über Fragebögen, wobei der Rücklauf bei einigen 20 Prozent beträgt, bei anderen 30 Prozent und so weiter. Und dann geht es auch danach, dass es immer nur einen bestimmten Anteil an KESS 1 bis KESS 6 gibt; das ist so ein Verschiebebahnhof. Das heißt, im Grunde wird gar nicht richtig getroffen, was in den Schulen wirklich los ist. Deshalb haben wir gefordert – und das fordern wir nach wie vor –, die KESS-Faktoren abzuschaffen und den amtlich festgestellten Sozialindex zu nehmen. Darüber hinaus müssten alle Schulen eine Grundversorgung an Sprachförderung haben, damit Kinder, die das wirklich brauchen, nicht hinten herunterfallen. Da haben Sie uns voll auf Ihrer Seite.

Aber warum Sie diese Daten – und Frau Prien hat recht mit der Frage, welchen Kriterien sie eigentlich gehorchen – veröffentlicht, und was Sie mit der Veröffentlichung erreichen wollen, habe ich immer noch nicht verstanden. Ich finde, Herr Holster hat recht: Es ist geradezu abstrus, zwischen diesen Daten und einer guten Schule Kausalzusammenhänge herzustellen. Wir können also überhaupt nicht nachvollziehen, warum Sie das veröffentlichen wollen, und sind ohnehin konsequent gegen a) Schulinspektion und b) Veröffentlichung.

(Beifall bei der LINKEN – Finn-Ole Ritter FDP: Konsequent gegen alles!)

Vielen Dank, Frau Heyenn. – Frau von Treuenfels von der FDP-Fraktion hat jetzt das Wort.

(Finn-Ole Ritter FDP: Das kann nicht unerwi- dert bleiben! Was Herr Holster gesagt hat, na ja!)

Herr Präsident, werte Kollegen, meine Damen und Herren! Sie haben recht, wir kommen da irgendwie schwer auf einen gemeinsamen Nenner. Wir möchten gern, dass Leistung dabei herauskommt, wenn Kinder in die Schule gehen. Wir definieren das Wort Leistung völlig anders als Sie, Frau von Berg, und dazu stehen wir auch. Das kann uns ruhig trennen, dafür sind wir in verschiedenen Parteien, das muss vielleicht so sein. Was ich aber wirklich noch einmal erklären möchte, weil ich den Eindruck habe, dass es noch einmal erklärt werden muss: Frau Heyenn, wir wollen gerade nicht die Schulen miteinander vergleichen, die nicht ver

gleichbar sind, dieses Argument zieht eben nicht, sondern wir wollen vergleichen, was vergleichbar ist. Wir haben herausgefunden – das habe ich versucht darzulegen, und das werde ich auch weiterhin tun –, dass Schulen definitiv vergleichbar sind, wenn man ihren Sozialindex berücksichtigt. Innerhalb desselben Sozialindexes lassen sich so große Unterschiede finden, dass man sehr wohl vergleichen muss, und zwar nicht, Frau von Berg, um über die arme Hansestadt Hamburg ein Desaster zu bringen, weil wir – um Gottes Willen, wie furchtbar – plötzlich Wettbewerb haben, sondern weil man, wenn man vergleicht, auch Leistung erzeugt und man Wettbewerb auch positiv sehen kann. Dass wir gute Schule und guten Unterricht sehr unterschiedlich definieren, erspare ich Ihnen. Das wissen wir alle und das können wir vielleicht auch noch weiter ausdiskutieren. Ich möchte Ihnen nur erklären, warum wir das wollen. Wir wollen Leistung, wir wollen Wettbewerb, und wir möchten sehr gerne, dass die Eltern aufgrund von Fakten und Daten, die die Eltern alle interessieren, entscheiden können, auf welche Schule sie ihr Kind geben, und dass sie wissen, was sie da erwartet. Dazu gehört zum Beispiel auch zu wissen, wie hoch die Teilnahme am Nachhilfeunterricht ist. Das wollte ich Ihnen noch einmal sagen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Vielen Dank. – Mir liegen jetzt keine Wortmeldungen mehr vor.

Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Großen Anfrage aus der Drucksache 20/10935 Kenntnis genommen hat.

Ich rufe dann auf den Tagesordnungspunkt 41, Drucksache 20/11913, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Ausbildungsgarantie jetzt!