Protokoll der Sitzung vom 22.06.2011

Was im Justizbereich vom neuen Senat zu erwarten ist, hat uns Senatorin Schiedek noch nicht verraten.

Es tut mir persönlich leid, dass Dorothee Stapelfeldt als Wissenschaftssenatorin gleich zu Beginn eine Bauchlandung gemacht hat. In der Opposition konnte sie nicht scharf genug kritisieren, dass die Universität und die Hochschulen unterfinanziert sind, immer wieder haben wir das gemeinsam artikuliert. Und dann kommt sie als Senatorin an, stellt die Kürzungsvorschläge von Schwarz-Grün vor und sattelt noch Einsparungen obendrauf. Nach dem, was die Uni und die Hochschulen in Hamburg alles unter Schwarz-Grün erlitten haben, war klar, dass diese Vorlage das Fass zum Überlaufen bringen wird.

Eines allerdings hat der Fehlstart der Wissenschaftssenatorin bewirkt: eine ausgeprägte Solidarität zwischen Studierenden, Verwaltungs- und wissenschaftlichem Personal und Professoren. Die Universität Hamburg und die Hochschulen streiken jetzt miteinander für ihr Überleben und lassen sich nicht mehr gegeneinander ausspielen. Das wird auch so bleiben. Dass der Fraktionsvorsitzende Dressel versucht, das Feuer zu löschen, ist zwar ehrenwert, hilft aber der Wissenschaftssenatorin auch nicht. Die SPD muss ihre Rolle als Regierungspartei offensichtlich noch finden, dafür ist die heutige Sitzung der schlagende Beweis.

(Beifall bei der LINKEN)

Formelle Gesprächsbereitschaft allein ersetzt keine Politik. Wie äußerte sich noch Professor Dr. Lenzen nach dem Gespräch mit Ihnen? Er hat gesagt, er habe noch nie in einer solch angeneh

men Atmosphäre so wenig Substanzielles angeboten bekommen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Der wollte einen Scheck!)

Was die Hochschulen brauchen, ist eine auskömmliche Finanzierung. Die Rechenkünste von Ihnen und von Ihnen, Herr Bürgermeister Scholz, wirken da eher zynisch. Es ist ein Buchungstrick. Die globale Mindereinnahme ist zwar im Hochschuletat eingestellt,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Minderausgabe!)

aber die Hochschulen dürfen das nicht ausgeben. Zudem liegt die Inflationsrate bei 2,5 Prozent und da kommt man bei zusätzlichen Mitteln von 1,3 Prozent nicht zu einer realen Steigerung, auch nicht, wenn ein erster Blick auf die absoluten Zahlen es vermuten lässt. Das wissen Sie ganz genau, Sie arbeiten an dieser Stelle mit falschen Zahlen und das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann ist da noch die Sache mit den Studiengebühren. Die Abschaffung ist für das Wintersemester 2012/2013 angekündigt. Ob sie kommt, wissen wir noch gar nicht

(Dirk Kienscherf SPD: Natürlich kommt die!)

und vor allem wissen wir nicht, wie. Noch ist unklar, ob die Kompensation sich auf 375 Euro oder 500 Euro pro Semester pro Student bezieht, ob der jährliche Betrag auch noch die steigenden Studierendenzahlen, die gesellschaftlich gewollt sind, berücksichtigt oder ob Sie ewig eine Festsumme zahlen. Das ist ein ganz großes Problem, da wird es noch viele Konflikte geben und bisher ist es nur angekündigt.

In der Drucksache zur Einbringung des Haushalts erklärt der Senat ausdrücklich, dass die Steuereinnahmen, egal wie sie sich entwickeln, nichts an dem Vorsatz, den Betriebshaushalt im Jahr maximal um ein Prozent steigen zu lassen, ändern werden. Das halten wir für falsch und nicht nur wir. Der DGB-Vorsitzende und ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete der SPD, Uwe Grund, sagt auch, das werde nicht funktionieren, und wir vertreten ebenfalls diese Meinung. Auch wir sind für eine Rückführung der öffentlichen Verschuldung, auch wenn immer anderes behauptet wird. Wir sind aber gegen eine Kürzungspolitik aus Prinzip. Steuereinnahmen von circa 640 Millionen Euro in 2011 eröffnen Spielraum für bessere Ausstattung, zum Beispiel im sozialen Bereich, in der Bildung und bei der Universität und den Hochschulen. Dafür plädieren wir. Herr Bürgermeister, Sie haben im Wahlkampf versprochen, dass die Schulen zu Palästen werden sollen. Wir fürchten, dass nicht einmal die Mietzahlungen bezahlt werden können. Nur Kürzen ist kein gutes Regieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. – Das Wort hat der Erste Bürgermeister.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren über 100 Tage. Ich möchte das als Gelegenheit nutzen, mich zunächst einmal bei den Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft zu bedanken, insbesondere bei den Abgeordneten der vier Oppositionsfraktionen, weil natürlich zu einer gesellschaftlichen Debatte über das, was für unsere Stadt notwendig ist, immer gehört, dass sich alle daran beteiligen, ihre Vorschläge und auch ihre anderen Meinungen vortragen, und dass es nicht eine einseitige Veranstaltung der Regierungspartei und des Senats ist. Insofern schönen Dank für Ihre Arbeit bisher.

(Beifall bei der SPD)

Selbstverständlich sind wir, wenn wir über die Zukunft der Politik und ihre Möglichkeiten diskutieren, alle gut beraten, wenn wir versuchen, den richtigen Ton für diese Debatte zu finden. Was – das ist jedenfalls meine feste Überzeugung – die Bürgerinnen und Bürger immer weniger mögen, sind gestelzte Posen, aufgeregte, sich im Ton überschlagende Äußerungen,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Herr Kien- scherf!)

die kein Beitrag zu einer konstruktiven Diskussion sind. Dies gilt für Opposition wie Regierung selbstverständlich gleichermaßen, aber mein Rat an uns alle ist, die Politik so ernst zu nehmen, wie sie ist. Das kann lustig, das kann heiter sein, es darf aber nicht so sein, dass man das Gefühl entwickelt, es ginge nicht um eine ernsthafte Angelegenheit für unsere Stadt und unser Land.

Deshalb ist es auch für das, was wir in Zukunft tun, wichtig, es mit dieser Überzeugung und einer solchen Haltung zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Bei dem einen oder anderen Beitrag habe ich das Gefühl, da könnte sich noch etwas weiterentwickeln, aber wir tun der Politik keinen Gefallen, wenn wir es nicht schaffen, sie als eine wichtige Veranstaltung zu begreifen, bei der es um etwas Zentrales für die Bürger dieser Stadt geht.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Sind Sie jetzt neuerdings auch Lehrer?)

Ich will über ein paar Themen sprechen, die für uns wichtig sind. Das allerwichtigste Thema für diese Legislaturperiode wird – ganz im Sinne dessen, was ich eben angesprochen habe – die Einhaltung des vor der Wahl Gesagten sein. Das ist mir persönlich wichtig, hat aber auch eine Bedeu

tung weit über das hinaus, was wir in Hamburg tun und was dieser Senat macht. Denn natürlich dürfen wir davon ausgehen, dass die Bürgerinnen und Bürger schon nicht mehr unterstellen, dass die politischen Parteien das, was sie in ihre Wahlprogramme schreiben, hinterher auch umsetzen wollen. Wir können das übrigens an vielen Kommentierungen nachvollziehen, in denen zum Beispiel steht, jetzt müssen sie sagen, dass das nicht so gemeint ist oder nach Vorwänden suchen, wie sie davon wieder wegkommen.

Diese Haltung, dieses Misstrauen, mit dem die Bürgerinnen und Bürger politischen Zusagen und Versprechungen begegnen, ist ein politisches und ein Problem der Demokratie. Es wird deshalb das Wichtigste sein, alle Versprechen, die vor der Wahl gemacht worden sind, in dieser Legislaturperiode auch einzuhalten. Sie können uns daran messen und Sie sollten es tun. Auch für die Demokratie wäre es ein Gewinn, wenn hinterher alle sagen würden, dass die Wahlversprechen eingehalten worden sind.

(Beifall bei der SPD)

Aus meiner Sicht ist es – weil politischer Wettbewerb zur Demokratie gehört – richtig und in Ordnung, wenn politische Wettbewerber der jetzt Gewählten sagen, diese hielten ihr eigenes Wahlprogramm nicht ein. Es gab aber ein großes Plebiszit der Bürgerinnen und Bürger für exakt das Programm, was in der Regierungserklärung vorgestellt worden ist und

(Klaus-Peter Hesse CDU: Stadtbahn steht im Wahlprogramm!)

was im Arbeitsprogramm des Senats stand. Man kann und soll seine Ansichten dazu darstellen, aber nicht so tun, als wäre jetzt nach der Wahl etwas Überraschendes geschehen. Genau dafür, was wir tun, haben die Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme abgegeben und sie können sich darauf verlassen, dass wir uns an das, was wir gesagt haben, halten werden.

(Beifall bei der SPD)

Eines der wichtigsten Themen dieser Legislaturperiode und – das kann man ohne große Anstrengung vorhersagen – noch weit darüber hinaus wird die Frage sein, wie wir mit dem öffentlichen Geld umgehen. Was den konkreten Haushalt betrifft, der letztendlich noch auf dem Haushalt der letzten Regierung aufbaut, werden wir dazu gleich eine erste Debatte haben. Aber für mich ist eines ganz klar: Dass wir ordentlich mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger umgehen, dass wir uns daran halten, ab 2020 auf die vielen Schulden, die in dieser Stadt und auch anderswo in Deutschland gemacht worden sind, keine weiteren mehr aufzutürmen, ist etwas, was jeder von uns verlangen kann.

(Dora Heyenn)

Deshalb ist die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, die Beendigung des Schuldenmachens eine der großen Verpflichtungen, die wir als heutige Generation der politisch Verantwortlichen gegenüber den zukünftigen Generationen haben.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Schuldenbremse hat sich die Politik eine große Selbstverpflichtung auferlegt. Ich bin nicht sicher, ob jeder, der im Deutschen Bundestag oder im Bundesrat mitgestimmt hat, genau die Folgen dieser Entscheidung vorhergesehen hat, aber sie sind sehr klar: Wir werden dafür sorgen müssen, mit dem Geld auszukommen, das wir haben, und eine Folge ist, dass sich die politischen Debatten verändern.

Es kann nicht mehr angehen, dass man ein politisches Problem durch zusätzliche Schulden löst. Wenn wir in Zukunft zusätzliche neue Aufgaben aufnehmen, wird es nur noch möglich sein, sie auf Kosten anderer, bisher wahrgenommener Aufgaben zu realisieren. Eine Alternative dazu gibt es im Rahmen der Schuldenbremse nicht und deshalb ist es ein großer Gewinn für die demokratische Debatte dieses Landes, die Problemlösung nicht mehr über Schuldenmachen zu suchen, sondern Alternativen abzuwägen und zwischen diesen zu entscheiden. Das gehört zu einer aufgeklärten Demokratie.

(Beifall bei der SPD)

Wer weiter macht mit der Politik der letzten Jahre und Jahrzehnte – und da kann man durchaus parteiübergreifend viele Beispiele finden –, wer mit martialischer Geste ein Problem schildert und sagt, es müsse gelöst werden, ohne zu sagen, wie das in diesem Rahmen geht, der wird immer weniger Gehör bei den Bürgerinnen und Bürgern finden – selbst dann nicht, wenn es immer lauter vorgetragen wird. Auch an dieser Stelle gilt der Satz: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Und wer die neuen Diskussionszusammenhänge über Haushaltspolitik nicht begriffen hat, wird nicht damit rechnen können, dass die Bürger seine Vorschläge ernst nehmen; davon bin ich überzeugt.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben uns Vieles vorgenommen, das bereits dargestellt und vorgetragen worden ist. Lassen Sie mich zwei Dinge herausgreifen, die mir, neben all den Aufgaben wie der Schaffung einer ordentlichen wirtschaftlichen Infrastruktur und so weiter, persönlich sehr wichtig sind.

Die größte Herausforderung ist es, dafür zu sorgen, dass die junge Generation in unserer Stadt so aufwächst, dass sie später ein unabhängiges selbstständiges Leben führen kann und nicht auf öffentliche und fremde Hilfe angewiesen ist. Deshalb ist das, was wir am Anfang des Lebens tun, von der Krippe, der Kita, von dem, was wir für die

Familien tun, von den Grundschulen über die weiterführenden Schulen wie Gymnasien, Stadtteilschulen und all die anderen Bildungsangebote bis hin zu den Berufsschulen, den Universitäten und den Ausbildungsmöglichkeiten von so großer Bedeutung.

Wir müssen sicherstellen, dass niemand in unserer Stadt diese Schulen ohne Schulabschluss verlässt, und wir müssen sicherstellen, dass jeder mindestens eine Berufsausbildung hat oder, wenn er die entsprechenden Talente besitzt, Abitur machen kann und studiert. Aber jeder sollte mit einer solchen Qualifikation ein eigenständiges und unabhängiges Leben führen können. Das ist das große Projekt dieses Senats

(Beifall bei der SPD)

und daran bauen wir. Das ist das, womit wir schon angefangen haben, was überall wahrgenommen worden ist und berichtet werden kann.

Die zweite große Herausforderung besteht darin, wie wir den Zusammenhalt in unserer Stadt sichern und aufrechterhalten, wie wir die Solidarität der Bürgerinnen und Bürger in einer wachsenden, boomenden Stadt sicherstellen können. Denn wir nehmen zur Kenntnis nehmen: Hamburg wächst. Hamburg hat zusätzliche Einwohner, Hamburg generiert zusätzliches wirtschaftliches Wachstum, Hamburg hat, anders als fast alle anderen Länder in Deutschland, keine zurückgehenden Schülerzahlen und kann nicht, wie in den Koalitionsverträgen in 15 anderen Ländern, über eine demografische Rendite spekulieren, die man dazu verwendet, um die Bildungsangebote zu verbessern und trotzdem zu sparen, sondern wir müssen all diese Aufgaben lösen.