Protokoll der Sitzung vom 22.06.2011

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bereits im letzten Herbst hatten wir eine Debatte über das Projekt S4, den Bau einer S-Bahn von Hamburg nach Ahrensburg, Bargteheide und Bad Oldesloe. Die Bürgerschaft hatte damals einstimmig beschlossen, dass mit dem Bund Gespräche über die Finanzierung des Projekts aufgenommen und von den Ländermitteln für die Vorentwurfsplanung bereitgestellt werden sollen. Über die Finanzierung der Vorentwurfsplanung haben die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein bereits Einigkeit erzielt und mit dem Bund hat auch bereits ein erstes Gespräch stattgefunden.

Ende Februar stellten die Ländervertreter das Projekt S4 im Bundesverkehrsministerium vor. Als sie zurückkamen, war die Freude groß. Der Bund unterstütze das Projekt, so lautete die Nachricht, jetzt seien nur noch Einzelheiten der Finanzierung zu klären und dafür solle es kurzfristig ein weiteres Gespräch geben. Das war Ende Februar. Seit März bemühen sich die Länder nun um einen weiteren Termin und blitzen beim Bund immer wieder ab. Warum diese Hinhaltetaktik? Gemutmaßt wird, dass der Bund sein Geld in den S-Bahn-Ausbau in München stecken will, sollte die Stadt den Zuschlag für die Winterolympiade erhalten; so wird der Bund seiner Verantwortung nicht gerecht. Auch wenn an der Spitze des Bundesverkehrsministeriums ein Bayer steht, so sind doch die Mittel des Bundes für das gesamte Bundesgebiet da und nicht nur für den Süden.

(Beifall bei der SPD – Glocke)

(unterbre- chend) : Herr Buschhüter, ich wollte noch einmal um Ruhe bitten. Wenn sich vielleicht die hinten Stehenden nach draußen begeben würden oder sich hinsetzen, dann könnten wir alle den Ausführungen des Abgeordneten folgen.

Meine Fraktion ist fast geschlossen da, das ist großartig.

Gegen diese Hinhaltetaktik des Bundes wenden wir uns mit dem Antrag und fordern, dass der Bund den Gesprächsfaden in puncto S4 wieder aufnimmt.

Ich sage Ihnen, warum der Bund hier mehr als bei allen anderen Nahverkehrsprojekten in der Pflicht steht. Im letzten Sommer war ein Gutachten zum Eisenbahnknoten Hamburg bekannt geworden, demzufolge 60 Prozent des verkehrlichen Nutzens der S4 auf den Güter- und Personenfernverkehr entfallen, und dafür ist der Bund zuständig. 40 Prozent des Nutzens der S4 entfallen auf den Nahverkehr, dafür sind die Länder zuständig. Das Projekt S4 ist also, anders, als man es erwarten würde, in erster Linie eigentlich gar kein Nahverkehrsprojekt, sondern ein Projekt für den Güter- und Schienen

fernverkehr. Das unterscheidet es von Projekten wie der Flughafen-S-Bahn oder auch der U4. Das Gutachten hat deutlich gemacht, dass hier in erster Linie der Bund in der Verantwortung steht, wenn es um die Kosten des Projekts geht. Wer den meisten Nutzen aus dem Streckenausbau zieht, muss den entsprechenden Teil der Kosten auch übernehmen.

Im zweiten Teil unseres Antrags geht es um die sogenannte Vorentwurfsplanung. Wir wollen, dass sie jetzt kurzfristig in Angriff genommen wird. Als noch zu erwarten war, dass das zweite Gespräch mit dem Bund kurzfristig stattfinden würde, war es in Ordnung, diesen Termin noch abzuwarten, bevor der Auftrag für die Vorentwurfsplanung erteilt wurde. Doch nachdem nun Monate nichts passiert ist, können wir nicht länger warten. Ich denke sowieso, dass wir nicht zu zögerlich an die Sache herangehen dürfen, sondern auch einmal mit einer Planung in Vorleistung treten müssen.

(Beifall bei Jens-Peter Schwieger, Frank Wiesner, beide SPD und Heike Sudmann DIE LINKE)

Bayern macht es uns doch vor. Da wird schon einmal eine Planung ohne Rücksicht auf den Bund vorangetrieben und wenn sie fertig ist, wird dem Bund die Pistole auf die Brust gesetzt. Was Verkehrsprojekte angeht, können wir noch viel von unseren Kollegen im Süden der Republik lernen.

Die Vorentwurfsplanung jetzt in Auftrag zu geben, hat auch noch ganz andere, praktische Gründe. Zum einen läuft uns die Zeit davon, wenn es darum geht, ergänzend auch Mittel aus dem GVFG Bundesprogramm in Anspruch zu nehmen, denn das läuft bekanntlich 2019 aus. Außerdem wird entlang der Strecke schon jetzt viel gebaut; zuallererst ist hier die Aufhebung der Bahnübergänge zu nennen.

Andere Vorhaben wie der barrierefreie Ausbau der S-Bahn-Haltestelle Hasselbrook kommen nicht voran, solange nicht klar ist, welche Veränderungen der Bau der S4 dort mit sich bringt. Deshalb ist die Vorentwurfsplanung schon jetzt so wichtig, denn wenn die Ergebnisse erst einmal vorliegen, können andere Bauvorhaben darauf abgestimmt werden, das ist nur vernünftig.

Meine Damen und Herren! Nur mit der S4 kann es auf der Strecke nach Ahrensburg einen 10-Minuten-Takt geben, mit zusätzlichen Haltestellen kann man die Wohngebiete erschließen – mit modernen S-Bahn-Zügen, die über den Hauptbahnhof hinausfahren.

Dass die S4 in den nächsten vier Jahren gebaut wird, ist unrealistisch und nicht zu erwarten. Ziel muss es aber sein, dass die S4 spätestens dann in Betrieb geht, wenn 2020 die feste Fehmarnbelt-Querung fertig gestellt ist, denn dann wird der Verkehr auf der Strecke Hamburg-Lübeck

noch weiter zunehmen. Nicht nur das, die Strecke Hamburg-Lübeck ist Teil der transeuropäischen Magistrale Stockholm-Palermo, auf der zukünftig dem Güterverkehr sogar Vorrang eingeräumt werden soll zulasten des Personennahverkehrs. Ohne eigene Gleise für die S-Bahn droht der schon jetzt unzureichende Nahverkehr auf der Strecke nach Ahrensburg sprichwörtlich unter die Räder zu geraten. Das müssen wir verhindern.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch und Heike Sudmann, beide DIE LIN- KE)

Den größten Nutzen für die ganze Stadt wird die S4 übrigens am Hauptbahnhof entfalten, denn nur die S4 kann die Kapazitätsengpässe des Hauptbahnhofs lösen. Durch die Verlagerung von rund 100 Nahverkehrszügen aus dem Fernbahnteil des Hauptbahnhofs in den S-Bahn-Teil wird Platz geschaffen für die Abfertigung vieler anderer Züge. Ganz Hamburg profitiert insofern von der S4, nicht nur Wandsbek oder Stormarn.

(Beifall bei der SPD und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Auch in der Verkehrspolitik sehnen sich viele nach so etwas wie einem Hamburger Verkehrsfrieden. Zumindest in puncto S4 haben wir dies erreicht. Ich bin den anderen Fraktionen sehr dankbar dafür, dass sie weiterhin zum Projekt S4 stehen und sofort zugestimmt haben, als sich die Frage eines gemeinsamen Antrags zur aktuellen Entwicklung stellte. Es spricht wirklich für dieses Projekt, dass alle Fraktionen – ich betone: alle – hier an einem Strang ziehen und den Bau der S4 unterstützen und einfordern. Jetzt muss es uns nur noch gelingen, auch die CSU ins Boot zu bekommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Herr Warnholz, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Jahren fordert die CDU in Hamburg die Einrichtung einer modernen und leistungsfähigen S-Bahnlinie 4 zwischen Ahrensburg und dem Hauptbahnhof in Hamburg.

(Vizepräsidentin Kersten Artus übernimmt den Vorsitz.)

Die Bürgerschaft hat daher auf Initiative der CDU-Fraktion bereits im Januar 2009

(Zuruf von der SPD: So spät!)

einen entsprechenden Antrag, die Drucksache 19/2097, verabschiedet und damit die Absicht eines Ausbaus der Strecke zwischen Hamburg

Hauptbahnhof und Ahrensburg nochmals ausdrücklich bekräftigt. Mit dieser Initiative, die Hamburg und Schleswig-Holstein im September 2009 gemeinsam mit der Deutschen Bahn gestartet haben, öffnet sich für die Bürger im Hamburger Osten und dem Umland, auch für die Pendler in der Region, eine historische Chance, an ein leistungsfähiges S-Bahn-Netz angebunden zu werden. Wie mein Vorredner schon sagte, warten die Bürger in den Stadtteilen des Bezirks Wandsbek zu Recht seit mehreren Jahrzehnten auf ihren Anschluss einer S-Bahn-Linie, die tatsächlich eine Alternative zum privaten Pkw-Verkehr darstellt.

(Beifall bei der CDU)

Die Bürger in Tonndorf, in Rahlstedt, in Meiendorf und dem Umland und in anderen Stadtteilen, die nicht unmittelbar an der Linie der U1 angeschlossen sind, fühlen sich zu Recht seit Jahrzehnten vom öffentlichen Personennahverkehr abgehängt und ausgeschlossen.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Bürgerinnen auch!)

Daher unterstützt die CDU-Fraktion jeden Vorstoß dieses Hauses zur Errichtung der S-Bahn-Linie 4, die den Namen S-Bahn auch wirklich verdient hat.

(Beifall bei der CDU und bei Ole Thorben Buschhüter SPD)

Ob der von der SPD angestrebte Ansatz aufgehen wird, die zugesagten Bundesmittel aus Berlin für die Stadtbahn auf das Projekt der S4 umzulegen, steht im Ermessen des Bundes. Ich kann den Senat nur auffordern, diese historische Chance nicht zu verspielen und verstärkt für unser Hamburg tätig zu werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Herr Dr. Steffen hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Interfraktionelle Anträge haben die Eigenschaft, in der parlamentarischen Debatte ein wenig langweilig zu sein, weil wir uns in der Tat in der Sache einig sind und Herr Buschhüter den Sachverhalt, die Vorgeschichte und den aktuellen Stand zutreffend dargestellt hat. Was wir brauchen, ist ein Blick auf die Frage, wie wir die Verkehrsverbindungen zwischen Umland und Hamburg besser organisieren können. Hierzu ist der Zusammenhang mit dem Hauptbahnhof zutreffend angesprochen worden, dass wir da Wesentliches erreichen könnten, wenn wir am Hauptbahnhof ein oder zwei Gleise freibekommen würden, um insbesondere die hoch attraktiven Metronom-Verbindungen in das südliche Umland noch besser durchzubinden. Hier gibt es große Po

(Ole Thorben Buschhüter)

tenziale, die geweckt würden. Wir haben natürlich die Chance, über die S4 die Erfolgsgeschichte der Verlängerung der S-Bahn in Richtung Stade zu wiederholen. Dort haben wir noch besser, als alle Prognosen das vorausgesagt haben, es geschafft, dass ein Umsteigen vom Auto auf die Bahn erfolgt ist. Das ist natürlich das, was wir uns von der Einrichtung der S4 in Richtung Ahrensburg und darüber hinaus versprechen.

Das leistet natürlich auch einen ganz anderen wichtigen Beitrag, über den sich auch der Bund wieder freuen dürfte, nämlich die Entlastung der Autobahn, die natürlich eine ganz wichtige Hinterlandanbindung für die geplante Fehmarnbelt-Querung darstellen würde, so sie kommt. Das ist natürlich auch deswegen erheblich, weil sonst zu befürchten ist, dass die A 1 vollkommen verstopft sein wird mit den zusätzlichen Verkehren, die dadurch aufzunehmen sind.

Wenn wir die Erfolgsgeschichte der Verlängerung der S3 nach Stade über die S4 weiterschreiben wollen, stellt sich die Frage, ob diese Methode nicht auch noch in andere Richtungen anwendbar ist, und da gibt es ein Thema, das auch die SPD in der letzten Wahlperiode ausdrücklich behandelt hat, nämlich die Frage, ob wir nicht die AKN in Richtung Quickborn und Henstedt durch eine SBahn ersetzen wollen. Das wäre natürlich ein wichtiger Schritt, im Übrigen einer, der wesentlich günstiger zu haben ist als die S4. Deswegen hat es mich schon ein bisschen gewundert, dass bislang von der SPD dazu nichts zu hören war. Das würde auch große Potenziale bringen,

(Olaf Ohlsen CDU: Das ist doch in Arbeit!)

um Pendlerinnen und Pendler vom Auto auf die Bahn zu bringen und unsere Verkehrsprobleme zu entschärfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Herr Dr. Schinnenburg hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es wird Sie nicht wirklich überraschen, dass natürlich auch die FDP diesem Interfraktionellen Antrag zustimmt.

(Beifall bei Dr. Kurt Duwe FDP und Heike Sudmann DIE LINKE)

Für den Applaus, Frau Sudmann, darf ich Ihnen sagen, dass wir uns auch dafür einsetzen werden, dass die S-Bahn auch ausreichend Fahrradkapazitäten haben wird;

(Vereinzelter Beifall bei der FDP und Beifall bei der GAL und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

nicht zuletzt auch Fahrräderinnenkapazität, auch daran werden wir denken.