Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich zitiere aus einer Pressemeldung des Deutschen Kinderhilfswerks von heute – um 12.48 Uhr ist sie über die Verteiler gegangen – mit der Überschrift: "Frühkindliche Bildung braucht Qualität" – ein ganz entscheidender Satz, der uns vor Augen führt, dass das Thema Qualität bei der Kinderbetreuung in den Kitas ein Dauerbrenner ist, dem wir alle unsere volle Aufmerksamkeit schenken sollten.
"Ohne eine Sicherstellung guter Qualität werden wir in unseren Kindertageseinrichtungen Schiffbruch erleiden. Und das auf dem Rücken der Kinder, der Erzieherinnen und Erzieher und letztlich auch auf dem Rücken der Eltern."
Es ist sicher richtig, dass der Bund nicht aus der Verantwortung entlassen werden darf, wenn man das Thema deutschlandweit und auch in den Ländern und Städten weiter bewegen will.
Aber eines ist doch auch klar: Kindertagesbetreuung war bis vor wenigen Monaten, vielleicht sogar bis vor ein paar Wochen das Aushängeschild des Senats. Frau Leonhard hat eben noch einmal ganz eindrücklich die einzelnen Schritte dargestellt, die Sie in den letzten dreieinhalb Jahren unternommen haben, um hier etwas auf den Weg zu bringen. Aber wir nehmen doch jetzt in der Öffentlichkeit und in den Gesprächen mit den Betroffenen nicht
nur erste Risse wahr, sondern stellen auch fest, dass der Vertrauensvorschuss für Sie, den Sie zu Anfang der Legislaturperiode noch hatten, inzwischen aufgebraucht ist; das sehen wir auf der Straße. Letzte Woche bei der Kita-Demonstration hat das Kita-Netzwerk Hamburg rund 5000 Personen auf die Straße gebracht,
Eltern, Erzieherinnen und Erzieher. Sie sitzen nicht nur auf dem Baum mit ihrer Kritik, sondern sind auf die Straße gegangen.
Und es ist doch auch interessant zu beobachten, dass Sie, Herr Senator, und auch der gesamte Senat hier immer mehr Bündnispartner verlieren. Wir erleben, dass Elternvertreter vom LEA deutlich auf Distanz zur SPD gehen, wir erleben, dass die Wohlfahrtsverbände den Verhandlungstisch verlassen, und auch der natürliche Bündnispartner der SPD, die Gewerkschaften, schreiten jetzt nicht mehr Seite an Seite in Sachen Kita mit der SPD, sondern im Gegenteil. Wir erleben, dass ver.di und GEW mobilisieren und das inzwischen gegen die eigene Senatspolitik. Das tun sie zu Recht, denn die Betreuung gerade von Krippenkindern ist nicht mehr kindgerecht. Kitas müssen mehr sein als ein reiner Aufbewahrungsort.
Es ist vorhin schon angesprochen worden, und es wird auch nicht das erste Mal darüber gesprochen, welche Erwartungen an Kitas gestellt werden, welche Leistungen Kitas erbringen müssen. Das haben Sie auch betont und es ist im Prinzip richtig. Und wenn wir in die Hamburger Bildungsempfehlungen schauen, dann ist es eine ganze Latte an Anforderungen, die Kitas erfüllen sollen. Ich nenne nur ein paar, vom wesentlichen Beitrag zum Kinderschutz, den wir jetzt in der Debatte über Yagmur erleben, gar nicht zu reden. Kitas sollen Orte der Bildung sein. Sie sollen in vielen Bereichen Wissen vermitteln über Körper, Gesundheit, soziale und kulturelle Umwelt, Sprache, Schriftkultur, Musik und Mathematik. Sie sollen die demokratische Teilhabe von Kindern fördern, den Übergang in die Schule gestalten, die Eltern in ihrer Erziehungskompetenz fördern und gleichzeitig auch ein Ort einer zuverlässigen, fürsorglichen und emotional sicheren Betreuung sein.
Dann frage ich mich, wie das in der Praxis funktionieren soll, wenn der Betreuungsschlüssel seit Jahren auf dem Niveau von vor zehn Jahren stagniert. Das kann nicht funktionieren, und das müssen wir auch Ihnen, Herr Scheele, sagen.
Herr Ritter hatte es vorhin angesprochen. Vielleicht war es etwas unbedacht von Ihnen, als Sie öffentlich gesagt haben – ich war nämlich ganz erstaunt und die GEW hat es sehr deutlich als beratungsresistent oder auch unverfroren beschrieben –, die Kitas sollten doch selbst für mehr Personal sorgen und sehen, woher sie das Geld dafür nehmen. Sie tragen die Verantwortung für die Rahmenbedingungen, und es ist auch Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Kleinsten ein gutes, frühkindliches Angebot bekommen. Die Frage der Kita-Qualität wird die entscheidende Frage in den nächsten Monaten sein.
Dass Sie als SPD-Fraktion das alles so mittragen, finde ich bemerkenswert, denn wenn die Betreuung und die Qualität auf der Strecke bleiben, dann bleibt natürlich auch Bildungsgerechtigkeit, ein zentrales sozialdemokratisches Thema, auf der Strecke. Wir werden in die Haushaltsberatungen Anträge einbringen, die in Sachen Kita-Qualität einen Schritt nach vorn gehen. Und wir hoffen natürlich dort auf Unterstützung von Ihrer Seite. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE setzt sich schon seit Langem für eine bessere Qualität in der frühkindlichen Bildung und Erziehung ein. Das hat Herr Yildiz im Ausschuss und im Plenum immer wieder deutlich gemacht.
Schon in der Volksinitiative "Frühkindliche Bildung" haben wir uns gemeinsam mit dem Landeselternausschuss, den Gewerkschaften, dem SOAL e.V. und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband für verbesserte Personalschlüssel eingesetzt. Frau Leonhard hat darauf hingewiesen, dass Olaf Scholz kurz vor der letzten Bürgerschaftswahl Forderungen der Volksinitiative als Teil des Regierungsprogramms übernommen und in 280 Kitas in den sozialen Brennpunkten diese Schlüssel im "KitaPlus"-Programm umgesetzt hat. Das haben wir begrüßt und das haben wir mitgetragen.
Aber es ist nicht alles, was vereinbart wurde. Jetzt gilt es, das Versprechen umzusetzen, dass weitere Schritte der Qualität folgen und die Verbesserungen auf alle Kitas übertragen werden.
Zurzeit haben wir in Hamburg bei den Dreijährigen eine Erzieher-Kind-Relation von 1:7,6 und bei den Sechsjährigen von 1:12,5. Viele haben schon vor mir darauf hingewiesen, dass wir den schlechtesten Personalschlüssel aller westlichen Bundesländer haben, und die Folgen sind absehbar. In den Kitas erfolgt die Betreuung der Kinder nach der Methode satt und sauber. Das ist Quantität, aber keine Qualität.
Das hat mit frühkindlicher Bildung nichts zu tun, das kann man schon bei Fröbel, dem Erfinder des Kindergartens, nachlesen.
Die Folgen für die Beschäftigten sind ebenfalls verheerend. Die Erzieherinnen und Erzieher sind durchschnittlich nach zehn Jahren erschöpft, die Krankenstände sind hoch und werden immer höher. Auch deshalb unterstützen wir die Forderung nach 25 Prozent mehr Personal in den Kitas.
Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, nämlich zu Personalschlüsseln, wie sie Fachleute und Verbände und auch die Bertelsmann Stiftung vorschlagen. Da die CDU so vehement auftritt – Sie reden sogar von Widerstand, das habe ich selten von Ihnen gehört, aber es sind Wahlkampfzeiten, dann kommt so etwas zustande –, muss man sagen, dass diese Forderung nach 25 Prozent mehr Personal aus den Kürzungen von durchschnittlich 12 bis 13 Prozent bei den Betreuungsschlüsseln resultiert, die die CDU-Alleinregierung Ende 2004 mit der Sozialsenatorin Schnieber-Jastram beschlossen hat. Ich finde es schon mutig, dann hier so aufzutreten.
(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Andreas Dressel SPD – Dietrich Wersich CDU: Stimmt nicht, stimmt nicht!)
Die CDU will – das wurde im Familienausschuss auch deutlich – nur die Erzieher-Kind-Relation bei den unter Dreijährigen Krippenkindern verbessern. Das ist zu kurz gedacht. Alle Kitas brauchen Verbesserungen, und die Verbände benötigen dafür nach ihren eigenen Zahlen rund 63 Millionen Euro jährlich, die verteilt über die Jahre dann angestrebt werden sollen. Nun kommen Sie bestimmt wieder mit der Schuldenbremse, Ihrem Totschlagargument für all das, was Sie politisch nicht wollen.
Das Geld dafür ist da, es geht aus unserer Sicht um politische Schwerpunktsetzung in Richtung Bildung. Dazu können die Steuermehreinnahmen genauso dienen wie das Generieren von Mehreinnahmen, zum Beispiel durch zusätzliche Steuerprüfer. Dass wir als LINKE eher die Qualität der frühkindlichen Bildung stärken wollen als das Viel
fache davon in eine Gartenschau, in ein Busbeschleunigungsprogramm oder in die Olympiade zu stecken, versteht sich von selbst.
Langfristig brauchen wir Ganztagsplätze für alle Kinder, beitragsfrei und steuerfinanziert. Wir sind zutiefst überzeugt, dass davon die gesamte Gesellschaft profitiert, weil es ein Beitrag ist, um die soziale Spaltung abzumildern, und das ist dringend geboten.
Außerdem werden dadurch Ausgaben in nachgelagerten Sozialsystemen vermieden, und die Haushalte werden sogar, wenn man das volkswirtschaftlich berechnet, langfristig entlastet. Dass der Bund an der Finanzierung beteiligt werden muss, ist aus gesamtgesellschaftlicher Verantwortung heraus unabdingbar. Ein Rechtsanspruch ab dem ersten Lebensjahr heißt auch, dass man die Länder und Kommunen nicht allein die Kosten tragen lassen kann. Der Bund muss sich an der Finanzierung, und zwar nicht nur beim Bau der Kitas, beteiligen. Es muss für Sie, Herr Senator Scheele, doch ein Klacks sein, das zu schaffen, wenn Sie es denn wollen. Die SPD ist schließlich in der Großen Koalition, und Ihr Koalitionspartner, die CDU, hat heute ganz deutlich gemacht, sie wolle es auch. Also dann mal los.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte nach dem Beitrag von Frau Leonhard noch einmal etwas klarstellen. Das Verhalten kennen wir schon von der SPD. Wenn Ihre eigenen Projekte finanziert sind, kein Geld mehr da ist…