Protokoll der Sitzung vom 06.11.2019

(Dirk Kienscherf SPD: 50 Prozent an Nicht- Genossenschaftsmitglieder! 50 Prozent!)

50 Prozent bei der Fluktuation und nicht von 132 000 Wohnungen, Herr Kienscherf, egal, wie laut Sie brüllen. Es ist ein geringer Anteil.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch einmal. Ich wäre sofort dabei, wenn Sie sagen würden: Wir fördern mehr Genossenschaften in Hamburg, wir haben wesentlich mehr genossen

schaftlichen Wohnungsbau. Das ist preisdämpfend, aber bei 132 000 Genossenschaftswohnungen und 132 000 SAGA-Wohnungen ist das bei 750 000 Mietwohnungen einfach zu wenig. Also ist doch klar, dass das nicht reicht.

Und jetzt komme ich zu dem anderen netten Zitat aus dieser sehr seriösen und sehr wissenschaftlichen Studie. Da heißt es zum Beispiel – eine Wahnsinnserkenntnis –:

"Je nach Haushaltsgröße gibt der Durchschnittshaushalt zwischen einem Fünftel und einem Drittel des Nettoeinkommens für Kaltmiete aus."

Wow. Es hängt doch wohl ganz stark davon ab, wie viel Einkommen ich habe. Familien, die Hartz IV bekommen und vielleicht drei oder vier Kinder haben, müssen anteilsmäßig wesentlich mehr Miete zahlen als die reiche Familie, die drei Kinder hat und sich locker 3 000 oder 4 000 Euro Miete leisten kann.

(André Trepoll CDU: Welche Familie soll das denn sein? 4 000 Euro!)

Wenn auf so einem Niveau ein vermeintliches Gutachten erstellt wird, kann ich nur sagen: Das ist echt das Geld nicht wert. Aber das haben nicht Sie bezahlt, sondern die SAGA hat hierzu auch einen Anteil gezahlt.

Ich mache weiter mit der Studie. Ist Ihnen eigentlich einmal aufgefallen, dass in dieser Studie fast 78 Prozent der Wohnungen, die berücksichtigt werden, von SAGA und Genossenschaften kommen? Und – das steht extra drin – es sind auch öffentlich geförderte Wohnungen dabei. Ich glaube, die meisten von Ihnen wissen, dass der Mietenspiegel keine öffentlich geförderten Wohnungen berücksichtigen darf. Und wissen Sie, warum nicht? Weil die Wohnungswirtschaft seit Jahrzehnten dagegen ankämpft, auch nur eine einzige öffentlich geförderte Wohnung in den Mietenspiegel aufzunehmen, weil das preisdämpfend wirken würde. Nun kommt die gleiche Wohnungswirtschaft und sagt: Natürlich nehmen wir öffentlich geförderte Wohnungen auf, wir gewichten das nachher und rechnen das hoch. Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass Sie das als eine gute Studie betrachten?

Und was noch hinzukommt: Diese Studie nimmt als Vergleichszeitraum 19 Jahre. Die gleiche Wohnungswirtschaft ist strikt dagegen, auch nur einen Tag mehr als vier Jahre beim Mietenspiegel zu berücksichtigen, weil das die Ergebnisse aus ihrer Sicht verfälschen würde. Also all das, was Sie – Rot-Grün meine ich jetzt – auf Bundesebene angeblich verändern wollen, den Mietenspiegelzeitraum auf acht Jahre ausdehnen, öffentliche Wohnungen berücksichtigen … Nein, das wollen Sie noch nicht. Aber all das, was Sie ändern wollen oder sollten, all das wird in dieser Studie auf ein

mal zugrunde gelegt. Und noch einmal, Herr Duge: Wenn Sie sagen, das sei eine seriöse und tolle Studie, weiß ich nicht, in welcher Welt Sie leben.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn die Mieterinnen und Mieter in Hamburg merken die Realität. Sie haben keine Versachlichung in ihrem Portemonnaie. Sie merken nicht, dass sie am Monatsende mehr Geld haben, weil es reicht. Sie vergessen bei Ihrem Wohnungsneubauprogramm immer: 55 000 neue Wohnungen, klasse. Aber noch nicht einmal ein Drittel ist geförderter Wohnungsbau, noch nicht einmal ein Drittel ist preisdämpfend. Das heißt, wir haben weiterhin ein Riesenproblem.

Und wenn ich mir jetzt die AfD anhöre, ist das phänomenal. Wissen Sie eigentlich, für was Sie stehen, Herr Ehlebracht, können Sie es wiederholen? Zum einen sagen Sie, man habe Wohnraum in Mecklenburg-Vorpommern, es wäre gut, wenn die Leute dort hinzögen, dann sagen Sie, Sie wollten Wohnungsbau in Ballungsgebieten schaffen, aber Sie fänden es völlig falsch, Milliarden Euro in sozialen Wohnungsbau zu stecken. Sie werden doch mit dieser nicht greifbaren Politik nie im Leben dafür sorgen, dass günstiger Wohnraum entsteht. Sie versuchen immer, so zu tun, als seien Sie die Kämpferinnen und Kämpfer für die kleinen Leute.

(Dirk Nockemann AfD: Das stört Sie!)

Das sind Sie überhaupt nicht, Sie sind eher die, die die kleinen Leute weiter ins Unglück stürzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Meyer bekommt das Wort für die FDP-Fraktion.

Verehrtes Präsidium, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal finde ich es erfreulich, dass sich die AfD-Fraktion zum Ende der fünfjährigen Legislaturperiode in der Aktuellen Stunde nicht mit der Rückführung krimineller Ausländer, Meldeportalen an Schulen oder ihrer eigenen Opferrolle befasst, sondern tatsächlich einmal mit einem Thema, das die Hamburgerinnen und Hamburger wirklich interessiert.

(Beifall bei der FDP)

Wenn man den Umfragen glauben darf, so ist das Thema Wohnungsbau neben dem großen Thema Verkehr wohl eines der wichtigsten, selbst wenn zwischen öffentlicher Wahrnehmung und tatsächlicher Faktenlage eine Riesenlücke klafft. Diese Diskrepanz wird besonders deutlich, wenn man sich die jüngst veröffentlichten Zahlen anschaut. Bei 8,21 Euro Durchschnittsmiete ist der Hamburger Wohnungsmarkt weit von den dramatischen Entwicklungen entfernt, mit denen einzelne Fraktionen in diesem Hause ihr politisches Süppchen kochen.

Da ist von Wohnungsnot, Abzocke und Verdrängung auf der linken Seite des Hauses und von prekärer Lage hier am rechten Rand die Rede. Beides ist unzutreffend, und es zeigt sich ein weiteres Mal, dass vernünftige Lösungen nur in der politischen Mitte zu finden sind.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Machen wir uns doch nichts vor: Erstens ist der Hamburger Wohnungsmarkt heterogen, sodass einfache und pauschale Lösungen für alle Hamburger Lagen schon einmal viel zu kurz gesprungen sind. Zweitens helfen Reglementierungen und Mangelverwaltung in einem ohnehin überregulierten Markt nicht weiter, im Gegenteil, sie sind sogar kontraproduktiv. Und drittens gibt es nur eine Lösung, und die heißt bauen.

(Beifall bei der FDP)

Anstatt über soziale Erhaltungsverordnungen, Grundstücksvergabe in Erbpacht, Ausübung von Vorkaufsrechten und Zweckentfremdung zu lamentieren, wäre der rot-grüne Senat besser beraten, endlich alles daranzusetzen, das Bauen günstiger, einfacher und schneller zu gestalten. Ich nenne nur wenige Stichwörter: das uralte Hamburger Planrecht endlich modernisieren, Genehmigungsverfahren serviceorientiert bearbeiten, Wohnkosten-TÜV einführen und Kostentreiber entlarven, Gesetze und Verordnungen auf ein vernünftiges Maß zurückfahren. Stattdessen fährt dieser Senat eher mit Lächerlichkeiten auf: Fassadenbegrünung, die mehr schadet als nützt, und 8-Euro-Wohnungsbau, der in Wahrheit nur mit Subventionen funktioniert, oder Typengenehmigungen, die zwar auf der grünen Wiese, nicht aber in der dicht besiedelten Stadt nützen.

Meine Damen und Herren von Rot-Grün, packen Sie die vielen Potenzialflächen endlich an, entwickeln Sie die Magistralen und reden Sie nicht nur darüber – die Wohnungswirtschaft steht Ihnen dabei sicherlich gern zur Seite –, und bewahren Sie die Vielfalt unserer Stadt, indem verschiedenen Menschen auch verschiedene Angebote gegenüberstehen.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Nicht bezahl- bar!)

Es gehören auch Einfamilienhäuser dazu, Frau Sudmann, das mögen Sie vielleicht nicht so gern hören, aber die Deutschland-Koalition in HamburgMitte hat sich zumindest gerade dazu bekannt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Fördern Sie die Eigentumsbildung gerade für Familien mit kleinen Einkommen, damit sich insbesondere junge Menschen unabhängig von den maroden Rentenkassen entwickeln können.

(Heike Sudmann)

(Heike Sudmann DIE LINKE: Man könnte auch die Rente verändern, anstatt Eigentum zu fördern!)

Und machen Sie es jetzt, meine Damen und Herren von Rot-Grün, denn Ihnen bleiben nur noch drei Monate. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Ehlebracht, bitte, Sie bekommen erneut das Wort für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es freut mich, dass es – das werden Sie jetzt ungern hören – dann doch einige Parallelen gab, Herr Meyer, Herr Hamann, wir haben da also die gleiche Zugrichtung.

(André Trepoll CDU: Ihr Zug fährt woanders- hin!)

Es freut mich auch, dass Sie, Herr Meyer, zum Schluss noch einmal einen Aspekt aufgenommen haben, der hier allen anderen entgangen zu sein scheint, nämlich der Aspekt des Wohneigentums. Auch Wohneigentum ist Bestandteil der Wohnungsbaupolitik. Zwei Drittel der Bevölkerung wünschen sich Wohneigentum, zwei Drittel heißt, die überwiegende Mehrzahl. Dieser Wunsch vieler Familien und Paare aus der Mittelschicht ist gerade heute vernünftig und wird von der Hamburger Wohnungspolitik trotz des Ein-Drittel-Mix, in dem Eigentumswohnungen vorkommen, nicht ausreichend bedient.

(Zuruf)

Wie ich das behaupten kann, ist sehr einfach: weil die Fakten es belegen. Während durchschnittlich 70 Prozent aller Europäer im Eigenheim wohnen, sind es in Deutschland gerade einmal 46 Prozent und in Hamburg,

(Dirk Kienscherf SPD: Aber nicht glückli- cher!)

das mit Berlin das Schlusslicht bildet, nur schlappe 21 Prozent.

Vernünftig ist der Wunsch, weil selbstgenutztes Wohneigentum vor Altersarmut schützt, da im Alter der größte Posten, die Miete, nicht mehr anfällt. Wohneigentum ist die Abwehr der Vernichtung von Spar- und privatem Rentenvermögen, wie es derzeit durch die EZB-Politik Jahr für Jahr betrieben wird. Wohneigentum fördert die Eigenverantwortung und schützt vor Mieterhöhungen und Kündigungen. Das alles macht Eigentum für die Mittelschicht, die Krankenschwester, den Polizisten, den Mechaniker, die Busfahrerin. Auch dazu werden wir noch in dieser Legislaturperiode Anträge einbringen. Es wäre die Aufgabe des jetzigen Senats,

auch die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass wir diese Quote erhöhen.

Dann noch einmal kurz zu Frau Koeppen. Sie hatten angedeutet, wir wollten die SAGA abschaffen oder irgendwie schwächen. Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, das habe ich nicht mit einem Wort erwähnt. Ansonsten muss man auf Ihren Beitrag nicht eingehen.

Herr Duge, nicht Studien bestimmen das Leben, auch nicht die Zahlen in Ihrem Manuskript. Es ist das reale Leben, es ist die Realität draußen. Und wenn Sie doch einfach einmal versuchen würden, eine Wohnung über einschlägige Portale, über Zeitungsannoncen zu finden, dann sehen Sie, wie die Realität funktioniert, und Sie sehen, wie schwierig es ist oder wie unmöglich es ist, mit geringem Einkommen heutzutage hier eine Wohnung zu finden. Da können Sie schönreden, was Sie wollen, die Realität sieht einfach anders aus, als Sie es hier immer darzustellen versuchen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Weitere Wortmeldungen zu diesem Thema sehe ich jetzt nicht.