Protokoll der Sitzung vom 04.12.2019

Das Wort erhält nun der Abgeordnete Gögge für die GRÜNE Fraktion.

(Dora Heyenn)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wieder einmal das Leib- und Magenthema der AfD: Linksextremismus. Da muss man sich doch zunächst einmal fragen, warum wir diesen Punkt heute wieder auf der Tagesordnung haben. Da drängt sich mir geradezu der Eindruck auf, dass wir von der aktuell entscheidenden Gefahr für unsere Gesellschaft und unsere freiheitlich demokratische Grundordnung abgelenkt werden sollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Im Jahr des Mordes an Herrn Lübcke, im Jahr des Anschlags von Halle, nach insgesamt 200 Toten durch Rechtsterrorismus seit 1990 reden wir über Interventionistische Linke und Ende Gelände. Das kann man machen, es ist aber Augenwischerei.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von Dirk Nockemann AfD)

Nach dem Parteitag vom Wochenende, auf dem sich die AfD wieder sehr klar auf der nationalistisch-völkischen Linie eingeordnet hat, ist mir völlig klar, wovon wir hier abgelenkt werden sollen. Aber zur Sache.

Angeblich ist es den Hochschulen völlig egal, wer ihre Räume nutzt. Das ist natürlich Unsinn, denn in den Raumvergabebestimmungen der Uni Hamburg ist klar geregelt, von wem und wofür Räume genutzt werden dürfen. Über die konkreten Regularien – das weiß auch Herr Nockemann – wurden wir vor drei Wochen im Wissenschaftsausschuss ausführlich informiert. Die konkreten Entscheidungen werden im Rahmen des Kontrollierbaren sorgfältig nach geltenden Regeln getroffen. Nun so zu tun, als hätten extremistische Gruppen grundsätzlich ein Nutzungsrecht für Räume an Hochschulen, ist absolut absurd.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Dirk Nockemann AfD: Es gibt viele Fälle!)

Der AfD ist Hochschulautonomie völlig egal, für die demokratischen Fraktionen hier im Saal ist sie aber ein wichtiger Wert, und das bedeutet, dass Raumfragen in den Hochschulen geregelt werden sollen und müssen. Eine Änderung des Hochschulgesetzes braucht es überhaupt nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort erhält nun der Abgeordnete Dolzer für die Fraktion DIE LINKE.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Als LINKE bekräftigen wir die Freiheit der Wissenschaft, das Grundgesetz zu verwirklichen. Die Trägerinnen und Träger der Wissenschaftsfreiheit sind alle an der Universität Tätigen, alle Wissenschaffenden, und dazu gehören auch die Stu

dierenden. Wie Herr Gögge gesagt hat, versucht die AfD, diese Debatte zu instrumentalisieren, um linke Gruppierungen bewusst zu diffamieren und von ihrer eigenen destruktiven gesellschaftlichen Kraft abzulenken. Das finden wir unredlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie nehmen die Vorlesungen und die Ereignisse anlässlich der Vorlesungen von Professor Lucke als Vorwand und sehen überhaupt nicht beziehungsweise wollen kaschieren und verschleiern, dass diese Vorlesungen von Dr. Lucke bewusst genutzt wurden, um mit seiner Partei und im Einklang mit Ihnen den gesellschaftlichen Diskurs nach rechts zu verschieben. Dagegen wehren wir uns hier. Professor Lucke hat bewusst seine Stellung als Professor benutzt; das wurde auch in der Wissenschaftsausschusssitzung klar. Er hat über das System STiNE politische Messages an seine Studierenden geschickt, obwohl das System nur dafür geeignet sein soll und sollte, Vorlesungen vorzubereiten. Auch das ist dort zum Ausdruck gekommen, und genau das versuchen Sie zu verschleiern und schießen gegen links.

Herr Lucke hat sich mit der jüdischen Professorin Agathe Lasch verglichen, die in Riga ermordet worden ist.

Auch Sie, Herr Nockemann, haben gehört, dass rechte Akteure der Uni-Leitung aufgrund des Umgangs mit Professor Dr. Lucke eine ernst zu nehmende Bombendrohung geschickt haben. Es ist völlig maßlos, dass Sie all das zu verschleiern versuchen, indem Sie das jetzt als Vorwand nehmen, um gegen eine demokratische Veranstaltung zu schießen. Das finden wir unredlich, das finden wir unsachlich, und das nutzt niemandem außer Ihren rechten Ideologien und den Rechtsextremen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Das Wort erhält nun für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Oetzel.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Dolzer, was Sie hier gerade wieder hingelegt haben, war wirklich unerträglich.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos und Ekkehard Wysocki SPD)

Es schließt im Grunde an das an, was wir neulich im Ausschuss für Wissenschaft und Gleichstellung diskutiert haben, als Sie sich dazu haben hinreißen lassen, zu meinen, für die Eskalation an der Uni Hamburg sei Herr Lucke verantwortlich, da er das Angebot, den Raum zu verlassen, nicht angenommen habe. Das ist eine solch unfassbare Verdrängung und Verdrehung der Tatsachen, wie man sie sich kaum ausdenken kann, wenn Sie von Ihnen

nicht vorgetragen würde, denn von allein kommt man auf so etwas nicht.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)

Das haben Sie gerade noch einmal fortgesetzt. Aber ich freue mich, dass die breite Mehrheit dieses Hauses das an dieser Stelle auch anders sieht.

Zu dem Antrag wurde jetzt schon viel gesagt. Es geht im Wesentlichen um die Autonomie einer Bildungseinrichtung. Auch Herr Ovens hat eben diese Raumvergaberichtlinie zu Recht angesprochen. Man muss aber auch in Richtung AfD-Fraktion sagen, dass Sie versuchen, ein Problem zu beschreiben, aber über die tatsächlichen Probleme im Rahmen dieser Raumvergabeverordnung vor Ort wenig sachkundig sind. Denn es ist nicht so, dass es keine Probleme gäbe. Frau Heyenn, Sie haben gerade versucht, so zu tun, als gebe es keine Probleme im Rahmen dieser … die befasste Studierendenschaft bekomme Räume und so weiter. Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass ein sogenanntes Gremium, die sogenannte Fachschaftsrätekonferenz, ein nicht legitimierter Zusammenschluss verschiedener Studierender außerhalb der verfassten Studierendenschaft, von der Universitätsleitung wiederholt Räume zur Verfügung gestellt bekommt, ohne dass es dafür eine wirkliche Grundlage gibt. Man tut auch noch so – ich hatte vor Kurzem eine Anfrage dazu gestellt –, als würde das in Absprache mit dem AStA passieren, was mitnichten so ist. Da tun Sie dem AStA teilweise Unrecht, weil die eigentlichen Problemgruppen, die versuchen, sich diese Räume zu erschleichen, im Grunde beim SDS, mittlerweile auch bei CampusGrün sitzen. Das war früher noch anders. Zu meiner Zeit konnte man mit denen noch koalieren, heutzutage leider nicht mehr.

Aber dort sind die Probleme, und die haben Sie nicht benannt, weil Sie sie wahrscheinlich gar nicht kennen. Deshalb ist Ihr Antrag nicht tauglich, um das Ziel zu erreichen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)

Das Wort erhält nun der Abgeordnete Dolzer für die Fraktion DIE LINKE.

Die AfD hat einen starken völkischen nationalistischen Flügel und ist für das Erstarken der rechtsradikalen Kräfte in Deutschland mit verantwortlich. Lieber Herr Oetzel, Sie waren auf derselben Sitzung wie ich und haben es auch gehört. Der Ausschuss der Fakultät WiSo hat einen Beschluss mit den Professoren gefällt, und darin steht – ich zitiere –:

"Gerade in Anbetracht der aktuellen gesellschaftlichen Zuspitzung extrem rechter Hetze und Gewalt ist eine gesellschaftliche und universitäre Auseinandersetzung mit den Positionen von Herrn Lucke nötig im Verhältnis zur Selbstverpflichtung der Hochschule zur Entwicklung einer human-demokratischen und gerechten Gesellschaft."

Genau das habe ich im Ausschuss vorangetrieben. Die Universität ist darauf eingegangen, sowohl Frau Löschper wie auch der Präsident. Ich wundere mich wirklich über Sie und Herrn Jarchow, dass Sie im Ausschuss nicht die Verpflichtung der Parteien wahrnehmen, dass wir genau diese gesellschaftliche Debatte führen müssen, damit die AfD nicht irgendetwas als Vorwand nehmen kann, um als Erstes vielleicht gegen die Interventionistische Linke, dann als Nächstes gegen DIE LINKE und Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, wie das die Vorgängerinnen und Vorgänger in den Dreißigerjahren gemacht haben, anzugehen und zu versuchen, sie aus der Gesellschaft auszugrenzen.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Alexander Wolf AfD: Unsinn!)

Ich finde, da müssen Sie der Verantwortung gerecht werden; das ist notwendig. Es ist auch notwendig, zu sehen, was die AfD hier betreibt, und ich sehe es sehr kritisch, wenn Sie kein einziges kritisches Wort nach rechts verlieren und stattdessen sagen, es sei anrüchig, Herrn Lucke zum Beispiel das vorzuhalten, was seine neue Partei, die Liberal-Konservativen Reformer, getan hat und was noch immer sichtbar ist auf der Homepage des Landesverbandes Hamburg, nämlich das Asylrecht infrage zu stellen und afrikanische und Menschen mit islamischen Wurzeln zu diffamieren. Da zu sagen, man dürfe das nicht in einem Ausschuss thematisieren, das finde ich nicht gut. Die Veranstaltungen an der Universität können stattfinden, Herr Lindner kann dort reden, alle Demokraten können dort reden, aber Rechte sollten dort nicht reden, wenn sie extrem sind und das Grundgesetz mit Füßen treten.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrter Herr Dolzer, auch wenn Sie aufgebracht sind, zwei Minuten sind zwei Minuten, Sie waren schon deutlich darüber.

Gibt es weitere …

(Zurufe)

Nein, es gibt keinen Freiwilligkeitsbetrieb, aber ich wollte auch nicht zur weiteren Anheizung beitragen.

Herr Jarchow für die FDP-Fraktion erhält das Wort, wieder für zwei Minuten.

(Daniel Oetzel)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dolzer, da Sie mich direkt angesprochen haben, ergreife ich noch einmal kurz das Wort. Sie können alle Auseinandersetzungen führen, wir können über alles reden, aber der Punkt, über den wir damals im Wissenschaftsausschuss und heute geredet haben, ist, ob wir es akzeptabel finden, dass Vorlesungen an dieser Uni gewaltsam gestört werden oder nicht; darum geht es.

(Beifall bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)

Für diese gewaltsamen Störungen gibt es doch gar keine Entschuldigung. Entschuldigung, es ist doch völlig egal, wer von der Uni eingesetzt da vorn als Professor redet. Es geht doch einfach darum, ob sie ihre Vorlesungen frei halten können oder nicht und ob es irgendein Recht in diesem Land gibt, das gewalttätig zu unterbinden. Sie scheinen der Meinung zu sein, wenn es jemand ist, der einmal mit der AfD zu tun hatte, sei das eine Entschuldigung, dann dürfe das sein. Darum ging es. Es geht jetzt nicht um die AfD-Geschichte, es geht nicht um Herrn Lucke, das ist Vergangenheit, die kennen wir alle. Es geht allein um die Tatsache, wie wir uns verhalten und wie wir es mit der Freiheit der Wissenschaft und der Meinungsfreiheit an den Universitäten halten. Darum geht es mir, um nichts anderes. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos und Peter Lorkowski AfD)

Wenn es keine weiteren Wortmeldungen gibt, dann kommen wir zu den Abstimmungen.

Wer also die Drucksache 21/19091 federführend an den Ausschuss für Wissenschaft und Gleichstellung sowie mitberatend an den Innenausschuss überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist diesem Überweisungsbegehren nicht gefolgt.

Dann kommen wir zur Abstimmung in der Sache.

Wer möchte nun dem Antrag der AfD-Fraktion aus Drucksache 21/19091 seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Dann kommen wir zum Tagesordnungspunkt 60, Drucksache 21/19092, Antrag der AfD-Fraktion: Abstimmungsverhalten des Hamburger Justizsenators Steffen bei der Abschlusserklärung der Justizministerkonferenz.