Dann kommen wir zum Tagesordnungspunkt 60, Drucksache 21/19092, Antrag der AfD-Fraktion: Abstimmungsverhalten des Hamburger Justizsenators Steffen bei der Abschlusserklärung der Justizministerkonferenz.
Abstimmungsverhalten des Hamburger Justizsenators Steffen bei der Abschlusserklärung der Justizministerkonferenz – Drs 21/19092 –]
Auch hier handelt es sich um eine von der AfDFraktion angemeldete Kurzdebatte mit je zwei Minuten Redezeit pro Debattenbeitrag.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage, ob die DDR ein Unrechtsstaat war, ist so alt wie die Wiedervereinigung. Bejaht wurde diese Frage von dem sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer, von der Bundeskanzlerin Merkel und vom ehemaligen Bundespräsidenten Herzog. Am 7. November 2019 kam es dann bei der Abschlusserklärung der Justizministerkonferenz zum Eklat. Dort fand sich der Satz zur Abstimmung:
"Der Sehnsucht nach Freiheit und demokratischer Mitbestimmung hatte der Unrechtsstaat der DDR im Herbst 1989 nichts mehr entgegenzusetzen."
Die Vertreter Bremens, Berlins und Hamburgs enthielten sich; in jedem dieser Länder gab es eine grüne Regierungsbeteiligung. Da Justizminister Steffen sich bei der Abstimmung enthalten hat, müssen Zweifel daran aufkommen, dass Herr Steffen weiß, was ein Rechtsstaat ist beziehungsweise wie sich ein Rechtsstaat von einem Unrechtsstaat abgrenzt. Für einen Justizsenator ist das ein Armutszeugnis, man kann auch sagen, ihm fehlt damit das wesentliche Qualitätsmerkmal für die Wahrnehmung seiner Aufgaben.
Herr Senator, was ist denn nun ein Rechtsstaat? In der ehemaligen DDR gab es keine Meinungsfreiheit. Bürger wurden drangsaliert, bespitzelt und eingesperrt, weil sie den Weg in die Freiheit suchten. Viele wurden bei dem Versuch, die Grenze zu übertreten, erschossen. Der Staat entschied, wer welche Bildung haben durfte, Familien wurden unzulässigerweise auseinandergerissen. Es gab keine wirksame Gewaltenteilung.
Herr Senator, was ist ein Staat, bei dem all das fehlt? Ist das nur ein Rechtsstaat minderer Qualität, oder muss er nicht klar als Unrechtsstaat dargestellt werden? Mit welcher Legitimation treten Sie eigentlich noch vor Ihre Mitarbeiter, wenn Ihnen persönlich keine Bewertung der DDR als Unrechtsstaat über die Lippen kommt, wenn Sie einen Unrechtsstaat nicht ohne Wenn und Aber einen Unrechtsstaat nennen?
Wir von der AfD halten in diesem Fall eine Missbilligung des Verhaltens des Justizsenators für angemessen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Nockemann, eine Partei, deren Vorsitzender die Zeit des Nationalsozialismus als historischen Vogelschiss verharmlost und den sie dann sogar noch zum Ehrenvorsitzenden erklärt, sollte sich hier nicht als Experte zum Thema Rechts- oder Unrechtsstaat aufspielen.
(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und ver- einzelt bei der CDU – Dirk Nockemann AfD: Das ist doch billig!)
Zur Sache selbst ist doch völlig unstreitig, dass die DDR kein Rechtsstaat war. Darauf können sich, glaube ich, in diesem Haus hoffentlich alle verständigen. Sie war ein Regime der Unfreiheit, der Unterdrückung, der Bevormundung, geprägt durch staatliches Unrecht, und das kann man sicher getrost als Unrechtsstaat bezeichnen. Wenn das, was einen Unrechtsstaat ausmacht, jedoch in der Abschlusserklärung der JuMiKo, der der Justizsenator zugestimmt hat, dann aber auch vollständig enthalten ist, kann man sich sicher weiterhin feinsinnige Debatten darüber liefern, ob es einen sprachlichen Unterschied zwischen "kein Rechtsstaat" und einem "Unrechtsstaat" gibt. An dem Abstimmungsverhalten des Justizsenators kann ich jedoch nichts Missbilligenswertes finden.
Daher ist Ihr Antrag abzulehnen, verbunden mit der politischen Empfehlung an die AfD, die Bezeichnung der Zeit des Nationalsozialismus als historischen Fliegenschiss durch Ihren Ehrenvorsitzenden Gauland politisch zu missbilligen. Vorher sind Sie nämlich für diese Debatte gar nicht qualifiziert.
(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, verein- zelt bei der CDU und bei Norbert Hackbusch DIE LINKE – Dirk Nockemann AfD: Wir brauchen keine Belehrung durch Sie!)
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Dinge, einmal formal und einmal inhaltlich. Vielleicht zunächst formal: Den Antrag werden wir ablehnen. Das liegt schlichtweg daran, dass wir, wenn wir hier anfangen, mit Missbilligungen in Bezug auf Gremien zu arbeiten, die nicht öffentlich ta
gen, bald nur noch Resolutionen, Missbilligungen und Ähnliches abgeben können. Das hat, ehrlich gesagt, wenig Sinn. Das ist das eine.
Das Zweite, das muss man allerdings zugestehen: In der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage zu sagen, das sei eine nicht öffentliche Sitzung, deswegen äußere man sich dazu nicht, das ist, finde ich, zu kurz greifend. Denn was kostet es denn, sich klar dazu zu bekennen, dass die DDR ein Unrechtsstaat war? Das ist doch völlig klar.
Das war so. Das kann und muss man dann auch einmal aussprechen. Gerade in einer gemeinsamen Erklärung aller Justizminister ist es nicht unangebracht, das nach 30 Jahren Mauerfall auch so klar zu formulieren. Das sind Dinge, die wir von Kindesbeinen an lernen oder zumindest lernen sollten. Man stiehlt nicht, man respektiert Schwächere, man kämpft für Minderheiten. Das alles sind die Dinge, für die wir stehen. Genauso klar muss man das bei den wesentlichen politischen Entscheidungen in unserer Republik sagen. Bei der Wiedervereinigung ist es so gewesen, bei der Aussöhnung mit Frankreich, dass wir den europäischen Gedanken gemeinsam verfolgt haben. Und hier ist es ganz klar auch so: Die DDR war ein Unrechtsstaat. – Danke.
Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema Unrechtsstaat hat Herr Tabbert schon alles gesagt, und auch Sie, Herr Seelmaecker, haben zugestanden, dass das kein Thema für die Hamburgische Bürgerschaft ist. Es handelt sich hier um einen Beschluss der Justizministerkonferenz, und entsprechend hilflos ist das Petitum des Antrags, eine Missbilligung des Abstimmungsverhaltens des Justizsenators auszusprechen. Das ist nun wirklich Hilflosigkeit und nichts, was die Bürgerschaft in irgendeiner Form in der Debatte oder in der Meinungsfindung voranbringt.
Es ist einfach nur einmal wieder ein emotionales hochgepuschtes Thema von der AfD, wahrscheinlich weil Ihnen sonst nichts Besseres einfällt. Abgesehen davon ist es so, dass sich Hamburg bei der Abstimmung enthalten hat. Es ging in diesem inhaltlichen Zusammenhang in dem Antrag auch um sehr viele andere Punkte, denen Hamburg zugestimmt hat, aber in dieser Einzelfrage hat Hamburg sich enthalten. Eine Enthaltung sagt nicht, dass es falsch ist, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Deshalb, Herr Nockemann, ist es völlig herge
holt und völlig verfehlt, Herrn Steffen zu unterstellen, er habe Zweifel am Rechtsstaat. Also, das ist so etwas von … Dazu fällt mir jetzt kein Wort ein, das mit dem parlamentarischen Sprachgebrauch vereinbar ist, das steht für sich. Konzentrieren Sie sich bei der AfD vielleicht lieber auf Ihre angebliche Sozialpolitik, die Sie heute entdeckt zu haben meinen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte über die DDR als Unrechtsstaat wird von vielen Akteurinnen und Akteuren sehr unwissenschaftlich, wenig analytisch
und deshalb auch nicht zielführend geführt. Anstatt sich sachlich mit den positiven Errungenschaften wie auch den negativen Aspekten der DDR auseinanderzusetzen, soll sie mit dem Begriff Unrechtsstaat diffamiert werden.
Es gibt Streit darüber und nur wenig genaue Definitionen eines Unrechtsstaates. Eine sehr gute und genaue Definition hat Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in den Fünfzigerjahren gegeben. Er erklärte, dass ein Unrechtsstaat sich durch systematisches Unrecht und einen definierten Feind, der systematisch ausgemerzt werden soll, auszeichnet.
Altbischof Schönherr begründete dieselbe Ansicht damit, dass von der DDR zum Beispiel niemals ein Krieg und keine Massenmorde ausgingen. Außerdem kannte sie – Zitat –
Auch Lothar de Maizière, Herr Hamann, letzter Ministerpräsident der DDR und Mitglied der CDU in der DDR, bezeichnet die Vokabel Unrechtsstaat als unglücklich …
… als unglücklich, da der Begriff unterstelle, dass alles, was dort im Namen des Rechts geschehen ist, unrecht gewesen sei.
Nein, ein Unrechtsstaat war die faschistische Diktatur unter Hitler, die systematische Verfolgung der Jüdinnen und Juden, die systematische Verfolgung von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, Kommunistinnen und Kommunisten und Gewerkschaften. Ein Unrechtsstaat ist die heutige Türkei mit einem völkerrechtswidrigen Angriff auf Nordsyrien, mit 30 000 Oppositionellen im Gefängnis und der Zusammenarbeit mit dem Islamischen Staat, die gerade ethnische Säuberungen in Nordsyrien durchführen. Das ist ein Unrechtsstaat.