Protokoll der Sitzung vom 29.01.2020

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder Obdachlose oder jede Obdachlose in Hamburg ist einer/eine zu viel. Wir begrüßen die Anstrengungen sehr, die jetzt verstärkt gemacht werden sollen, um diesen Menschen zu helfen. Vor allen Dingen auch vor dem Hintergrund, dass sich der Kreis der Obdachlosen etwas verschoben hat. Es ist nur sehr langsam in die Öffentlichkeit gedrungen, dass die meisten Obdachlosen eigentlich Arbeitssuchende aus EU-Ländern sind,

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

die hier nicht Fuß gefasst haben. Und ich begrüße besonders, dass wir da jetzt einmal zu Maßnahmen kommen. Wir haben unter den Obdachlosen auch Leute, denen es noch schlechter geht, obwohl man es sich gar nicht vorstellen kann, dass das noch schlechter geht, nämlich zum Beispiel psychisch kranke Frauen, die in verdeckter Obdachlosigkeit leben, sprich also eigentlich zwar irgendwo wohnen, aber dann doch nicht wohnen können und da in Zwangssituationen kommen. Für uns ist es wichtig, dass wir diesen aufsuchenden Sozialstaat ausbauen, mit Leben füllen und dass Menschen Menschen helfen und wir denjenigen, die Probleme haben, helfen und ihnen auch Unterstützung geben.

Das Prinzip Housing First finden wir hervorragend, das haben wir schon seit Jahren gefordert. Dieser Anker ist für die Menschen das Wichtigste überhaupt, um Sicherheit zu fassen, danach kann man alles andere versuchen zu lösen.

Wir werden allen Anträgen, selbst dem Antrag der LINKEN und den Anträgen der CDU, zustimmen, weil es ein wichtiges Thema ist. Und wir sollten nur

(Cansu Özdemir)

sehen, dass wir da noch weiter vorangehen können, dass diese Stadt auch für Menschen, denen es nicht so gut geht, eine schöne Stadt wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Farid Müller GRÜNE)

Für die AfD-Fraktion bekommt nun Herr Feineis das Wort.

Vielen Dank. – Liebes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man könnte vielleicht sagen, was länger währt, wird endlich gut. Ich denke, dass dieser Maßnahmenkatalog schon lange überfällig ist. Und dass bestehende Angebote gezielt verbessert oder nachgebessert werden sollen, ist klar, weil die Zielgruppe sich verändert hat. Dass psychisch kranke Obdachlose aufgrund ihrer besonderen Situation der Einzelunterbringung bedürfen, wird mit Sicherheit auch von unserer Fraktion nicht bestritten. Wir teilen die aufgeführten Gründe dafür. Klar, wer sollte etwas dagegen haben, dass psychisch kranke Menschen gesondert mitbegleitet werden.

Aber so konkret die Definition der betroffenen Zielgruppen und ihrer besonderen Problematik ist, so vage ist leider auch das Petitum bei Drucksache 21/19709. Hier fehlt aus unserer Sicht die klare zeitliche Vorgabe, bis wann spezielle Unterkünfte eigentlich realisiert werden sollten. Die Unterbringungskapazitäten nach Paragraf 67 SGB XII sollen "nur nach Möglichkeit" ausgebaut werden. Hier hätte man sich zumindest klar die Hinweise darüber gewünscht, welche Möglichkeiten aus Sicht der Antragsteller existieren. Welche Kriterien gibt es eigentlich dafür? Auch gibt es kein festes Datum, zu dem der Senat der Bürgerschaft über Fortschritte zu berichten hat bei der Realisierung. Und das ist natürlich sehr fragwürdig.

Angesichts der Dringlichkeit der von den Antragstellern beschriebenen Probleme wird hier zeitlich und inhaltlich allzu viel in das Belieben des Senats gestellt. Hier muss deutlich eine zeitliche Konkretisierung erfolgen.

Meine Fraktion stimmt diesem Antrag zu. Nicht, weil der Antrag so konkrete Ziele hat, sondern weil er ein sehr starkes und wichtiges Anliegen im Blick hat.

Zum CDU-Antrag, Drucksache 21/19879. Wie Frau Rath schon gesagt hat, kann es nicht sein, dass in unserer Stadt 16 Plätze oder geschlossene Unterbringungen für psychisch kranke Patienten existieren. Und hier entgegenzuwirken, mit den Krankenhäusern Entlassungsmanagement zu realisieren oder Sonstiges, was unsere Stadt eigentlich tun kann, ist sehr notwendig. Wir begrüßen diesen Antrag und sind dafür.

Der Antrag Drucksache 21/19880: Es ist klar, dass jeder EU-Bürger auch in unsere Stadt kommen kann, um zu arbeiten. Aber dass das sehr oft nicht funktioniert, ist eindeutig so. Es mangelt an Qualifikation, und dadurch wird auch das Problem Obdachlosigkeit verschärft. Und so hat der Senat 2019 389 EU-Bürgern aus Polen, Rumänien und Bulgarien die Freizügigkeit aberkannt. Bei über 320 Menschen hat die Suche nach Arbeit oder nach einer Ausbildung gar nicht erst bestanden, 77 wurden zu Haftstrafen verurteilt, und 21 wurden abgeschoben. Hier sollte der Senat oder der künftige Senat weiter sehr konkret die Situation anschauen.

Ab Sommer 2020 soll nun das Projekt W.I.R auch die Arbeitsvermittlung der europäischen Einwanderer, sage ich einmal so, mit übernehmen. Wir denken, dass dadurch gewährleistet wird, dass auch Geringqualifizierte, die wirklich arbeiten wollen, in Arbeit kommen können. Deswegen denken wir, dass der CDU-Antrag überflüssig ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort erhält nun Frau Senatorin Dr. Leonhard.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir angesichts der doch sehr weitreichenden Anträge, mit denen Sie sich heute hier befassen, zwei, drei einordnende Worte. Diese Anträge sind doch nicht der Beginn der Weiterentwicklung der Wohnungslosenhilfe in Hamburg, sondern sie sind nur wesentliche, aber weitere Meilensteine. Wir haben im vergangenen Jahr das Gesamtkonzept Wohnungslosenhilfe auf den Weg gebracht, was schon sehr konkrete Maßnahmenpakete für all die Problemstellungen enthielt, die auch in diesem Hause so oft und so intensiv zu Recht debattiert worden sind. Und deswegen ist es natürlich ein Unterschied zwischen den Initiativen aus der Vergangenheit und dem, was heute vorliegt, in sehr vielen Punkten, zum Beispiel bei der Frage Arbeitnehmerinnen-/Arbeitnehmerpension.

Es reicht eben nicht, einfach nur eine Pension anzubieten an dieser Stelle, sondern wir haben es hier mit einer sehr verletzlichen, zum Teil gering qualifizierten, sehr beratungsbedürftigen Gruppe zu tun. Deswegen sind der Antrag und die Initiative von Rot-Grün an dieser Stelle so wichtig, weil es genau darum geht, Unterbringung und Arbeitsmarkt und Sozialberatung an einem Ort zusammenzubringen, damit nämlich die Frage nach der Perspektive sehr genau beantwortet werden kann. Ich darf sagen, wir haben es hier mit einer sehr verletzlichen, insbesondere von Arbeitsausbeutung sehr betroffenen Gruppe zu tun. Und die Vorstellung, die sind doch alle gering qualifiziert und wer

(Dr. Kurt Duwe)

den in Hamburg gebraucht und müssten dringend einmal niedrigschwellig in Arbeit kommen, die führt doch dazu, dass viele nach ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen entweder im Winternotprogramm oder schlimmer noch auf der Straße landen. Und dem müssen wir langfristig einen Riegel vorschieben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen ist auch gut, dass dieses Konzept nicht nur von einer Behörde allein oder von der Wohnungslosenhilfe allein, sondern gemeinschaftlich mit Kammern und Verbänden erarbeitet werden soll. Denn es geht doch auch darum, dafür Sorge zu tragen, dass durch dieses Angebot nicht zum Teil tarifvertragliche Verpflichtungen von Unterbringung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Fragen des Entsendegesetzes oder andere Arbeitsschutzthemen ausgehebelt werden, weil wir ein Angebot machen, sondern das soll nicht passieren an der Stelle. Da, wo es Verpflichtungen gibt, wollen wir weiter dafür sorgen, dass sie auch eingehalten werden im Sinne dieser Menschen.

Und allen anderen wollen wir mit Beratung konkret zeigen, was für sie in Hamburg geht, wie es geht und wie wir ihnen dabei helfen können, die Bedingungen dafür zu erfüllen. Ich bin schon sehr gespannt auf das gleiche Engagement der CDU im Bund, wenn wir wieder um die Frage streiten, ob Osteuropäer auch einen Rechtsanspruch auf Sprachförderung in Integrationskursen bekommen. Zugang haben sie, aber Plätze bekommen sie oft genug nicht, weil sie keinen Rechtsanspruch haben. Und da bin ich dann sehr interessiert an Ihrer Unterstützung an der Stelle.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Ausweitung des Stufe-3-Wohnens. Warum ist das so bedeutend? Housing First hilft manchen, aber eben nicht allen. Das zeigen auch alle Modellversuche dort, wo sie schon gelaufen sind. Manchmal braucht es intensive Betreuung zunächst im trägereigenen Wohnraum, bis die Menschen an der Stelle tatsächlich in der Lage sind, auch eine Wohnung für sich selbst zu übernehmen und Hilfe überhaupt annehmen zu können. Und deswegen bin ich sehr froh, dass wir hier einen großen Schritt weiterkommen werden.

Die Lage der Wohnungslosen ist so differenziert wie die Stadt Hamburg selbst. Es gibt die unterschiedlichsten Problemlagen, auch wenn wir Gruppen haben, die stärker vertreten sind als noch vor Jahren. Und das Bild, muss man schon sagen, hat sich in den letzten zehn Jahren sehr stark gewandelt.

Deswegen braucht man auch nicht mehr von der gleichen Lage auszugehen oder nur eine Maßnahme ein bisschen stärker auszuweiten und es wird gut für alle, sondern man braucht ein sehr differen

ziertes Maßnahmenpaket, und das spiegelt die Antragslage hier, finde ich, sehr gut wider.

Zum Schluss noch: Mit dem Neubau des Pik As wird auch ein großer Bereich für jungerwachsene ehemals Obdach- oder Wohnungslose geschaffen mit entsprechender sozialpädagogischer Betreuung. Ich glaube, dass das sehr viel weitgehender ist als die Forderung nach nur einigen Notschlafplätzen. Und ich bin sehr froh, dass es uns gelingt, diesen Neubau jetzt in Angriff zu nehmen. Auch hier: Für konkrete Unterstützung der Bezirksabgeordneten aus allen Parteien sind wir sehr dankbar, wenn es darum geht, den Ausweichstandort für die Jahre zu realisieren, den wir nämlich auch brauchen, während die Bauarbeiten laufen. Denn die Erfahrung vieler in der Wohnungslosenhilfe Tätiger ist, dass wir uns abstrakt alle sehr einig sind, wenn es um die Frage geht, mehr zu tun. Bei der konkreten Unterkunft vor Ort haben wir oft genug großes Ringen, wenn es um die Frage geht, noch ein paar Plätze mehr auch für ehemals Obdach- und Wohnungslose zu schaffen. Da gibt es parteipolitisch, ich sage es einmal ganz vornehm, ein sehr buntes Bild bei der Unterstützung über Beschlüsse dieses Hauses hinaus. Und wenn wir da noch besser künftig zusammenwirken, dann ist auch für die Wohnungs- und Obdachlosen in dieser Stadt noch sehr viel zu bewegen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Weiteren Redebedarf sehe ich nicht.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir beginnen mit der Drucksache 21/19879, dem Antrag der CDUFraktion.

Wer möchte diesen Antrag annehmen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Nun kommen wir zum Antrag der GRÜNEN und SPD-Fraktion aus Drucksache 21/19709.

Wer möchte diesen beschließen? – Auch hier die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das war mehrheitlich der Fall, einstimmig sogar.

Wer möchte sodann dem Antrag der CDU aus Drucksache 21/19880 seine Zustimmung geben? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Und wer folgt nun dem gemeinsamen Antrag der GRÜNEN und SPD-Fraktion aus Drucksache 21/19710? – Auch hier die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag angenommen.

Und wir kommen zum Antrag aus der Drucksache 21/19723, ebenfalls SPD- und GRÜNE Fraktion. Die Fraktion DIE LINKE hat hierzu die separate Abstimmung der Ziffer 5 beantragt.

(Senatorin Dr. Melanie Leonhard)

Wer möchte nun zunächst den Antrag mit Ausnahme von Ziffer 5 annehmen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das einstimmig der Fall.

Wer möchte sich dann noch Ziffer 5 anschließen? – Auch hier die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch die Ziffer 5 beschlossen.

Schließlich haben wir jetzt noch über den Antrag der LINKEN aus Drucksache 21/19855 abzustimmen.

Wer möchte also diesen annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 69, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Dekade des leistbaren Wohnungsbaus starten – Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Dekade des leistbaren Wohnungsbaus starten – Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen – Drs 21/19706 –]

Wer wünscht nun hierzu das Wort? – Frau Sudmann, Sie bekommen es für die Fraktion DIE LINKE.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Immer wenn wir über Wohnungsund Mietenpolitik in Hamburg sprechen, habe ich das Gefühl, es prallen zwei Welten aufeinander, mindestens zwei Welten. Das ist zum einen die rotgrüne Welt, die sagt: Bauen, Bauen, Bauen, das ist das Einzige, was hilft gegen den Mietenwahnsinn. Die sagt: Der Drittelmix hilft.

(Dirk Kienscherf SPD: Stimmt doch nicht! Das ist doch Blödsinn!)

Und die sich total stolz feiert: Wir haben es erstmals geschafft, dass der Mietenanstieg nicht mehr so hoch ist, dass er unter der Inflationsrate ist.