Protokoll der Sitzung vom 12.02.2020

Diese Frage stellt sich auch noch in der heutigen Zeit. Als junger Mensch neigt man sofort dazu zu sagen, wir schaffen die Atomwaffen ab, dann machen die anderen das auch. Je älter man wird und je mehr einem die Haare ausgehen, desto mehr befasst man sich mit der gesamten Situation und überlegt: Wollen wir als demokratisch organisierte Wertegemeinschaft einzelnen wenigen das Monopol von Atomwaffen lassen oder wollen wir zumindest diesen auch radikal geführten Staaten nicht eine Abstraktion des Schreckens gegenüberstellen?

Jeder von uns, glaube ich, ist der Auffassung, dass wir gern auf Atomwaffen in dieser Welt verzichten wollen. Denn eins ist klar, wenn sie erst einmal eingesetzt werden, wird es eine Kettenreaktion geben, die bis zum Ende unseres Planeten führen kann. Ich fürchte aber, solange es Staaten gibt, die an der Abschreckung und an dem Status von Atomwaffen festhalten, werden wir weiterhin in unserer freien Welt auch mit Atomwaffen gegenhalten müssen.

(Beifall bei der CDU)

Was können wir also als Abgeordnete tun, was können wir als Landesparlament tun? Und ich glaube, wir tun etwas. Ich bin stolz darauf, dass ich in den letzten Jahren in der Baltic Sea Parliamentary Conference mitwirken durfte, einem Gremium, bei dem NATO-Partner, aber auch russische Abgeordnete an einem Tisch sitzen. Und solange wir in einem solchen Kreis miteinander sprechen, solange wir die Gesprächsfäden aufrechterhalten, einander zuhören und ernst nehmen, den anderen versuchen zu überzeugen, aber auch selbst überzeugt werden, haben wir eine riesige Chance, immer weiter dahin zu kommen, dass eines Tages in den Vereinten Nationen ein Gewaltmonopol liegt. Dann brauchen wir keine Atomwaffen der Nationalstaaten, dann haben wir ein Gewaltmonopol bei

den Vereinten Nationen. Dann haben wir eine bessere Welt.

Trotzdem und gerade deshalb werden wir dem Antrag heute zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Westenberger. – Als Nächste erhält das Wort Frau Möller von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Westenberger, ich hatte mir gerade aufgeschrieben, Sie zu bitten, trotzdem zuzustimmen. Sie machen es. Das finde ich gut.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wie viele sich tatsächlich noch an die Debatten zum NATO-Doppelbeschluss erinnern, will ich in diesem Parlament gar nicht so …

(Zuruf)

Also, alles gut und schön, aber die Realität ist natürlich an einer völlig anderen Stelle, und die große Frage "Wie geht der Weg in eine atomwaffenfreie Welt?" müssen wir uns stellen, trotz all der Details rund um die weltliche Situation, die wir hier sicherlich weiter diskutieren könnten. Tun wir nicht. Wir haben eine Kurzdebatte angemeldet durch die Fraktion DIE LINKE, ein wenig mit dem Impetus, wenn sie nicht gewesen wäre, dann hätten wir das hier alles nicht gemacht. Das teile ich nicht so ganz. Sie haben in dieser Legislaturperiode eine Kleine Anfrage zu dem Thema gestellt.

(Dirk Kienscherf SPD: Mehr nicht!)

Das war schon einmal gut. Aber man kann sagen, dass sich innerhalb des letzten Jahres … Fast genau vor einem Jahr, am 2. Februar, hat die erste Stadt das ICAN-Bündnis unterschrieben. Wir sind jetzt die 81. Das finde ich gut, es ist eine gute Bilanz für ein Jahr, und ich hoffe, dass das den nötigen Druck macht. Wir müssen daran weiterarbeiten, es müssen mehr Städte werden. Und ja, es ist richtig, die NGOs, die Friedensinitiativen, die ICAN-Initiativen haben den Weg geöffnet, und wir dürfen nicht aufhören, uns weiterhin Sorgen darüber zu machen, wie das Wettrüsten weitergeht. Der dezente Hinweis von Frankreich auf seine Atomwaffen, die Politiker Trump und Putin, die internationale Rüstungskontrolle sowieso nicht so richtig interessiert, das Atomabkommen mit dem Iran, ich glaube, die Probleme sind uns allen bekannt.

Ich freue mich, dass wir diesen Antrag hier hoffentlich mit großer Mehrheit beschließen. Der Senat wird ihn umsetzen. Wir werden uns melden bei dem Bündnis der Städte gegen die nukleare Auf

(Danial Ilkhanipour)

rüstung und auch darin bleiben und das nicht in der nächsten Legislaturperiode vergessen.

Mir scheint das ein guter, quasi internationaler Abschluss meiner grünen parlamentarischen Arbeit, immerhin sieben Legislaturperioden. Meistens mit Vergnügen habe ich mein Mandat ausgeübt. Ich möchte einen Satz loswerden: Bleiben Sie alle – wir alle hoffentlich – stark gegenüber denen, die die unmittelbaren Freiheitsrechte unserer Republik zerstören wollen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der CDU, der LINKEN und der FDP)

Vielen Dank, Frau Möller. – Als Nächste erhält das Wort Frau Nicolaysen von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seitens der FDP-Fraktion wollen wir uns bei Frau Möller bedanken. Sie sind eine streitbare Demokratin und wir haben uns gefreut, mit Ihnen in demokratischer Auseinandersetzung zu sein. Vielen Dank, Frau Möller.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Für uns Freie Demokraten sind Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung von Atomwaffen zentrale Anliegen liberaler Außenpolitik. Der Atomwaffenverbotsvertrag verfolgt das richtige Ziel. Der ICAN-Städteappell weist zu Recht darauf hin, dass Atomwaffen gerade für Städte eine besondere Bedrohung sind. Dennoch stimmte keiner der fünf im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vertretenen Atomwaffenstaaten dem Atomwaffenverbotsvertrag zu. Der nukleare Nichtverbreitungsvertrag hingegen genießt die umfangreiche Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft. Es besteht die Gefahr, dass mit dem Atomwaffensperrvertrag ein neues paralleles Abrüstungsregime geschaffen wird. Das bestehende Abrüstungsregime des Nichtverbreitungsvertrags könnte damit geschwächt werden. Dies würde den internationalen Bemühungen um atomare Abrüstung und Nichtverbreitung entgegenlaufen. Wir Freie Demokraten wollen daher verstärkt das bestehende Abrüstungsregime vorantreiben und weiterentwickeln. Da wir jedoch das symbolische Anliegen des ICAN-Städteappells anerkennen, werden wir uns hinsichtlich des Antrags der SPD und GRÜNEN enthalten. Den Zusatzantrag der LINKEN lehnen wir allerdings ab. Vielmehr sollte die Bundesregierung aufgefordert werden, sich im Rahmen ihres nicht ständigen Sitzes im UN-Sicherheitsrat verstärkt für die globale atomare Abrüstung einzusetzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Nicolaysen. – Es erhält als Nächster das Wort Herr Dr. Wolf von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie sagte schon die ehemalige SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles in Berlin?

"Ich mach' mir die Welt widdewidde wie sie mir gefällt."

Diese Devise versuchen Sie hier augenscheinlich in Hamburg auf die Realpolitik anzuwenden. Was dabei herauskommt, sehen wir immer wieder, so jetzt auch mit dem Antrag und dem Zusatzantrag zum UN-Atomwaffenverbotsantrag und dem Städteappell. Vordergründung verfolgt er ein hehres Ziel, beim näheren Hinschauen aber doch nicht. Hier zeigt sich einmal wieder der Unterschied zwischen Gesinnungsethik einerseits und Verantwortungsethik andererseits. Da gibt es, das sage ich ganz offen, nicht einfach richtig oder falsch. Auf der einen Seite steht ein durchaus moralisch anerkennenswertes moralisches Engagement, und auf der anderen Seite stehen sicherheitspolitische Interessen und Erwägungen, die Frage, ob mit Unterzeichnung und Ratifizierung dieses Vertrages die Welt sicherer wird, die Lage des eigenen Landes sicherer wird oder eben nicht.

Aus gutem Grund haben so gut wie alle NATOStaaten – mit einer Ausnahme – nicht teilgenommen an der Abstimmung über den Atomwaffenverbotsantrag in der UN-Vollversammlung, ebenso wie auch Israel. Der einzige NATO-Staat, der daran teilgenommen hat, die Niederlande, hat in der Schlussabstimmung dagegen votiert. Dem wollen wir nicht in den Rücken fallen, sondern uns dem anschließen. Denn diese, wie es der Schweizer Außenpolitiker Daniel Müller formulierte, unnütze Symbolpolitik macht die Welt nicht sicherer, sondern im Zweifel eher unsicherer und polarisiert die atomare Abrüstungsdiskussion weiter, einen erkennbaren praktischen Beitrag leistet sie nicht. Wir sagen stattdessen "Willkommen in der Realität" und lehnen diesen Antrag verantwortungsethisch ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Dr. Wolf. – Als Nächste erhält das Wort Frau Heyenn.

(Zuruf)

Herr Dolzer? Na, gut. Ich wollte Ladies first machen,

(Zurufe)

aber von mir aus auch Herr Dolzer. Es kommt auf jeden Fall jeder zu Wort.

(Antje Möller)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Danial, das schließt sich gar nicht aus. Ich begrüße es ja, dass ihr euch letztendlich durchgerungen habt, es in dieser Legislaturperiode zu machen, und ich finde es gut, dass wir das gemeinsam machen. Trotzdem können wir als Hamburg eine aktivere Rolle in "Mayors for Peace" einnehmen, wie Hannover zum Beispiel, und sagen, wir richten jährlich eine Konferenz aus, laden alle Städte aus dieser Organisation ein, in der wir lange engagiert sind, aber keine Aktivitäten machen, und tun so etwas dafür, dass dieser Städteappell auch in die Praxis umgesetzt wird. Das ist uns wichtig.

(Beifall bei der LINKEN)

Lieber Michael Westenberger! Ich weiß gar nicht, wo du jetzt bist – da sitzt du, sehr schön. Ich bin, glaube ich, älter als du, habe noch ein bisschen mehr Haare, und will dich noch einmal an das C erinnern. Ich finde es super, dass ihr diesem Antrag zustimmt. Allerdings: Wir hatten eine sehr gute Veranstaltung in der Krypta der Nikolaikirche. Dort war eine Vertreterin von Church for Peace, und die hat das Wesentliche eigentlich auf den Punkt gebracht: Sicherheit entsteht nicht durch Abschreckung, Sicherheit entsteht durch Dialog, durch Kommunikation, durch verbindliche Verträge. Dadurch, dass Bundesregierungen das Völkerrecht einhalten. Dadurch, dass wir als Verantwortliche in den Landesregierungen darauf hinwirken, dass wir eine offensive Rolle in der Friedenspolitik übernehmen. Und dadurch … Gerade heute sind wir unten im Rathaus noch angesprochen worden, mehrere Kollegen und ich, von Pastor Störmer und mehreren Friedensaktiven, die gesagt haben: Super, dass das mit dem ICAN passiert, aber viel wichtiger oder genauso wichtig ist, dass das kontinuierlich weitergeht, dass wir auch die Munitionsexporte, die Rüstungsexporte durch den Hamburger Hafen überdenken und dass wir kontinuierlich arbeiten. Nicht nur über Anfragen, liebe Kollegin Möller. Ich respektiere Ihre Arbeit und finde es sehr schade, dass Sie ausscheiden. Aber das Parlament lebt auch dadurch, dass wir mit den Bewegungen und der Friedensbewegung zusammen für Frieden und eine bessere Welt kämpfen.

(Glocke – Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Dolzer. – Jetzt bekommt Frau Heyenn das Wort für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser oppositionelle Druck, von dem Sie sprechen, Herr Dolzer, das muss noch einmal ein bisschen geradegerückt werden. Es ist nicht so, dass nur Sie mit Herrn Störmer gesprochen haben; wir haben alle mit Herrn Störmer gesprochen.

Wir haben intensive Kontakte zur ICAN. Und ganz ehrlich, nach Nagasaki und Hiroshima hat man ja annehmen können, dass nie wieder Atomwaffen hergestellt würden. Das ist nun leider nicht passiert. Dazu passt ein Ausspruch von Albert Einstein. Ich zitiere:

"Der Mensch erfand die Atombombe, doch keine Maus der Welt würde eine Mausefalle konstruieren."

Dennoch, am 25. März 1958 beschloss der Bundestag die Stationierung von Atomwaffen in der Bundesrepublik – und die SPD stimmte dagegen. Der Widerstand in der Bevölkerung war groß. Neben der Göttinger Erklärung, die 18 Wissenschaftler unterschrieben hatten, gab es eine Protestbewegung "Kampf dem Atomtod". In Hamburg setzte sich der Bürgermeister Max Brauer an die Spitze der Bewegung und hat vor dem Rathaus vor 150 000 Menschen darüber gesprochen. Hamburg und andere Städte haben damals beantragt, Volksbefragungen zu machen. Die Adenauer-Regierung hat das Bundesverfassungsgericht angerufen und dies am 30. Juli 1968 als verfassungswidrig verboten. 1969 trat die Bundesrepublik dann dem Atomwaffensperrvertrag bei, und es war Willy Brandt, der von 1966 bis 1969 während der ersten Großen Koalition als Außenminister und Vizekanzler diese Entscheidung auf den Weg gebracht hat.

In Kontinuität dieser Haltung von Willy Brandt bis Max Brauer haben wir Sozialdemokraten heute gemeinsam mit den GRÜNEN diesen Antrag eingebracht.

An dieser Stelle noch einmal ein ausdrücklicher Dank an das unermüdliche Engagement für Abrüstung und Atomwaffenverbot an die internationale NGO ICAN.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Sozialdemokraten werden sich auch in Zukunft und in der nächsten Legislaturperiode für ein Verbot von Atomwaffen einsetzen.