Protokoll der Sitzung vom 30.09.2015

(Beifall bei der CDU)

Wenn man eine solch komplexe Aufgabe zu stemmen hat, Herr Tjarks, dann muss man es in den richtigen Strukturen tun. Das sagen wir Ihnen seit Monaten, aber Sie hören nicht zu, sondern Sie, insbesondere Sie, Herr Senator Neumann, haben

immer ganz großsprecherische Ideen und Vorschläge, was Sie alles realisieren wollen.

(Dirk Kienscherf SPD: Macht er ja auch!)

Da stellen Sie sich am 23. Juli hin und erklären uns, Sie würden in jedem Bezirk 3 000 Unterbringungsplätze schaffen, die Container hätten Sie schon bestellt. Dann hätten Sie insgesamt 21 000 Unterbringungsplätze gehabt – da hätte sogar die Kanzlerin noch ganz andere Erklärungen abgeben müssen –, das hätte dicke gereicht. Tatsache ist, Sie haben nicht einen einzigen dieser 3 000 Plätze bisher schaffen können.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Wir schaffen einen in Harburg, und dann sind Sie gleich dagegen! Und dann fragen Sie mal Herrn Thering, was der im Alstertal macht!)

Sie haben die Container offensichtlich nicht bestellt. Herr Senator Neumann, Sie haben Ihre Zusage, was die über 20 000 Plätze angeht, nicht einhalten können. Die Container waren nicht bestellt. Sie haben die Öffentlichkeit darüber getäuscht, dass Sie die Container bestellt haben. Deshalb haben wir so große Probleme mit der Politik, die Sie in dieser Stadt machen.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden das Thema gleich noch weiter erörtern, aber, Herr Abaci, eine Bemerkung Ihnen gegenüber möchte ich mir doch noch erlauben. Sie haben völlig recht, es ist dringend erforderlich, dass die Fehler, die in der Vergangenheit in der Integrationspolitik gemacht worden sind, nicht wiederholt werden. Aber können Sie mir dann erklären, wieso Sie wieder den gleichen Fehler machen und die meisten Flüchtlinge in sozialen Brennpunkten unterbringen, wo die Integrationskraft ohnehin schon so stark …

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist ja inte- ressant! Im Alstertal und in Blankenese da- gegen sein und dann hier so eine Rede hal- ten!)

Ich bin im Alstertal nicht dagegen, und ich bin auch in Blankenese nicht dagegen. So ein Unsinn.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Aber Sie müssen die Bürger rechtzeitig informieren, Herr Dressel, Sie müssen mit den Menschen reden, dann können Sie auch vernünftiger für Unterkünfte in den Stadtteilen sorgen.

(Beifall bei der CDU)

Aber die Alternative …

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN – Glocke)

(Kazim Abaci)

Jetzt aber nicht alle gegen Frau Prien. Sie hat ein Recht auf das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Aber die Alternative sind doch nicht Stadtteile wie Billstedt, Wilhelmsburg oder Osdorf, denn das war kein Einzelfall in Bergedorf am Wochenende. Ich bin am Rugenbarg gewesen. Das hätten Sie sich einmal ansehen sollen. Es ist eine Unverschämtheit gewesen, die Menschen dort so unterzubringen. Das kann so nicht richtig sein. Nur weil Sie an der Regierung sind und die Situation schwierig ist, können Sie sich nicht alles leisten, und wir als Opposition lassen uns von Ihnen nicht den Mund verbieten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort bekommt Frau Möller von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Prien, es geht nicht darum, Ihnen den Mund zu verbieten, sondern darum, einen Weg zu finden,

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

der uns und diejenigen voranbringt, die andere Interessen haben und schlicht und einfach nicht wahrhaben wollen, dass wir nicht mehr in der Situation sind, zu entscheiden, ob wir wollen oder nicht wollen, dass Flüchtlinge zu uns kommen, sondern dass die Menschen hier sind und nicht absehbar ist, wann sich das ändern wird und keine Menschen mehr kommen werden. Wir müssen mit der jetzigen europäischen, bundesrepublikanischen und damit auch hamburgischen Situation politisch umgehen. Da hilft so ein Zitat wie von dem ehemaligen Neuköllner Bezirksbürgermeister, der sagt, die Menschen seien nicht integrierbar,

(Dr. Bernd Baumann AfD: Größtenteils!)

überhaupt nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wenn er größtenteils sagt, dann macht es das nicht besser, dann ist das nur der politischen Korrektheit wegen.

Das ist doch genau die Aufgabe. Die Aufgabe ist, dass diese Gesellschaft, wir alle, die Menschen aufnehmen und ihnen dabei möglichst weitgehend helfen. Frau Dutschke, die Themen Arbeitsmarkt, Schule, Kita-Besuch, Gesundheitsversorgung können wir alle noch aufmachen. Ihr schlichter Hinweis, da passiere nichts, ist lächerlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die hamburgischen Programme dazu gibt es, und sie müssen immer nachgesteuert werden, weil die

Situation sich täglich verändert. Frau Prien, zu dem Hinweis, es gebe die Zusage, 3 000 Container in jedem Stadtteil aufzustellen: Das wäre echt einmal etwas Neues in der hamburgischen Politik, wenn ein Senatsmitglied sich hier hinstellen und sagen würde, das mache man jetzt so und Punkt.

(Karin Prien CDU: Aber dann muss man so was auch nicht behaupten!)

Ja, was wäre das für eine Diskussionskultur? Da höre ich Sie als Erste sagen, also so gehe es nicht, man könne doch hier nicht einfach etwas beschließen. Gerade weil wir so viel mit allen Bezirken und in allen Stadtteilen mit den Menschen auf der Straße reden, wird über so viele Varianten und Möglichkeiten geredet – wir sehen es ja an dem FDP-Antrag, wir reden sogar über Traglufthallen.

(Dennis Gladiator CDU: Sie verkünden! Sie reden nicht!)

Das ermöglicht es, flexibel und kreativ – ich benutze einmal dieses Wort, obwohl es fast etwas Spielerisches hat, ich meine es aber ganz ernst – auf die Situation, die sich jeden Tag ändert, eingehen zu können. Dazu brauchen wir eine große Bereitschaft aller in dieser Stadt, im Übrigen auch der Besitzer von Gewerbehallen

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

und leer stehender Eigentumsteile – darüber reden wir noch einmal später. Nur dann geht es. Wir wollen jedenfalls keinen Senat, der still und heimlich irgendwo etwas beschließt und dann sagt, so, das mache er jetzt, sondern wir wollen die Diskussion in dieser Stadt und alle mitnehmen und auffordern, diese Diskussion zu unterstützen. Machen Sie konkrete Vorschläge. Sie wissen genau, dass das intern läuft, Sie wissen genau, dass man sehr viel bei den zuständigen Stellen anbringen kann. Vieles wird angenommen, manches geht nicht, vielleicht sollte mehr angenommen werden. Aber tun Sie nicht so, als hätten Sie nicht genauso wie die Regierungsfraktionen die Chance, sich an der Lösung zu beteiligen, die wir für die Stadt, vor allem aber für die Flüchtlinge brauchen, um deren Situation erträglicher zu machen. Für manche Situationen, in die sie in dieser Stadt geraten, muss man sich tatsächlich entschuldigen. Aber das wollen wir ändern. Es soll besser werden, und zwar vor allem für die Flüchtlinge.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Dolzer von der Fraktion DIE LINKE.

Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Präsidentin! Ich möchte das Thema von einer etwas anderen Seite beleuchten. Die SPD hat die Debatte angemeldet unter dem Motto "Flüchtlings

gipfel: Gute Ergebnisse für Hamburg". Nein, der Flüchtlingsgipfel hat keine guten Ergebnisse für Hamburg gebracht, keine guten Ergebnisse für die Bundesrepublik und auch keine guten Ergebnisse für Europa.

(Beifall bei der LINKEN)

Pro Asyl kritisiert das ganz zu Recht und betitelt eine Pressemitteilung vom 25. September 2015 mit:

"Deutschland schaltet um: Statt Aufnahme und Integration Abwehr und Ausgrenzung."

Diese Analyse ist richtig, und da müssen wir auch hinsehen, da dürfen wir bei all dem Richtigen, was schon gesagt worden ist, nicht wegschauen. Die Zwangsunterbringung von Flüchtlingen bis zu 6 Monaten in Erstunterbringungen ist kein gutes Ergebnis, nein, das verhindert Integration

(Beifall bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

und wird zu menschenunwürdigen Zuständen führen, und zwar für eine längere Zeit als notwendig.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Die Senkung von Sozialleistungen für Flüchtlinge unter das vom Verfassungsgericht definierte menschenwürdige Existenzminimum ist ein Angriff auf den Sozialstaat. Das ist kein gutes Ergebnis für Hamburg – das müssen wir betonen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)