Protokoll der Sitzung vom 25.11.2015

(Dr. Alexander Wolf)

haben, in dem steht, dass die Schulflächen bis 2020 um 10 Prozent verkleinert werden müssen. Ich nehme an, dass das jetzt neu überdacht wird. Hier brauchen wir eine Kehrtwende. Wir müssen die Schulflächen nicht verringern, es müssen neue geschaffen werden. Das ist die neue Situation.

Zum Schluss noch ein Wort an die CDU. Sie haben eben wieder verklausuliert gesagt – und man kann es überall lesen –, dass Sie befürchten, durch die Flüchtlingskinder sinke das Leistungsniveau in den Schulen. Ich würde gern wissen, woher Sie diese Weisheit nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Ich glaube, dass die Flüchtlingskinder dazu beitragen werden, dass das Lernklima an den Schulen stark verbessert wird.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das Wort bekommt nun Herr Senator Rabe.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr darüber, dass im Großen und Ganzen trotz einzelner Differenzen viel Zustimmung zu dem Antrag der beiden Regierungsfraktionen zu hören war, den Kindern und Jugendlichen die Schulen zu öffnen und für guten Unterricht zu sorgen.

Es ist eine große und eine schwierige Aufgabe, vor der wir stehen. Der Senat geht davon aus, dass insgesamt, über drei Jahre hinweg betrachtet, bis zum Jahresende 2016 bis zu 80 000 Menschen nach Hamburg gekommen sein werden. Das ist die Einwohnerzahl der drittgrößten Stadt SchleswigHolsteins, nämlich Flensburg, die mal eben in Hamburg eingebunden werden muss. Meinem Vorredner von der AfD erwidere ich: Ich kann den Flüchtlingen nicht sagen, wartet bitte sieben Jahre, bis ich die richtigen Lehrer ausgebildet habe – so lange dauert eine Lehrerausbildung –, und wartet bitte noch dreieinhalb oder vier Jahre, bis wir alle neuen Schulgebäude gebaut haben, sondern wir müssen eine Antwort finden auf die Herausforderung, die jetzt da ist. Das bedeutet sicherlich, dass wir die Schwierigkeiten auch sehen und sie uns ehrlich eingestehen müssen, aber wir dürfen nicht vor ihnen davonlaufen. Ich freue mich, wenn Sie uns dabei unterstützen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Lassen Sie mich in aller Kürze die sechs wichtigssten Punkte nennen, die für uns maßgeblich sind, wenn es darum geht, jungen Menschen die Hand zu reichen.

Es ist so leicht gesagt und doch sehr schwer getan: Gute Bildung von Anfang an. Wer sich, wie

viele von Ihnen, ansieht, wie in den zentralen Erstaufnahmen und den Notunterkünften zurzeit improvisiert werden muss, um immer wieder neue Menschen unterzubringen, der weiß, welch gewaltige Herausforderung es ist, in diesen zentralen Erstaufnahmen ein Schulangebot sicherzustellen, und das für möglichst viele junge Menschen. Dennoch haben wir, anders als eine Reihe anderer Bundesländer, gesagt, dass wir nicht warten möchten, bis diese jungen Menschen nach einem halben Jahr in eine öffentlich rechtliche Unterkunft gekommen sind, sondern wir möchten uns sehr anstrengen, von Anfang an einen guten Unterricht anzubieten, mit allem Drum und Dran, wie es sich gehört, denn nur so kann Integration gelingen. Das ist der eine wichtige Eckpunkt für uns.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der zweite Punkt bezieht sich auf die Rahmenbedingungen. Sie sind genannt worden, und ich habe keinen Widerspruch gehört. Ich wiederhole nur kurz, Stichwort kleine Klassen: In Hamburger Schulklassen befinden sich teilweise 19, auch 21 oder 23, in einigen Fällen sogar 28 Schülerinnen und Schüler, in den Flüchtlingsklassen sollen es in der Regel 14 bis 18 sein. Damit sind diese Klassen kleiner als die kleinsten Klassen im Regelsystem. Der Unterricht soll in der Tat durch professionelle pädagogische Kräfte erfolgen, überwiegend durch Lehrkräfte, in 27 bis 31 echten Unterrichtsstunden. Das ist keine Kita, keine offene Jugendarbeit, sondern das ist eine richtig funktionierende Schule. Das verstehen wir unter guten Rahmenbedingungen. Das sicherzustellen, wird eine spannende und auch schwierige Aufgabe, der wir uns aber widmen wollen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Zu Recht ist auf die spannende Frage hingewiesen worden, was in diesem Unterricht passiert. Zwei Dinge sind wichtig. Die Sprache zu lernen ist eine große Herausforderung. Wir hatten hier die aus meiner Sicht etwas abwegige Diskussion, warum in diesen Klassen kein Schwimmunterricht stattfindet. Ich sage noch einmal sehr deutlich: Deutsch zu lernen ist ein sehr schwieriges Unterfangen. Im Vergleich mit Spanisch oder Englisch ist Deutsch eine Sprache mit vielen, vielen Tücken, und wer sie nicht beherrscht, hat keine Chance in unserer Gesellschaft, in unseren Schulen. Deswegen ist der eine Kernpunkt guter Deutschunterricht, damit diese jungen Menschen es so schnell wie möglich schaffen, sich Bildungschancen zu erschließen.

Ein weiterer wichtiger Punkt – ich habe mich ein bisschen über den FDP-Antrag gewundert, weil wir dasselbe wollen und wir es auch aufgeschrieben haben –: Wir wollen auch im Unterricht dafür sorgen, dass diese jungen Menschen die Werte und Normen unserer Gesellschaft mitbekommen und sie sich mit ihnen auseinandersetzen. Da brauchen wir gar keine komische Diskussion über Leitkultur

(Dora Heyenn)

zu führen, ein Blick in die Präambel unseres schönen Schulgesetzes reicht, die die Väter oder Mütter dieses Gesetzes dort hineingeschrieben haben. Es geht darum, dass man auf demokratische Art und Weise Konflikte löst, dass wir eine tolerante Gesellschaft sind, die Vielfalt akzeptiert, die Unterschiedlichkeit von Religionen und die Unterschiedlichkeit von Kulturen. Es geht darum, dass natürlich auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau eine fundamentale Säule im Miteinander ist. Genau das ist der zweite Punkt, den wir im Unterricht sicherstellen wollen. Beides gehört untrennbar zusammen und nicht in Fächer aufgegliedert, Sprache einerseits und die Integration in das, wie die Hamburger Gesellschaft funktioniert, andererseits. Das ist für uns guter Unterricht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Im Schnelldurchgang die weiteren Punkte. Ganztag für alle, das sagt sich so leicht, aber die meissten Bundesländer können es deshalb nicht anbieten, weil sie gar nicht so viele Ganztagsschulen haben. Wir haben dieses Angebot fast an jedem Schulstandort. Ich habe die neueste Statistik bekommen – eine Schule fehlt dabei schon wieder –: Von 330 Schulen sollen 329 Ganztagsschulen sein. Wir möchten, dass diese jungen Menschen am Ganztag teilnehmen können. Wer wie ich ein Kind hat, das einen längere Zeit im Ausland verbracht hat – bei meiner Tochter ist das der Fall, ich habe es in der letzten Debatte schon erzählt –, der weiß, wie gut und schnell Integration gelingt, wenn sie nicht nur im Unterricht stattfindet, sondern auch im Miteinander der Schülerinnen und Schüler. Dafür ist der Ganztag eine sehr wichtige Säule. Deswegen öffnen wir die Türen und nehmen das Geld dafür in die Hand, damit alle Flüchtlingskinder und Jugendlichen am Ganztag teilnehmen können.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Gute Räume sind wichtig, Sie haben vollkommen recht, und auch die lokale Verteilung haben Sie zu Recht angesprochen, Frau Prien. Das ist eine schwierige Aufgabe. Wir planen in der Tat, auch Schulbusse einzusetzen, um dafür zu sorgen, dass an allen Schulen eine Beteiligung an dieser wichtigen Aufgabe stattfindet. Allerdings muss ich an dieser Stelle einmal Richtung CDU bemerken, dass ich mich als Lokalpolitiker Bergedorfs sehr gut erinnere, dass nicht eine einzige Flüchtlingsunterkunft in Bergedorf mit Zustimmung der CDU auf den Weg gebracht worden ist,

(André Trepoll CDU: Überhaupt nicht wahr!)

nicht eine einzige in dieser Form. Sie sollten an einer Verteilung über die Stadt mitwirken, statt sie immer einzuklagen, während Sie sich andererseits der Zusammenarbeit an diesem wichtigen Punkt verweigern. Wir möchten das auf jeden Fall sicherstellen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das weiß Herr Gladia- tor nicht mal!)

Zum guten Schluss spreche ich noch einen Punkt an, der nicht einfach ist – wir können ihn im Ausschuss gern beraten –, die lückenlosen Übergange. Was ist denn, wenn jemand ein Jahr gut Deutsch gelernt hat und der Übergang in die Regelklasse erfolgen könnte, und es ist Februar? Unser Schulsystem ist so programmiert, dass sich alles zum 1. August ändert. Sollen dann also einige Schülerinnen und Schüler mit zu geringen Sprachkenntnissen wechseln und andere viel zu lange auf ihren Wechsel warten, um den Übergang im August sicherzustellen? Wir haben uns dagegen entschieden, obwohl es organisatorisch einfacher wäre. Der Übergang in den Regelunterricht kann jederzeit, und sei es Dienstag, der 3. November, erfolgen. Wenn ein Lehrer sagt, dieser junge Mensch kann dem Regelunterricht jetzt folgen, dann geht dieser junge Mensch in eine Regelklasse. Für den jungen Menschen ist das gut, aber die Nebenwirkung will bedacht sein. Es kann in einigen Fällen auch dazu führen, dass Klassen ein bisschen größer werden. Aber bevor wir ganze Jahrgänge auflösen und neu zusammenmixen, um bestimmte Obergrenzen einzuhalten, muss das der vernünftigere Weg sein. Deswegen haben wir noch einmal deutlich gemacht, dass wir für diese lückenlosen Übergänge sind.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich komme zum Schluss. Über 12 000 Schülerinnen und Schüler bis Jahresende 2016 zu integrieren, wird eine schwierige Aufgabe. Wir sollten aber nicht mutlos sein. Von den rund 250 000 Hamburger Schülerinnen und Schülern, die von der Vorschule bis zur Berufsschule unsere Schulen besuchen, haben mehr als 100 000 einen Migrationshintergrund. Wir haben es als Stadt geschafft, so viele Menschen in das Schulsystem zu integrieren. Zudem haben wir uns als Stadt verändert mit diesen Menschen. Und ich sage ganz ausdrücklich, dass Hamburgs Schulen und Hamburgs Gesellschaft öde und leer wären ohne diese 100 000 mit Migrationshintergrund, und wenn jetzt 12 000 dazukommen, dann sollten diese 100 000 Schülerinnen und Schüler, die schon Hamburger sind und zu uns gehören, die zu Hamburg gehören wie jeder andere auch, wie Sie und ich, uns Mut machen, dass das eine Aufgabe ist, die gelingen kann und die Hamburg weit voranbringt. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt nun Frau Prien von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich weiß nicht so recht, lieber

(Senator Ties Rabe)

Herr Rabe, in welcher Funktion Sie Ihre Kenntnisse über die Verhältnisse in Bergedorf jetzt zum Besten gegeben haben; wir haben Sie in letzter Zeit schon häufiger in Sachen Wohnungsbau medial erleben dürfen. Aber was die konkreten Verhältnisse in Bergedorf und die Frage der Flüchtlingsunterkünfte dort angeht, sind Sie leider nicht richtig informiert. Tatsache ist, dass die CDU-Fraktion in Bergedorf – übrigens anders als die SPDFraktion – immer konkrete Vorschläge für Flüchtlingsunterkünfte gemacht hat und dass vier von sechs der jetzt tatsächlich bestehenden Unterkünfte auf Vorschläge der CDU zurückgehen.

(Arno Münster SPD: Stimmt doch gar nicht! Das ist doch nicht wahr, was Sie da behaup- ten!)

Die CDU hat sich hier immer konstruktiv verhalten. Das, was Sie sagten, war daneben.

(Beifall bei der CDU)

Für die jetzige Debatte und auch für die Glaubwürdigkeit, Frau von Berg, ist Ihre Argumentation widersprüchlich im Hinblick auf die Frage, wie wir uns eigentlich mit der Flüchtlingsbeschulung in diesem Parlament befassen. Es gibt nämlich Ihre Aussage dazu, dass Sie tatsächlich das Thema der lokalen Verteilung in Angriff nehmen wollen. Und Sie beabsichtigen – ich darf Sie zitieren –, Schulbusse einzusetzen. Das heißt doch, es gibt Handlungsbedarf in diesem Bereich. Frau von Berg, da können Sie doch nicht sagen, das hätte sich erledigt und darüber müsse man nicht diskutieren. Das finde ich unglaublich.

(Beifall bei der CDU)

An dieser Stelle dürfte jetzt klar sein, dass Ihre Argumentation, unser Antrag hätte sich erledigt, wohl kaum zutreffen kann.

Ich will Ihnen noch etwas sagen, Frau von Berg. Ich habe Sie als wirklich sehr ernst zu nehmende und gute Oppositionspolitikerin in der letzten Legislaturperiode kennengelernt. Ich habe Ihre Arbeit immer mit sehr großem Respekt beobachtet. Umso größer ist die wirklich tiefe Enttäuschung über das, was Sie jetzt an Haltung und auch an Verhalten an den Tag legen. Sie haben eben in dieser Debatte vor diesem Haus die Unwahrheit gesagt. Wir haben gestern nicht den Antrag auf Selbstbefassung abgelehnt, sondern wir haben beanstandet, dass dieser Punkt nicht auf der Tagesordnung stand, und haben deshalb abgelehnt, darüber abzustimmen. Sagen Sie doch bitte, wie es gewesen ist, und erzählen Sie in diesem Hause keine Märchen. Was wir getan haben, war auch berechtigt.

(Beifall bei der CDU – Vizepräsidentin Chris- tiane Schneider übernimmt den Vorsitz.)

Es war deshalb berechtigt, denn wenn Sie, wie es unter guten Demokraten eigentlich richtig wäre, heute der Überweisung zugestimmt hätten, dann

bräuchten wir keine Selbstbefassung im Nirwana, sondern dann könnten wir konkret über unsere Anträge beraten und hätten eine vernünftige Beratungsgrundlage.

(Beifall bei der CDU)

Ich würde gern zum Abschluss noch zwei inhaltliche Bemerkungen machen. Frau Heyenn, Sie haben völlig recht, dass die Frage der Gymnasien natürlich im Raum steht. Selbstverständlich müssen die Gymnasien ihren Beitrag dort leisten, und natürlich müssen auch Internationale Vorbereitungsklassen an den Gymnasien eingerichtet werden, darin besteht überhaupt kein Dissens. Sie haben nur leider trotz Ihrer Ansage nicht richtig zugehört, denn ich habe gesagt, insbesondere an den Stadtteilschulen, die jetzt schon besonders belastet sind, müsse über die Frage einer Quotierung nachgedacht werden. Sie werden sicherlich nicht bestreiten, dass die Stadtteilschulen ohnehin heute schon eine große pädagogische Herausforderung zu bewältigen haben und dass man hier besonders genau hinschauen sollte.

Ich möchte gern noch einen Satz sagen zum Thema Bereicherung durch Vielfalt. Es ist doch völlig unbestritten, dass Vielfalt eine Bereicherung sein kann. Aber bitte streuen Sie den Menschen doch keinen Sand in die Augen. Wenn zu viele Kinder in einer Klasse sind, die nicht vernünftig Deutsch können, dann führt das einfach dazu, dass das Lernniveau und die Qualität im Unterricht sinken. Das können Sie nicht wegdiskutieren, weil Sie es einfach nicht wollen oder weil das Ihrer MultikultiIdeologie nicht entspricht. Seien Sie da realistisch, und streuen Sie den Menschen keinen Sand in die Augen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Ein letzter Punkt, Herr Rabe. Es geht bei der Frage der Vermittlung von Werten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht nur um Haltung und Kompetenzen, es geht auch um Inhalte. Und genau für diese Inhalte fordern wir verbindliche Konzepte in der Beschulung von Flüchtlingskindern. Das ist ein Unterschied, und deshalb werden wir beispielsweise auch dem Zusatzantrag der FDP-Fraktion zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Alexander Wolf AfD)