Protokoll der Sitzung vom 09.12.2015

Sie haben sehr viel von Verantwortung gesprochen und diesen Begriff aus meiner Sicht sogar etwas überstrapaziert. Aber ich glaube, auch jeder Parlamentarier hat eine Verantwortung, wie er mit dieser Situation umgeht und ob er wirklich will, dass wir in den nächsten Jahren gar nicht mehr gefragt werden, oder ob wir sagen, wir sind als Parlament weiter mit im Boot. Wir als CDU sagen nicht, dass wir es billiger hinbekommen. Aber wenn der Senat sagt, es müsse an irgendeiner Stelle nachgesteuert werden, dann hat er in zwei Jahren nicht noch eine offene Kreditermächtigung, die er einfach nutzt, sondern dann muss er wieder an das Parlament herantreten. Das, finde ich, ist an dieser Stelle der fairere Umgang zwischen Parlament und Regierung.

(Beifall bei der CDU und bei Daniel Oetzel FDP und Dr. Ludwig Flocken AfD)

Das sollte für dieses Parlament übrigens auch – ich komme noch einmal darauf zurück, weshalb ich den Begriff Verantwortung in dieser Argumentation für falsch halte – eine Lehre aus der Schieflage der HSH Nordbank im Jahre 2008/2009 sein. Wir haben sehr lange im parlamentarischen Untersuchungsausschuss – ein paar Kollegen sind vielleicht noch dabei – überlegt, was die Gründe sind. Im Prinzip hat auch die Bürgerschaft bis 2008/2009 überhaupt nicht hingesehen. Diesen Fehler sollten wir nicht noch einmal machen. Deshalb bin ich auch dafür, dass wir heute mit unserem Zusatzantrag einen engen Rahmen beschließen – zum einen eine Reduzierung der Kreditermächtigung, zum anderen die Beachtung sechs weiterer Forderungen – und nicht einfach sagen, wie wir es vielleicht damals gemacht haben: Es gibt einen Blankoscheck, mit dem der Senat alles Mögliche machen darf, und wir sind nicht mehr dabei. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Tjarks von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Bürgerschaft hat heute eine weitreichende Entscheidung zu treffen. Es geht darum, die HSH Nordbank entweder sofort abzuwickeln, und zwar mit allen damit verbundenen Konsequenzen, oder die Verständigung mit der EU-Kommission anzunehmen, und zwar auch

mit all den damit verbundenen Konsequenzen. Trotz intensiver Suche von FDP-Fraktion und Links-Fraktion haben wir keine dritte Alternative.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Uns alle eint der Ärger über das Geschäftsgebaren der Bank in der Vergangenheit. Das ist eine Mahnung, dass wir das Geschäftsgebaren auch in dieser Zeit beobachten müssen. Aber angesichts der drohenden und sich realisierenden Milliardenverluste sind wir gut beraten, sachlich abzuwägen, was die Vermögensposition der Stadt besser schützt und welche der beiden Alternativen die bessere ist.

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Die Frage der sofortigen Abwicklung, die die FDPFraktion und auch die Links-Fraktion für richtig halten, haben wir im Ausschuss ausführlich erörtert.

(Katja Suding FDP: Haben Sie zugehört? – Michael Kruse FDP: Wo steht das?)

Herr Kruse, wenn man nichts macht, dann kann man die Bank auch nicht verkaufen, weil es keinen Käufer gibt. Wenn man nichts tut, werden diejenigen, die Geld und Anteile in diese Bank eingelegt haben, um sie mit hartem Kernkapital zu unterstützen, dieses abziehen, und dann wird die Bank ein großes Problem haben und in ein Abwicklungsszenario geraten. Das geht ganz schnell, und das wissen Sie auch. Man muss etwas tun, denn sonst kommt man überhaupt nicht dahin, wohin Sie eigentlich wollen, nämlich zu einer Privatisierung der Bank.

(Michael Kruse FDP: Tun Sie das Richtige? Sie unterstellen uns was, und das ist falsch!)

Herr Kruse, das hat schon Herr Kubicki von Ihrer Fraktion in Schleswig-Holstein nicht verstanden, und deswegen sehe ich es Ihnen jetzt nach, dass auch Sie es nicht verstehen. Wahr ist, dass wir diese zwei Optionen haben. Zwischen diesen müssen Sie sich jetzt auch einmal entscheiden. Wir werden gleich sehen, in welche Richtung Sie tendieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Es ist richtig, dass das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz die privaten Anteilseigner bei Bankpleiten in die Haftung nimmt, damit nicht die Steuerzahler dafür aufkommen müssen. Allerdings handelt es sich hier um eine Bank, bei der 90 Prozent der Anteile sich in öffentlichem Besitz befinden und die noch – und das ist der entscheidende Punkt – eine Gewährträgerhaftung in zweistelliger Milliardenhöhe hat, für die die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein haften.

Diese Besonderheit, liebe Links-Fraktion, kann man nicht einfach ignorieren, denn wenn wir dieses Gesetz anwenden, tritt in dieser Konstruktion der Mechanismus ein, dass die Länder in erster Linie mit dem Eigenkapital, in zweiter Linie mit dem

(Thilo Kleibauer)

gewährträgerbehafteten Kapital und in dritter Linie als Anteilseigner haften. Lieber Herr Hackbusch, diesen Mechanismus ignorieren Sie in all Ihren Argumentationen. Ich habe Ihren dreiseitigen Artikel in "SozialismusAktuell" noch einmal genau nachgelesen, Sie haben dort nicht ein Wort darüber verloren. Sie ignorieren da einfach die Realität.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dann wird als nächstes Argument vorgebracht, wir würden nicht für alle Anteile des harten Kernkapitals haften, weil nicht alle Anteile gewährträgerbehaftet sind. Aber wenn man diese Mechanik einmal verstanden hat und unterstellt, dass sie richtig ist, dann bedeutet Ihre Argumentation im Umkehrschluss, Herr Hackbusch, dass wir allen Ernstes entscheiden sollen, Mehrkosten in Milliardenhöhe einzugehen, nur damit private Anteilseigner auch geschädigt werden. Das ist sogar aus Sicht der Länder komplett absurd.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Auch wenn Sie vielleicht emotional auf den Richtigen zielen, übersehen Sie aus unserer Sicht, dass Sie einen Bumerang in der Hand halten. Die Mechanik der Haftungsverhältnisse ist entscheidend, und Ihr Wurf wird am Ende die Stadt treffen. Das sollten Sie in Ihrer Argumentation bedenken. Und ich möchte mir nicht vorwerfen lassen, dass wir das im Ausschuss nicht ausführlich beraten haben. Wir haben dies sehr ausführlich beraten und auch hier ein paar Mal besprochen. Ich möchte nicht, dass Ihr gleich wieder ausgesprochener Vorwurf, wir berieten das nicht vernünftig, so stehen bleibt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Es kann sein, dass die Bank aufgrund des vorgegebenen Szenarios der EU-Kommission am Ende dennoch abgewickelt werden könnte, und zwar unabhängig davon, wie wir uns heute entscheiden. Aber der entscheidende Unterschied zwischen beiden Szenarien liegt auf der Zeitachse und den damit verbundenen Chancen, und dieser Unterschied auf der Zeitachse macht aufgrund der Gewährträgerhaftung mehrere Milliarden Euro aus.

(Beifall bei Anna Gallina GRÜNE)

Deswegen ist aus meiner Sicht die Entscheidung, die wir heute in der Sache zu treffen haben, ziemlich einfach.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Kleibauer, wenn Sie von einem Blankoscheck sprechen, dann muss man ehrlicherweise sagen, dass das so nicht stimmt, weil nämlich – das ist die traurige Wahrheit – dieser Scheck aufgrund des Gebarens von Herrn Peiner und Herrn von Beust sehr wohl ausgefüllt werden wird. Das wird sehr wohl kein Blankoscheck sein, sondern Hamburg wird am Ende dafür zahlen müssen. Wenn Sie sagen, Sie wollten den Haftungsrahmen für Hamburg

begrenzen, dann machen Sie doch nichts anderes als das, was der Senat im Wesentlichen auch getan hat, nur dass er die einzig plausibilisierte Zahl gewählt hat. Sie wählen einen völlig willkürlich gegriffenen Haftungsrahmen. Sie wissen doch überhaupt nicht, ob die "hsh portfoliomanagement AöR" am Ende bei 3,2, 4,1, 6,2 oder 2,7 Milliarden Euro steht. Das wissen Sie nicht, da machen Sie es sich sehr einfach. Ihr Antrag liest sich so, als wollten Sie sich aus der Verantwortung drücken und mit dem einzigen Argument, das Ihnen dazu einfällt, in die Büsche schlagen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wenn wir die Bank fortführen, besteht die Chance, dass sich das Vermögen erholen kann. Wir haben die Chance auf eine Veräußerung. Das würden wir sofort aufgeben, wenn wir in ein Abwicklungsszenario geraten. Klar ist, dass das Abenteuer HSH Nordbank die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein teuer zu stehen kommen wird – das ist nach wie vor unser größtes Haushaltsrisiko. Heute treffen wir aber aus meiner Sicht eine klare Abwägungsentscheidung, die darin besteht, mehrere Milliarden Euro weniger auszugeben. Wenn man eine verantwortungsvolle Politik für Hamburg verfolgt, dann bedeutet das, die Vermögensposition der Stadt bestmöglich zu wahren. Das ist in der Sache klar und bedeutet Einigung mit der EUKommission, Entlastung der Bank und dann ein Verkaufsszenario. Das ist der einzige Weg, der uns in Wirklichkeit bleibt. Alle, die ein anderes Szenario daherreden, müssen sich fragen, woher sie die 4 Milliarden Euro extra nehmen wollen. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt nun Herr Hackbusch von der Fraktion DIE LINKE.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Es geht sicherlich um eine der schwierigsten Situationen und eines der größten Haushaltsrisiken, die in dieser Stadt je diskutiert worden sind. Wichtig ist mir, darauf hinzuweisen, dass nicht Herr Tschentscher, der jetzt die Rechnung überbringt, dafür verantwortlich ist, sondern dass die Entwicklung in den Jahren 2005 bis 2008 – Herr Schreiber hat es dargestellt – die wesentliche Ursache dafür ist, dass die Stadt wahrscheinlich mehrere Milliarden Euro aufbringen muss.

Ein Zweites ist mir wichtig: Das ist kein typisches Beispiel für öffentliches Eigentum. Sieht man sich die Begründungen von damals an, dann war das Entscheidende die Idee der Privatisierung, die Vorbereitung der Privatisierung und die laufende Privatisierung, die damals stattgefunden hat. Wir haben es also nicht mit einem typischen Beispiel dafür zu tun, dass die öffentliche Hand nicht mit Eigentum umgehen kann, sondern es handelt sich

(Dr. Anjes Tjarks)

um eines der Privatisierungswahnsinn-Projekte in diesem Land, das wir gegenwärtig bezahlen müssen. Das muss man dabei immer mitdenken, weil viele jetzt alles durcheinanderbringen. Wenn man sich die Geschichte anschaut, ist das nach meiner Meinung entscheidend.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Man muss sich klarmachen, dass es insgesamt um einen höheren Milliardenbetrag geht. Ich möchte noch einmal die Dimension deutlich machen. Wenn der Finanzsenator dafür circa 5 Milliarden Euro zurückgelegt hat, dann sind damit alle Sparanstrengungen der letzten 20 Jahre verfrühstückt. Wenn es so ist, wie Herr Marnette sagt – der durchaus kein Unwissender ist, er war Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein und hatte dementsprechend Einblicke –, dass es sogar das Doppelte kosten wird, dann sind damit auch die Sparanstrengungen der nächsten 20 Jahre verfrühstückt. Das nur noch einmal zu der Dimension und dazu, was bestimmte Privatisierungswahnsinn-Sachen für diese Stadt bedeuten, auch im Verhältnis dazu, wie man sonst vernünftig mit Finanzen umgeht. Ich finde, das ist wichtig für diese Diskussion.

Ich möchte mich aber nicht auf alle Einzelheiten konzentrieren, die wir im Ausschuss diskutiert haben, sondern auf die zentrale Frage, warum wir gegenwärtig in einer bestimmten Situation sind und vor welcher Alternative wir gegenwärtig stehen. Man kann das recht simpel aufzeigen. Der Senat hat im Oktober eine bestimmte Entscheidung getroffen, und natürlich stehen wir vor dem Hintergrund dieser Senatsentscheidung, ob sie nun richtig oder falsch ist, vor dieser Friss-oder-stirb-Situation. Ich finde, dass er damals eine falsche Entscheidung getroffen hat und sich etwas anderes hätte überlegen können; dazu werde ich gleich noch einmal argumentieren. In gewisser Weise ist das ein Kritikpunkt. Sie können nicht sagen, die damalige Situation sei alternativlos gewesen und deshalb seien Sie in diese Gewährträgerhaftungsfalle getreten. Das war nicht alternativlos, sondern man hätte sich auch etwas anderes überlegen können. Es war keine Situation nach dem Motto, man müsse das jetzt machen, sonst falle alles weg. Das halte ich nicht für die entsprechende Alternative.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Senat muss sich genau überlegen, warum er ein Instrument, das wir in dieser Republik angeschafft haben, um Finanz- und Bankenprobleme lösen zu können, indem eben nicht nur die öffentliche Hand und nicht nur die Eigentümer, sondern auch die Investoren mit herangezogen werden können, nicht anwenden will. Das erste Argument, das Sie in dieser Drucksache dazu nennen, ist, der Senat gebe die Steuerung der HSH Nordbank auf und das sei ein großer Verlust. Nach den Erfahrungen, die wir mit der Steuerung dieser Bank auch in

den vergangenen zwei Jahren gemacht haben, ist das kein Verlust. Ich kann nur sagen, es ist eher ein Gewinn, wenn nicht mehr die Stadt und dieser Vorstand die Steuerung haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum zweiten Argument, dass dann das Eigenkapital aufgebraucht werde, kann ich nur Folgendes sagen: Das Eigenkapital ist mehr oder weniger aufgebraucht. Das kann man doch nicht mehr als Argument anführen.

Dementsprechend ist das dritte, eben auch in den Redebeiträgen angeführte Argument, es werde insgesamt teurer für die Stadt, wenn die Bank nach dem Sanierungs- und Abwicklungsgesetz abgewickelt werde, hinfällig. Das ist durchaus diskutiert worden, aber in den Unterlagen, die wir nur vertraulich einsehen konnten, sind keine Herleitungen, sondern nur Zahlen präsentiert worden. Diese kann ich akzeptieren oder nicht. Ich bin an bestimmten Punkten skeptisch gegenüber diesen Zahlen, das will ich deutlich sagen. Erstens, weil uns von Bain & Company nicht dargestellt werden konnte, warum sehr hohe Milliardenbeträge von den Investoren an der Börse bewegt wurden, aber in dieser Rechnung nicht auftauchten. Diese Investoren und nicht nur die Besitzer hätten Eigenkapital zur Stützung der Bank dazugeben müssen. Zweitens wurde kein Szenario aufgestellt, wie man unabhängig von der Gewährleistung im Jahre 2015 – die sehr kompliziert und nur schwer verständlich ist, weil wir nur die Zahlen kennen – in der Lage ist, diese Abwicklungsphase nach einer vorherigen Sanierungsphase im Januar 2016 durchzuführen. An etlichen Punkten halten wir den von Ihnen aufgezeigten Weg also für nicht überzeugend.

Das Entscheidende ist aber , dass Sie darauf bauen, dass die Situation in zwei Jahren besser ist. Blicken Sie einmal zurück auf die Situation im Jahr 2013. Da haben Sie auch schon gesagt, es sei notwendig, mehr Zeit zu bekommen. Die Situation hat sich seitdem zunehmend verschlechtert. Die Stadt ist für einen weiteren Milliardenbetrag verantwortlich. Sie spekulieren darauf, dass es in zwei Jahren besser wird. Ich halte diese Spekulation – Herr Tjarks hat sie eben noch einmal stark zum Ausdruck gebracht – für unzulässig und falsch und deshalb für den falschen Weg.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sollten das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz anwenden. Das halte ich für richtig, und diesen Weg schlagen wir vor.