Protokoll der Sitzung vom 09.12.2015

Wir sollten das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz anwenden. Das halte ich für richtig, und diesen Weg schlagen wir vor.

(Beifall bei der LINKEN)

Von der FDP-Fraktion bekommt nun Herr Kruse das Wort.

(Norbert Hackbusch)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hamburg hat derzeit einen Jahreshaushalt von rund 11 Milliarden Euro, und die Hamburgische Bürgerschaft beschäftigt sich mit großer Sorgfalt damit, wie wir das Geld der Hamburger Bürger sinnvoll ausgeben. Heute stimmt diese Bürgerschaft allerdings fast wie nebenbei – das zeigt die Beteiligung der Koalitionsfraktionen – über das größte Rettungspaket in der Geschichte der Stadt Hamburg ab, nämlich die Neuordnung der HSH Nordbank. Deshalb wägen wir sehr genau ab. Nützt oder schadet dieser Beschluss der Stadt Hamburg und ihren Einwohnern? Hat der Senat ein Konzept für die Zukunft der Bank? Und hat der Senat alles in seiner Macht Stehende getan, um die Vermögensposition der Länder zu schützen?

Unser Zusatzantrag sagt es klar: Wir werden dem Senat keinen Blankoscheck für ein unfertiges Konzept erteilen. Denn was uns der Senat vorlegt, sind Eckpunkte, aber eben kein Konzept. Die konkrete Ausgestaltung dieser Eckpunkte bleibt nebulös. Auf Fragen im Ausschuss werden unkonkrete Antworten gegeben. Zahlen werden nicht genannt, oder wenn doch, dann verspätet nachgeliefert, aber niemals plausibilisiert – Herr Hackbusch ist darauf eingegangen. Mir ist verdammt mulmig dabei, dass wir im Hauruckverfahren etwas beschließen sollen, zu dem wir zwei Monate alte Unterlagen vorgelegt bekommen, die keine hinreichende Erklärung bieten für das, was Sie tun.

(Beifall bei der FDP)

Mit welcher Sorglosigkeit das im Hause gehandhabt wird, ist schon bemerkenswert. Von den Regierungsfraktionen hat fast niemand überhaupt nur in diese vorgelegten vertraulichen Unterlagen hineingeschaut. Herr Tjarks, in der Ausschusssitzung Anfang November sind Sie nicht einmal anwesend gewesen als Fraktion. Mit anderen Worten: Eine Mehrheit in diesem Haus stimmt Milliardenkreditermächtigungen zu, ohne nur im Ansatz zu wissen, was das eigentlich bedeutet. Nie war Oppositionsarbeit wichtiger als in Zeiten dieser rot-grünen Regierungsmannschaft.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb haben wir die namentliche Abstimmung beantragt, damit sich hinterher keiner aus der Affäre stehlen und erzählen kann, er habe von nichts gewusst. Immer und immer wieder haben wir in den vergangenen Jahren erlebt, dass der Senat falsche Erwartungen bezüglich der zukünftigen Entwicklung der Bank hatte: falsche Erwartungen bezüglich der Entwicklung des Sunrise-Portfolios, falsche Erwartungen bezüglich der Entwicklung des Dollar-Geschäfts. Ich erinnere mich ganz genau an die Ausschusssitzung im Juni, in der es hieß, das mit dem Dollar sei alles kein Problem. Wenige Wochen später haben wir dann erfahren, dass es ein ganz großes Problem ist. Immer sind

Sie der Zeit hinterher. Sie hatten falsche Erwartungen bezüglich der Absenkung der Ländergarantien; auch das haben wir schon diskutiert. Ich könnte weitermachen. Permanent geht es um falsche Erwartungen des Senats, um falsche Erwartungen der Landesregierung. Dass Sie, Herr Senator Tschentscher, gereizt reagieren, wenn wir Ihre Annahmen über diese Zahlen, die wir nicht plausibilisiert bekommen, in Zweifel ziehen, wundert mich nicht. Sie wissen, auf welchen tönernen Füßen diese Konstruktion steht, und Sie wissen, dass Ihre öffentliche Sachverhaltsdarstellung nur zu häufig von der Realität eingeholt wird. Deshalb wissen Sie auch, dass wir Sie an Ihren Ergebnissen messen werden.

Meine Damen und Herren von Rot-Grün – so Sie denn anwesend sind –, finden Sie es eigentlich normal, über Eckpunkte abzustimmen? Dass man das irgendwo in einem Kreisverband WandsbekOst macht, okay, aber hier geht es um eine ganz zentrale Fragestellung. Finden Sie das normal? Es geht um Eckpunkte, deren detaillierte Ausgestaltung für die Beurteilung der Qualität von größter Bedeutung wäre. Sind alle beihilferechtlichen Fragestellungen geklärt, ja oder nein? Die Antwort lautet: nein. Sind alle steuerrechtlichen Fragestellungen geklärt, ja oder nein? Die Antwort lautet: nein. Sind die Portfolien, die aus der Bank herausgekauft werden sollen, überhaupt schon identifiziert, ja oder nein? Die Antwort lautet: nein. Weiß der Senat, wer die Milliardenportfolien managen soll, die er in wenigen Wochen herauskauft, ja oder nein? Raten Sie mal, die Antwort lautet: nein. Ist denn wenigstens die Eigentümerstruktur der "hsh portfoliomanagement AöR" geklärt? Wissen wir, wie viele der Giftpapiere in wenigen Wochen unmittelbar auf den Haushalt wirken, ja oder nein? Die Antwort lautet: nein. Weiß der Senat also überhaupt, auf welche Reise wir uns begeben, ja oder nein? Die Antwort lautet: nein. Und weil Sie nicht wissen, was Sie hier gerade tun, können Sie auch die Fragen der Opposition nicht beantworten.

(Hansjörg Schmidt SPD: Aber das steht doch alles in der Drucksache!)

Das ist unverantwortlich, das ist unsicher, und das ist das Ergebnis Ihrer eigenen Nachlässigkeit.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt rächt sich, dass Sie, Herr Bürgermeister, und Sie, Herr Tschentscher, niemals wirklich an einem Ausstiegskonzept gearbeitet haben, wozu wir Sie aufgefordert haben. Herr Schreiber, Sie können es nicht als Erfolg verkaufen, dass die EU-Kommission Ihnen das jetzt reindrückt. Sie gehen in der ganzen Drucksache gerade einmal mit zwei Absätzen darauf ein und kommen jetzt damit um die Ecke, wir könnten doch mitgehen, es stehe schließlich eine Privatisierung darin. Ja, es steht Privatisierung darin, aber es steht eben nicht darin, wie Sie es machen wollen. Und weil Sie kein Kon

zept haben, sind zwei Jahre ein verdammt kurzer Zeitraum, das Ganze noch hinzubekommen.

Ich kann noch verstehen, dass Sie bei dieser Fragestellung unvorbereitet sind, dass Sie das Ganze nicht haben kommen sehen und jetzt als Verhandlungsergebnis akzeptieren müssen. Ich kann noch verstehen, dass Sie da kalt erwischt worden sind. Was ich nicht verstehen kann, ist, dass Sie offensichtlich auch kalt davon erwischt worden sind, dass Sie jetzt Papiere herauskaufen. Sie verhandeln zwei Jahre lang darauf hin, und dann wissen Sie gar nicht, welche Papiere es überhaupt sein sollen. Sie können sich gern noch einmal zu Wort melden, wenn Sie wissen, welche es sind; ich habe es nicht herausbekommen. Sie wissen nicht, welche Papiere es sind. Sie wissen nicht, welchen Marktwert diese haben.

(Milan Pein SPD: Die werden doch gerade erst zusammengestellt!)

Sie wissen nicht, wer das Portfolio managt. Sie wissen überhaupt nichts. Und dann sollen wir hier über Eckpunkte abstimmen mit Kreditermächtigungen von über 16 Milliarden Euro? So geht es nicht.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von Milan Pein SPD)

Die uns von Ihnen vorgelegte Drucksache ist nicht beschlussfähig, weil die wesentlichen Inhalte, auf die es ankommt, gar nicht feststehen.

Werfen wir einmal einen Blick in die Zukunft. Zwei Jahre haben Sie Zeit für diese Privatisierung, zwei Jahre für die Privatisierung von immerhin drei Vierteln der gesamten Bank. Ganze zwei nichtssagende Absätze widmen Sie dem und sagen, Sie würden das dann einmal machen und einen Wirtschaftsprüfer beauftragen. Klasse. Ich kann nur sagen, das Ganze in zwei Jahren hinzubekommen ist verdammt sportlich, und ich habe keinen einzigen Satz dazu gehört, nicht in der Ausschusssitzung, nicht in irgendwelchen Reden, nicht in Presseerklärungen, wie das Ganze funktionieren soll, außer direkt am Tag der Einigung. Da stand dann nämlich in der Pressemitteilung, dass der Käufer auch eine andere Landesbank sein könne. Das ist ganz offensichtlich eine Anspielung auf die NORD/ LB. Ich würde gern einmal wissen, mit wem von der NORD/LB Sie eigentlich darüber gesprochen haben. Hätten Sie das getan, wüssten Sie sehr wohl, dass sie ein eigenes Schifffahrtsportfolio und selbst genug Probleme damit haben. Sie werden das nicht tun. Dann erzählen Sie einmal, mit wem Sie gesprochen haben und worauf diese Hoffnung begründet ist.

Jetzt noch einmal zur Gretchenfrage, der Frage nach der Vermögensposition der Länder. Ich habe Senator Tschentscher im Ausschuss gefragt, ob er ausschließen könne, dass die 16,2 Milliarden Euro am Ende von den Ländern bezahlt werden müssen. Die Antwort lautete beunruhigenderweise

nein, das könne er nicht ausschließen. Und auch wenn hier nicht alle Details besprochen werden können, kann ich Ihnen auf die Frage, ob die Vermögensposition der Länder bestmöglich gewahrt bleibe, nur mit Thomas de Maizière antworten: Ein Teil dieser Antwort würde Sie verunsichern.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Ludwig Flocken und Dr. Alexander Wolf, beide AfD)

Das ist mit uns Freien Demokraten nicht zu machen. Wir zeigen Ihnen in unserem Zusatzantrag einen Weg auf, wie es gehen kann. Stimmen Sie ihm zu, lehnen Sie die Drucksache heute ab. Lassen Sie den Senat wieder vorsprechen, wenn er ein Konzept auf die Beine gestellt hat, das diesen Namen auch verdient, notfalls in einer Sondersitzung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nun bekommt Frau Oelschläger von der AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wieder einmal ist die HSH Nordbank Thema in diesem Haus. Allerdings sind heute weder Schuldzuweisungen noch Bankenrettungstheorien gefragt. Heute wird eine Lösung gesucht, durch die die Risiken für Hamburg durch die HSH Nordbank minimiert und nicht abwendbare Verluste kleingehalten werden. Wenn nebenbei auch noch eine Bank gerettet wird, Arbeitsplätze und gegebenenfalls auch ein Wirtschaftsfaktor für Norddeutschland erhalten bleiben, dann ist das ein positiver Nebeneffekt. Am Anfang steht jedoch die wichtige Erkenntnis, die ganz klar auch die EU-Kommission teilt: Hamburg braucht keine Landesbank.

Heute ist es Zeit, das finanzielle Risiko für den Hamburger Steuerzahler so weit wie möglich zu minimieren. Persönlich würde ich mir heute eine Glaskugel wünschen, in der die Zukunft vorhersehbar ist, denn wir gehen von Annahmen und Prognosen aus, die möglicherweise mit der Realität nicht viel zu tun haben werden. Das vorgelegte Konzept des Senats, welches auf der Einigung mit der Europäischen Kommission beruht, scheint sinnvoll zu sein. Am Ende wird ein hoher Preis für Hamburgs Haushalt stehen und der Verkauf der HSH Nordbank – oder aber deren Abwicklung, falls sich kein Käufer findet. Sicherheit bietet das Konzept nicht. Trotz alledem sagen wir: Ein Ende mit Schrecken ist immer noch besser als ein Schrecken ohne Ende.

Liebe FDP, alles, was Sie in Ihrem Zusatzantrag wünschen, wünsche ich mir ebenfalls. Gern würde ich schon jetzt einem Gesamtkonzept zustimmen und nach Möglichkeit schon wissen, wie es am Ende ausgeht. Natürlich haben wir auch mit weiteren Kreditermächtigungen in Höhe von 16,2 Milliarden

(Michael Kruse)

Euro Probleme, sogar gewaltige. Diesmal handelt es sich nämlich nicht nur um Bürgschaften, sondern um echtes Geld, das auch Zinsen kostet. In seiner Konsequenz ist Ihr Antrag jedoch ein wenig lebensfern. Hätte einer der Finanzsenatoren in den vergangenen Jahren die Glaskugel gehabt, die ich mir gewünscht habe, wären wir gar nicht in diese Lage gekommen und müssten hier nicht schon wieder über die HSH Nordbank sprechen.

Herr Senator, an Sie richten wir heute die Aufforderung: Nehmen Sie unverzüglich konkrete Planungen zur Privatisierung der HSH Nordbank vor. Die Zeit des Lavierens, die Zeit des Hoffens auf den weißen Ritter ist vorbei. Trennen Sie sich gedanklich von einer Landesbank, die diese Stadt nicht braucht.

Die Lösung des Senats ist getragen von Hoffnung. Dennoch scheint es auch im schlechtesten Fall die am wenigsten kostenintensive für Hamburg zu sein. Leider müssen wir dem Steuerzahler unserer Stadt sagen, dass in der Vergangenheit richtig Geld verbrannt wurde. Heute gilt es, einen Ausgleich zu finden. Es darf schlechtem Geld kein gutes hinterhergeworfen werden, aber es dürfen auch nicht sehenden Auges weiterhin Verluste realisiert werden. Dies steht aber durch Warten durchaus zu befürchten. Einen billigen Weg gibt es nicht. Wir können nach Abwägung der Möglichkeiten nur hoffen, dass sich der Weg des Senats als richtig erweist. Aus diesem Grunde werden wir uns nicht gegen den Weg des Senats stellen und uns bei der Abstimmung enthalten. – Danke.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, das Wort bekommt nun Herr Senator Dr. Tschentscher.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Senat und die Landesregierung von Schleswig-Holstein haben sich gemeinsam bei der Europäischen Kommission für eine endgültige Lösung im Beihilfeverfahren der HSH Nordbank eingesetzt und Ihnen das Ergebnis in einer Drucksache dargelegt und auch in den Ausschussberatungen sorgfältig erläutert. Wir haben Ihnen alle Unterlagen, die man benötigt, um die Entscheidungsfindung nachzuvollziehen, entweder in öffentlicher Sitzung dargelegt oder in vertraulichen Unterlagen zur Verfügung gestellt. Man kann alles nachvollziehen, Herr Hackbusch, und die Plausibilität, die wir und unsere Berater Ihnen erläutert haben, sehr wohl verstehen, wenn man es möchte.

Viele Akteure, neben der Europäischen Kommission und den beiden Landesregierungen auch das Bundesfinanzministerium, die Europäische Zentralbank und die deutsche Bankenaufsicht, waren an den Verhandlungen beteiligt. Alle Gesichtspunkte

dieser Institutionen sind in die Verhandlungen und in das Beratungsergebnis eingeflossen.

Herr Kruse, wenn Sie hier flotte Reden halten, was Sie alles verlangen, bevor Sie sich überhaupt entscheiden können, kann ich Ihnen nur sagen: Willkommen in der Realität. Wenn Sie regieren, dann müssen Sie plausibel Schritt für Schritt vorgehen. Es ist völlig normal, dass in einem Beihilfeverfahren – Sie können sich gern über ähnliche Fälle erkundigen – zunächst einmal Verständigungen über Eckpunkte herbeigeführt,

(Michael Kruse FDP: Ist doch zwei Monate her!)

die erforderlichen Gremienentscheidungen getroffen und die Eckpunkte sehr sorgfältig so umsetzt werden, wie man sie vereinbart hat.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Im Ergebnis der Verhandlungen kann die HSH Nordbank – wie wir übrigens im Vorfeld angekündigt haben – von zu hohen Garantiegebühren und Risiken aus Altgeschäften entlastet werden. Dies ermöglicht eine Fortführung und weitere Restrukturierung, die sehr im Vermögensinteresse der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein liegt. Die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen ermöglichen eine endgültige Genehmigung der Wiedererhöhung der Garantie und eine Stabilisierung der Bank gegenüber Entwicklungen, die sich schrittweise in den letzten zwei Jahren ergeben haben, nämlich die Schwäche des Euros gegenüber dem Dollar, die anhaltende Krise der Schifffahrt und höhere Anforderungen der Bankenaufsicht, denen sich alle Kreditinstitute stellen müssen.

Herr Kruse, Sie haben schon ziemlich konsequent weggehört, als wir Ihnen in den vergangenen Monaten unter anderem auch in Drucksachen beschrieben haben, dass das die bankgefährdenden Faktoren sind. Der Vorstand der Bank hat Ihnen Sitzung für Sitzung sehr konsequent berichtet, wie sich diese Dinge entwickelt haben und warum sie, insbesondere der Dollarkurs, für die Bank ein Problem sind. Da ist nichts überraschend gekommen, und es wundert mich, dass Sie so tun, als sei das alles ein Irrtum des Senats oder der Landesregierung Schleswig-Holsteins gewesen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Neugeschäft der HSH Nordbank – und das, finde ich, muss immer wieder gesagt werden – ist diesen Anforderungen und diesen Entwicklungen gewachsen. Trotz der schwierigen Marktlage konnte die Bank in den vergangenen Jahren ihre Risiken, für die wir haften, mit der Garantie, die Sie 2009 ausgesprochen haben,

(Thilo Kleibauer CDU: Sie auch!)

Wir auch.