"Der Stadtstaat Hamburg ist ein Verlierer des neuen linearen Tarifs, da der auf Hamburg angewendete Satz mit 67,5 Prozent […]"
Der Erfolg des Ersten Bürgermeisters ist also doch deutlich weniger sensationell, als Rot-Grün es immer darstellt, und deswegen sollten Sie vielleicht etwas weniger lautstark jubeln.
Ich möchte auf ein paar Punkte in dem Kompromiss eingehen, vor allen Dingen auf Punkte, die aus unserer Sicht fehlen. Die vorgeschlagene Lösung ist in der Tat einfacher, insbesondere durch den Wegfall des Umsatzsteuervorwegausgleichs. Hierzu gibt es von unserer Seite auch einen vorsichtigen Beifall.
Aber insgesamt bleibt das System des Länderfinanzausgleichs viel zu intransparent. Versuchen Sie doch einmal, den Menschen zu erklären, wie genau sich die für jedes Land völlig unterschiedlichen Zu- und Abschläge entsprechend der Finanzkraft bei der Umsatzsteuerverteilung errechnen. Das wird Ihnen nicht gelingen. Wir Freien Demokraten halten deshalb deutlich mehr Transparenz für geboten.
Uns sind auch die Anreize für Haushaltsdisziplin auf der Ausgabenseite sowie die Anreize für eigene wirtschaftliche und infrastrukturelle Anstrengungen zur Förderung der Einnahmenseite nach wie vor viel zu gering. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal an die Dresdner Erklärung der Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten von 2012 erinnern, in der eine Stärkung der Budgethoheit der Länder gefordert wurde, zum Beispiel durch mehr eigene Steuergesetzgebungskompetenz. Davon ist aber in diesem Kompromiss leider nicht viel zu sehen. Ebenso fehlt die Verankerung des Konnexitätsprinzips, wonach diejenige Ebene zahlt, die etwas bestellt, was zum Beispiel zusätzliche Belastungen der Kommunen durch Bund oder Länder ohne jeweilige Gegenfinanzierung verhindern würde. Auch das wurde in der Dresdner Erklärung schon gefordert.
Und last, but not least: Der Soli ist und bleibt aus unserer Sicht ein überfälliges Auslaufmodell. Es ist aber jetzt völlig unklar, ob er nicht dauerhaft erhalten bleibt und so am Ende alle Steuerzahler die Zeche für diesen Kuhhandel zahlen werden, denn auch die CDU will den Soli gern bis 2030 erhalten. Das ist übrigens zufällig genau das Jahr, in dem erstmals eine Evaluierung der jetzt gefundenen Einigung der Ministerpräsidenten anstehen soll.
Meine Damen und Herren! Auch wenn Sie sich noch so sehr dafür feiern möchten, was der Erste Bürgermeister verhandelt hat, aus unserer Sicht lässt sich das Ergebnis in einem Satz zusammenfassen: Der Berg kreißte und gebar eine Maus.
Werte Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben es nicht oft, dass ein Thema der Aktuelle Stunde in solch einem Jubel-Ton angekündigt wird wie dieses Mal.
Das Interessante ist, dass alle 16 Länderchefs das unterstützen. Die sind auch alle beeindruckt, die finden das auch alle gut. Das macht schon ein bisschen stutzig. Ein gewaltiger Durchbruch sei gelungen. Alle 16 Bundesländer sagen, sie hätten jetzt mehr Geld oder zumindest genauso viel, keiner fühlt sich benachteiligt. Aber die Wirtschaftsinstitute, das Institut der deutschen Wirtschaft zum Beispiel, oder die Fachpresse reagieren sehr kritisch. Woran liegt das? Ich will nur einige Punkte nennen.
Da ist die immer noch sehr große Undurchschaubarkeit, die Intransparenz und unsystematische Willkür, wie manche Punkte zugeordnet werden. Professor Renzsch, einer der führenden Föderalismusexperten im Land, sagt, er habe an vielen Punkten große Schwierigkeiten, das überhaupt zu verstehen. Fachjournalisten erwähnen Beispiele. So gibt es Bundesergänzungszuweisungen, die jedem Land für ganz spezielle Dinge zugeordnet werden.
Brandenburg zum Beispiel bekommt 10 Millionen Euro hinzu, und zwar für hohe Kosten politischer Führung. Was ist das? Darunter lässt sich alles
subsumieren. So baut sich das ganze Konstrukt auf, und das ist das Problem. Es ist das Ergebnis eines Schacherns, dem jedes Land hinterher zustimmen sollte und damit sozusagen Einzelbefriedigung bekommen hat. Das ist der erste Kritikpunkt.
Der zweite Punkt ist, das ist schon angesprochen worden, dass die Rechnung ohne den Wirt gemacht worden ist. Der Senat jubelt zu früh. Olympia als Warnsignal, ich muss es nicht wiederholen. Der Bund hat noch nicht zugesagt. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, Brinkhaus, hat bereits abgelehnt. Er findet das nicht akzeptabel. Frau Suding, Sie haben gerade einen anderen Stellvertreter genannt. Warum, liebe SPD, brechen Sie das jetzt vom Zaun? Warum dieser parlamentarische Jubel, wo der Bär noch gar nicht erlegt ist, dessen Fell Sie verteilen? Sie hätten doch noch warten können. Es ist absolut unverständlich, dass wir uns jetzt damit befassen müssen. Das hätte noch Zeit gehabt.
Der dritte Punkt: Es kommt unbemerkt eine Art neuer Zentralismus durch die Hintertür. Das ist noch gar nicht angesprochen worden. Wir haben in der Vergangenheit mehrere Föderalismuskonferenzen gehabt, bei denen es immer darum ging, dass die Länder mehr Autonomie brauchen, mehr Freiheit, mehr Selbstständigkeit. Jetzt sollten sie den Finanzausgleich unter sich klären, und was machen sie? Sie geben es auf die nächsthöhere Ebene. Der Bund soll es machen. Er soll aus seinen Umsatzsteueranteilen weitere Anteile an die Länder verteilen. Die Starken sollen mehr bekommen, die Schwachen sollen weniger bekommen, und das ist der Finanzausgleich. Es einigen sich also nicht einmal die Länder auf Länderebene, sondern in Zukunft wird der Bund das machen, mit seinen Umsatzsteueranteilen. Das ist eine Verlagerung nach oben. Es ist überhaupt nicht zu Ende gedacht, was hier passiert ist. Und warum ist es passiert? Weil die Länder sich auf Länderebene nicht mehr einigen konnten. Das war ein Verteilungskonflikt, der hochgekocht ist.
Nordrhein-Westfalen und Bayern waren überhaupt nicht mehr zu einigen. Vorher hat es noch eine Einigung gegeben, das war dieses Mal nicht mehr möglich. Es ist eskaliert, es gab einen verhärteten Verteilungskonflikt, und das Ergebnis war, dass man das ganze System aufgegeben und ein neues erfunden hat, bei dem alle ihr Gesicht wahren konnten. Jetzt verteilt der Bund das von oben. Es ist insofern auch ein Scheitern des Föderalismus, dass die Länder das untereinander nicht geschafft haben. Das muss man auch einmal sagen und kann das nicht nur bejubeln.
Es fehlen immer noch entscheidende Anreize für die Defizitländer, sich selbst zu bemühen zu sparen, auch bei den Wahlgeschenken, die man vor der nächsten Wahl großzügig verteilt. Diese Anreize fehlen weiter. Es gibt eine gewisse Laxheit, die sich schon in den Siebziger- und Achtzigerjahren eingeschlichen hat, wir erinnern an Oskar Lafontaine, damals im Saarland, für den es spießig war, Haushaltsdisziplin nach vorn zu bringen. Auch in dieser Hinsicht muss die Länderfinanzausgleichsgesetzgebung vorankommen.
Ein letzter Punkt. Es wird gesagt, der Bund habe das Geld, das sei doch gar kein Problem. Die Zinsen seien winzig, die Konjunktur super, die Einnahmen hoch. Wo sei das Problem; der Bund solle es machen. Das Problem ist, dass das eine Scheinblüte ist. Vergessen wir nicht, warum das so ist. Die Exportwirtschaft und das Volkseinkommen kommen doch dadurch, dass der Euro in einem extremen Maß unterbewertet ist. Unsere Exportwirtschaft ist gedopt. Daher kommt im Moment unser großer Überschuss. Daher kommt unsere Konjunktur. Die ist auf Sand gebaut, und ebenso die niedrigen Zinsen, die durch den Druck von 1 Billion Euro zustande kommen,
Enteignung der Rentner und Sparer. Ich komme zum Ende. Darauf kann man so ein Konstrukt nicht bauen. Das ist einfach unseriös. Wachen Sie endlich auf.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich soll der Länderfinanzausgleich, so sein Name, für Ausgleich und für annährend gleiche Lebensverhältnisse in Deutschland sorgen. Von Beginn an wurde immer wieder um das System des Finanzausgleichs gerungen. Im Kern der Kontroverse steht seit jeher die Frage, welcher Föderalismus politisch eigentlich gewollt ist, ein Wettbewerbsföderalismus oder der kooperative Föderalismus, der dem Gebot der gleichwertigen Lebensverhältnisse folgt und finanzielle Unterschiede in den einzelnen Ländern ausgleicht. Fakt ist, der bisherige Länderfinanzausgleich hat dieses Ziel verfehlt. Die Lebensverhältnisse in den Bundesländern entwickeln sich auseinander, statt sich anzugleichen. Experten zufolge werden einige Regionen immer reicher, die vielen übrigen dagegen immer ärmer.
Anders als 2013 gehört Hamburg nun wieder zu dem Kreis der Geberländer im Länderfinanzausgleich. Die Bundesländer haben sich in der vergan
genen Woche auf eine gemeinsame Linie um die Neuordnung im Finanzausgleich geeinigt. Wenn es genau so kommt, wie es die Länder vorgeschlagen haben, würde das dazu führen, dass Hamburg zusätzliche Mittel von etwa 172 Millionen Euro hätte. Ob der Bund die jährlichen Ausgleichszahlungen von 9,6 Milliarden Euro leistet – Herr Kleibauer hat schon darauf hingewiesen –, ist sehr fraglich. Denn wenn jetzt schon ein stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender sagt, auf keinen Fall, dann wird es schwierig. Die Begeisterung über das Modell zur Neuregelung ist auf jeden Fall in den Bundesländern größer als im Bund, und das ist auch verständlich.
Der Kompromissvorschlag zum Länderfinanzausgleich ist vorerst gut für Hamburg. Hamburg würde zu den Profiteuren der Einigung der Ausgleichszahlungen zwischen den Ländern gehören. Für Hamburg bedeutet der Kompromiss, dass der finanziell vorteilhafte Stadtstaatenstatus erhalten bleibt. Positiv ist auch, dass Mehreinnahmen aus Einkommen und Körperschaftsteuer im jeweiligen Landeshaushalt verbleiben. Das sollte für SPD und GRÜNE ein Anreiz sein, die Finanzverwaltung zu stärken und für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. Das wäre ein gutes Resultat. Der Länderfinanzausgleich soll in der jetzigen Form abgeschafft werden, und damit entfällt auch der Umsatzsteuervorwegausgleich, die erste Stufe des sehr komplizierten Umverteilungssystems zwischen Bund und Ländern sowie den Ländern untereinander. Auf der Haben-Seite steht auch, dass die Ost-Länder einen Ausgleich für die finanziellen Einbußen nach dem Solidarpaktende 2020 erhalten sollen.
Zu kritisieren ist aber, dass dieser Kompromissvorschlag zum Länderfinanzausgleich kein Konzept zur Förderung strukturschwacher Länder und Kommunen ist. Es mangelt an Vorschlägen, wie die besonderen Bedarfe von Ländern mit armen Kommunen, hohen Sozialaufwendungen oder schwacher Wirtschaft gedeckt werden können. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sieht den gemeinsamen Vorstoß der Länder für eine Neuregelung der Finanzbeziehung zum Bund skeptisch. Seiner Auffassung nach sind die Gewinner der Reform die westdeutschen Flächenländer wie Nordrhein-Westfalen und Bayern. Der Kompromiss zum Länderfinanzausgleich ist eine Einigung auf niedrigstem Niveau der Länderegoismen. Von daher ist der 3. Dezember 2015 kein guter Tag für den Föderalismus.
Ich möchte noch einmal an den Artikel 107 des Grundgesetzes erinnern. Mit dem Länderfinanzausgleich soll in allen Teilen Deutschlands die Herstellung und Wahrung gleichwertiger Lebensverhältnisse gewährleistet und wirtschaftliche Benachteiligung abgebaut werden. Das erfüllt dieser Kompromissvorschlag nicht. Es ist richtig, wir sitzen hier für die Interessen Hamburgs, aber nicht nur.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer haben sich in der vergangenen Woche auf ein Konzept zur Neuordnung des Länderfinanzausgleichs geeinigt. Das ist auch für Hamburg eine der wohl wichtigsten Nachrichten der letzten Jahre, beruht doch ein Großteil unserer Einnahmen auf der Frage, in welchem Umfang wir unsere Steuereinnahmen behalten oder an weniger finanzstarke Länder abführen müssen. Die bisherigen Regelungen zum Finanzausgleich laufen Ende 2019 aus und wurden von Bayern und Hessen vor dem Bundesverfassungsgericht infrage gestellt. Dabei geht es für Hamburg um viel. Wir sind seit Jahrzehnten Zahlerland, und es geht um sehr viel Geld, denn allein ein Wegfall der Einwohnerwertung der Stadtstaaten würde unsere Belastung durch den Finanzausgleich jährlich um 1,2 Milliarden Euro erhöhen. Auch wenn die Klage wenig Aussicht auf Erfolg hat, wissen doch alle, die am Zustandekommen des bisherigen Finanzausgleichs beteiligt waren, wie schwierig es ist, in einer solchen Konfliktlage und trotz der unterschiedlichsten Interessen von 16 Ländern und noch in dieser Legislaturperiode zu einer Einigung zu kommen. In vielen Ländern hat es darüber öffentliche Debatten und sogar Wahlkampfauseinandersetzungen gegeben, bei uns in Hamburg nicht. Wir beraten heute genaugenommen zum ersten Mal darüber.
Der Erste Bürgermeister hat bei den Verhandlungen von Anfang an eine zentrale koordinierende Rolle übernommen: für die Länder insgesamt, nicht nur für Hamburg, und gegenüber dem Bund. Er hat keine Interviews gegeben, aber verhandelt, und in diesem Jahr noch vor der Sommerpause auf einer Sitzung der Ministerpräsidenten, Finanzminister und Chefs der Staatskanzleien die Grundzüge einer möglichen Einigung vorgestellt, auf denen im Grunde auch das jetzige Verhandlungsergebnis beruht.
Das Ergebnis ist noch nicht endgültig, weil der Bund noch zustimmen muss. Aber es ist ein sehr großer Schritt zu einer endgültigen Einigung, wenn sich alle 16 Länder, alle Flächenländer West, alle Ostländer und alle Stadtstaaten auf ein gemeinsames vernünftiges Konzept für den künftigen Ausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern verständigen.