Protokoll der Sitzung vom 09.12.2015

Man muss leider dazu sagen – das gehört zur Wahrheit dazu –, dass die Olympia-Gegner nicht nur bei der LINKEN gesessen haben, sondern bedauerlicherweise auch unter den Koalitionären. Ich gebe ein Beispiel. Die GRÜNEN-Abgeordnete En

gels, mit der ich über Facebook befreundet bin, hat dort geschrieben,

(Zurufe aus den Fraktionen)

allein schon die vielen Deutschlandfahnen seien ein Grund dafür, gegen Olympia zu sein. Meine Damen und Herren, wenn das der Grat der argumentativen Durchdringung der Olympia-Frage bei einigen GRÜNEN gewesen ist, dann können Sie, Herr Dressel, uns nicht glaubhaft erzählen, dass Sie sich von Ihrem Koalitionspartner nicht etwas mehr Geschlossenheit gewünscht hätten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Blömeke, es ist schön, dass Herr Duge sich ein Fleißsternchen verdient hat. Ich habe auch mit Herrn Duge sehr gern auf den Podien gesessen. Es ist allerdings leider immer so gewesen, wenn ich mich auf so ein Podium gesetzt habe, dann habe ich stets erst einmal sehr nervös zur Seite geschaut, wer denn meine Mitstreiter sind. Ich wusste, die CDU wird dafür argumentieren, die SPD weiß auch, was sie will, aber bei den GRÜNEN und der AfD kam es immer darauf an, wer gerade auf dem Podium Platz genommen hat. Man musste sich dann immer erst einmal sortieren, mit wem man in der nächsten halben Stunde rechnen kann. Das war schon sehr spannend. Mit Herrn Duge habe ich sehr gern da oben gesessen, mit anderen Leuten weniger gern. Das sind allerdings nicht nur Bürgerschaftsabgeordnete, sondern es ging durch die ganze Stadt bis in die Bezirke. Da haben sich eine ganze Menge GRÜNE nicht mit Ruhm bekleckert. Es hat auch ein seltsames Signal an die Schüler ausgesendet, das muss ich ehrlich sagen, wenn die Vertreter der SPD dort leidenschaftlich für Olympia gekämpft und gesagt haben, ihre rotgrüne Koalition werde Olympia nach Hamburg holen, gleichzeitig jedoch die GRÜNEN das hinterher direkt wieder einkassiert haben. Ich muss ehrlich sagen, dass das ein sehr seltsames Bild abgegeben hat.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Dressel, Sie sagen jetzt, Sie hätten sich von der FDP mehr Leidenschaft gewünscht.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie nehme ich ausdrücklich aus!)

Vielen herzlichen Dank.

Ich hoffe aber, Sie machen dann auch einmal eine kleine Tour durch die Reihen Ihres Koalitionspartners, denn da haben viele Leute noch eine ganze Menge von Ihnen zu hören, Herr Dressel.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Jetzt hat sich zu Wort gemeldet Herr Ehlebracht von der AfD-Fraktion.

(Daniel Oetzel)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Menschen in dieser Stadt haben entschieden, dass Olympia nicht kommt. Das gilt es zu akzeptieren. Damit haben die Bürger die Bedenken des Rechnungshofs geteilt, und sie sind der Empfehlung der AfD-Fraktion mehrheitlich gefolgt.

(Heiterkeit bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der FDP und der LINKEN)

Lachen Sie ruhig.

Noch einmal für Herrn Oetzel zum Mitschreiben: Die AfD hat ein Ja zu Olympia bei den derzeit vorliegenden, wenig belastbaren Zahlen nicht empfehlen können.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Das Wort hat Herr Ehlebracht von der AfDFraktion, werte Kollegen.

Das stelle ich nur ganz nüchtern fest, ohne Anflug von Triumph, ohne Anflug von Schadenfreude. Wichtig ist zu wissen, was denn jetzt die Gründe für die Ablehnung waren. Es lag sicherlich nicht an diesen Nein-Sagern, an diesen Mutlosen und rückwärts Gewandten, an denen, die Angst vor allem Neuen haben, an den Doofen, die nicht erkannt haben, welche Chancen Olympia bietet. Derjenige, der das Votum darauf reduziert, zeigt nur dreierlei: Erstens sehr schlechten Stil, zweitens, dass er ein schlechter Verlierer ist, und drittens, dass er anscheinend Probleme mit Mehrheitsentscheidungen hat.

(Beifall bei der AfD)

Es sind auch nicht die ungünstigen Rahmenbedingungen wie FIFA und der Terroranschlag in Paris gewesen. Das sind übliche Methoden, um sich herauszureden und sich nicht an die eigene Nase fassen zu müssen. Ein Grund war vielmehr, dass Sie auf Podiumsfragen oder auf Fragen ganz allgemein keine qualifizierten Antworten gegeben haben. Und es gab jede Menge guter Fragen, zum Beispiel die Frage, was Hamburg denn nicht erhalte, wenn Olympia nicht kommt. Da wurde zum Beispiel der Punkt Grasbrook …

(Milan Pein SPD: Einen neuen Stadtteil auf dem Grasbrook gibt es doch gar nicht!)

Aber das haben Sie in der Diskussion nicht deutlich gemacht. Sie haben schöne Prospekte gestaltet, nur Vorteile erzählt und negative Seiten völlig ausgeblendet. Sie haben die städtebauliche Wichtigkeit vom Grasbrook im Zusammenhang mit dem Sprung über die Elbe, die Anbindung des Südens an den nördlichen Teil Hamburgs, nicht herausgearbeitet. Sie können sauer sein, so viel Sie wollen, das Votum bestätigt mich.

Was ist denn, wenn die Kosten bei Olympia aus dem Ruder laufen? Wie wirkt denn dann die Schuldenbremse 2020? Es soll vorgekommen sein, dass öffentliche Vorhaben finanziell aus dem Ruder gelaufen sind. Diese Antwort auf dem Podium hätte mich auch interessiert. Es hat aber keine griffige Antwort gegeben. Ich habe nun einige Podiumsdiskussionen mitgemacht, aber eine Antwort auf diese Frage gab es einfach nicht.

Ein weiterer Grund ist, dass die Koalition beziehungsweise der Senat lobenswerterweise ein Referendum initiiert hat, aber leider nicht verstanden hat, wie ein Referendum funktioniert. Ein Referendum braucht Zeit. Da muss eine Entscheidungsgrundlage basierend auf detaillierten und belastbaren Zahlen vorgelegt werden. Diese ist immer wieder auf allen Kanälen unters Volk zu bringen. Das ist nicht geschehen. Gab es denn diese Zahlen? Es gab einen Finanzreport, das ist ein Bericht mit einem Schätzanteil und weit entfernt von einer Kosten-Nutzen-Analyse. Es gab keine detaillierten belastbaren Zahlen. Die AfD-Fraktion hatte beantragt, die paar vorliegenden Zahlen von unabhängigen Stellen prüfen zu lassen. Das wäre eine vertrauensbildende Maßnahme gewesen. Aber der Antrag wurde abgelehnt. Die AfD hatte beantragt, das Referendum zu verschieben, damit genau diese Zeit gewonnen wird, um die Zahlen zu erstellen. Dieser Antrag wurde ebenfalls abgelehnt. Wie steht es mit der Zeit, diesem unsäglichen 29. November? Es war politischer Wille. Es gab kein Gesetz, keine Frist, keinen Vertrag, der Sie dazu genötigt hat. Hätten Sie sich mehr Zeit genommen, hätten Sie die Zahlen ausgearbeitet und unter die Leute gebracht, hätte das Votum anders ausgehen können.

Aus meiner Sicht ist jedoch der schmerzlichste Grund der, dass die Menschen es Ihnen einfach nicht zugetraut haben. Die Mehrheit der Bürger hat gedacht, ja, ja, jetzt erzählen sie wieder, alles werde gut und schön, und am Ende wird es doppelt oder dreimal so teuer. Schönen Gruß von der Hütte an der Elbe. Das wird uns allen noch sehr lange anhängen. Es ist der grundsätzliche Vertrauensverlust der Menschen in die Politik, der hier zum Ausdruck kam – ein Vertrauensverlust, der durch die Art und Weise, wie die Politik seit Jahren und Jahrzehnten betrieben wird, gefördert wurde. Wie Sie hören, spreche ich Sie, die Koalition oder den Senat, nicht persönlich an, weil ich es als die gesamtheitliche Aufgabe dieser Bürgerschaft sehe, genau dieses Vertrauen wieder zu gewinnen – allerdings eine Aufgabe, an der Sie die Opposition durch ständige Geschäftsordnungsausgrenzungspolitik nicht teilnehmen lassen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist Demo- kratie!)

Sie sind zu weit weg von den Menschen, deren Wünschen, Bedenken und Sorgen und haben einen künstlichen, kontraproduktiven …

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Ihre Redezeit ist schon länger abgelaufen, Herr Ehlebracht.

(Milan Pein SPD: Danke, endlich! Das darf doch nicht wahr sein!)

Gut, im Wesentlichen ist alles gesagt. Sehr geehrter Herr Bürgermeister, Herr Neumann, Sie haben diese Sache gründlich vermasselt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Als Nächster erhält das Wort Dr. Andreas Dressel von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was man, glaube ich, für die Koalition sagen kann, ist, dass von uns niemand Wählerschelte betrieben hat und betreiben wird, weil wir uns an Referenden, an Volksentscheide halten. Das ist eine Grundkoordinate dieser Koalition.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Und das war nicht im- mer so in dieser Stadt!)

Ich halte es auch für ein bisschen gewagt, Heike Sudmann, dass du jetzt die 51,6 Prozent für DIE LINKE irgendwie allein in Anspruch nimmst.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das habe ich doch gar nicht gemacht!)

Das ist aber schon so rübergekommen. Da befindest du dich mit der anderen Seite des Hauses in einer seltsamen Eintracht. Das müsst ihr wirklich noch einmal aufarbeiten.

Die 51,6 Prozent sind mit Sicherheit nicht der Wähleranteil der Linkspartei.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn immer so verkürzt dargestellt wird, Hamburg sei jetzt gegen Olympia, dann sollten wir in der Tat sehen, dass das eine knappe Entscheidung gewesen ist.

Nach dem Netze-Volksentscheid mit einem ähnlich knappen Ergebnis

(André Trepoll CDU: Da war es knapper!)

ist es uns zum Beispiel gemeinsam gelungen, als Stadtgesellschaft einen Weg zu finden, um nach einer solchen Entscheidung trotz knapper Ergebnisse nicht die Spaltung herbeizureden, sondern

uns zu fragen, wie man die Stadt gemeinsam voranbringen kann. Als Bürgerschaft muss es doch unsere Aufgabe sein – gemäß Johannes Rau, der einmal gesagt hat, versöhnen statt spalten –, in so einer Diskussion nicht die Spaltung herbeizureden, sondern dafür zu sorgen, dass Gräben zugeschüttet werden und man gemeinsam in die Zukunft der Stadt blicken kann.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

Natürlich muss eine Aufarbeitung stattfinden. Das machen wir und Sie alle hoffentlich auch; da muss ein jeder auch vor der eigenen Haustür kehren. Es ging mir nicht darum, Frau Merkel oder Herrn Schäuble die Alleinschuld für irgendetwas zu geben.

(André Trepoll CDU: Das haben Sie doch gemacht! – Nein, das habe ich nicht gemacht. Vielleicht können wir in der Aufarbeitung einmal versuchen, ein bisschen redlich miteinander umzu- gehen. Ich habe gesagt, da es nicht nur eine Ham- burger, sondern eine nationale Bewerbung gewe- sen ist, wäre natürlich mehr Unterstützung vom Bund sinnvoll und nötig gewesen, wie man an dem Ergebnis gesehen hat. (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)