Protokoll der Sitzung vom 10.02.2016

von der FDP-Fraktion

Scholz muss handeln statt abtauchen: Bundesweiten Flüchtlings-Verteilerschlüssel ändern, norddeutsch zusammenarbeiten, in Hamburg dezentral mit Bürgerbeteiligung unterbringen.

von der AfD-Fraktion

Christen fliehen aus dem Orient und Afrika vor Gewalt. In Hamburgs Flüchtlingsunterkünften setzt sich für sie die Gewalt fort. Der Senat sieht nichts, hört nichts, tut nichts!

von der SPD-Fraktion

Gerade jetzt: Haltung zeigen für gesellschaftlichen Zusammenhalt.

und von der CDU-Fraktion

Fairteilung statt Ghettos – integrationsorientierter Dialog statt autoritäre Basta-Politik.

(Auf der Zuhörertribüne werden kleine Pla- kate hochgehalten.)

Meine Damen und Herren! Ich muss Sie bitten, sich hinzusetzen und die Zettel wieder einzupacken. Derartige Meinungsbekundungen sind von den Zuhörertribünen und auch im Übrigen in diesem Hause nicht gestattet. Bitte beachten Sie unsere Hausordnung.

(Die Plakate werden nicht entfernt. Anhal- tende Zurufe von der Zuhörertribüne – Glocke)

Ich unterbreche die Sitzung und bitte die Saaldiener, die störenden Personen nach draußen zu geleiten.

Unterbrechung: 15.08 Uhr

Wiederbeginn: 15.13 Uhr

Meine Damen und Herren! Wir setzen unsere Sitzung fort.

Ist der Abgeordnete Dolzer im Saal? Ich würde ihm gern einen Ordnungsruf erteilen. – Er ist nicht im Saal. Dann machen wir das, wenn er wieder da ist.

Sie alle weise ich nochmals darauf hin – und würde auch die Fraktionsspitzen bitten, noch einmal ihre Fraktion darauf hinzuweisen –, dass wir uns über das Thema Filmen und Fotografieren im Plenarsaal ausreichend ausgetauscht haben. Ich würde darum bitten, unsere Hausordnung zu beachten. Das gilt auch für uns und nicht nur für unsere Besucherinnen und Besucher.

Wir kommen zum ersten Thema der Aktuellen Stunde, das von der GRÜNEN Fraktion angemeldet wurde. Der Titel lautet:

Ein Meilenstein für Hamburgs Stadtentwicklung: Der lange A7-Deckel kommt

Das Wort bekommt Herr Dr. Tjarks.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie die Cholera und die Pest, schrieb der bekannte Mediziner Robert Koch bereits im Jahre 1910. Der Straßenverkehr ist die dominierende Lärmquelle in Deutschland. Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung fühlt sich laut Umweltbundesamt durch Straßenverkehrslärm gestört oder belästigt. Aus der Erkenntnis von Robert Koch und den Entwicklungen der Siebziger- und Achtzigerjahre, in denen man es gut fand, eine Autobahn

mitten durch eine Millionenstadt zu bauen, ist die Idee geboren worden, die A 7 in vielen Teilen Hamburgs zu überdeckeln. Der Autobahndeckel hat viele Väter und Mütter. An dieser Stelle sei nur eine Gruppierung erwähnt, die Initiative "Ohne Dach ist Krach", wahrscheinlich Hamburgs älteste Bürgerinitiative, die seit über 20 Jahren den Deckel gefordert und unermüdlich für das Projekt gekämpft hat. Ihnen gilt heute unser besonderer Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der CDU und der FDP)

Der Autobahndeckel über die A 7 ist ein Mammutprojekt, das schon einen ordentlichen Vorlauf hatte, und es wird uns noch mindestens eine weitere Dekade beschäftigen. Es ist viel mehr als ein Lärmschutzprojekt. Wir führen damit auch die zerschnittenen Stadtteile wieder zusammen und schaffen neue Flächen für mehr als 3 200 neue Wohnungen. Damit schaffen wir dringend benötigten Wohnraum im urbanen Teil von Hamburg. Wir verdichten die Stadt in der Stadt, und das ist nicht nur dringend nötig, das ist auch gut so.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Birgit Stöver CDU)

Weil wir in der vergangenen Legislaturperiode schon einmal darüber debattiert haben, möchte ich auch sagen, dass für alle Wohnungsbaupotenzialflächen im Zusammenhang mit dem Deckel natürlich die Senatsrichtlinien gelten, und das bedeutet, dass auch dort der Drittelmix eingehalten werden wird. Das heißt, dass wir mit diesem Projekt über 1 000 neue Sozialwohnungen in Hamburg schaffen, dringend benötigten Wohnraum, und eben keine Verschleuderung nur zu Höchstpreisen stattfindet. Auch das ist eine gute Nachricht für Hamburg.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir führen eine Stadtreparatur historischen Ausmaßes durch und verbinden nicht nur Stadtteile, sondern auch zwei Bezirke neu. Wir verwirklichen den Traum von Gustav Oelsner, Altonas ehemaligem Bausenator, und schaffen eine Grünachse vom Altonaer Volkspark – immerhin Hamburgs größter Park – bis zur Elbe. Wir entwickeln eine zweite Grünachse von dem neuen Fernbahnhof Diebsteich zum Altonaer Volkspark, von Osten nach Westen, und wir werden dafür sorgen, dass der Fernbahnhof Diebsteich nicht nur ein Bahnhof für Altona, sondern auch für Eimsbüttel wird. Wir sorgen dafür, dass auf dem Deckel Ersatz für die Kleingartenflächen entsteht, und schließlich eröffnet sich uns durch die Entwicklung in diesem Bereich eine Finanzierungsquelle, ohne die dieses Projekt nicht zu stemmen wäre.

Umgekehrt muss aber auch jeder wissen, dass wir dieses Projekt aufgrund der Buchwertverluste in der Bilanz der Stadt durch den Verkauf der Grundstücke nicht zum Nulltarif bekommen werden. Wir

werden auch reales Geld in die Hand nehmen müssen. Das ist sinnvoll und das ist gut so, aber man muss das am Ende des Tages auch sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

All diese Komponenten zeugen davon, dass es nicht nur um Lärmschutz, sondern um eine kohärente Entwicklung der Stadt zwischen Altona und Eimsbüttel geht. Dieses Projekt lebt in allen seinen Komponenten, die auch über die nächste Dekade Bestand haben müssen. Deswegen wird der Senat in Kürze an das Bezirksamt Altona herantreten, um mit einem Letter of Intent zu einer Gesamtvereinbarung für das Projekt zu kommen, um danach die Bürgerschaft in der Sache zu befassen.

Wir haben in der vorherigen Legislaturperiode frühzeitig den Altonaer Konsens zu einem Hamburger Konsens gemacht, auch auf Initiative der CDUFraktion und bei Enthaltung der LINKEN. Dieser Schulterschluss fast aller Fraktionen ist bei diesem Jahrhundertprojekt notwendig. Wir brauchen ihn auch für die nächsten zehn Jahre.

Es war eine krause Idee, eine achtspurige Autobahn quer durch eine Millionenstadt zu bauen, aber es ist ein grüner Traum, dass diese zumindest unter der Erde verschwindet. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Karin Prien CDU)

Herr Dr. Dressel von der SPD-Fraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was lange währt, wird endlich gut. Das stellen wir hier häufig miteinander fest, aber ich glaube, bei diesem Thema trifft der Satz absolut zu. Es hat in der Tat lange gedauert, und ja, auch die Drucksache, über die Kollege Tjarks gesprochen hat, ist noch in Arbeit. Natürlich waren und sind viele Fragen zu klären. Es geht um die Tunnelsicherheit und um sehr viele bauliche Fragen. Aber die politische Entscheidung, dass der lange Deckel auch in Altona kommt, ist gefallen, auch zwischen Senat und Regierungsfraktionen. Das ist eine gute Entscheidung für Altona und eine gute Entscheidung für Hamburg.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Gemeinsam wird Hamburg dieses große Projekt schaffen. Es wird sich einreihen in eine ganze Reihe von wichtigen Stadtentwicklungsprojekten: HafenCity, Sprung über die Elbe, Stromaufwärts an Elbe und Bille, Mitte Altona. Der A7-Deckel muss in dieser Reihe genannt werden, wenn man sich seine Dimension und die stadtentwicklungspolitischen, wohnungspolitischen, aber natürlich auch die verkehrlichen und finanziellen Auswirkungen

(Dr. Anjes Tjarks)

anschaut. Deshalb ist das eine wirkliche Jahrhundertentscheidung für den Hamburger Westen, die wir hier treffen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir tun das – und das ist nicht immer so – gemeinsam mit einer Bürgerinitiative, die den Deckel über viele Jahre erstritten hat; wir begrüßen die Vertreter der Bürgerinitiative, Herrn Grabow vornean und viele andere, die dabei sind. Ich empfehle wirklich allen, es noch einmal im Internet nachzulesen. Allein die Chronologie ist 25 Seiten lang und beginnt schon vor 1994. Quasi alle, die in der Politik Rang und Namen hatten oder haben, sind darauf angesprochen worden, auch ein gewisser Olaf Scholz 1998 als Bundestagskandidat, der sich dann entsprechend für den Deckel eingesetzt hat. Es ist eine stolze Leistung, so lange am Ball geblieben zu sein und diesen Ball jetzt über die Linie zu bekommen. Ein großer Glückwunsch und ein Dankeschön an Sie von der Initiative.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN und der FDP)

Dieses Projekt ist auch gemeinsam mit dem Bezirk entwickelt worden. Deswegen ist der Punkt, den der Kollege Tjarks eben angesprochen hat, so wichtig, nämlich dass wir auch die Entwicklungsschritte in der Umsetzung gemeinsam mit dem Bezirk gehen wollen. Ein Letter of Intent, den die Bezirksversammlung mit abstimmt, ist da der richtige Weg. Klar ist, dass es noch ein steiniger Weg wird in der Umsetzung und der Finanzierung. Deswegen muss auch klar sein, dass der Bezirk sich zur Umsetzung des Wohnungsbaus auf den Verwertungsflächen verpflichtet, damit Erlöse erzielt werden. Das ist die andere Seite der Medaille, und dass der Bezirk sich dazu committet, ist ein gutes Zeichen von partnerschaftlicher Realisierung. Deswegen ein großer Dank an den Bezirk, dass man sich hier mit auf den Weg macht.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Karin Prien CDU)

Ein anderer Partner ist der Bund. An der einen oder anderen Stelle hätte das natürlich ein bisschen geschmeidiger sein können. Wenn wir bei der Autobahnmeisterei schon früher einen für beide Seiten guten Deal hätten erzielen können, hätte das vielleicht ein bisschen schneller gehen können. Aber darüber gehen wir jetzt hinweg. Das wird sicherlich die lärmgeschützteste Autobahnmeisterei deutschlandweit sein, aber das wird ja nicht für immer so sein. Sicherlich wird ein Zeitpunkt kommen, an dem die Autobahnmeisterei dann doch woanders hinzieht, und dann ist das eine große Potenzialfläche für Gewerbe und Wohnen im Bereich Othmarschen Park. Das ist eine richtige Entscheidung, die langfristig irgendwann auch an dieser Stelle, auf diesem letzten Teilstück, eine gute Stadtrendite ergeben wird, und deswe

gen ist es auch insoweit richtig, dass wir diese Entscheidung so treffen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das ist eine Entscheidung auch gemeinsam mit den Verkehrsteilnehmern. Es gab vorher viele Sorgen, wenn der Deckel kommt und die Baumaßnahmen losgehen, werde der ganze Hamburger Westen und der Hamburger Norden stillstehen. Ich habe hier irgendwo Herrn Fuchs gesehen, den Staukoordinator und Verkehrskoordinator für die Baumaßnahmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Michael Kruse FDP: Staukoordinator!)