Protokoll der Sitzung vom 10.02.2016

Auch wenn es für die Fraktion heute ein aufregender Tag ist, ich verspreche schon einmal, es bleibt die GRÜNE Fraktion. Also keine Sorge.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Natürlich wünschen auch wir den Arbeitnehmerinnen alles Gute im Tarifstreit, keine Frage. Diese Frauen leisten eine unverzichtbare Arbeit und, das ich finde im Übrigen auch wichtig zu betonen, eine

(Philipp Heißner)

für die Kinder durchaus sichtbare Arbeit. Denn die Kinder sind in einem Alter, wo Beobachtung und Nachahmung ihr Verhalten prägen. Da lernen sie viel, wenn um sie herum nicht nur Bauklötze und Stifte sortiert werden und es derartige Angebote gibt, sondern auch die Zubereitung von frischem Essen im Alltag stattfindet. Wenn in einem solchen Bereich dann sachgrundlose Befristungen in Arbeitsverträge geschrieben werden, ist das tatsächlich ein guter Grund, das einmal zu hinterfragen. Aber man muss es auch nicht in einen Topf werfen mit der Tarifhöhe und schon gar nicht mit vor über zehn Jahren von einer Koalition aus CDU und Schill-Partei

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und FDP!)

vorgenommenen Umstrukturierungen und den damals gemachten Fehlern oder Falschaussagen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Was die Entlohnung angeht, gönnen wir alle den Beschäftigten ein höheres und angemessenes Gehalt. Aber, das ist heute schon mehrfach gesagt worden, natürlich gilt die Tarifautonomie auch hier. Genauso wenig, wie ich für unsere Stadt als Arbeitgeber Position ergreifen möchte, will ich ihr vorschreiben, welche Einigung sie zu treffen hat in diesem Tarifstreit. Ich finde es jedenfalls gut, dass bereits ein Angebot vorliegt, auch wenn das noch nicht zu einer Einigung geführt hat.

Auch ich bin für existenzsichernde Beschäftigungsverhältnisse, keine Frage. Aber wir müssen auch darüber reden, dass in diesem Bereich eben nicht nur in Vollzeit gearbeitet wird, sondern auch viel in Teilzeit

(Deniz Celik DIE LINKE: Unfreiwillig!)

und dass das auch Gründe hat, die zum Beispiel in den Öffnungszeiten und Dienstleistungszeiten der VKSG-Beschäftigten liegen. Und, das muss man respektieren, auch wenn man es selbst vielleicht für sich anders entscheidet: Längst nicht alle Frauen möchten in einer Vollzeitbeschäftigung tätig sein, und zum Glück ist eine Teilzeitbeschäftigung auch ihr gutes Recht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Als Nächster erhält das Wort Daniel Oetzel von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit August letzten Jahres laufen mittlerweile die Tarifverhandlungen für die 755 Beschäftigten der Vereinigung KITA Servicegesellschaft. In diesem Bereich gibt es seit Januar 2013 einen Tarifvertrag, und seitdem sind die Löhne lediglich einmalig um 1 Prozent gestiegen. In der Tat erscheint eine Anpassung der Entlohnung angemessen. DIE LINKE formuliert das aber,

wie so oft, lieber etwas knalliger: Schluss mit Lohndumping, Schluss mit prekärer Beschäftigung, der Senat muss endlich eingreifen.

(Vereinzelter Beifall bei der LINKEN)

Liebe Frau Boeddinghaus, wir haben gestern im Familienausschuss bereits um den Begriff der prekären Beschäftigung gerungen und sind am Ende zu dem Ergebnis gekommen, dass so ziemlich jeder Anwesende eine eigene Auffassung davon hat, wo die Grenze zu ziehen ist. Die Senatorin hat die Einschätzung abgegeben, dass auf jeden Fall Beschäftigung unter Mindestlohnniveau als prekär einzustufen sei. Ob das die richtige Grenze ist, sei dahingestellt, aber es gibt meines Erachtens einen breiten Konsens in diesem Haus, dass eine Beschäftigung zum gesetzlichen Mindestlohn nicht grundsätzlich als prekär einstufbar ist.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Das ist unglaublich zynisch!)

Schauen wir also auf die Fakten. In welcher Lage befinden wir uns hier überhaupt? Laut ver.di verdienen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der VKSG derzeit 9,77 Euro die Stunde, also immerhin etwa 13 Prozent über dem Hamburger Mindestlohn. Die Arbeitgeber bieten eine Erhöhung des Stundenlohns von 49 Cent über eineinhalb Jahre an, also ein Lohnplus von gut 5 Prozent und mit einem Endergebnis von mehr als 10 Euro die Stunde. Und das, Frau Boeddinghaus, ist mehr als das, was Sabine Zimmermann, die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, vor zwei Monaten noch als angemessen bezeichnet hat. Eine ehrliche Debatte über die Entlohnung also herzlich gern an dieser Stelle, aber wenn DIE LINKE von prekärer Beschäftigung spricht, hält sie offenbar auch die Forderung der eigenen Bundestagsfraktion für prekär. Hier scheint es also noch einiges an Abstimmungsbedarf bei Ihnen selbst zu geben.

(Beifall bei der FDP und bei Philipp Heißner CDU)

Zum Abschluss noch einmal zurück zu den Verhandlungen. ver.di fordert eine Lohnerhöhung von 1,49 Euro pro Stunde, also ein Plus von 15,3 Prozent, und bezeichnet dies in einem offiziellen Schreiben an die Eltern als bescheidene Forderung. Dies im Kontext der laufenden Tarifgespräche zu bewerten, steht mir an dieser Stelle nicht zu, da wir als Freie Demokraten – es ist eben schon mehrfach gesagt worden – die Tarifautonomie achten und uns in den laufenden Konflikt sicher nicht politisch einmischen wollen.

Herr Rose, Ihr Plädoyer für die Tarifautonomie war von einem Mindestlohnvorkämpfer recht drollig. Vielleicht sollten Sie noch einmal in sich gehen und überlegen, ob der Mindestlohn nicht doch einen gewissen Eingriff der Politik in die Mechanismen, die Sie eben so hart angepriesen haben, darstellt.

(Anna Gallina)

(Beifall bei der FDP – Wolfgang Rose SPD: Sie haben nichts verstanden!)

Der Versuch der LINKEN jedenfalls, die gesamte Branche ins Prekariat zu reden, ist aber, wie ich versucht habe zu zeigen, unredlich und unpassend. Verzichten Sie also auf Ihre Klassenkampfrhetorik und kehren Sie zu einem konstruktiven Dialog zurück.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe jetzt noch eine Wortmeldung für die letzten fünf Minuten vorliegen. – Frau Oelschläger von der AfDFraktion hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE spricht ein durchaus wichtiges Thema an. Die professionelle hauswirtschaftliche Versorgung einer Hamburger Kindertagesstätte liegt uns allen am Herzen. Grundlegend dafür sind selbstverständlich ordentliche Arbeitsbedingungen. Angesprochen wurden hier bereits verschiedene Punkte. Neben der absolut gesehen verbesserungswürdigen Bezahlung wird insbesondere der Vergleich mit den bei der Vereinigung verbliebenen Mitarbeiterinnen angeführt. Auch die relativ große Anzahl von Teilzeitverträgen ist Ihnen von der LINKEN ein Dorn im Auge.

Diese Kritikpunkte sind unterschiedlich zu bewerten. Wir bei der AfD sind der Auffassung, dass Arbeit angemessen entlohnt werden muss. An eine Stunde Lebenszeit ein Preisschild anzuhängen und die Frage zu beantworten, wie viel genau angemessen ist, das ist eine Frage, die schwerfällt. Die Spezialisierung der Tätigkeit und die Dauer spielen bei der Bewertung ebenso eine Rolle wie die gesellschaftliche Bedeutung der Arbeit, und nicht zuletzt ist auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt für die Findung eines irgendwie als gerecht und angemessen anzusehenden Lohns von Bedeutung. Die Erkenntnis, dass auch der Arbeitsmarkt ein Markt ist, tritt in Zeiten von Mindestlohn und Regulierungswut der Großen Koalition sozialdemokratischer Prägung gern in den Hintergrund. Aber jeder Euro Lohn muss zusätzlich zu den Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung erst einmal erwirtschaftet werden. Das gilt auch für einen privatrechtlich organisierten Betrieb in Staatshand. Die Kita-Kosten würden steigen, wenn die Lohnkosten steigen. Alternativ müssten zum Ausgleich entsprechende Zuschüsse gezahlt werden. Das ist ein Teil des Gesamtbilds, den die Damen und Herren von links gern ausblenden. Diese Kostensteigerungen müssen auch finanziert werden. Bis dahin müssen die Lohnsteigerungen, die wir alle hier im Haus den Hauswirtschafterinnen von ganzem Herzen gönnen, moderat ausfallen. Die Steigerung sollte im Portemonnaie spürbar sein. Eine Detail

findung gehört in die Tarifverhandlung. Scheitert diese, ist eine Schlichtung angesagt. Vernünftigen Angeboten wird sich keine der beiden Tarifparteien verschließen.

Weiterhin haben Sie auf die Ungerechtigkeit bei der Bezahlung der VKSG im Vergleich zu den 2005 nicht übergegangenen Mitarbeiterinnen hingewiesen. Formal hat der Senat diese Frage beantwortet. Da gibt es einen anderen Tarifvertrag, außerdem sind das auslaufende Beschäftigungsmodelle. Es finden dort keine Neueinstellungen mehr statt. Das findet sich auch in der Altersverteilung der Beschäftigten. Moralisch und auch historisch liegen die Gründe anders. Ohne die Ausgliederung in der vorgenommenen Form, also in eine Tochtergesellschaft, wäre höchstwahrscheinlich eine komplette Fremdvergabe der Dienstleistung erfolgt. Dieses Szenario werden Sie kaum als besser im Sinne der Beschäftigten bewerten. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit wird sich eines Tages auf dem VKSG-Niveau realisieren.

Das Klagen über die vielen Teilzeitverträge kommt mit großen Krokodilstränen daher. Dabei sind zwei Punkte zu beachten. Erstens ermöglicht Teilzeitarbeit häufig erst eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nicht umsonst gab es einen Kampf der Arbeitnehmer um ein Recht auf Teilzeitarbeit. Jetzt können Sie sagen, hier gehe es nicht um ein Recht, sondern um eine Pflicht zur Teilzeitarbeit. Das ist insofern richtig, als die betrieblichen Bedürfnisse nun einmal nicht ausschließlich mit Vollzeitarbeitskräften gedeckt werden können. Wenn eine Mahlzeit ausgegeben wird, ist häufig auch mit Vorund Nachbereitung keine Acht-StundenSchicht organisierbar. Wer diese Realitäten ausblendet, hat bis heute noch nicht verstanden, dass der Sozialismus nicht funktioniert. Die Lösungen haben sich an die Umwelt anzupassen, nicht die Umwelt an die Lösung. Ausschließlich Vollzeitstellen gehen an der Realität vorbei.

Mögen die Verhandlungspartner das Wohl der Beschäftigten und das Wohl der von ihnen versorgten Kinder stets im Auge haben. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort erhält jetzt Herr Celik von der Fraktion DIE LINKE für maximal eine Minute.

(Ole Thorben Buschhüter SPD: Die Zeit läuft!)

Eine Minute? Dann sage ich nur, dass wir nie behauptet haben, die Tarifautonomie antasten zu wollen. Das möchte ich noch einmal klarstellen. Es geht darum, dass wir als Parteien beziehungsweise der Senat die Verantwortung für die Rahmenbedingungen hat.

(Daniel Oetzel)

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Rahmenbedingungen können Sie gestalten. Sie werfen hier Nebelkerzen und drücken sich vor Ihrer Verantwortung. Das ist unfair gegenüber den Beschäftigten. Sie verletzen den Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit". Nicht wir sind die Opportunisten, sondern Sie stellen die Finanzmittel nicht zur Verfügung, und Sie als alter Gewerkschafter, Herr Rose, verhalten sich opportunistisch.

(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Rose SPD: Ich bin hier keine Tarifpartei!)

Damit sind wir am Ende der Aktuellen Stunde angekommen.

Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 2 bis 3a auf. Das sind Deputationswahlen.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Justizbehörde – Drs 21/1466 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Schule und Berufsbildung – Drs 21/2316 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Inneres und Sport – Drs 21/3136 –]

Die Fraktionen haben vereinbart, dass die Wahlen in einem Wahlgang durchgeführt werden können.

Die drei Stimmzettel liegen Ihnen vor. Sie enthalten bei den Namen jeweils Felder für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Sie dürfen auf jedem Stimmzettel bei jedem Namen ein Kreuz machen, aber bitte nur eines. Stimmzettel, die den Willen des Mitglieds nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Auch unausgefüllte Stimmzettel gelten als ungültig. Bitte nehmen Sie nun Ihre Wahlentscheidung vor.

(Die Wahlhandlungen werden vorgenom- men.)

Ich darf die Schriftführer bitten, mit dem Einsammeln der Stimmzettel zu beginnen.

Sind alle Stimmzettel eingesammelt? – Ich danke insbesondere der Kollegin Vizepräsidentin Duden,