Protokoll der Sitzung vom 03.03.2016

Um dies zu erreichen, beantragen wir eine Kommunikationskampagne für das Fahrradfahren, um

noch mehr Menschen davon zu begeistern, Rad zu fahren.

Mit dieser Kampagne soll aber auch – und das ist besonders wichtig in Zeiten, in denen man das Gefühl bekommt, dass jeder Verkehrsteilnehmer in erster Linie auf sich selbst achtet – die gegenseitige Rücksichtnahme hervorgehoben und dafür geworben werden, die anderen Verkehrsteilnehmer im Blick zu haben, um so einen Beitrag für mehr Verkehrssicherheit in Hamburg zu leisten.

(Beifall bei der SPD)

Andere Städte haben vorgemacht, was man mit einer solchen Kampagne erreichen kann. Positive Beispiele sind Kopenhagen oder, Frau Blömeke hat es schon erwähnt, die Radlhauptstadt München. Mit Aktionen wie einer Radnacht oder Sicherheitschecks und einer integrierten Dachmarke für alle Fahrradmaßnahmen ist es gelungen, den Radverkehrsanteil im Modal Split in München erheblich zu steigern, von 10 Prozent auf 17 Prozent. Diese Chance, mehr Menschen für das Radfahren zu gewinnen, wollen wir auch in Hamburg nutzen. Deswegen haben wir diesen Antrag eingebracht und bitten um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Pochnicht. – Jetzt bekommt Herr Thering von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Blömeke, lieber Herr Pochnicht, wenn man Ihnen so beim Fabulieren über das Thema Radverkehr zuhört, hat man tatsächlich das Gefühl, dass Sie in dieser Legislaturperiode das Fahrradfahren neu erfunden hätten. Das ging mir so durch den Kopf, als ich das gerade gehört habe.

(Vizepräsidentin Christiane Schneider über- nimmt den Vorsitz.)

Ehrlich gesagt, habe ich nicht erst seit dem Harvestehuder Weg, der Walddörferstraße oder dem Ring 3 in Altona das Gefühl, dass Ihre Koalitionsfraktionen in Sachen Verkehrspolitik überhaupt keine Ahnung haben.

(Beifall bei Jörg Hamann und Ralf Niedmers, beide CDU)

Gerade bei dieser vorliegenden Kampagne machen Sie das deutlich. Herr Pochnicht sagte gerade, wie toll das sei, dass man jetzt so eine Kampagne einführe. Ja, das ist auch ausdrücklich toll, dass Sie diese Kampagne einführen, nur dürfen Sie nicht vergessen, dass es diese Kampagne bereits seit 2008 gibt.

(Lars Pochnicht)

(Ole Thorben Buschhüter SPD: War das Ihre Erfindung?)

Der damalige CDU-Senat hat nämlich zusammen mit dem Fahrradforum die bis heute gültige Radverkehrsstrategie entwickelt und Bestandteil dieser war eins zu eins das, was Sie heute fordern: die Radverkehrskampagne.

(Zuruf: Ja, das ist doch gut!)

Ja, das ist gut.

Dumm nur, lieber Herr Müller, dass ausgerechnet die GRÜNEN von 2008 bis 2010 die Umweltsenatorin gestellt haben. Zu diesem Ressort gehörte auch der Bereich Verkehr. Sie haben es jedoch in diesen zwei Jahren nicht geschafft, die Kampagne auf die Straße zu bringen. Sich jetzt dafür feiern zu lassen, ist etwas unangemessen.

(Beifall bei der CDU)

In der letzten Legislaturperiode hatten wir etwas andere Farbspiele, da hatte die SPD eine Alleinregierung. Leider haben es Herr Horch und Staatsrat Rieckhof ebenfalls nicht geschafft, diese Kampagne aufzulegen. Acht Jahre nach Erscheinen der Radverkehrsstrategie zaubern Sie diesen Evergreen jetzt aus dem Hut und tun so, als ob Sie es erfunden hätten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und GRÜNEN, das haben Sie gerade im Bereich Radverkehrspolitik nicht nötig.

(Farid Müller GRÜNE: Von Ihnen habe ich keinen Vorschlag gesehen!)

Da wir uns als CDU-Fraktion jedoch über diesen plötzlichen Sinneswandel und Ihre Euphorie über die damalige Kampagne natürlich freuen und wir sinnvolle Maßnahmen in Sachen Radverkehrspolitik absolut richtig finden, unterstützen wir diesen ersten Punkt ausdrücklich.

Da Sie aber im vergangenen Jahr den Posten der Radverkehrskoordinatorin geschaffen haben – wir dürfen nicht vergessen, mit dem ganzen Wasserkopf sind das 300 000 Euro pro Jahr, die der Steuerzahler zu berappen hat –, können wir es als CDU-Fraktion nicht nachvollziehen, dass Sie in Ihrem zweiten Punkt fordern, dass weitere Mittel lockergemacht werden, um diese Kampagne zu unterstützen. Gerade in den letzten Monaten ist derart viel Geld in den Radverkehr geflossen, dass wir diesem zweiten Punkt nicht zustimmen können.

(Farid Müller GRÜNE: Das war ja klar!)

Apropos radeln: In Ihrem Antrag und der Pressemitteilung vor zwei Wochen verwiesen Sie auf die Kampagne "Radlhauptstadt München" – Frau Blömeke hatte das gerade schon angesprochen –, die Ihnen offensichtlich als Blaupause für die geplante Kampagne gedient hat. Allerdings zeigt das wieder einmal, wie beliebig Sie sich eigentlich Ihre Vorbilder aussuchen. Ich sage Ihnen auch, warum. Ein zentraler Baustein dieser Kampagne in München

war nämlich unter anderem die Stadtbahn und nicht nur das Radverkehrskonzept, das ist dort nämlich sehr eng miteinander verwoben. Wir dürfen nicht vergessen, 2014 hat der Fahrgastanstieg der Stadtbahn dort 12,4 Prozent betragen.

(Ole Thorben Buschhüter SPD: Sind Sie jetzt für oder gegen die Stadtbahn?)

Wenn ich mich richtig erinnere, hat die SPD im Wahlkampf 2014/2015 dieses Verkehrsmittel mit aller Macht versucht zu verhindern; sie hat es auch geschafft, weil die GRÜNEN hier einmal wieder eingeknickt sind. Ich finde es schon ein bisschen schizophren, sich immer die Leute herauszusuchen und dann einige Sachen zu verschleiern. Das zeigt, wie seriös Sie in dieser Stadt Verkehrspolitik betreiben.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt noch ein paar weitere Widersprüche in dieser Kampagne. Bei einem besonders offensichtlichen Widerspruch haben Sie bei Ihrer Pressemitteilung am 18. Februar 2016 etwas gezeigt. Sie haben nämlich ein relativ unscharfes Bild mitgeschickt. Ich zeige Ihnen das. Wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie Herrn Bill – der fährt auf dem StadtRAD, das ist sehr zu begrüßen – und Herr Pochnicht, der offensichtlich sein Privatrad mitgenommen hat, das ist auch in Ordnung.

(Milan Pein SPD: Ohne Helm!)

Genau, es ist Ihnen relativ schnell aufgefallen, dass die beiden Kollegen dieses Foto ohne Helm gemacht haben.

Grundsätzlich sind Sie natürlich für sich allein verantwortlich, das wollen wir auch überhaupt nicht ändern, aber wir dürfen nicht vergessen – und diese Zahlen werden gern unter den Tisch gekehrt –, dass wir gerade im Bereich der Unfallzahlen bei Fahrradfahrern Schwerverletzte haben. Die Zahl der tödlich verletzten Fahrradfahrer ist im Jahr 2014 sogar auf ein Rekordniveau gestiegen. Wir haben mehr als elf tödlich verunglückte Fahrradfahrer gehabt. Und ich glaube, da ist es das Mindeste – das fordern wir als CDU-Fraktion ständig in den Schriftlichen Kleinen Anfragen, in den Anträgen, in Pressemitteilungen –, dass der ganze Bereich der Verkehrssicherheit auch insbesondere beim Fahrradverkehr oberste Priorität hat. Das fehlt bei diesem Senat bei der Verkehrspolitik, gerade auch bei der Radverkehrspolitik, leider total.

(Beifall bei der CDU)

Nicht, dass wir uns falsch verstehen, wir sind nicht für eine Helmpflicht.

(Milan Pein SPD: Nein, nein, nein!)

Nein, wir sind nicht für eine Helmpflicht. Das ist doch wohl klar. Uns geht es hier um die Vorbildfunktion, und die hat übrigens die Radverkehrskoordinatorin Frau Pfaue deutlich besser eingenom

men. Das erste Foto – ich war nämlich dabei – hatte sie noch ohne Helm gemacht; dann wurde sie darauf hingewiesen, dass es besser sei, wenn sie den Helm aufsetze, das hat sie auch getan. Dieses Foto wurde schlauerweise veröffentlicht. Da ist Frau Pfaue in Sachen Radverkehrssicherheit schon ein ganzes Stück weiter.

Ich kann nur hoffen, dass der Aspekt der Verkehrssicherheit in der endgültigen Fahrradkampagne eine größere Rolle spielt als in Ihrem Alltag. Wir werden darauf Wert legen und darauf achten. Ihrem ersten Punkt stimmen wir zu, dem zweiten nicht. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Thering. – Von der Fraktion DIE LINKE spricht nun Frau Sudmann.

Bevor ich etwas zu dem rot-grünen Antrag sage, muss ich mich zu Herrn Thering äußern. Herr Thering, zum einen sind Sie immer der Mensch, der Wunder vollbringen will. Sie sagen auf der einen Seite, Sie wollten die Radverkehrsstrategie weiterverfolgen, sagen dann andererseits aber, Sie könnten überhaupt nicht verstehen, wie der Radverkehr gefördert werden solle mit mehr Personal und mit mehr Geld.

(Dennis Thering CDU: An der falschen Stel- le!)

Das wäre ein Wunder, das niemand vollbringen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann greifen Sie Ihr Lieblingsthema auf, indem Sie ein Foto zeigen, das ohne Helm gemacht worden sei. Das Foto wurde wahrscheinlich mit einem Fotoapparat gemacht, was sinnvoller ist als mit Helm, aber es geht Ihnen doch darum, dass die Leute einen Helm tragen sollen.

Ich weiß nicht, ob Sie die Untersuchungen kennen. Es gibt verschiedene Untersuchungen, die nachweisen, dass Fahrradfahren mit Helm nicht unbedingt sicherer ist. Die Hauptgefährdung der Radfahrer und Radfahrerinnen und auch die tödlichen Unfälle entstehen nicht, weil sie keinen Helm tragen, sie entstehen durch den Autoverkehr, der viel zu schnell ist. Daran müssen Sie mit Ihrer Ideologie gehen. Da dürfte auch die SPD einmal klatschen.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Dennis Thering CDU: Das ist Unsinn!)

Danke, Sie haben geklatscht. Dass es Unsinn ist, würde ich nicht sagen, Herr Thering, denn Sie sind mit Ihrer Radverkehrspolitik nicht einmal in den Achtzigerjahren angekommen.

Ich komme jetzt zur SPD und zu den GRÜNEN. Sie sagen, Sie wollten Hamburg zur Fahrradstadt machen. Was wäre das Kennzeichen, was wäre der Maßstab dafür, dass Hamburg eine Fahrradstadt geworden ist? Fahrradstadt wäre Hamburg dann, wenn es selbstverständlich wäre, Fahrrad zu fahren, wenn es selbstverständlich wäre, dass das Fahrrad ein gleichberechtigtes Fortbewegungsmittel ist und nicht nur von solchen Enthusiastinnen wie Kollegin Blömeke und mir benutzt würde, sondern wenn alle sagten, auch Sie, Herr Schinnenburg und Herr Thering, man könne hervorragend mit dem Fahrrad fahren.

Eine Fahrradstadt Hamburg hätte als ein Kennzeichen sehr viel Platz für das Fahrrad, nicht nur Abstellflächen, sondern auch sehr viele Radstreifen, sehr viel Platz auf der Straße. Eine Fahrradstadt Hamburg wäre dadurch gekennzeichnet, dass der Verkehr insgesamt wesentlich entspannter wäre. Dafür braucht es auf jeden Fall eine begleitende Kampagne. Sie ist richtig und wichtig, da kann man Ihrem Antrag gern zustimmen. Aber die Betonung liegt auf "begleitend". Diese Kampagne muss begleitend zu anderen Maßnahmen sein. Wenn ich mir die Realität in Hamburg ansehe, muss ich feststellen, dass der Senat weit davon entfernt ist, dass Hamburg jemals eine Fahrradstadt wird.