Protokoll der Sitzung vom 13.04.2016

(Glocke)

(unterbrechend) : Frau Boeddinghaus, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Heißner zu?

Frau Boeddinghaus, würden Sie mir zustimmen, dass es dem Thema eigentlich angemessener wäre, sachlich darüber zu diskutieren, statt sich in parteipolitischem Gezänk zu ergehen, wie Sie das gerade getan haben?

(Beifall bei der CDU)

Dann habe ich mich vielleicht nicht gut ausge

drückt. Genau das war mein Begehr, Herr Heißner, in Ihre Richtung.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – André Trepoll CDU: Zur Sache haben Sie nichts gesagt!)

Zur Sache, Herr Trepoll: Der Jugendhilfeinspektionsbericht zum Tod des kleinen Tayler sagt deutlich, es gebe zu viele Regelungen, es gebe zu viele unübersichtliche Schnittstellen, daran müsse gearbeitet werden. Das haben wir in einer sachlichen, ausführlichen Debatte im nicht öffentlichen Teil besprochen. Es werden auch Konsequenzen gezogen. Wir als LINKE sagen aber deutlich, dass auch Experten von außen auf das Kinder- und Jugendhilfesystem schauen müssen und dass es auf jeden Fall nicht geht, dass bei jedem weiteren Tod die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Pranger gestellt werden.

(André Trepoll CDU: Das hat der Untersu- chungsausschuss alles gemacht! Wir haben mehrere Expertenanhörungen gemacht!)

Das ist nämlich sehr schwierig. Wir merken, dass zum Beispiel der ASD große Schwierigkeiten hat, überhaupt Nachwuchs zu finden, weil das wirklich ein Arbeitsplatz quasi auf dem Schleudersitz ist. Daher brauchen wir den Blick von außen, wir brauchen ihn aber gekoppelt mit unserem Blick als Politikerinnen und Politiker, und die Verantwortung und der Auftrag sollen nicht nach außen abgegeben werden. Sehen wir, ob wir diesen Prozess schaffen. Ich würde mich sehr freuen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei Gert Kek- stadt und Frank Schmitt, beide SPD)

Das Wort bekommt Herr Oetzel von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die AfD-Fraktion teilt offensichtlich sämtliche Probleme, die es in Hamburg gibt, in zwei Kategorien ein. Auf der einen Seite sind es die Probleme, die irgendwie mit Flüchtlingen zusammenhängen, und für diese bieten Sie rückwärtsgewandte Lösungen an, und die andere Art von Problemen, die die AfD ab und zu auch thematisiert, sind Probleme, die nicht in erster Linie mit Flüchtlingen zusammenhängen, und dort ist die Lösung immer dieselbe, nämlich die Einrichtung einer unabhängigen Expertenkommission. Das ist nicht besonders kreativ, und es lässt tief blicken in Bezug auf Ihre geringe Lösungskompetenz, die Probleme anzupacken, die wir in Hamburg haben.

(Beifall bei der FDP und bei Karin Prien CDU)

Es ist gerade im vorliegenden Fall besonders absurd – meine Vorrednerinnen und Vorredner haben es teilweise schon angesprochen –, da seit Jahren im Bereich der Arbeit in den Jugendämtern, im ASD und nicht zuletzt mit dem PUA Yagmur ein Prozess läuft, in dessen Verlauf schon viele Strukturen reformiert worden sind und in dem immer und immer wieder Experten, wie Sie sie jetzt wieder fordern, beteiligt waren und Ergebnisse produziert haben, die momentan umgesetzt werden. Jetzt wollen Sie Ihren Antrag, noch eine Expertenkommission einzusetzen, auch noch an den Ausschuss überweisen und dort offensichtlich noch einmal darüber diskutieren, nun Experten einzusetzen. Na ja – meine Vorredner haben es schon gesagt.

Ich kann mir das nur so erklären, dass die AfD grundsätzlich der Arbeit der parlamentarischen Gremien nicht besonders vertrauensvoll gegenübersteht. Sie hat im Familienausschuss regelmäßig unter Beweis gestellt, dass sie die Ausschussarbeit grundsätzlich infrage stellt und dass sämtliche Fragestellungen nur durch Experten gelöst werden könnten. Das mag eine Erklärung sein, genau weiß ich es nicht.

Aber sei es, wie es ist, der Bericht der Jugendhilfeinspektion im Familienausschuss hat eine Sache eindeutig gezeigt, und das trägt zur Tragik des Falls Tayler leider umfassend bei: Gerade die Struktur, die Sie als Problem zu erkennen geglaubt haben, war in diesem Fall eben nicht das Problem. Sämtliche Werkzeuge zur korrekten Fallbearbeitung in diesem Fall Tayler haben im Bezirksamt und im Jugendamt vorgelegen und wurden – das muss man leider sagen, wenn man den Bericht der Jugendhilfeinspektion ehrlich liest – konsequent ignoriert. An jeder Stelle, an der ein Fehler in der eigentlich geregelten Struktur passieren konnte, hat der Bericht der Jugendhilfeinspektion auch einen Fehler aufgedeckt.

Das ist die eigentliche Tragik, dass wir mit Strukturreformen nicht mehr weiterkommen, sondern dass die Probleme tiefer liegen.

(Beifall bei der FDP und bei Philipp Heißner CDU)

Tragisch ist auch, dass manche Empfehlungen des PUA Yagmur gerade im Bezirk Altona nicht umgesetzt worden sind. Wir haben im Ausschuss leider zur Kenntnis nehmen müssen, dass ein umfassendes Risikomanagement, wie es der PUA Yagmur für alle Bezirke empfohlen hat, gerade im Bezirk Altona nicht eingeführt worden ist, und das einige Jahre nach den Ergebnissen des PUA. Wir mussten leider zur Kenntnis nehmen, dass gerade im Bezirk Altona die besonderen Fort- und Weiterbildungen für die Mitarbeiter, die nach dem PUA Yagmur angeboten worden sind, mit null Stunden wahrgenommen worden sind.

(Sabine Boeddinghaus)

Diese Probleme sind keine Strukturprobleme. Sie können natürlich Experten daransetzen, aber diese werden Ihnen nicht viel mehr sagen können als die ganzen Erkenntnisse, die uns durch den Bericht der Jugendhilfeinspektion schon vorliegen. Die besten Strukturen bringen nichts, wenn sie in der konkreten Arbeit vor Ort keine Rolle spielen.

Deshalb haben wir als FDP-Fraktion im Ausschuss darauf gedrängt, dass wir uns dort in einiger Zeit wieder mit diesem Thema befassen und das Bezirksamt Altona dann umfassend berichten muss, welche Schlüsse in der Arbeit vor Ort gezogen worden sind. Leider muss ich, der ich zunächst vorsichtig optimistisch war, dass man sich jetzt gemeinsam auf dem richtigen Weg befinde, sagen: In den Diskussionen, die in der Presse und der Öffentlichkeit geführt worden sind, ist das Auseinanderfallen von Meinungen zwischen dem Jugendamt, das im Bezirksamt Altona betroffen war, und den Ausführungen des Senats eklatant, die Meinungen gehen diametral auseinander. Ich bin leider nicht mehr so optimistisch wie am Anfang. Da stimme ich mit meinem Kollegen Heißner überein. Ich wünsche mir, dass im Bezirksamt Altona wahrgenommen und anerkannt wird, wo dort die eigentlichen Probleme liegen. Erst wenn wir das geschafft haben, können wir uns mit diesen Problemen, die wir ja identifiziert haben, beschäftigen und überlegen, wie wir dazu kommen, dass solche tragischen Fälle in Hamburg künftig möglichst nicht mehr passieren. In einem muss ich meinen Vorrednerinnen und Vorrednern leider auch zustimmen: 100-prozentige Sicherheit in diesem Bereich wird es nicht geben. Insofern ist das ein weiterer Punkt, in dem die AfD versucht, den Leuten Sand in die Augen zu streuen.

Wir werden der Überweisung deshalb nicht zustimmen und auch dem Antrag in der Sache nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Anna Gallina GRÜNE und Karin Prien CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Körner von der AfD-Fraktion.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich möchte mich bei all denen bedanken, die an dieser Stelle etwas verbessern wollen und nach den Ursachen forschen und diese dann abstellen.

Wir sind es allen schuldig, den Kindern und den Betreuern, dass wir dafür sorgen und alles Sinnvolle tun, um solche Vorkommnisse zu verhindern. Es geht hier letztlich um eine Prophylaxe, um das Vorbeugen. Bei der Prophylaxe gibt es ein Paradoxon. Man kann nämlich sagen: Die Prophylaxe ist immer dann erfolgreich, wenn hinterher alle sagen können, sie sei eigentlich überflüssig gewesen. Deswegen wünsche ich uns, dass wir in ein paar Jahren sagen können, weitere Maßnahmen seien überflüssig. – Danke.

(Beifall bei der AfD)

Nun sehe ich keine weiteren Wortmeldungen. Damit kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte einer Überweisung der Drucksache 21/3663 an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss zustimmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung mehrheitlich abgelehnt.

Wir stimmen dann über den Antrag der AfD-Fraktion aus Drucksache 21/3663 in der Sache ab.

Wer diesem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Wir sind am Sitzungsende des heutigen Tages. Ich wünsche Ihnen einen guten Heimweg und wir sehen uns morgen um 15 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.