Protokoll der Sitzung vom 13.04.2016

Die Politik darf hier keinesfalls den Eindruck erwecken, sie schaue dem Treiben tatenlos zu, weil nicht nur Eliten aus Wirtschaft, Sport oder Gesellschaft betroffen sind, sondern auch ranghohe Politiker, denn dann überließen wir den Populisten das Feld, denjenigen, die sowieso schon Angst und Hass gegenüber Politikern und der Politik im Allgemeinen schüren. Es würde die Legitimationskrise verstärken, in der sich westliche Demokratien in jüngster Zeit befinden. Das dürfen wir als Abgeordnete nicht zulassen.

Die Missstände, die in den Panama Papers beschrieben werden, müssen aufgeklärt werden, die Verantwortlichen müssen identifiziert werden, und wir müssen prüfen, ob die vorhandenen Rechtsinstrumente ausreichen. Zu der Rolle, die der Hamburger Senat dabei spielen muss, komme ich gleich. Aufklärung und Prüfung des Sachverhalts jedenfalls müssen sorgfältig und ohne blinden Aktionismus geschehen. Von diesem blinden Aktionismus enthält der Aktionsplan von Finanzminister Schäuble, den er am vergangenen Wochenende vorgestellt hat, jede Menge. Von einem echten Plan, wie gegen die skandalösen Missstände wirksam vorgegangen werden solle, ist in seiner Sammlung aufgewärmter Ideen – die meisten davon sind untauglich – nicht viel zu erkennen.

Mit dem Aktionsplan sollen unbestritten hehre Ziele verfolgt werden; das will ich nicht in Abrede stellen. Es drängt sich aber der Eindruck auf, dass dieses Papier zuallererst ein zupackendes Handeln der Bundesregierung simulieren soll. Doch dieser Versuch misslingt. Denn die Wirkung eines Großteils der Vorschläge ist als gering einzuschätzen wie etwa die Drohung an Panama, sollte das Land nicht kooperieren, oder die internationale Vereinheitlichung schwarzer Listen; beides ist sehr unrealistisch.

Problematisch dagegen sind andere Vorschläge, etwa der, dass Journalisten die internationalen Geldwäscheregister nur im Gegenzug für die Meldung ihrer Erkenntnisse an die Behörden einsehen dürfen. Das wäre tatsächlich das Ende des Quellenschutzes und auch unvereinbar mit der Pressefreiheit.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und bei Farid Müller GRÜNE)

Bedenklich halte ich die Verpflichtung für Anbieter, auch legale Steuersparmodelle zukünftig melden zu müssen, denn wenn sie legal sind, sind sie legal, und sollte der Gesetzgeber befinden, dass

(Norbert Hackbusch)

das nicht so sein sollte, muss er selbst aktiv werden und entsprechende Gesetze schaffen.

Wirklich sinnvoll ist allein der Vorschlag, dass die Verjährung von Steuerhinterziehung erst dann einsetzt, wenn tatsächlich alle Anlagen im Ausland gemeldet sind. Das hat tatsächlich eine abschreckende Wirkung.

Wenn Hamburg also ernsthaft und konsequent gegen Geldwäsche und Steuerbetrug vorgehen will, muss der Senat seinen Einfluss auf die Bundesregierung nutzen, damit diese wirksame Maßnahmen ergreift. Dazu muss man gar nicht auf die internationale Finanzwelt schauen, sondern es reicht ein Blick auf das eigene Land. Das Tax Justice Network veröffentlicht alle zwei Jahre eine Untersuchung von Schattenfinanzzentren, in denen die notwendige Infrastruktur bereitgestellt wird, mit der Personen und Unternehmen Steuergesetze und Transparenzregeln unterlaufen können. Panama befindet sich auf dieser Liste aktuell auf Platz 13 und Deutschland, man höre und staune, befindet sich auf Platz 8 dieser Liste. Es ist also wirklich fehl am Platz, immer nur mit dem Finger auf andere zu zeigen.

(Beifall bei der FDP)

Ich stelle zwei Forderungen: Erstens brauchen wir endlich eine Regelung, damit große ausländische Konzerne – ich rede von Firmen wie Google und IKEA, die in Deutschland Gewinne machen und unsere Infrastruktur nutzen – hier auch Steuern zahlen. Das Klagen vonseiten der Bundesregierung, von CDU und SPD, über Steuerbetrug und Geldwäsche ist nämlich absolut unglaubhaft, wenn sie gleichzeitig keinerlei Anstalten macht, um im eigenen Gestaltungs- und Einflussbereich endlich zu verhindern, dass diese großen ausländischen Konzerne in Deutschland überhaupt keine Steuern zahlen.

Zweitens gehört zur Steuergerechtigkeit natürlich, dass die Reichen ihre Steuern zahlen. Aber das reicht längst nicht aus. Zur Steuergerechtigkeit gehört vor allem, dass der Staat sich nicht auf Kosten der kleinen und mittleren Einkommen unverhältnismäßig bereichert. Doch das ist der Fall, wie heute noch einmal die OECD-Studie gezeigt hat,

(Glocke)

der zufolge die Einkommen in Deutschland stärker belastet sind als in anderen Industrienationen.

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Frau Suding, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich hätte gern noch etwas zum Soli und zur kalten Progression gesagt, das gehört nämlich auch zur Steuergerechtigkeit. Dazu an anderer Stelle mehr. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Als Nächster erhält das Wort Herr Professor Kruse von der AfD-Fraktion.

(Milan Pein SPD: Wie läuft es in Kaliforni- en?)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Panama Papers sind ein Medienrenner. Man liest über prominente Politiker, Unternehmer, Fußballer, Clubs und so weiter, die ihr Geld in dubiosen Briefkastenfirmen in Panama und anderswo verstecken, und von Banken und Anwälten, die sie dabei unterstützen – sicher nicht zu deren Nachteil. Die Diskussion wird gespeist von einer allgemeinen Empörung über die da oben, die sich durch solche Tricksereien ihrer gesetzlichen und moralischen Pflicht zur Steuerehrlichkeit und einer korrekten Vermögensangabe, insbesondere dann, wenn sie in der Schuldnerrolle sind, entziehen, während die normalen Bürger brav ihre Steuern zahlen oder sie gleich abgezogen bekommen und alles ganz transparent ist. Diese Empörung ist aber nicht nur das Ergebnis vorurteilsbehafteter antikapitalistischer Erregung, sondern diese Aufregung hat leider sehr viel reale Substanz, jedenfalls sehr viel mehr, als wir uns leisten können.

Wohlgemerkt, nicht jeder, der eine Briefkastenfirma in Panama hat, ist ein Steuerhinterzieher oder hat entsprechende Intentionen oder ist kriminell. Aber es hat mehr als einen Hautgout, es hat auch eine verheerende Wirkung auf die Identifikation der allgemeinen Bürger mit ihrem Staat und auf ihre Bereitschaft, sich für diesen einzusetzen. Das ist sogar unabhängig davon, ob die Leute tatsächlich Steuern hinterzogen haben oder ob man es ihnen nachweisen kann, was leider ein Riesenunterschied ist. Das ist der erste Grund, aufgrund dessen es politisch relevant ist und nicht nur eine Frage für den Staatsanwalt.

Der zweite Punkt folgt daraus. Viele Täter werden davonkommen, weil man es ihnen nicht nachweisen kann. Dies ist eine Folge mangelnder Gesetze, unzureichend ausgestatteter Steuerfahndungsbehörden und mangelnder internationaler Kooperation. Darüber haben meine Vorredner schon gesprochen.

Aber das muss natürlich den Bundesregierungen in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten angelastet werden. Da sind einige der heutigen Redner, speziell von den Parteien CDU und SPD, natürlich in der Pflicht. Man kann sich also fragen, warum sie das damals nicht gemacht haben. Darauf komme ich gleich zurück.

Der dritte Punkt ist das Muster der Öffentlichwerdung. Es war nämlich wieder einmal Zufall und

(Katja Suding)

nicht das Ergebnis der Recherche von Steuerfahndern. Das erinnert mich an die Zeit, als viele vermögende Deutsche das Wort Steuer-CD nicht mehr hören konnten, weil sie daraufhin entweder ihre Steuern nachzahlen mussten oder wegen Hinterziehung verurteilt worden sind. Ich selbst war immer ein Fan der Tatsache, dass der Staat Steuer-CDs ankauft, obwohl ich wusste, dass es Hehlerware ist. Aber ich glaube, das allgemeine Interesse an der Aufdeckung dieser Sachen ist das größere.

Die Entdeckung der Panama-Briefkästen war Zufall, und Zufall ist es dann, wenn man einen Whistleblower hat oder ein Journalist auf etwas stößt. Nicht Zufall wäre es, wenn die Steuerbehörden das systematisch aufdecken könnten. Wenn es also Zufall war, fragt man sich natürlich, wie viele dieser Briefkästen jetzt immer noch auf den Cayman Inseln, in Delaware und so weiter unbehelligt weitermachen können. Das ist das, was uns vor allen Dingen beunruhigen sollte.

Lieber Herr Dressel, den Titel Ihrer Anmeldung für die Aktuelle Stunde, "Panama-Papers: Hamburg unterstützt konsequente Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerbetrug", finde ich nett. Das könnte ich sofort unterschreiben, und wahrscheinlich könnten das alle in diesem Hause. Allein mir fehlt der Glaube, dass Sie es ernst meinen.

(Beifall bei der AfD)

Wenn ich Sie sage, dann meine ich nicht Sie als SPD-Fraktionsvorsitzenden in Hamburg, sondern Sie als Topfunktionär einer Partei, die in Berlin an der Regierung beteiligt ist und vor nicht allzu langer Zeit den Bundeskanzler und den Bundesfinanzminister gestellt hat. Warum hat die SPD damals und jetzt nicht Fakten zur konsequenten Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerbetrug, wie Sie es formulieren, geschaffen, insbesondere wirksame Gesetze, effiziente und schlagkräftige Finanzbehörden in Bund und Ländern und vor allen Dingen internationale Kooperationen, die das auch ermöglichen? In den zahlreichen Artikeln und Webbeiträgen, die ich anlässlich der Panama Papers gelesen habe, war immer davon die Rede, dass bei diesem Thema Deutschland zu den größten Sündern gehöre. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit spricht von Platz 8 auf dieser unrühmlichen Rangliste, worauf Frau Suding eben schon hingewiesen hat. Das sollte uns natürlich zu denken geben. Jetzt kommt der Bundesfinanzminister, Herr Schäuble,

(Glocke)

und tut so, als sei er ein Vorkämpfer.

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Jetzt kommt das Ende Ihrer Redezeit. Die Lampe leuchtet schon.

Ich freue mich, dass ich mit Frau Suding und mit Herrn Hackbusch weitgehend einig bin. Das ist nicht häufig der Fall.

(Beifall bei der AfD)

Als Nächstes erhält das Wort die fraktionslose Abgeordnete Dora Heyenn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Kinder haben mit sehr großer Liebe das Buch von Janosch "Oh, wie schön ist Panama" gelesen. Dabei geht es um die Sehnsucht nach einem schöneren Ort, und die Kinder in dieser Geschichte laufen los vom eigenen Wohnort, und der Clou ist, wo sie landen. Sie landen wieder zu Hause. Und was sagen sie? Oh, wie schön ist Panama.

(Dirk Kienscherf SPD: Die sind ja verhaftet worden jetzt!)

Insofern ist Panama überall, auch in Hamburg.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Fa- rid Müller GRÜNE)

Mit der Veröffentlichung der Panama Papers zeigt sich wieder, dass Deutschland, aber auch Hamburg, ein massives Problem mit der Steuergerechtigkeit hat, denn die Hamburger Berenberg Bank – das legen Dokumente aus den Panama Papers nahe und es ist heute schon ein paarmal gesagt worden – hat besonders eng mit dem panamaischen Offshore-Dienstleister Mossack Fonseca zusammengearbeitet. In mehreren Mails aus dem Panama-Papers-Datensatz ist davon die Rede, dass zwischen Mossack Fonseca und der Berenberg Bank ein besonderes Verhältnis besteht.

Es ist aber nicht nur die Berenberg Bank, sondern mehrere Hamburger Geldhäuser, die schon lange in diesem Sektor arbeiten. In den Panama Papers werden neben der Berenberg Bank die HSH Nordbank und die Dresdner Bank Lateinamerika AG genannt, das ist eine Tochter der Commerzbank. Nach Recherchen der "Süddeutschen Zeitung", von NDR und WDR haben deutsche Banken über ihre Auslandsfilialen und mithilfe der Kanzlei Mossack Fonseca mindestens rund 1 000 Briefkastenfirmen gegründet. Einige dieser Firmen sind immer noch aktiv. Darunter werden die Berenberg Bank mit 13 Briefkastenfirmen, die HSH Nordbank mit 20 Briefkastenfirmen und die Dresdner Bank Lateinamerika AG mit 333 Briefkastenfirmen genannt. Wie gesagt, das auch in Hamburg.

Nun ist es, wie schon von der FDP gesagt wurde, nicht per se strafbar, eine Briefkastenfirma im Ausland zu eröffnen. Illegal werden Briefkastenfirmen aber dann, wenn sie dazu dienen, Einnahmen vor dem Finanzamt zu verbergen. Wie die Medien gerade wieder publik gemacht haben, werden Off

(Dr. Jörn Kruse)

shore-Gesellschaften zudem häufig dazu genutzt, Korruption oder Geldwäsche zu verschleiern.

Thomas Eigenthaler, der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, hat Folgendes gesagt – ich zitiere –:

"Mir ist im Grunde in meiner vierzigjährigen Berufspraxis noch nie ein Fall untergekommen, wo es einen vernünftigen Grund gibt und wo dann der Inhaber einer solchen Firma wirklich steuerehrlich ist."

Das sollten auch Sie, Frau Suding, sich auf der Zunge zergehen lassen.

Mit den Panama Papers wird sichtbar, wie weit diese Steueroasenpolitik und die Beihilfe hierzu in Hamburg als Geschäftsmodell verbreitet war oder immer noch ist. Ich will als Beispiel ein Interview mit dem ehemaligen Finanzsenator und ehemaligen HSH-Nordbank-Aufsichtsratschef Peiner anführen. Er hat am 12. April 2009 in der "Bild"-Zeitung ein Interview gegeben, und die Überschrift dieses Interviews hieß: "Politiker wussten von Steueroasen". Auf die Frage der "Bild"-Zeitung, was die Bank in Steuersünderparadiese treibe, antwortete Herr Peiner:

"Durch unser Engagement dort ermöglichen wir unseren Mittelstandskunden günstige Kreditkonditionen, indem wir dort preiswert Geld aufnehmen."