Wir stimmen dann über den gemeinsamen Antrag der Fraktionen der GRÜNEN und der SPD aus der Drucksache 21/4697 in der Sache ab.
Wer möchte diesem folgen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen mehrheitlich angenommen.
Wir müssen jetzt die Sitzungsleitung wechseln, weil ich bei der Debatte dran bin. Ich rufe nur noch den Punkt 41 auf, Drucksache 21/4439, Antrag der Fraktion DIE LINKE: "Sozialer Drehpass": Filmförderung und faire Arbeitsbedingungen in der Filmbranche.
[Antrag der Fraktion DIE LINKE: "Sozialer Drehpass": Filmförderung und faire Arbeitsbedingungen in der Filmbranche – Drs 21/4439 –]
Diesen Antrag möchte Die Fraktion DIE LINKE an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien überweisen.
Medienberufe, insbesondere in der Filmindustrie, gelten gemeinhin als spannend, als kreativ, als abwechslungsreich, in Hamburg sogar mit einem eigenen Wirtschaftscluster ausgestaltet. Sie möchten gern zu einem Fernseherzeugnis wechseln, das die Kolleginnen und Kollegen, die hinter den Kameras stehen, gern aufnehmen und es Ihnen dann heute Abend anbieten. Nichtsdestotrotz geht es erst einmal um die sozialen Umstände des Ganzen, und ich denke, das ist nicht minder wichtig.
Das Gebälk der Medienwirtschaft in Hamburg knirscht erheblich. Die Realität ist entgegen den Träumen, die man in der Medienbranche manches Mal hat, eine ganz andere. Sie ist wenig traumhaft. Bei Arbeitszeit, bei Entlohnung, bei Altersabsicherung, aber auch bei der Arbeitslosenversicherung ist der öffentlich-rechtliche Wurm in der Freien und Hansestadt, aber auch generell drin.
Es gibt eine Umfrage von ver.di unter Betroffenen, nach denen mehr als 50 Prozent der Befragten sagen, dass sie einen 12- bis 14-Stunden-Tag haben. 45 Prozent sagen, dass sie nie oder selten ta
rifliche Pausen nutzen können. Mehr als 90 Prozent machen Mehrarbeit und mehr als 60 Prozent sehen bei sich gesundheitliche Auswirkungen ihrer Arbeitsverhältnisse. Die immer einmal wieder in der Arbeitswelt herangeführten Veränderungen, die so gut sein sollen, haben in der Medienbranche mit Sicherheit nur sehr nachgeordnet eine gute Auswirkung. Wir leiden in der Medienbranche unter immer weiter komprimierten Drehzeiten.
(unterbrechend) : Einen Moment bitte. – Meine Damen und Herren, es ist ungewöhnlich, dass wir jetzt so schnell zu diesem Debattenpunkt gekommen sind, aber ich bitte trotzdem um Aufmerksamkeit für den Redner. – Bitte fahren Sie fort.
Danke schön, Frau Präsidentin. – Die Dreharbeiten leiden unter immer weiter komprimierten Drehzeiten. Die Lücken zwischen einzelnen Filmaufträgen werden immer größer. Die Zyklen sind nicht planbar und nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Filmbranche haben wirklich die Möglichkeit, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erwerben, um damit die Zwischenräume zwischen den einzelnen Aufträgen abzudecken. Hier ist Handeln geboten.
Wie dringend Handeln notwendig ist, sieht man daran, dass allein ver.di schon gezwungen war, einen Tarifvertrag aus purer Notwehr abzuschließen, bei dem ein 13-stündiger Arbeitstag möglich ist. Dass in der Filmbranche nicht alles Gold ist, was glänzt, ist mittlerweile klar, aber dass die Situation so schlecht ist, muss man sich wirklich noch einmal vor Augen führen.
Die sozialen Folgekosten – ich nenne nur Altersarmut – zeichnen sich doch schon ab und dagegen gilt es etwas ganz Konkretes zu tun. Wir haben von ver.di die Erklärung im April vernommen, dass die Nordlichter-Filmreihe, vom NDR mit produziert und von zwei Medienförderungsanstalten gefördert, beabsichtigt hat, die Tarifgagen auf 75 Prozent zu reduzieren. Das ist für einen öffentlichrechtlichen Bereich ein Skandal.
Zwei Filmförderanstalten, nordmedia und die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, machen bei diesem Kuhhandel mit. Das kann nicht wirklich ernst gemeint sein.
Insofern ist es natürlich äußerst positiv, dass der Programmdirektor des NDR-Fernsehens jetzt geäußert hat, dass die Tariftreue in die Aufträge des NDR übernommen wird. Das ist ein wichtiger Meilenstein, der einen Teil des Problems sicherlich
entschärft. Nichtsdestotrotz wären Tariftreue, Altersabsicherung und die Konsequenzen, falls das nicht eingehalten wird, in der Filmförderanstalt von Hamburg und Schleswig-Holstein genau richtig untergebracht.
Es kann nicht wirklich das Ziel deutscher Filmförderung sein, nur den Wirtschaftsaspekt zu fördern und Konsequenzen aus dem Kommentar im "Tagesspiegel", in dem es hieß, US-Filmschaffende bezeichneten mittlerweile die deutschen Filmschaffenden als White Mexicans, zu ziehen. Das hat an der Stelle nichts mit kultureller Vielfalt zu tun. Das bezieht sich auf die Arbeitsbedingungen der Filmindustrie in Deutschland. Deswegen gilt es, bei der öffentlichen Filmförderung Hamburg-SchleswigHolstein, für die Hamburg mehr als 50 Prozent der Gelder gibt, auch sozial tätig zu werden und dieser Verantwortung nicht nur ins Auge zu blicken, sondern sie auch wahrzunehmen.
Stattdessen wird die Spirale nach unten eröffnet. Viele Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger in der Filmbranche müssen erst einmal Erfahrung sammeln und sind deswegen für untertarifliche Bedingungen auf dem Markt zu haben. Das macht für alle anderen diese Spirale nach unten zu einer Lebenskarriere, die man nicht wirklich als Karriere benennen kann.
Mit Bezug auf den von Rot-Grün hier vor Kurzem beschlossenen grünen Drehpass kann ich nur Folgendes sagen: Es bringt den Kolleginnen und Kollegen in der Filmbranche nicht viel, wenn sie auf dem Filmdreh mit Lebensmitteln aus der Region über Wasser gehalten werden, ihre sozialen Bedingungen jedoch prekär sind.
Die Spitze des Eisbergs, die die Filmförderung Schleswig-Holstein ist – sie ist in direkter staatlicher Nähe –, stellt sich als nichts anderes als staatlich gefördertes Lohndumping dar. Das kann nicht wirklich der Ernst dieser rot-grünen Regierungsmehrheit sein. Deswegen finde ich es umso unverständlicher - aber das ist ja auch bereits gesagt worden -, dass Rot-Grün sich nicht in der Lage sieht, diesen Antrag an den Ausschuss zu überweisen. Die Verweigerung der Diskussion über soziale Aspekte, die anerkannterweise auch gewerkschaftlich völlig schieflaufen, ist bezeichnend für die Identität der Sozialdemokratie, die überaus weit weg ist von ihren sozialen Ansprüchen, zumindest von denen, die sie immer vorgegeben hat.
Deswegen sage ich, wer diesem Antrag nicht zustimmt, müsste es wirklich interessiert begründen. Ich kann mir keinen Grund dafür vorstellen. – Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht wie die Links-Partei immer wieder Folklore und Feindbilder bedienen, sondern einfach ein paar Argumente nennen.
Hamburg ist ein guter Filmstandort. Der Hamburger Film transportiert Bilder unserer Stadt über die ganze Welt. Der Hamburger Film ist somit Botschafter für unsere Stadt und ein wesentlicher Baustein der Hamburger Kulturlandschaft. Rund 1 500 Drehtage bei rund 100 nationalen und internationalen Produktionen gibt es jedes Jahr in Hamburg. Unsere Stadt ist eine geborene Kulisse für wahnsinnig tolle Filme und jederzeit sieht man das auch immer wieder im Kino, was in Hamburg produziert wird.
Aber Film ist auch ein teures Vergnügen. Die Filmförderung wird jährlich mit über 8 Millionen Euro bezuschusst, eine gute Investition, wie wir finden, denn daraus werden nicht nur die eben genannten tollen Filme produziert, sondern jeder hierfür eingesetzte Euro erzielt einen Umsatzeffekt in unserer Metropole von circa 2,50 Euro. Die Filmwirtschaft sichert somit unmittelbar Arbeitsplätze und sorgt für Synergieeffekte in anderen Branchen.
Hamburg hat mit der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein einen hervorragend agierenden Förderer. Das Team um die neue Geschäftsführerin Maria Köpf hat für die geleistete Arbeit unseren Dank verdient.
DIE LINKE fordert nun, dass die Filmförderung bei der Vergabe der Fördermittel die Einhaltung von Mindeststandards, zum Beispiel den Mindestlohn, verbindlich einfordert. Selbstverständlich ist der Filmförderung an einer fairen, ausgewogenen und angemessenen Vergütung der Filmschaffenden gelegen. Die Filmförderung weist in den Merkblättern zur Antragstellung auf das Mindestlohngesetz hin und geht davon aus, dass sich alle Beteiligten an das Gesetz halten.
Über den Mindestlohn hinaus müssen sich die tarifgebundenen Filmproduzenten an tarifvertragliche Vereinbarungen halten. DIE LINKE irrt aber, wenn sie meint, die Filmförderung müsse nun auch die Rolle der Aufsichtsbehörden einnehmen.
Die Filmförderung selbst beauftragt oder vergibt nämlich keine Produktion. Sie vergibt ausschließlich Fördermittel. Die Vergabe dieser Fördermittel geschieht auf der Basis des vorgelegten Projektantrags. Sowohl eine Beweisführung durch die Filmförderung als auch eine Vorverurteilung bezüglich zukünftiger Projekte wären nur schwer umsetzbar.
Wir sollten die vom Gesetzgeber vorgesehenen Rechte und Pflichten beachten. Die Beschäftigung von Filmschaffenden und die rechtskonforme Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse liegen im Verantwortungsbereich der Produzenten. Die Ausgestaltung der Tarife obliegt den Tarifparteien. Genauso wie ver.di begrüßen wir auch die heute angekündigte Tariftreue des NDR bei den Auftragsproduktionen. Die Überwachung der Einhaltung von Mindestlohn und Beschäftigungsverträgen liegt im Verantwortungsbereich des Zolls. Dies sind keine Aufgaben der Filmförderung.
DIE LINKE macht das, was sie hier immer wieder gern bei solchen Themen macht: Sie zeigt mit dem Finger auf ein vermeintliches oder reales Problem und bietet dann eine schnelle Lösung an. Bei aller Sorge um die Beschäftigungssituation in der Kreativbranche sollte man auch immer darauf aufpassen, dass man die für eine florierende Kreativbranche notwendigen Rahmenbedingungen nicht so eng fasst, dass man am Ende keine Dynamik mehr hat.