Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Flüchtlingsfrage muss eine europäische Lösung das Ziel sein. Dass Sonderwege nicht immer hilfreich sind, haben die Ereignisse und Entwicklungen im letzten Jahr deutlich gezeigt. Das einseitige Aufkündigen von Regeln und Abkommen hat in der Folge dazu beigetragen, dass sich noch mehr Menschen auf den gefährlichen Weg nach Europa, nach Deutschland gemacht haben. In der Hoffnung auf ein besseres Leben haben viele alles riskiert, und nicht wenige haben dabei alles verloren.
Wir finden es falsch, nun in Hamburg genau jene Anreize schaffen zu wollen, die bereits im vergangenen Jahr dazu geführt haben, dass sich noch mehr Menschen erheblichen Risiken ausgesetzt haben. Können Sie sich nicht ausmalen, was für ein Signal von Deutschland ausgeht, wenn eine Stadt wie Hamburg beschließen würde, sich über europäische und inländische Vereinbarungen hinwegzusetzen und einfach einen Sonderweg zu gehen? Es würde das Signal gesendet, dass Deutschland die Türen erneut für alle öffnet.
Wir haben die chaotischen Zustände im letzten Jahr erlebt. Die Unterbringungskapazitäten sind nicht zahllos, die Kräfte der Ehrenamtlichen, der Freiwilligen und der Helfer nicht endlos und die Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft nicht grenzenlos. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der
Links-Fraktion, Ihr Antrag ist ein Tropfen auf dem heißen Stein für die Betroffenen, um die es Ihnen angeblich geht.
Aber die daraus resultierenden Effekte haben Auswirkungen, deren Tragweite Ihnen offenbar nicht klar ist. Nehmen wir einmal rein hypothetisch an, Hamburg setzte sich einseitig über die Entscheidungen auf europäischer Ebene hinweg und würde Ihrem Weg folgen. Nach welchen genauen Kriterien wollen Sie besonders Schutzbedürftige auswählen? Wer selektiert unter den besonders Schutzbedürftigen? Wie wollen Sie verhindern, dass die verzweifelten Menschen sich etwas antun, um als besonders schutzbedürftig zu gelten? Was wollen Sie jenen besonders Schutzbedürftigen sagen, die nicht berücksichtigt werden können? Wie stellen Sie sich das Ganze dann in der Praxis in der Umsetzung vor? Chartert Hamburg ein Flugzeug, und eine Abordnung der BIS und der BASFI suchen in griechischen Flüchtlingslagern nach jenen Glücklichen, die nach Hamburg kommen dürfen? Oder beauftragen Sie die gut funktionierende griechische Bürokratie mit diesem Auswahlprozess?
Sehr geehrte Kollegen der Links-Fraktion, Sie sehen hoffentlich selbst, wie fragwürdig das ist. Und ich finde es nicht richtig, dass Sie mit diesem Antrag den Eindruck erwecken wollen, dass die Lösung der Flüchtlingskrise so einfach wäre.
Auch wenn Ihr Anliegen menschlich nachvollziehbar sein mag, politisch ist es verantwortungslos. Lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass sich die Situation vor Ort verbessert. Hier halten wir Freien Demokraten den Ansatz der Bundesregierung, Projekte in Syrien, dem Libanon, Jordanien oder der Türkei zu unterstützen, für zielführender, auch die Lage in Griechenland muss gestärkt werden. Außerdem gibt es bereits Programme, die besonders Schutzbedürftigen Wege nach Europa und nach Deutschland eröffnen, die Kollegen haben das angesprochen.
Natürlich müssen diese Programme auch umgesetzt werden. Wir unterstützen Lösungen auf internationaler Ebene, auf europäischer Ebene und auf nationaler Ebene. Einen Hamburger Sonderweg halten wir jedoch für die falsche Lösung. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Noch über 50 000 Menschen leben in griechischen Flüchtlingslagern. Sie wollen größtenteils nach Deutschland, aber die Balkanstaaten haben die Route geschlossen. Der Antrag der LINKEN möchte sie jetzt alle, unterstützt von manchen GRÜNEN- und SPD-Politikern, bundesweit nach Deutschland holen. 50 000, das wären mehr Menschen, als bis zum Jahr 2010 pro Jahr an Flüchtlingen überhaupt zu uns gekommen sind. Es würde also hier eine alte Politik offener Grenzen in gewisser Weise fortgesetzt.
Das humanitäre Anliegen, Menschen in ihrer Not zu helfen, ist uns mindestens so wichtig wie Ihnen auch, aber Ihr Weg ist der falsche. Er sendet die völlig falschen Signale. Wir müssen eine andere Politik machen, ich werde Ihnen gleich sagen, welche.
Was haben wir bisher erreicht mit der Politik der offenen Grenzen, Frau Schneider? Hat Frau Merkels Politik das Flüchtlingselend an den Grenzen gemindert?
Lassen Sie uns das einmal kurz fragen, schauen wir doch auf die Zahlen. Damals in Ungarn am Bahnhof waren nach Presseberichten 3 000 Menschen, die in Not geraten waren. Das bewog die Kanzlerin, die Grenzen zu öffnen. Jetzt sitzen in Griechenland über 50 000 Menschen im Elend fest. Schlimmer, bereits 60 Flüchtlinge sind an der syrisch-türkischen Grenze von türkischen Sicherheitskräften erschossen worden, um den Grenzübertritt zu verhindern. Das ist auch das Ergebnis der Politik, die hier im Lande gemacht wurde und die falsch war.
Das heißt, das Elend an den Grenzen, das damals die Ursache der Politik von Kanzlerin Merkel war, die Grenzen zu öffnen, hat das Elend an den Grenzen selbst – wir brauchen nur auf die Zahlen zu schauen – vervielfacht. Nur schauen Sie jetzt nicht mehr hin. Das ist keine gute Politik, da muss sich jetzt wirklich etwas ändern.
Aber auch die 1,5 Millionen Menschen, die seit 2014 zu uns gekommen sind, stehen hier bei uns bereits vor kaum lösbaren Problemen. Wir geben uns alle Mühe, aber wir wissen, Integration braucht Arbeit. Das wird schwierig. Ludger Wößmann vom ifo Institut in München – einer der bekanntesten Bildungsforscher, die wir in Deutschland, in Europa haben – hat auf valide PISA-Studien hingewiesen, nach denen schon klar war, dass zwei Drittel der jungen Syrer an PISA-Tests gemessen funktionale Analphabeten sind. Es ist kein Vorwurf an die, es ist einfach nur eine faktische Feststellung. Und der
Hamburger Jobcenter-Chef sagt, knapp 90 Prozent hätten wohl keine Berufsausbildung. Schlimmer noch, bei der Arbeitslosenquote von Migranten aus Herkunftsländern der jüngsten Flüchtlingswelle, also die vor der letzten Welle kamen und schon so lange hier sind, dass sie schon in der Arbeitslosenstatistik sind, sind die Syrer, – männlich, arbeitslos – zu 76 Prozent verzeichnet, im Bund 70 Prozent, und das sind fast 30 000 Menschen, also ist das statistisch signifikant. Syrer: Arbeitslosigkeit 76 Prozent; Iraker, die schon lange hier sind: 68 Prozent; Eritreer: 74 Prozent. Das sind die offiziellen Zahlen. Und selbst wenn sie Arbeit haben, Frau Schneider und Sie von der LINKEN, selbst wenn wir es schaffen, sie alle in Arbeit zu bringen, was ist denn dann? Denken Sie das doch einmal zu Ende. Wenn Sie jetzt 50 000 noch einmal dazu holen wollen, um ihnen zu helfen, können wir denen nicht helfen. Sie haben nicht zu Ende gedacht. Professor Raffelhüschen beispielsweise von der Uni Freiburg, der führende Experte für Sozial- und Rentenkassen hierzulande, weist darauf hin, dass es zunächst mindestens fünf Jahre dauert, …
Ich würde mich jetzt ungern unterbrechen lassen, im Anschluss vielleicht, sonst gern von Ihnen. Danke.
Es dauert mindestens fünf Jahre, bis Sprache, Schrift und einfacher Beruf gelernt sind. Das heißt, denken wir nur einmal einen kurzen Moment mit, diese Überlegung, die wir schon lange hätten machen müssen, die auch viele machen, die ich nur in diesem Hause noch nicht gehört habe: Ein Migrant, der heute mit 30 bis 35 Jahren kommt, relativ jung, der ist dann, wenn es so weit ist, wenn wirklich alles gutgeht und alles klappt, 35 bis 40 Jahre alt, wenn er den ersten Job hat. Das wird ein sehr einfacher Job sein. Er hat dann keine Chance mehr auf 45 Arbeitsjahre, die er in einfachen Lohngruppen braucht, um auf die Rente über Sozialrentenniveau zu kommen. Um das zu erreichen, hat er überhaupt keine Chance, selbst wenn uns das alles gelingt und wir sie in Arbeit bringen, werden sie keine Renten erwirtschaften können, die über Sozialhilfeniveau, über Sozialrentenniveau liegen, sagt der führende Experte in Deutschland für Sozial-und Rentenkassen.
Also selbst die Renten der Flüchtlinge, die Arbeit finden – wir gehen einmal davon aus, es würden alle Arbeit finden –, müssen künftig durch Mindestrente vom deutschen Renten- und Steuerzahler fi
nanziert werden. Das müssen Sie zu Ende denken, bevor Sie jetzt weitere Menschengruppen in Bewegung setzen.
Dabei hatten uns die Politiker doch vorgemacht, die Flüchtlingswelle und Immigration würden bei der Rente helfen. Im Nachhinein zeigt sich, wie falsch das alles ist. Der ganze Weg, wie die Flüchtlingskrise angegangen wurde, war grundfalsch. Wir hätten vor Ort mit Schutzzonen helfen müssen. Darauf komme ich gleich noch einmal zurück, das wäre die richtige Politik gewesen. Ihr Weg war vollkommen falsch.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, bitte denken Sie an das Thema der Drucksache, über die wir hier diskutieren.
Ja, genau. Es geht darum, dass 50 000 Migranten aus Griechenland zu uns kommen sollen, und um die Probleme, die wir haben, sie bei uns zu integrieren.
Schutzzonen wären der richtige Weg gewesen, denn Arabien, der Orient sind riesige Gebiete, reich, sie haben die größten Kapitalreserven und Ölfelder der Welt. Und Israel zeigt, was man aus der Wüste mit westlicher Technik machen kann. Das wäre der richtige Weg gewesen und ist auch der richtige Weg, den 50 000 Geflüchteten aus dem Antrag der LINKEN jetzt zu helfen.
Wir können die gewaltigen Probleme im Orient und in Afrika nicht auf deutschem Boden lösen. Um möglichst vielen Flüchtlingen Schutz zu gewähren, ist eine Politik, die weitere Zehntausende nach Deutschland holen will, falsch, wie es jetzt der Antrag der LINKEN versucht. Er ist falsch, weil er zunächst einmal unklug ist. Der österreichische Außenminister Kurz hat es jüngst vorgerechnet: Man könnte den 10- bis 20-fachen Zahlen an Flüchtlingen mit der gleichen Summe helfen, die man einsetzt, wenn man das geschickt vor Ort macht und vernünftige Politik betreibt. Man könnte den 10bis 20-fachen Zahlen an Flüchtlingen helfen, wenn Europa statt extrem teurer Aufnahme und Integrationsversuche hierzulande – wir wissen doch, wie schwer das ist – das vor Ort versucht. In modernen Schutzzonen vor Ort, wo Wohnungen, Städte mit allen modernen Mitteln vorangebracht werden könnten, das wäre eine vernünftige Politik, auch für die 50 000 Geflüchteten. Dort können wir die beste Versorgung gewährleisten für die 10bis 20-fachen Zahlen an Menschengruppen, gute Schulen, medizinische Versorgung auf hohem
Stand, intensivste Hilfen aller Art. Ich sage noch einmal, Israel hat der Welt gezeigt, was man mit moderner Technik aus der Wüste machen kann. Warum haben wir das nicht wahrgenommen? Das wäre eine vernünftige Politik gewesen.
Aber es ist nicht nur unklug, es ist auch unfair. Bislang haben wir 1,5 Millionen Menschen seit 2014 nach Deutschland geholt. Die LINKE möchte noch einmal 50 000 …
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie nun wirklich zum Thema der Drucksache. Es geht nicht um die Flüchtlingspolitik insgesamt, sondern um die Frage, ob man Flüchtlinge aus Griechenland aufnimmt.
DIE LINKE möchte noch einmal 50 000 Flüchtlinge aufnehmen, die werden die Probleme noch verschärfen, die die 1,5 Millionen selbst haben, Frau Schneider.
Und auch bei den 50 000 Flüchtlingen aus Griechenland würden wir nicht die wirklich Schutzbedürftigen hierherholen.