Protokoll der Sitzung vom 13.07.2016

Herr Kleibauer von der CDU-Fraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das ist schon interessant: Herr Müller hat gesagt, man wolle das Geld gar nicht ausgeben, aber in den letzten Tagen gingen fast im Stundentakt die Änderungsanträge der Regierungsfraktionen ein, wo man dann doch immer hier ein bisschen und da ein bisschen ausgeben wollte. Ich finde, insgesamt ist es ein relativ merkwürdiges Verfahren. Wir haben hier eine Drucksache vom Senat. Wir haben sie beraten. Wenn es dann vier Zusatzanträge – teilweise waren es fünf, so heute Mittag, das wurde dann noch mehrfach geändert – aus den Reihen der Regierungsfraktionen zu einem Senatsantrag gibt, kann man schon einmal in Frage stellen, ob das noch ordentliches Regieren ist, was Rot-Grün hier aufführt.

(Beifall bei der CDU und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE – Farid Müller GRÜNE: Wieso das denn?)

Ich möchte eine Sache vorweg sagen. Wie erreichen Sie es denn, dass Sie hier mehr Geld ausgeben können? Sie setzen einfach höhere Steuereinnahmen im Haushaltsplan an, und das bedeutet, zu einem relativ frühen Zeitpunkt im Jahr – die Drucksache ist von Mitte Mai – streichen Sie komplett den Vorsichtsabschlag, den wir im Haushaltsplan bei den Steuereinnahmen hatten. Der wird auf null gesetzt, und das ist dann doch eine deutliche Abkehr von Ihrem Finanzkonzept, Herr Müller,

(Zuruf von Farid Müller GRÜNE)

das kann man anders nicht sagen.

(Beifall bei der CDU)

Der Senat will sich einen großen, einen riesigen zusätzlichen Ausgabespielraum von fast 500 Millionen Euro mit dieser Drucksache einräumen. Das kann man beantragen, darüber kann man reden. Aber der Senat sagt an kaum einer Stelle, wofür und nach welchen Kriterien er das Geld einsetzen will, und das verstößt dann in der Tat gegen die Grundsätze der Haushaltsklarheit und der Haushaltswahrheit, die wir haben. Das ist intransparent. Deutlicher, finde ich, kann ein Senat mit einer so karg geschriebenen Drucksache nicht machen, wie lästig für ihn die Parlamentsbeteiligung geworden ist.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen: Wenn Sie sagen, Sie wollten damit Reserven schaffen, müssen wir einmal sehen – und das hat die Finanzbehörde nach einiger Zeit murrend zu Protokoll gegeben –, dass wir genau in dem Bereich, den wir stärken, noch 400 Millionen Euro Reserve haben, sowohl im investiven Bereich als auch im konsumtiven Bereich. Hier ist also kein Grund zur Hektik. Es gibt im Moment noch sehr viele Reserven, die wir im Bereich der allgemeinen Finanzen haben.

Wenn man die Drucksache grob teilt, dann sind es drei große Verwendungsbereiche. Der erste Bereich ist genannt worden, Verstärkung Bereich Zuwanderung/Integration. Der ist unstrittig, das haben wir auch im Ausschuss gesagt. Das ist im Übrigen der einzige Bereich, in dem es eine konkrete Zweckbindung gibt. Das ist völlig okay. Es ist sachlich angemessen, dass man diesen Bereich verstärkt. Wobei es schon ein bisschen merkwürdig ist, dass Sie dann sagen, wir machen einen Integrationsfonds, und nicht die Mittel nehmen, die der Senat dafür jetzt bereitstellt, sondern Sie nehmen sie aus einem anderen Reservetopf. Das ist merkwürdig: Sie sagen, 160 Millionen Euro stünden für Integration zur Verfügung, und jetzt nehmen Sie den Integrationsfonds aus einem anderen Titel.

Das zweite Thema – es ist schon genannt worden – ist der Innovationsfonds Digitale Stadt. Was ist das denn? Das ist ein toller Etikettenschwindel. Digitale Stadt, Innovationsfonds, das sind tolle Begriffe, aber die wahren Absichten werden doch nur verschleiert. Wir wissen, es geht darum, IT-Projekte wie KoPers und andere, die man seit Jahren nicht in den Griff bekommt und bei denen die Kosten aus dem Ruder laufen, entsprechend nachzusteuern. Wenn hier die wahren Absichten verschleiert werden mit einer neuen Begrifflichkeit, ist das in der Sache nicht angemessen.

(Beifall bei der CDU)

Kommen wir zum dritten Punkt. Das ist die pauschale Ermächtigung, 100 Millionen Euro als Kapitalaufstockung bei öffentlichen Unternehmen oder Nebenhaushalten zu ermächtigen. Das ermächti

(Jan Quast)

gen wir hier; das ist nicht irgendeine Kredittransaktion, so wie Sie das verstehen, Herr Müller, das ist eine harte Ermächtigung, die diese Bürgerschaft heute akzeptieren soll. 100 Millionen Euro, für die es keine Regeln gibt, für die es keine Kriterien gibt, wie sie eingesetzt werden sollen. Wenn man sich das anschaut, können diese 100 Millionen Euro quer durch alle Fachbereiche des Haushalts eingesetzt werden. Man kann die HPA damit stärken, man kann das CCH damit stärken, man kann die Staatstheater damit stärken, man kann es in die HafenCity geben, man kann f & w fördern und wohnen etwas geben. Das geht durch alle Haushaltsbereiche, und das ist doch hochgradig intransparent. Es kann nicht sein, dass wir so eine breite Ermächtigung geben. Das ist in der Tat ein Blankoscheck, und einen solchen Blankoscheck werden wir nicht unterschreiben. Einen Blankoscheck heilt man auch nicht damit, dass man sagt, wir wollen als Parlament nachträglich informiert werden. Es ist auch keine Sache der Zeit. Eine Haushaltssperre kann relativ schnell durch den Haushaltsausschuss aufgehoben werden. Nein, Ihr Antrag ist an dieser Stelle unzureichend, er ist hilflos. Beim ITDigitalfonds ist okay, was Sie machen, da schreiben Sie das hinein. Aber dann schreiben Sie es auch bitte bei den 100 Millionen Euro für die Finanzanlagen hinein, alles andere geht nicht.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich noch einen Punkt sagen, der mir zu Ihren Zusatzanträgen aufgefallen ist. Sie kommen alle mit der Gegenfinanzierung Allgemeine Zentrale Reserve. Das ist interessant, weil in dem Haushaltsplan, der beschlossen ist, steht, dass die Allgemeine Zentrale Reserve für unerwartete und außergewöhnliche Situationen vorgesehen ist. Da muss man doch wirklich die Frage stellen: Trifft es die Fraktionen von Rot und Grün so unerwartet, ist es so außergewöhnlich, dass der Sanierungsfonds leer ist? Nein, meine Damen und Herren, das sind die Anträge, die Sie beschlossen haben. Das war eine absehbare Situation. Es war alles andere als unerwartet, dass der Sanierungsfonds leer ist. Und dann zur Gegenfinanzierung einen solchen Titel, der wirklich für außergewöhnliche Situationen, für Notlagen et cetera, gedacht ist, heranzuziehen,

(Jan Quast SPD: Das macht doch keiner!)

das ist relativ grenzwertig im Umgang mit den haushaltsrechtlichen Regelungen. So können wir nicht mitgehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Farid Müller GRÜNE: Aber für die Ganztagsschulen sind Sie doch!)

Herr Hackbusch von der Fraktion DIE LINKE bekommt das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Damen und Herren! Wir freuen uns erst einmal über diese Entwicklung. Wir haben an der Rede von Herrn Müller gemerkt, dass es ihm im Magen lag, dass wir vor vier Wochen beantragt haben, die zusätzlichen Einnahmen, die aufgrund der Steuermehreinnahmen vorhanden sind, für die Weiterentwicklung der sozialen Stadt auszugeben, weil es dort an etlichen Stellen fehlt. Damals haben Sie groß und pauschal darüber hinweggeredet nach dem Motto, das ginge doch nicht, das sei alles unmöglich und wie wir überhaupt mit dem Haushalt umgingen. Ich bin froh, dass zumindest Teile dessen, was wir gewollt haben, jetzt eingelöst werden. Ich bin froh, dass wir so in gewisser Weise indirekt wirken.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist das eine.

Wir können jetzt über die einzelnen Punkte reden, über das Finanzrahmengesetzt. Das ist, finde ich, dabei nicht das Entscheidende. Unangenehm finde ich allerdings die Art und Weise, in der Sie das vorbringen. Herr Kleibauer hat es eben schon deutlich beschrieben: Es wird im Allgemeinen pauschal eine bestimmte Summe dargestellt. Sie benutzten ein Stakkato. Sie haben gestern Ihre Anträge vorgelegt, und die Konkretisierungen erfahren wir erst in dieser Parlamentsdebatte, um dann darüber abstimmen zu können. Das Ganze ist nicht dafür da, dass wir in diesem Parlament vernünftig darüber diskutieren, was wir eigentlich wollen und wo Bedarfe sind, sondern es orientiert sich daran, dass Sie in der Lage sind, Pressemitteilungen herauszugeben, um in der Presse gut dazustehen, weil Sie etwas machen im Zusammenhang mit Digitaler Stadt, im Zusammenhang mit Sanierung und im Zusammenhang mit Guter Ganztag. Ich finde das unverantwortlich gegenüber dem Parlament und keine Art und Weise, in der wir so etwas diskutieren können.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der CDU)

Dementsprechend haben wir die Situation, dass wir hier nicht darüber reden können; die Anträge sind gestern gekommen, heute dann noch eine Neufassung, in der vieles umgeschrieben worden ist. Was ist denn das für eine Art und Weise? Wie soll man das so normal diskutieren? Das ist wirklich nur daran orientiert, dass Sie an die Presse gehen und Ihre Erfolge darstellen wollen. Ich finde das wirklich frech. Das dürfen wir hier nicht durchgehen lassen im Parlament.

(Beifall bei der LINKEN – Glocke)

Herr Hackbusch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller?

(Thilo Kleibauer)

Ja, gern.

Herr Müller, bitte.

Herr Hackbusch, wir haben diese Fonds, die wir jetzt für die Bürgerschaft auflegen. Die werden einzeln durch die Bürgerschaft beschlossen. Da gibt es nicht irgendeine Schlagzeile, sondern wir ermächtigen uns als Bürgerschaft, bestimmte Projekte zu unterstützen oder nicht. Was ist denn daran schlimm?

Ich kann Ihnen noch einmal deutlich darstellen, was wir festgestellt haben in den letzten Tagen. Sie stellen die einzelnen Punkte dar. Sie debattieren das noch nicht einmal im Haushaltsausschuss, wo wir das vor zwei Wochen hätten besprechen können, sondern Sie legen das jetzt dar. Und der Sinn des jetzigen Darlegens ist nur die Presseerklärung, keinen anderen Grund kann ich darin erkennen. Sie ermöglichen uns nicht, normal darüber zu diskutieren, wenn man einmal von diesem Rahmen absieht. Eine richtige Behandlung hat im Haushaltsausschuss stattzufinden, das wird jeder feststellen, der sich damit auseinandergesetzt hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will noch auf zwei Punkte kurz eingehen, die mir wichtig sind; wir könnten natürlich auch noch über die einzelnen Gewichte sprechen, aber ich möchte auf zwei der Punkte eingehen, die Sie besonders dargestellt haben.

Ich glaube, wir alle, die wir uns auf die Haushaltsberatungen vorbereiten, wissen, dass die Bedarfe und die Notwendigkeiten in dieser Stadt um einiges größer sind als der gegenwärtige Haushalt. Das ist doch auch gegenwärtig die Debatte. Ich will Ihnen das einmal deutlich machen anhand des Sanierungsstaus. Das Sanierungsprogramm, das Sie auflegen, werde ich noch einmal ausführlicher kritisieren, wenn wir den Haushalt besprechen. Sie haben die allgemeine Sanierungsstrategie aufgegeben, die Sie einmal vorgehabt hatten – die SPD, da waren Sie noch nicht dabei. Das haben Sie aufgegeben zugunsten eines Sanierungsprogramms, bei dem man den Überblick verliert, was eigentlich an Sanierung notwendig ist, und wir feststellen, dass der Sanierungsstau in dieser Stadt sogar noch wächst. Aber Sie können in der Öffentlichkeit einzelne Sanierungsprogramme propagieren. Wir haben einen Sanierungsstau, der weiterhin wächst, und das mit Ihrem Haushalt. Dementsprechend ist es nicht so, dass alles gut aussieht, sondern wir haben dort Schwierigkeiten.

Der zweite wichtige Punkt, den wir darstellen wollen und auch in dem Sofortprogramm dargestellt haben: Wir haben ein Programm gefordert, um vor

allem den sozialen Wohnungsbau noch einmal extra zu stärken, weil der soziale Wohnungsbau für alle Menschen in dieser Stadt der wesentliche Schritt ist, den wir erreichen müssen, und zwar sowohl für Flüchtlinge als auch für all die anderen, die das brauchen. Das besonders noch einmal zu fördern finde ich das Entscheidende, und das ist dasjenige, was bei Ihnen an dieser Stelle geschwächelt hat.

Ich will die verschiedenen anderen Punkte nicht noch aufführen – wir werden das in den Haushaltsberatungen noch machen –, aber Ihre Methode gefällt mir gar nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Suding von der FDP-Fraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren!

"Haushalte werden nicht in schlechten Zeiten ruiniert, sondern in guten."

Dieses Zitat von Finanzsenator Tschentscher war in der letzten Legislaturperiode immer wieder zu hören und es bleibt auch in dieser Legislaturperiode richtig. Deshalb ist es umso unverständlicher, was der rot-grüne Senat uns heute zur Nachbewilligung vorgelegt hat. Es ist wirklich ein erschreckendes Paradebeispiel dafür, wie man in guten Zeiten den Haushalt ruiniert.

(Beifall bei der FDP – Farid Müller GRÜNE: Wo denn? Wo wird er denn ruiniert?)

Die Mai-Steuerschätzung hielt erfreuliche Nachrichten für Hamburg bereit. Die unserer Stadt verbleibenden Steuereinnahmen sprudeln weiter auf einem Rekordniveau von voraussichtlich über 10,2 Milliarden Euro. Gegenüber dem Haushaltsplan fallen die Steuereinnahmen damit sogar rund um eine halbe Milliarde Euro höher aus. Rot-Grün aber reicht diese halbe Milliarde nicht, Rot-Grün will über 660 Millionen Euro mehr ausgeben. RotGrün verlässt damit den verfassungsmäßig vereinbarten gleichmäßigen Abbaupfad zur Schuldenbremse. Rot-Grün hinterlässt auf diesem Pfad stattdessen den befürchteten Fußabdruck, und dieser zeigt leider hangabwärts. Damit bleibt Hamburg weit hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Liebe Kollegen von SPD und GRÜNEN, Sie und Ihr Senat liefern uns hier und heute eine politische Bankrotterklärung und ein haushaltspolitisches Armutszeugnis. Chaotisches Missmanagement der Flüchtlingskrise in Hamburg, aber auch im Bund, desaströse Planungen von IT-Großprojekten und eine katastrophale Steuerung von städtischen Unternehmensbeteiligungen – jedes Problem versuchen Sie, mit Geld, das Sie eigentlich gar nicht haben, zuzuschütten. Gutes Regieren entpuppt sich

unter Rot-Grün zunehmend als blosche scholzsche Scheckbuchpolitik.

(Zurufe von der SPD: Sch, sch!)