Protokoll der Sitzung vom 12.10.2016

Marktteilnehmer sind immer nur die Unternehmen, nie die in ihnen handelnden Personen und auch nie die abhängig Beschäftigten. Dieser Antrag ist ein weiterer Beleg für die unsozialen Vorstellungen, die die AfD in Sachen Wirtschaftspolitik hat, eine Politik, die sich insbesondere gegen die eigene Klientel richtet, meine Damen und Herren von der AfD.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir reden hier über eine selten beantragte und noch seltener erteilte Ministererlaubnis zur Fusion von Unternehmen. Die Geschichte der Bundesrepublik kennt 22 Anträge und 9 Genehmigungen. Denn in besonderen Fällen kann ein Bedürfnis bestehen, Gründen des Allgemeininteresses einen höheren Wert zu bemessen als rein wettbewerblichen Gesichtspunkten. Diese Ministererlaubnis soll nun abgeschafft werden, weil sie nicht in das neoliberale Weltbild der AfD passt.

Die AfD kann sich gar nicht vorstellen, dass es Werte gibt, die höher stehen als wirtschaftliche Interessen. Die Abwägung zwischen wettbewerblichen Aspekten, sonstigen wirtschaftlichen und dem Allgemeinwohl dienenden Zielen ist in der Tat eine politische Entscheidung. Hierfür trägt eine politisch legitimierte Instanz die Verantwortung. Dabei handelt es sich zudem um einen gerichtlich nachprüfbaren Ausnahmezustand.

(Dr. Jörn Kruse)

Die von der AfD präferierte Monopolkommission ist eine Instanz ohne jegliche politische Verantwortung. Während die AfD an anderer Stelle Transparenz und politischen Diskurs verlangt, will sie an so entscheidender Stelle fünf Leute aus Wissenschaft und Wirtschaft Entscheidungen im Hinterzimmer treffen lassen, die die gesamte Volkswirtschaft betreffen. Das ist hanebüchen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Stephan Jersch DIE LINKE)

Im aktuellen Fall der Handelskette Kaiser's Tengelmann hat der Wirtschaftsminister Gabriel stets betont, nur um die 16 000 Jobs zu erhalten, habe er gegen das Kartellamt entschieden und die Fusion befürwortet. Tatsächlich waren die Auflagen für die Fusion hoch. Die Mitarbeiter sollten nahezu komplett vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt werden und für die kommenden Jahre unter den Tarifvertrag der Gewerkschaft ver.di fallen.

Nach dem Gerichtsurteil in Düsseldorf hatte die Gewerkschaft ver.di nun einen Gipfel organisiert und alle beteiligten Firmen an einem Tisch versammelt. Und neben EDEKA und Kaiser's Tengelmann waren da auch REWE, NORMA und Markant dabei. ver.di verkündete dann auch, die Parteien haben sich auf das Ziel verständigt, dass die Ministererlaubnis nach Rücknahme der anhängigen Beschwerden umgesetzt werden kann. Hierfür gilt ver.di unser Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Bekenntnis der Gipfelteilnehmer zur Ministererlaubnis ist eine gute Nachricht für die Belegschaft. Wir Sozialdemokraten hoffen, dass das Ergebnis des Gipfels den Knoten durchschlagen hat, und hoffen im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf eine baldige Lösung des Problems.

(Beifall bei der SPD)

Denn anders als weiland beim Umgang mit Schlecker hat dieses Mal dank Sigmar Gabriel und der SPD das Bundeswirtschaftsministerium ein Interesse am Erhalt der Arbeitsplätze. Die FDP hat damals das Schicksal der sogenannten SchleckerFrauen billigend in Kauf genommen. Vielen geht es heute immer noch schlechter als zu SchleckerZeiten. Die AfD eifert der FDP in ihren wirtschaftspolitischen Ansichten nach, doch wer braucht schon eine billige Kopie oder, liebe Kollegen von der FDP, wie sehen Sie das?

(Heike Sudmann DIE LINKE: Aber wir brau- chen das Original!)

Andererseits lässt die AfD hier auch ihre Maske fallen. Sie geriert sich gern als Partei der kleinen Leute. Sie ist aber nichts weiter als eine Kampforganisation gegen die Interessen eben dieser kleinen Leute.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Kazim Abaci SPD: Sehr gut!)

Sätze in ihrem Programm wie – Zitat –:

"Wir wollen auf breiter Front deregulieren, je mehr Wettbewerb und je geringer die Staatsquote, desto besser für alle […]"

finden Sie nicht einmal bei der FDP. Die Opfer Ihrer verfehlten Wirtschaftspolitik sollen dann am Ende in einer von Ihnen propagierten privaten Arbeitslosenversicherung landen und allein für die Kosten der Arbeitslosigkeit aufkommen. Viel weiter weg von den Bedürfnissen der eigenen Leute kann man gar nicht sein.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Stephan Jersch DIE LINKE)

Deshalb lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die AfD die Menschen nicht weiter für dumm verkauft. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Stephan Jersch DIE LINKE)

Als Nächster erhält das Wort Herr Westenberger von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Als Kampftruppe sehe ich die Kollegen von der AfD nun gerade nicht. Im Beitrag von Professor Kruse schwingt noch so ein bisschen mehr mit, aber er zeigt dieses tiefe Misstrauen gegenüber allen bei uns in der Bundesrepublik Deutschland vorhandenen demokratischen Strukturen. Er ist Ausdruck eines "Ich weiß das besser" und wir Experten, wir vermeintlichen Experten stehen sowieso vielleicht nicht über dem Gesetz, aber zumindest über denen, die die Gesetze ausführen, die die Gesetze machen und die die Gesetze verwalten. Und die Ministererlaubnis, lieber Kollege Kruse, ist eigentlich auch Ausdruck eines demokratischen Spielregelmechanismus.

Sie haben es vorgelesen. Die Ministererlaubnis darf nur angewandt oder ausgesprochen werden in dem Fall, in dem ein überragendes allgemeines Interesse besteht für die Bevölkerung oder Güte unserer Werteordnung. Und wenn wir jetzt – ich erlaube mir es auch einmal, einen kleinen Ausflug zu machen – die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts heranziehen, dann darf das Parlament in allen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, der Werte, im Rahmen der Gesetzgebung auch Sachen aus der Verwaltung an sich ziehen und da eine Entscheidung treffen.

Die Ministerentscheidung beruht eigentlich auf dem Grundsatz, dass ein wirkliches Gut zu schützen ist. Und der Minister muss dann auch gegenüber seinem Kollegialorgan Regierung und gegen

(Hansjörg Schmidt)

über dem Parlament zumindest Rede und Antwort stehen. Es ist also nichts Neues. Es ist kein Durchbruch innerhalb unseres Systems, das wir als demokratischen Rechtsstaat kennen, sondern es ist etwas, das wir auch innerhalb der Demokratie leben.

Ich bin allein schon deswegen der Auffassung, dass wir die Ministererlaubnis weiterhin brauchen. Man müsste nur einmal folgende Situation betrachten: Wir erleben gerade eine Situation am Markt, wie wir sie schon einmal in den Siebziger- und Achtzigerjahren und auch in den Neunzigerjahren erlebt haben. Es finden wieder Fusionsfälle im Bereich der Schifffahrt statt, um gewisse Technologien, Arbeitsplätze und auch Wissenschaft, die damit zusammenhängt, am Standort Norddeutschland zu halten.

Ich möchte in der Zukunft nicht in die Situation geraten, dass ein Bundeskartellamt von vermeintlichen Experten der Auffassung ist, dass Rendsburg, Kiel, Hamburg, Bremen und Bremerhaven eine zu dominierende Rolle im Bereich der Ostsee und Nordsee erhalten können und möglicherweise Arbeitsplätze, aber auch Technologie am Standort Hamburg und in Norddeutschland nicht mehr gehalten werden können, weil eine politische Entscheidung in diesem Sachverhalt nicht mehr getroffen werden kann. Jede Verwaltung in Hamburg und auch in der Bundesrepublik Deutschland muss im Zweifel einer parlamentarischen Kontrolle obliegen. Und dazu gehören auch Kartellämter und sonstige Einrichtungen. Im Übrigen, liebe Kollegen von den GRÜNEN, auch der Datenschutzbeauftragte, darüber reden wir dann aber im November.

Daher werden wir Ihren Antrag ablehnen. Wir glauben auch nicht, dass es sinnvoll ist, all das noch einmal im Ausschuss für Wirtschaft zu diskutieren. Wir denken, dass die Ministererlaubnis ihren Platz hat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Es gibt bislang nur einen einzigen Fall, und da muss ich der SPD einmal ein bisschen wehtun. Wer sich einmal die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ansieht, der kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Etwas hemdsärmelig, vielleicht von guten Freunden schlecht beraten, hat der Bundesminister Gabriel versucht, das Ding einfach einmal durchzuziehen, verwechselt in der Aktennotiz auch noch EDEKA mit REWE. Das kann man vielleicht ein bisschen besser machen. Ich will jetzt nicht die ver.di loben, was sie dann geschafft hat,

(Wolfgang Rose SPD: Warum nicht?)

aber einmal außerhalb eines Ministeriums alle an einen Tisch zu holen und zu versuchen, Lösungen zu finden, war gar nicht schlecht. Auf jeden Fall jedoch gehört die Ministererlaubnis in unser Land.

Sie macht Sinn. Sie muss nur gut ausgeübt werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Wolfgang Rose und Hansjörg Schmidt, beide SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster erhält das Wort Farid Müller von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind nicht für die Abschaffung der Ministererlaubnis. Gleichwohl haben wir im Bundestag an der Ausübung in diesem konkreten Fall durchaus Kritik formuliert, weil sie, wenn man das einmal an diesem Fall so schön aufmachen will, nicht besonders transparent ist und natürlich auch missbrauchsanfällig für Klientelpolitik.

Deswegen, haben die Kollegen im Bundestag gesagt, würden sie eigentlich erwarten, dass es einen Automatismus gibt, dass der Bundestag nicht nur auf Anfrage informiert wird, sondern automatisch. Das ist in diesem Fall erst auf Anfrage im Ausschuss passiert. Und natürlich muss man auch darüber nachdenken – aber das ist nicht unsere Sache hier im Landesparlament, und die Abgeordneten im Bundestag denken durchaus darüber nach –, ob es ein Mitspracherecht des Deutschen Bundestags dazu geben sollte oder nicht.

Das sind aber alles Sachen, die mit der eigentlichen Angelegenheit eines Hamburger Unternehmens wie EDEKA mit der Übernahme von Tengelmann erst einmal in der Sache nichts zu tun haben, aber hier eben noch einmal besonders in Erscheinung getreten sind, weil es einen anderen Beschluss der Monopolkommission gegeben hat, weil es einen Gerichtsbeschluss von Düsseldorf gegeben hat, vom Oberverwaltungsgericht, und nun das Ganze noch einmal auf die nächste Ebene des Bundesverwaltungsgerichts gezogen wird. Da könnte man sich erhoffen, dass dieses Bundesgericht vielleicht einmal ein paar Eckpunkte formuliert, in welchem Rahmen so eine Ministererlaubnis ausgeübt wird. Wenn es vorher eine Einigung gibt, die im Interesse der Beschäftigten wäre, dann würde das natürlich nicht mehr passieren. Dann würde die Klage zurückgezogen.

Wir GRÜNE hoffen jedenfalls, dass in diesen Gesprächen, die nicht mehr lange Zeit haben, jetzt eine gute Lösung gefunden wird. Es scheint auch so, dass auch andere Unternehmen wie REWE oder LIDL sich nun an der Rettung von Tengelmann beteiligen. Im Sinne des Marktes ist das aber im Ergebnis keine so schlechte Lösung, weil wir natürlich keine großen Riesen haben wollen. Und natürlich gibt es nie eine Supergarantie, wie lange die Arbeitsplätze im Zweifel erhalten bleiben.

Insofern finden wir es erst einmal richtig, dass Minister Gabriel sich um die Arbeitsplätze bemüht

(Michael Westenberger)

hat, dass er gekämpft hat. Ich finde aber, gleichwohl kann man darüber nachdenken, dieses Instrument der Ministererlaubnis zu reformieren, damit es eben nicht von interessierter Seite in den Dreck gezogen werden kann. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Jetzt erhält das Wort Herr Jersch von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe in letzter Zeit selten so viel Gewerkschaftsbashing gehört wie heute von dieser Neuunternehmerpartei am Rechtsaußenrand dieses Parlaments.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit offenbart sie doch, wes Geistes Kind sie wirklich ist. Wettbewerb ist Bestandteil unserer Marktwirtschaft und es gibt Regulative, die diesen Wettbewerb auch sozial ausgleichen sollen.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Dazu gehören in der Tat das Kartellamt und die Monopolkommission, aber es ist auch richtig, dass man eine soziale Gemeinschaft nicht nur mit betriebswirtschaftlichen Parametern steuern kann. Es gibt andere Dinge. Es gibt mehr Farbtöne zwischen Schwarz und Weiß, als sich zumindest am rechten Rand manch einer vorstellen kann.