Protokoll der Sitzung vom 12.10.2016

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der SPD und bei Farid Müller GRÜNE)

Und als letzte Rednerin erhält das Wort Frau Oelschläger von der AfD-Fraktion für drei Minuten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Mir war nicht bewusst, dass man in der Aktuellen Stunde nur die Regierung loben soll und ausgehandelte Kompromisse dann entsprechend mit großer Begeisterung aufnehmen soll.

(Dirk Kienscherf SPD: Jetzt haben Sie noch etwas gelernt!)

Denn eigentlich hatte ich gedacht, hier darf man auch seine Meinung sagen und entsprechend andere Vorschläge machen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Hier herrscht Meinungsfreiheit!)

Das ist schön, das freut mich. Das freut mich sehr.

Mir ist klar, dass die Erbschaftsteuer für Hamburg durchaus keine Bagatellsteuer ist. Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren, ich sitze auch im Haushaltsausschuss. Dass Hamburg Geld braucht, ist ebenfalls gar keine Frage.

Ansonsten hat Frau Suding schon gesagt, was ich noch sagen wollte. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Damit sind wir dann am Ende der Aktuellen Stunde angekommen. Es verbleiben weniger als zwei Minuten für den Rest, also deutlich weniger als 15 Minuten. Ich gehe davon aus, dass die antragstellenden Fraktionen …

(Zurufe)

Nein, die Debatte war abgeschlossen. Ich habe jetzt die Frage gestellt, ob die antragstellenden Fraktionen des dritten und sechsten Themas damit einverstanden sind, dass wir das morgen in der Aktuellen Stunde fortsetzen. – Das ist der Fall.

Damit kommen wir zu Punkt 52 der Tagesordnung, Drucksache 21/6173, Antrag der AfD-Fraktion: Die Abschaffung der Ministererlaubnis im Fusionsverfahren. Das EDEKA-Tengelmann-Kaiser's-Drama liefert weitere Evidenz – Hamburg muss Wettbewerb schützen.

[Antrag der AfD-Fraktion: Die Abschaffung der Ministererlaubnis im Fusionsverfahren. Das EDEKA-Tengelmann-Kaiser's-Drama liefert weitere Evidenz – Hamburg muss Wettbewerb schützen – Drs 21/6173 –]

Die AfD-Fraktion möchte diese Drucksache an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien überweisen. – Das Wort wird gewünscht von Herrn Professor Kruse von der AfD-Fraktion.

(Zurufe von der SPD: Wo ist eigentlich Ihre Fraktion?)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!

(Hansjörg Schmidt SPD: Jetzt kommt der Aufpasser!)

Im vorliegenden Fall spielt ein Hamburger Unternehmen, nämlich EDEKA, eine Hauptrolle, aber der Schurke im Stück vom Standpunkt deutscher Konsumenten aus ist Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

(Hansjörg Schmidt SPD: Jetzt weiß ich, warum alle rausgegangen sind!)

Es gibt eine ziemlich klare empirische Evidenz dafür, dass die Gewinne in einem Markt beziehungsweise einer Branche mit zunehmender Konzentration ansteigen, insbesondere in Märkten, die schon relativ hochkonzentriert sind. Mit anderen Worten: Die Preise sind höher und die Nachfolger zahlen die Zeche für die höheren Gewinne.

Im Lebensmitteleinzelhandel, um den es hier geht, sind das in sehr bemerkenswerter Eindeutigkeit die Konsumenten, und zwar alle Konsumenten. Dass die normalen Konsumenten in Hamburg und anderswo den Preis für eine höhere Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel zahlen, ist das erste wichtige Faktum, das ich hier betonen möchte.

Das zweite Faktum ist die dadurch steigende Nachfrage auf der Beschaffungsseite. Das heißt, die Großen, hier insbesondere EDEKA, erhalten tendenziell noch höhere Rabatte von den Lebensmittelproduzenten und damit Beschaffungspreisvorteile gegenüber den kleineren Handelsunternehmen als vorher schon. Gleichzeitig geraten kleinere Produzenten von Lebensmitteln eventuell

(Thilo Kleibauer)

in verschärfte Existenznöte mit der Gefahr von Arbeitsplatzverlusten.

Die bei Weitem wichtigste Entstehungsursache erhöhter Konzentration sind Unternehmenszusammenschlüsse, also Fusionen. Gleichzeitig sind Zusammenschlüsse die einzige Konzentrationsursache, die die staatliche Wettbewerbspolitik wirksam kontrollieren und verhindern kann. In Deutschland ist das möglich durch die präventive Fusionskontrolle, die 1973 mit der Zweiten Novelle in das GWB, also das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, eingeführt wurde.

Das war sachgerecht und positiv mit einer Ausnahme. Es wurde in Paragraf 42 GWB eine sogenannte Ministererlaubnis eingeführt. Diese ermöglicht dem Bundeswirtschaftsminister trotz Untersagung der Fusion durch das Bundeskartellamt, die Fusion zu genehmigen, wenn – so steht es im Text – im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkungen von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt sei. Diese Regelung, die von der damaligen SPD-FDP-Bundesregierung unter Willy Brandt gewollt war, weil sie dem unabhängigen Kartellamt nicht vertraut hat, ist von Anfang an skeptisch betrachtet worden und insbesondere von Ökonomen als Lobbyparagraf bezeichnet worden, da evident war und weiterhin ist, dass der jeweilige Wirtschaftsminister unter heftigem Lobbydruck der betreffenden Unternehmen und ihrer Betriebsräte geraten würde.

(Beifall bei Dr. Bernd Baumann und Dr. Joa- chim Körner, beide AfD)

Um nun zu verhindern, dass eine für die langfristige Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs so wichtige Sache für eine marktwirtschaftliche Branchenstruktur zum Opfer kurzfristigen politischen Opportunismus wird, schreibt Absatz 4 von Paragraf 42 GWB vor, dass vom Bundeswirtschaftsminister vorher eine Stellungnahme der Monopolkommission einzuholen sei.

In allen Fällen seither – das sind nämlich 31 Anträge, wir sind vor dem EDEKA-Fall – ist der jeweilige Wirtschaftsminister der Empfehlung der Monopolkommission gefolgt. In drei der vier Fällen, in denen der Minister anders entschieden hat, ist das für die jetzige Monopolisierung und Vermachtung im deutschen Energiesektor wesentlich mitverantwortlich. Das waren nämlich die Fälle, mit denen wir unseren Energiesektor ruiniert haben, möchte ich einmal sagen, indem man diese Fusion genehmigt hat.

(Beifall bei Dr. Bernd Baumann und Dr. Joa- chim Körner, beide AfD)

Das hätte eigentlich Herrn Gabriel zu denken geben sollen. Der vorliegende Fall der geplanten Übernahme von Kaiser's Tengelmann GmbH und

noch ein paar Nebengesellschaften ist ein klassisches normales Fusionsverfahren. Das Bundeskartellamt als zuständige unabhängige Behörde hat auf 340 Seiten eine detaillierte und überzeugende wettbewerbsökonomische und rechtliche Analyse geliefert. Das Bundeskartellamt kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die beantragte Fusion wettbewerbsschädlich wäre und hat den Zusammenschluss untersagt. Die Unternehmen EDEKA und Tengelmann haben dann beim Bundeswirtschaftsminister einen Antrag auf Ministererlaubnis gestellt mit dem Argument, eine Nichterlaubnis der Fusion würde einen Arbeitsplatzverlust zur Folge haben.

Die Monopolkommission wurde nach Paragraf 42 Absatz 4 mit der Erstellung eines Sondergutachtens beauftragt zwecks Würdigung, wie es im Gesetz steht, der gesamtwirtschaftlichen Effekte oder eines eventuellen Vorliegens überwiegender Gründe des Gemeinwohls. Die Monopolkommission hat in ihrem Sondergutachten eindeutig klargemacht, dass keineswegs sicher ist, dass bei einer Fusion Arbeitsplätze gerettet werden würden. Es könnte im Gegenteil genauso gut der Fall sein, dass mehr Arbeitsplätze verlorengehen. Auf jeden Fall gibt es keinen Grund anzunehmen, dass die überwiegenden Gründe des Allgemeinwohls die Kartellamtsentscheidung relativieren können. Die Monopolkommission hat also dem Bundesminister der Wirtschaft empfohlen, keine Ministererlaubnis zu erteilen.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat dann aus, ich möchte einmal sagen, kurzfristiger politischer Opportunität die Ministererlaubnis doch erteilt und damit nicht nur das Votum der Monopolkommission, sondern auch die Ratschläge der Experten im eigenen Hause ignoriert, ohne sich mit diesen und deren Argumenten inhaltlich auseinanderzusetzen, ohne insbesondere seine Arbeitsplatzvermutung, möchte ich es einmal nennen, in irgendeiner Weise zu plausibilisieren. Das ist ein schockierendes Beispiel von Beratungsresistenz eines Ministers.

(Beifall bei Dr. Bernd Baumann und Dr. Joa- chim Körner, beide AfD)

Aber wenn es nur darum gehen würde, einen erneuten Beleg dafür zu liefern, dass Sigmar Gabriel als Bundeswirtschaftsminister ungeeignet ist, hätten wir nicht diesen Antrag geschrieben. Von generellerer Bedeutung ist nämlich Folgendes: Man kann in dem aktuellen Fall EDEKA-TengelmannKaiser's einen weiteren Beleg dafür sehen, dass die Ministererlaubnis im Fusionsverfahren von Anfang an eine Fehlkonstruktion war. Die hohe fachliche Expertise der unabhängigen Institutionen im Bundeskartellamt, in der Monopolkommission und gegebenenfalls der zuständigen Gerichte, die so gut wie immer damit befasst werden, und die langfristige Marktstruktur, um die sie sich sorgen soll

ten, sollte auf keinen Fall der kurzfristigen politischen Opportunität geopfert werden, was hier nämlich häufig heißt, dem Lobbydruck der zufällig betroffenen Betriebsräte nachzugeben. Und ich sage einmal bewusst: Diese Betriebsräte sind nur die der betroffenen Unternehmen, und die scheren sich in der Regel überhaupt nicht um den Arbeitsplatzverlust an anderer Stelle, insbesondere nicht an anderen Handelsunternehmen oder etwa bei Produzenten. Dies wäre auch ein dramatisches System in der deutschen Wettbewerbspolitik.

Was folgt jetzt aus den bisherigen schlechten Erfahrungen mit der Ministererlaubnis? Meine Zeit hier am Podium erlaubt es mir nicht, auf die Fälle einzugehen, obwohl ich die meisten ziemlich gut kenne, weil ich über Jahrzehnte quasi im Bereich der Wettbewerbspolitik gearbeitet habe. Die bisherigen schlechten Erfahrungen müssen doch eine Konsequenz haben.

Die konsequenteste Lösung wäre es, die Ministererlaubnis schlicht zu streichen. Dann gilt die Entscheidung des Bundeskartellamts beziehungsweise die Entscheidung der Gerichte, die so gut wie immer im Anschluss angerufen werden. Allerdings – und das ist ein Argument, das häufig vorgetragen wird – käme dann das Bundeskartellamt selbst unter enormen politischen Druck vonseiten der Parteien und der Betriebsräte, was möglicherweise die Unabhängigkeit des Kartellamts in Gefahr bringen könnte.

Wenn man diese Auffassung teilt – und für einige Fälle würde ich persönlich diese Sorgen auch teilen –, dann könnte man das anders machen, indem man nämlich dann die Monopolkommission von einem Beratungsgremium zu einem Entscheidungsgremium umwandelt. Das heißt, es würde dann die Monopolkommission diejenige Institution sein, die schlussendlich entscheiden würde über möglicherweise vorliegende gesamtwirtschaftliche Vorteile einer entsprechenden Fusion, natürlich wie immer mit entsprechender gerichtlicher Überprüfung.

Dies sind die beiden Möglichkeiten, die man hat. Und so haben wir das auch im Antrag geschrieben. Der Hamburger Senat sollte sich also mit dem Bundesrat dafür einsetzen, dass entweder die Ministererlaubnis aus der Fusionskontrolle ganz gestrichen wird, also aus dem GWB, oder die Ministererlaubnis bei der Fusionskontrolle zu einer Monopolkommissionserlaubnis umzuwandeln, sodass die Möglichkeit der Einbeziehung gesamtwirtschaftlicher Effekte auf Antrag dann trotzdem gegeben wäre, aber in diesem Falle eben keine politisch abhängige Institution damit betraut wäre. Das haben wir vorgeschlagen. Und wir möchten Sie bitten, diesen Antrag an den Ausschuss für Wirtschaft zu überweisen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Dr. Bernd Baumann und Dr. Joa- chim Körner, beide AfD)

Als Nächster erhält das Wort Hansjörg Schmidt von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ähnlich wie der Rest der Studentenverbindung von Herrn Professor Kruse, die zu Alpha-Beta, oder wie auch immer die Truppe jetzt heißt, gewechselt ist, haben Sie es auch geschafft, dass zwei Drittel Ihrer Fraktion vorher den Raum verlassen haben, aber wenigstens ist einer Ihrer Aufpasser noch da. Insofern haben Sie ein bisschen etwas erzählt.

Wenn Sie bei dem Vortrag des Herrn Professors nicht komplett eingeschlummert sind, werden Sie festgestellt haben, dass hinter der höflichen und freundlichen Fassade von Herrn Kruse die gleiche Haltung steckt wie bei dem Rest hier rechts außen. Menschliche Schicksale und soziale Werte spielen bei denen keine Rolle.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Bernd Baumann AfD: Das ist doch niederträchtig!)

Mit Ihrer technokratisch verklausulierten Sprache verkleistert die AfD immer wieder, dass ihr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben völlig egal sind.

(Dr. Bernd Baumann AfD: Die wählen aber dann uns!)

Marktteilnehmer sind immer nur die Unternehmen, nie die in ihnen handelnden Personen und auch nie die abhängig Beschäftigten. Dieser Antrag ist ein weiterer Beleg für die unsozialen Vorstellungen, die die AfD in Sachen Wirtschaftspolitik hat, eine Politik, die sich insbesondere gegen die eigene Klientel richtet, meine Damen und Herren von der AfD.