Es kann leider keinen Zweifel geben: Mit den Angriffen auf Pressefreiheit, Demokratie und Rechtsstaat entfernt sich die Türkei weiter von Europa. Das ist darüber hinaus eine hochgefährliche Entwicklung in einem wichtigen NATO-Mitgliedsstaat. In der Analyse – das haben wir heute auch gesehen – sind wir in wesentlichen Punkten einer Meinung. Die Frage ist aber, wie wir damit umgehen wollen. Ich denke, Frank-Walter Steinmeier, unser Außenminister, hat recht, wenn wer sagt, es sei jetzt an den Verantwortlichen in der Türkei, sich darüber klar zu werden, welchen Weg ihr Land gehen will und was das bedeutet für die Beziehung zwischen der Türkei und der Europäischen Union. Oder, um es deutlicher auszudrücken, als es der Außenminister tun kann: Erdogans Politik hat die EU-Mitgliedschaft in weite Ferne gerückt. Sollte es
keinen Kurswechsel in der Türkei geben oder die politische Entwicklung gar noch weiter in die von Erdogan eingeschlagene Richtung zu einem totalitären und autoritären Staat gehen, ist der EU-Beitrittsprozess langfristig gefährdet.
Allerdings bin ich davon überzeugt, dass es richtig ist, die Tür nicht gänzlich zuzuschlagen, den Gesprächsfaden also nicht abreißen zu lassen. Wenn Ankara sich Europa wieder zuwenden sollte, müssen unsere Türen offen bleiben.
Denn andernfalls würden wir die westlich orientierten Erdogan-kritischen Menschen in der Türkei allein lassen, und das werden wir nicht tun.
Zum Schluss noch ein innenpolitischer Hinweis: Die zunehmende politische Polarisierung in der Türkei ist ein Spiel mit dem Feuer. Wir in Deutschland – und dieser Appell richtet sich vornehmlich an die Menschen mit türkischstämmiger Abstammung in unserer Mitte – dürfen auf keinen Fall zulassen, dass die innertürkischen Konflikte hierhergetragen oder gar hier mit nicht demokratischen Mitteln ausgetragen werden. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, ich sehe keine Wortmeldungen mehr zu diesem Thema. Dann kommen wir zum zweiten Thema der Aktuellen Stunde, angemeldet von der FDP-Fraktion
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben jetzt einen Themenbereich besprochen, bei dem wir alle sehr ohnmächtig sind, weil wir eben keine Zuständigkeit haben, und möchten nun nach all diesen Themen – Türkei, Brexit, Wahl in den USA – gern ein Thema auf Tagesordnung bringen, bei dem wir die Möglichkeit haben, tatsächlich etwas zu gestalten. Wir wollen mit dem Thema Gründerpolitik die Chancen betonen, die wir mit einer aktiven Standortpolitik hier in Hamburg haben. Wir haben es selbst in der Hand, diese Stadt zu entwickeln.
Es gibt unterschiedliche Motive für Menschen, in unterschiedliche Regionen der Welt zu ziehen: Es gibt Regionen, in die Menschen ziehen, um Kinder zu bekommen. Es gibt Regionen, in die Menschen ziehen – zum Beispiel im Alter –, um schönes Wetter zu haben,
und es gibt Regionen, in die Menschen ziehen, um Unternehmen zu gründen. Wir wollen, dass Menschen nach Hamburg ziehen, um Unternehmen zu gründen.
Es gibt viele Gründe, warum das wichtig ist für die Stadt: Eine lebendige Gründerkultur bringt Dynamik in die Wirtschaft. Eine lebendige Gründerkultur bringt Innovationen im unternehmerischen Bereich hervor. Viele Unternehmen gründen überhaupt nur, weil sie eine Produkt- oder eine Prozessinnovation hervorbringen wollen und sich damit selbstständig machen. Die Unternehmen steigern damit natürlich auch den Wettbewerb – ein sehr wünschenswertes Mittel, wenn wir auch immer wieder erleben, gerade erst während der letzten Bürgerschaftssitzung beim Thema EDEKA, dass das Thema Wettbewerb bei einigen Fraktionen im Haus immer ausgeklammert wird. Aus unserer Sicht ist das eine sehr wichtige Eigenschaft.
Neu gegründete Unternehmen schaffen natürlich auch Arbeitsplätze. Und vor allem – und jetzt sollten auch Sie zuhören – stärken sie die soziale Durchlässigkeit. Kurzum: Unternehmensgründungen sind extrem wichtig für das Funktionieren einer sozialen Marktwirtschaft und für die Durchlässigkeit einer Gesellschaft.
Doch die Indikatoren für Hamburg zeigen leider ein schlechtes Bild. Die Unternehmensgründungen in Hamburg gehen zurück. Die Zahl der Menschen, die bereit sind, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen, geht zurück. Der rot-grüne Haushalt offenbart übrigens genau das Gleiche. Das heißt, wir können mit dem Status quo nicht zufrieden sein.
Es ist aus unserer Sicht staatliche Aufgabe, für bestmögliche Rahmenbedingungen für Unternehmen in dieser Stadt zu sorgen, und das beginnt schon in der Schule. Da wird man in einer Hamburger Schule heute noch möglicherweise von einem altachtundsechziger Lehrer in Wirtschaft unterrichtet. Dass dabei dann nichts Gescheites herauskommt zum Thema soziale Marktwirtschaft, können Sie sich wohl alle vorstellen.
Sie kommen in dieser Stadt in den Schulen mit dem Thema Unternehmen und Unternehmensgründungen nicht in Kontakt. Das gleiche Bild zeichnet sich in vielen Universitäten leider weiter; löbliche Ausnahme ist übrigens TU in Harburg, aber die ist auch wesentlich angewandter als viele andere Universitäten. Wir wollen, dass junge Menschen in dieser Stadt zur Übernahme von Verantwortung ermutigt werden und dass die Schule schon die Basis dafür legt.
Was macht denn aber dieser Senat, damit man auch in Hamburg Lust bekommt, ein Unternehmen zu gründen? Ich fange einmal an. Was macht ein Gründer, der heute nach Hamburg kommt, als Allererstes? – 60 Tage auf einen Termin in einem Bürgeramt warten, nur um seine Ummeldung vornehmen zu können. Dafür muss er zweimal zum Amt, digital ist da gar nichts. Dann geht er durch die Stadt und versucht, irgendwo WLAN zu bekommen. Aber nein, das geht nicht, weil Sie es immer noch nicht gebacken bekommen haben, dass es vernünftigen WLAN-Ausbau in dieser Stadt gibt. Dann sucht dieser junge Gründer, der sich eigentlich auf seine Unternehmensgründung konzentrieren möchte, nach einer Wohnung. Ist viel zu teuer. Mietpreisbremse – auch das Thema haben Sie nicht in den Griff bekommen.
Dann findet dieser Gründer eine Wohnung, zum Beispiel in der HafenCity, und was stellt er fest? Auch da hat er keine Breitbandversorgung. Alle innovativen Unternehmen im Bereich Digitales scheitern schon einmal daran, dass Sie es nicht schaffen, den Infrastrukturausbau in dieser Stadt auf die Kette zu bekommen.
Meine Damen und Herren, die Politik dieses Senats entmutigt Gründer, besonders im Digitalbereich. Olaf Scholz und seine Digitaltruppe – sie sind heute auch gar nicht da, die zuständigen Senatoren – sollten endlich aufwachen und Hamburg zur Gründerhauptstadt in Deutschland machen.
Spannend wird es, wenn man sieht, dass Sie nicht einmal die Ziele erreichen, die Sie sich selber setzen. Wir hören ja schon fast auf, Sie an unseren Zielen zu messen. Das brauchen wir gar nicht; schauen wir auf die Ziele, die Sie sich selbst setzen. Wissensbasierte Gründerplattform – nichts ist geschehen. Innovations-Wachstumsfonds – wie viel Geld haben Sie schon zur Verfügung? Null Euro. Ich wiederhole: null Euro. In Zahlen: 0 Euro. Gar nichts haben Sie da hinbekommen. Stattdessen widmen Sie sich Nischenthemen wie Gründungen für Flüchtlinge. Das ist löblich, aber es bringt diese Stadt nicht weit genug voran. Handeln Sie
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird uns häufig vorgeworfen, die Hamburger Politik generell kümmere sich nicht um das Thema Existenzgründung; Sie fangen dann auch noch an, das konkret herunterzubrechen auf uns. In Wahrheit ist dieser Vorwurf falsch, denn dass die Hamburger Politik sich insgesamt sehr stark um das Thema Existenzgründung kümmert und ihm einen größeren Stellenwert zurechnet als in der Vergangenheit, zeigt sich schon daran, dass wir dieses Thema so oft wie kaum ein anderes in dieser Legislaturperiode diskutiert haben. Das begrüßen wir absolut. Wir sollten das auch weiterhin tun, um dieses für unsere Stadt so wichtige Thema weiter nach vorn zu bringen, und sollten uns dabei in der Tat weiterhin austauschen.
Meine Damen und Herren, das ist natürlich nicht so. Generalkritik ist noch lange kein politisches Programm. Schneidige Pressemitteilungen und lautstarke Reden in der Bürgerschaft verbessern von keinem Start-up die Situation. Im Gegenteil, Herr Kruse: Schlechtreden des Standorts demotiviert die Gründer, verunsichert die Geldgeber und behindert Hamburg in der Aufholjagd, zu der wir angetreten sind.
Wenn Sie dann auch noch, wie Sie es neulich gemacht haben, Zahlen aus dem Deutschen Startup Monitor missinterpretieren und kritisieren, dass Hamburg gemäß dieser Studie angeblich an Boden verliere bei den Gründungen, Sie dabei aber übersehen, dass der prozentuale Rückgang daran liegt, dass die Grundgesamtheit der untersuchten Gebiete erhöht wurde, lieber Herr Kruse, dann lassen Sie sich einmal von Ihrem Namensvetter erklären, wie das mit Statistik so funktioniert.
Bei so einem Auftritt ist es kein Wunder, dass in der Start-up-Szene selbst Äußerungen fallen wie in diesem Fall von Hamburg Startups – ich zitiere von der Webseite –:
solute Aussagen aus einer Erhebung wie dem DSM herausholen. Ein zweiter und dritter Blick auf die Zahlen vermittelt ein wesentlich differenzierteres Bild. Auch wenn sich das nicht so wirkungsvoll vermarkten lässt."
An dieser Stelle erlauben Sie mir einen kurzen Glückwunsch an Sina Gritzuhn von Hamburg Startups. Sie hat heute Geburtstag. Wir finden, dass Hamburg Startups eine hervorragende Arbeit für die Hamburger Start-up-Szene leistet.