Protokoll der Sitzung vom 09.11.2016

Und die Lösung kann weder darin liegen, dass man entgegen jeglicher Vernunft und den demografischen Wandel einfach ignorierend den Status quo festschreiben beziehungsweise das Rad sogar zurückdrehen will, so wie es DIE LINKE mit ihrem Antrag will, den wir natürlich auch ablehnen werden.

Die Lösung kann aber genauso wenig sein, dass man einfach nur die Rente mit 69 fordert. Da ist schon etwas mehr Mut gefragt. Und deswegen will ich Ihnen jetzt vier Vorschläge machen, wie wir die Rente auch für künftige Generationen fit machen können.

Erstens: Wir müssen erkennen, dass Menschen heute länger leben, zum Glück, und sie arbeiten flexibler. Statt angestellt, Vollzeit und unbefristet, gibt es heute mehr und mehr den flexiblen Wechsel zwischen Anstellung, Selbstständigkeit und Unternehmertum. Wir brauchen daher ein Rentensystem, das verlässlich und fair finanziert ist und das eben zu den unterschiedlichen Lebensentwürfen passt. Wir brauchen einen individuellen Rentenbaukasten, der verpflichtende und freiwillige Vorsorgeelemente enthält.

(Beifall bei der FDP)

Und dieser Baukasten muss sich zusammensetzen aus drei Elementen: aus gesetzlicher Rente, aus betrieblicher Rente und aus privater Vorsorge.

(Wolfgang Rose SPD: Das ist ja ganz was Neues!)

Die private Vorsorge, da bin ich sicher, brauchen wir weiterhin, wir dürfen sie nicht abschaffen,

(Wolfgang Rose SPD: Ein echter Neu-Ent- wurf!)

sondern wir müssen sie besser machen, Herr Rose, durch bessere Vergleichbarkeit und mehr Verbraucherfreundlichkeit. Und die betriebliche Altersvorsorge muss ebenfalls attraktiver werden, sie mit doppelten Sozialabgaben zu belasten ist einfach unfair.

Zweitens: Wir brauchen kein starres Renteneintrittsalter, sondern endlich einen flexiblen Renteneintritt. Wir wollen, dass die Menschen schon ab dem 60. Lebensjahr selbst entscheiden, wann sie in Rente gehen können. Wer länger arbeitet, bekommt mehr, wer früher aufhört, bekommt weniger. Die einzige Voraussetzung ist, dass die Bezüge zum Rentenbeginn über der Grundsicherung

liegen. Hinzuverdienstgrenzen nach dem Renteneintritt – sie sollen komplett wegfallen – sind überflüssig.

(Beifall bei der FDP)

Und drittens ist es natürlich richtig und wichtig, Altersarmut wirksam zu bekämpfen. Heute sind es im Bundesdurchschnitt 3 Prozent der Rentner, die auf Grundsicherung angewiesen sind. In Hamburg sind die Zahlen höher, und sie werden in Zukunft auch im Bundesgebiet steigen. Heute zwingt der Staat diese Menschen auf das Sozialamt, was für viele eine riesengroße Hürde ist. Aber es geht auch anders. Die Grundsicherung muss zwar aus Steuermitteln finanziert werden, nicht aus Rentenbeiträgen, das ist klar, dennoch sollten wir den Menschen nach einem längeren Arbeitsleben den Gang auf das Sozialamt ersparen. Denn der reine Vorgang der Auszahlung von Rente und Grundsicherung kann unter dem Dach der gesetzlichen Rentenversicherung zusammengeführt werden. Wer also mit der Rente nur ein unzureichendes Einkommen hat, der soll eben Rente und Grundsicherung aus einer Hand ausbezahlt bekommen. Das ist nicht nur unbürokratisch, das lässt den Menschen auch ihre Würde.

Wir sollten aber auch darauf achten, dass die private Altersvorsorge in jedem Fall lohnt. Einkünfte aus einer freiwilligen Altersvorsorge dürfen daher nur teilweise auf die Grundsicherung angerechnet werden. Es muss einen Unterschied machen, ob jemand sich angestrengt hat, selbst vorgesorgt hat oder eben nicht. Und das ist eine Frage der Leistungsgerechtigkeit.

(Beifall bei der FDP)

Viertens: Die Menschen brauchen mehr Transparenz und Klarheit darüber, was sie im Alter an Rente erwarten dürfen. Über die Hälfte der Bevölkerung kann das Einkommen fürs Alter nicht richtig einschätzen. Wir wollen daher ein Online-Vorsorgekonto, das den Bürgern – natürlich unter Einhaltung des erforderlichen Datenschutzes – stets aktuell und zuverlässig aufzeigt, welche Ansprüche schon erworben wurden und wo noch nachgebessert werden muss, im eigenen Interesse und natürlich auch im Interesse des Steuerzahlers.

Das Rentensystem der Zukunft kann nur funktionieren, wenn es einen fairen Ausgleich zwischen Jung und Alt gibt. Es war ein Riesenfehler, dass die Große Koalition in dieser Legislaturperiode mit der Rentenreform eine milliardenteure, aber weitgehend …

(Glocke)

(unterbrechend) : Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Hannemann zu?

(Katja Suding)

Ja, bitte.

Das ist alles schön und recht. Eine Frage: Sie sagen, wer länger arbeitet, soll auch länger Rente oder eine höhere Rente bekommen, und wer nicht, der nicht. Jetzt nehme ich nur einmal einen Berufszweig heraus, den ganzen Care-Bereich. Ich glaube, wir können nicht erwarten, dass die Menschen bis 65, 67 oder gar 70 Jahren arbeiten, das funktioniert nicht. Das heißt, wir haben hier nur eine Gruppe von Menschen, die sich wirklich für andere Menschen aufopfert, sowohl körperlich als auch psychisch, und die Menschen sollen dann nach Ihrer Vorstellung oder der Vorstellung der FDP entsprechend weniger Rente bekommen, weil sie früher in Rente gehen, da sie nicht mehr arbeiten können. Gibt es da einen Ausgleich zum Beispiel im Care-Bereich oder für Bauarbeiter oder den Handwerksbereich?

Frau Hannemann, ich habe es gerade beschrieben. Wenn sie länger arbeiten, bekommen sie mehr, wenn sie weniger arbeiten, bekommen sie weniger. Das ist, glaube ich, verständlich. Die Voraussetzung jedoch, früher aufzuhören, ist, dass die Mindestgrundsicherung auch vorliegt. Sie haben gerade Fälle beschrieben, solche Fälle gibt es, das negieren wir gar nicht. Das habe ich gerade beschrieben, wie wir da unbürokratisch vorgehen werden und wie wir da auch eine Lösung gefunden haben, nämlich die Auszahlung unter einem Dach in der gesetzlichen Rentenversicherung. Aber das, was über die Grundsicherung hinausgeht, muss eben aus Steuermitteln finanziert werden.

Kurze Nachfrage. Analog dann … – Glocke)

(unterbrechend) : Frau Abgeordnete Hannemann, das kann nicht zu einem Dialog werden. – Frau Abgeordnete Suding, Frau Hannemann möchte erneut eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie diese Frage zu?

Wenn wir schon einmal dabei sind.

Vielen Dank. Das bedeutet zum Beispiel bei dieser Menschengruppe, dass sie so viel Rente bekommt wie jemand, der einfach, weil er es schafft, später aufhört zu arbeiten? Habe ich das jetzt richtig verstanden? Das heißt, er bekommt einen solidarischen Ausgleich, weil er aufgrund dessen, dass er nicht länger arbeiten kann, früher aufhören muss.

Nein, ich unterbreche Sie gleich einmal direkt. Derjenige, der seine Grundsicherung, aus welchen Gründen auch immer, nicht erspart hat mit einer Rente, der bekommt sie aufgestockt. Ich glaube, da sind wir uns auch alle einig.

(Dirk Kienscherf SPD: Ja!)

Ich war gerade dabei, die Rentenpolitik der Großen Koalition zu kritisieren. Da hat man ein milliardenteures Rentenpaket geschnürt, das war weitgehend wirkungslos, insbesondere, was das Thema Altersarmut angeht. Das war eine Rolle rückwärts. Ich fand es verantwortungslos. Wir werden doch immer älter, und die Große Koalition senkt das Renteneintrittsalter auf 63 Jahre, das war wirklich absurd.

In dem Petitum des Antrags der LINKEN ist aber auch nur die Rede vom Rentenniveau, über die Entwicklung der Rentenbeiträge steht darin nichts. Eine Rentenreform darf aber nicht einseitig auf dem Rücken der jungen Generation ausgetragen werden, das ist ebenfalls ein großer Kritikpunkt von uns. Wir müssen immer dafür sorgen, dass der aktiven Erwerbsgeneration der Freiraum für eigene Altersvorsorge gelassen wird.

Dann gibt es noch viele andere Rahmenbedingungen, über die man reden müsste. Natürlich ist das die Niedrigzinspolitik der EZB, die muss ein Ende haben. Auch die Notwendigkeit eines Zuwanderungsgesetzes, das qualifizierte Zuwanderung braucht. Auch das brauchen wir. Davon will ich heute gar nicht sprechen, es ist schon spät, aber ich rate doch dazu, dass man diese Themen nicht aus dem Auge verliert, wenn man über ein gelungenes Rentenkonzept sprechen möchte. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Von der AfD-Fraktion bekommt nun Herr Dr. Körner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Bürger erhalten in der Tat sehr bescheidene Renten. Das ist beschämend, insbesondere wenn man bedenkt, dass viele Rentner über 40 Jahre Beiträge gezahlt haben. Und wenn man die Relationen der Renten betrachtet von Personen, die über die Jahre erheblich einbezahlt haben und derer, die wenig oder nichts dazu beigetragen haben, zeigt sich eine große Ungerechtigkeit. Von dieser beschämenden und höchst ungerechten Situation wissen die Bürger durchaus und machen zu Recht die Politiker, die in den letzten Jahrzehnten die Verantwortung trugen, verantwortlich.

Einige Probleme des Rentensystems wurden hier schon genannt. Dazu ist zu bedenken, dass eben viele fremde Leistungen auch bezahlt wurden. Die

Rentenzahlungen müssen wieder zu dem werden, wozu sie gedacht sind, nämlich die Sicherung des Lebensstandards im Alter. Deswegen stimmen wir im Prinzip dem Antrag der LINKEN zu, im Detail jedoch gibt es große Abweichungen. – Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt nun Herr Celik von der Fraktion DIE LINKE.

(Wolfgang Rose SPD: Hier ist nicht der Bun- destag!)

Frau Suding, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört, allerdings finde ich, Ihre Vorschläge gehen an der Realität vorbei. Wenn Sie vorschlagen, das Renteneintrittsalter auf 69 Jahre zu erhöhen, ist das faktisch eine Rentenverkürzung.

(Katja Suding FDP: Das habe ich nicht vor- geschlagen! Ich habe gesagt, das ist nicht die Lösung! Da haben Sie nicht zugehört!)

Wie bitte?

(Zuruf von Katja Suding)

Aber Sie sind doch für eine Erhöhung des Rentenalters.

(Zuruf von Katja Suding)

Auf jeden Fall sind wir gegen eine Erhöhung des Rentenalters. Wir fordern stattdessen, dass das Renteneintrittsalter wieder auf 65 Jahre gesenkt werden muss. Und dann sprachen Sie über die private Altersvorsorge. Wie sollen Menschen, die vom Mindestlohn leben, die überhaupt Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen, Geld für die private Altersvorsorge sparen? Das würde ich gern einmal von Ihnen erfahren. Eine private Altersvorsorge wird überwiegend von gut verdienenden Menschen in Anspruch genommen, und das ist keine Lösung für die Bekämpfung der Altersarmut.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie sich die Entwicklung der Riester-Rente ansehen, wenn Sie einmal schauen, wie die Renditen sind, sehen Sie, dass diese niedriger sind als bei der gesetzlichen Rentenversicherung. Das hängt mit den niedrigen Zinsen auf dem Markt und mit der Finanzmarktkrise zusammen. Und das zeigt doch, dass die Riester-Rente gescheitert ist.

(Katja Suding FDP: Habe ich doch alles an- gesprochen!)

Genau, ja. Ich sage es aber noch einmal.