Protokoll der Sitzung vom 30.11.2016

Das jetzt durchzupeitschen, ohne vorher in den Ausschuss zu gehen, ist ein Skandal. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Duwe von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Thema als ersten Debattenbeitrag anzumelden bedarf einer großen Chuzpe, das muss ich ehrlich sagen.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Wieso das denn?)

Meine Hochachtung für den Mut der SPD und der GRÜNEN. Ich komme jetzt gleich zu Ihrem Vorschlag. Ich finde es sehr gut, dass wir endlich einmal ein bisschen mehr Effizienz bei der Sauberkeitsfrage erhalten werden und die Stadtreinigung geprüft hat, wo sie Gelder in ihrem Haushalt noch besser umshiften kann. Aber vielleicht sollte man prüfen, ob man es dabei belassen kann oder ob man noch Geld braucht. Jetzt einfach zu sagen, man brauche mehr Geld nach dem Motto, die Stadt sei nicht hundertprozentig sauber, man habe im Haushalt keine 25 Millionen Euro, die das finanzieren würden, und für die Sauberkeit müsse die Bürgerin und der Bürger, in Anführungszeichen, aufkommen, bringt mich zu dem, was man als Verursacherprinzip ansehen sollte. Wie kommen Sie darauf, dass diejenigen, die in der Kundendatei der Stadtreinigung sind, diejenigen sind, die für die Sauberkeit der Parks und anderer öffentlicher Flächen zuständig sind und das bezahlen sollen? Worin besteht die Ursache? Dafür gibt es überhaupt keine Ursache. Dann könnten wir die Gebühren auch gleich anders umlegen. Man könnte zum Beispiel die üblichen Verdächtigen – Pendler, Autofahrer oder auch Einwegbechernutzer – belasten.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Pfandsystem ist auch doof, oder?)

Das wäre auch eine Möglichkeit. Ich sage Ihnen, weshalb wir unter anderem dagegen sind, eine Extragebühr einzuführen für etwas, das Kernaufgabe dieser Freien und Hansestadt Hamburg sein sollte und sein muss.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Detlef Ehlebracht AfD)

Sie werden mir zustimmen, dass in Hamburg alles einigermaßen in Ordnung ist, aber hundertprozentige Ordnung ist es wahrscheinlich auch nicht. Den BOD und diverse andere Sachen haben wir abgeschafft. Da könnte doch jemand auf die Idee kommen, noch einmal 500 Leute einzustellen, und dann zahlen alle Mieterinnen und Mieter Ordnungsgebühr.

Wenn wir schon einmal dabei sind: Wir wissen, dass wir keine hundertprozentige Sicherheit haben – zum Beispiel Einbrüche. Dann müssten wir ei

(Stephan Jersch)

gentlich auch noch mehr Leute bei der Polizei einstellen. Dann haben wir auch eine Sicherheitsgebühr. Und es geht dann immer so weiter. Nein, tut mir leid, das ist ordnungspolitisch ein Offenbarungseid. Wenn man es nicht schafft, aus einem Haushalt 20 Millionen Euro oder 25 Millionen Euro zu nehmen, die man angeblich braucht, dann kann ich sagen, dass die Sauberkeit bei diesem Senat unterste Priorität hat.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das machen Sie, oder? Ich warte auf Ihren Haushaltsantrag, Herr Dr. Duwe!)

Nein, das brauche ich nicht zu sagen. Alle Posten in Ihrem Haushalt sind Ihnen wichtiger als 25 Millionen Euro im Jahr für Sauberkeit.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir haben genügend Vorschläge zur Einsparung gemacht. Aber, Herr Dr. Tjarks, Sie als Lehrer wissen ja alles besser. Sie haben uns vorhin etwas über Schlick erzählt. Darüber habe ich zehn Jahre lang geforscht. Sie haben uns hier den größten Mist erzählt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Dr. Duwe, ich glaube, den letzten Satz sollten Sie im Hinblick auf die parlamentarischen Gepflogenheiten überdenken. – Das Wort bekommt Frau Oelschläger von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die rotgrüne Regierungskoalition stellt zunächst einmal das Offensichtliche fest, das jeder sieht, der regelmäßig in der Stadt unterwegs ist. Die Sauberkeit im Straßenbild muss verbessert werden, damit Hamburg weiterhin eine lebenswerte und attraktive Stadt bleibt. Sauberkeit ist nicht nur eine Frage der Ästhetik, sondern vermittelt auch ein Gefühl von Sicherheit und Wohlbefinden und kommt den Menschen zugute, die die Parks und Plätze nutzen.

(Dr. Monika Schaal SPD: Und wer hat das gerade gesagt?)

Das haben Sie gesagt, aber es hätte auch von uns kommen können.

Die rot-grüne Regierungskoalition stellt weiterhin fest, dass eine der Ursachen die Unterfinanzierung der Bezirke im Bereich Pflege von Grün- und Erholungsanlagen ist. Schon wieder richtig. Das Problem ist also erkannt. Leider verschweigen Sie, dass es der SPD-Vorgängersenat war, der 2013 den Bezirklichen Ordnungsdienst abgeschafft hat, der im Wesentlichen diese Aufgaben wahrgenommen hat, die Sie jetzt der Stadtreinigung übertragen möchten. Sich nun dafür feiern zu lassen, ein Problem lösen zu wollen, das man selbst geschaf

fen hat, ist etwas merkwürdig. Die Maßnahme selbst hingegen ist richtig. Es müssen mehr Ressourcen für Ordnung und Sauberkeit in unserer Stadt bereitgestellt werden und es muss der politische Wille formuliert werden, die ganze Stadt sauber zu halten. Dazu, dass Sie nun nach Jahren Desinteresses dazu bereit sind, beglückwünsche ich Sie ausdrücklich. Die Kernfunktion eines städtischen Ordnungsdienstes wollen Sie nun zentral bei der Stadtreinigung ansiedeln. Wenn man die Kompetenzen der Stadtreinigung nutzen will, ist diese Zentralisierung notwendig. Gut organisiert kann das funktionieren. Sie sehen uns also an Ihrer Seite, wenn es um ein sauberes, ein sicheres und ein schöneres Hamburg geht.

Doch wir sprechen auch Punkte an, wo Ihre Pläne Schwächen haben und wo Sie dringend nachbessern müssen. Sie legen in wohlklingenden Worten dar, wie sauber alles werden wird, und verstecken dann im Petitum, wer das bezahlen soll. Die Zuweisungen an die Bezirke wollen Sie nicht kürzen. Das ist gut so, denn die Bezirke benötigen das Geld zur Pflege der Grünanlagen auch ohne den Stadtreinigungsauftrag. Nein, Sie wollen eine weitere Steuer einführen, die Sie Straßenreinigungsgebühr nennen. Ganz transparent möchten Sie das gestalten und sozial angemessen. An dieser Stelle glaube ich Ihnen nicht. An dieser Stelle bürden Sie den einfachen Mietern und den Bewohnern eines Einfamilienhauses die Kosten für die früheren politischen Fehlentscheidungen auf.

Das Wohnen in Hamburg ist schon teuer genug. Gestiegene Energiepreise infolge der ideologisch motivierten Energiewende, höhere Grundmieten durch immer höhere Auflagen für das Dämmen, steigende Wasserpreise – alles zusätzlich zur starken Nachfrage nach Wohnraum. Und zu allem Überfluss werden Sie jetzt auch noch erfinderisch bei der Finanzierung von Kernaufgaben des Staats. Sie missachten die Zusammenhänge, auf die Sie erst noch wortreich hinweisen. Touristen aus aller Welt und Pendler aus dem Umland profitieren selbstverständlich auch von einer höheren Attraktivität öffentlicher Plätze. Warum Sie die Finanzierung über eine Straßenreinigungsgebühr gerade auch von Nichtanliegern anstreben, jedenfalls ohne erkennbare Kausalität zu den zu reinigenden Plätzen, das bleibt Ihr Geheimnis. Die Finanzierungspläne sind hochgradig ungerecht. Die Straßenreinigungsgebühr soll unabhängig davon anfallen, ob öffentliche Parks, Plätze oder touristisch interessante Anlaufstellen überhaupt in der Nähe vorhanden sind. Eine gute Grundidee und ein Anliegen, dem sich kaum jemand ernsthaft entziehen kann, ist im Detail noch kritisch zu bewerten. Sie tun diese Bedenken ab und versuchen, den Hamburgern Sand in die Augen zu streuen. Für jeden Kokolores ist Geld vorhanden. Wir leben in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen und Sie wollen die Bürgerinnen und Bürger immer weiter

(Dr. Kurt Duwe)

schröpfen. Das sollte Ihnen aber nicht gelingen. Die Details Ihrer Pläne werden sich in der Öffentlichkeit nicht verbergen lassen. Dann wird deutlich klar werden, wofür dieser Senat steht. Er steht für Ungerechtigkeit, er steht für Intransparenz und auch für unsoziale Lösungen. Wir können Ihrem Antrag so nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt Senator Kerstan.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Erst einmal freue ich mich über diesen Antrag, denn er zeigt eines sehr deutlich, nämlich dass die Regierungsfraktionen, der Senat und die Behörde für Umwelt und Energie in die gleiche Richtung denken und arbeiten, um unsere Stadt schöner, lebenswerter und sauberer zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Dr. Jörn Kruse AfD: Tonne!)

Ich freue mich auch deshalb, zu diesem Antrag reden zu können, weil die Debatte deutlich gemacht hat, dass große Teile der Opposition noch nicht so richtig verstanden haben, was das bedeutet, und ich eine ganze Reihe von Missverständnissen und teilweise auch von bewusster Fehlinformation richtigstellen kann.

(Dirk Nockemann AfD: Es ist Ihnen nicht ge- lungen, dieses deutlich zu machen!)

Ich glaube, das ist bei einem so wichtigen Thema richtig, bevor Sie jetzt anfangen, eine sehr populistische Kritik in Richtung einer Initiative zu üben, die im Moment in großen Teilen der Stadt auf sehr große Zustimmung stößt. Denn die Sorgen und die Beschwerden der Menschen über Sauberkeit in unserer Stadt sind berechtigt und wir nehmen sie ernst. Als erster Senat seit langer Zeit werden wir dieses Problem strukturell, dauerhaft und an allen Orten in unserer Stadt lösen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Mi- chael Kruse FDP: Dass Sie die Bürger zu- sätzlich schröpfen, findet das auch ihre Zu- stimmung?)

Ich möchte auch gern mit dem Missverständnis aufräumen, dass es allein darum geht, Schmuddelecken zu beseitigen, die es an vielen Stellen gibt, wo Leute sich nicht an die Regeln halten. Die Lebensverhältnisse und Lebensweisen der Menschen in unserer Stadt haben sich in den letzten Jahrzehnten, wie ich finde, positiv geändert. Die Menschen leben immer mehr draußen, auf Plätzen, Straßen und in den Parks. Im Sommer bringen wir Hamburgerinnen und Hamburger als Nordlichter es mit einem lebendigen Leben auf unseren Plätzen manchmal schon zu fast mediterranen

Abenden, gerade in den Parks. Die Menschen empfinden mittlerweile die Parks und Grünanlagen praktisch als ihre Wohnzimmer. Heute wird in den Parks nicht nur am Sonntag spazieren gegangen, sondern es wird dort gespielt, gepicknickt, gekickt und gegrillt. Das ist auch gut so und soll so bleiben. Aber zwangsläufig entstehen dort auch notwendige zusätzliche Aufgaben, die Parks nach solchen schönen Abenden sauber zu halten. Das war in den letzten Jahren unterfinanziert. Das werden wir in Zukunft ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir wollen in der Tat nicht nur die Schaufenster in der inneren Stadt sauber machen, sondern gerade auch in allen Quartieren, weil die Menschen in ihrem Quartier, auf ihrem Platz, in ihrem Park vor der Haustür viel mehr leben. Dabei möchte ich betonen, dass das auch eine wichtige soziale Bedeutung hat. Die soziale Bedeutung der Grünanlagen und des öffentlichen Raums darf man nicht unterschätzen. Die Menschen in unserer Stadt sind zum Glück unterschiedlich und vielfältig. Sie begegnen sich im öffentlichen Raum, in öffentlichen Parks, und in der Regel wird dort Rücksichtnahme und Toleranz geübt; meistens funktioniert das auch ganz gut. Aber gerade für diejenigen in unserer Stadt ist es umso wichtiger, dass sie sich draußen auf Plätzen oder in Parks wohlfühlen, gerade diejenigen, die keinen eigenen Garten haben. Gerade diejenigen, die in beengten Wohnverhältnissen leben, sind darauf angewiesen, dass die Aufenthaltsqualität in den Parks und auf den Straßen und Plätzen gut ist. Insofern ist das eine Maßnahme, die die Lebensqualität gerade der weniger Begüterten in unserer Stadt verbessert, und es ist deshalb auch eine wichtige soziale Aufgabe, die vielen Menschen in unserer Stadt zugutekommen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Gerade diese stärkere Nutzung des öffentlichen Raums und der Grünanlagen im Vergleich zu früher machen einen zusätzlichen Aufwand notwendig, um diese sauber zu halten. Dabei geht es nicht nur darum, Leuten etwas hinterherzuräumen. Es gibt mit der neuen Lebensweise neue Problemlagen, die es vor wenigen Jahren so noch nicht gab. Das Beispiel Coffee-to-go-Becher verdeutlicht dies sehr gut. Vor zehn Jahren ist in dem Bereich wenig Müll angefallen; mittlerweile sind es täglich Hunderttausende Becher in unserer Stadt. Frau Sparr hat gestern ihr Projekt vorgestellt, die Coffee-to-go-Wegwerfbecher nicht zu verbieten, sondern durch Mehrwegbecher zu ersetzen – also ein Angebot, das bequem ist, aber Ressourcen verbraucht und belastet, durch ein Angebot zu ersetzen, das immer noch bequem, aber gleichzeitig gut für die Lebensqualität, gut für die Ressourcen und auch gut für die Sauberkeit in unserer Stadt ist. Das ist eine sehr lobenswerte Initiative. Auch hier

(Andrea Oelschläger)

zeigt sich, dass dieser Senat auf neue Problemlagen reagieren wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir wollen nicht an den Symptomen herumdoktern, sondern endlich einen großen Wurf machen, mit dem wir dauerhaft und strukturell an allen Stellen für eine bessere Sauberkeit in unserer Stadt sorgen. Deshalb – Herr Gamm, hören Sie genau zu – wollen wir unsere Sauberkeitsinitiative mit einem ganz klaren Leistungsversprechen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern verbinden.

(Glocke)

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kruse?

Herr Kruse, aber immer.

Herr Kruse, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Kerstan. – Ich habe vor zwei Wochen ein Kochbuch von der Stadtreinigung zugeschickt bekommen. Nun assoziiere ich persönlich niemanden mehr mit Kochbüchern als die Müllabfuhr, aber meine Frage lautet: Haben Sie tatsächlich alle Einsparpotenziale bei der Stadtreinigung überprüft, wenn ich Kochbücher von der Stadtreinigung zugeschickt bekomme?