Protokoll der Sitzung vom 15.12.2016

(Dirk Kienscherf SPD: Wir brauchen die Mauer!)

Was erzeugt das? Es erzeugt Druck auf dem Kessel. Und dann der offene Widerspruch in diesem Leitbild: In jeder Drucksache, die das Leitbild der wachsenden Stadt thematisiert, ist fortwährend von der grünen Stadt die Rede und davon, dass diese unbedingt erhalten werden müsse. Wie sieht es denn mit den Wohnungsbauzielen aus und der damit einhergehenden Entgrünung der Stadt, der Verschattung durch die Zunahme mehrgeschossiger Häuser, der Versiegelung großer Flächen dieser Stadt – vom Bau der Asylunterkünfte in Landschaftsschutzgebieten einmal ganz zu schweigen? Da verschwinden zunehmend einzelne Sportplätze, auch das Freiräume, die dann irgendwo, vielleicht in weit entfernt liegenden Sportzentren, wieder aufzutauchen. Da müssen Schrebergärtner aufgrund dieses Leitbilds um den Fortbestand ihres Kleingartenvereins Angst haben. Auch diese Schrebergärten sind Naherholungsgebiete. Wie grün kann die Stadt da noch bleiben? Welch ein Gewinn erfolgt daraus? Ein Zugewinn an Lebensqualität, weil man jetzt in einer pulsierenden Stadt lebt? Wann überschreitet das unlimitierte Wachstum einen Zenit, wo sich positives Wachstum in negatives Wachstum wandelt, wenn die gefühlte Lebensqualität, die nur schwer zu messen ist, bei den Bürgern abnimmt?

(Jörg Hamann CDU: Was wollen Sie uns ei- gentlich sagen?)

Dazu komme ich noch, Herr Hamann.

Das ist aber nur ein Negativaspekt. Gestern habe ich kurz angerissen, welche verkehrspolitischen Probleme daraus entstehen. Auch diese hängen in einem nicht geringen Maße mit dieser Wachstumsstrategie zusammen, die sich überwiegend auf das eigene Wohlergehen ausrichtet und alles ins Zentrum ziehen will. Wie würde es denn aussehen, wenn wir die Randbezirke unserer Stadt diesseits

(Jens Meyer)

und jenseits der Landesgrenzen stärkten? Wenn die Metropolregion in Gänze gestärkt würde, und zwar weit mehr, als das bisher beabsichtigt und praktiziert wird, sowohl in Hinsicht auf den Wohnungsbau als auch im Hinblick auf die Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen? Wie viele Straßen müssten wir nicht ausbauen oder überhaupt nicht bauen, wenn wir so handeln würden? Wie viele Millionen Stunden im Stau stehende Autofahrer würden über die Jahre erspart bleiben, wenn die Pendlerströme ausgeglichener wären oder es sie in diesem Umfang überhaupt nicht gäbe? Im Moment versuchen wir, die Pendlerströme zu bändigen, statt deren Ursachen entgegenzuwirken. Wie viel Grün würde der Stadt so erhalten bleiben?

Wir fordern daher eine Korrektur, wohlgemerkt eine Korrektur des jetzigen Leitbilds der wachsenden Stadt dahin gehend, dass wir das gewünschte Wachstum auf die Metropolregion Hamburgs ausdehnen, gefördert von einer wie gestern von mir in Umrissen dargestellten Verkehrspolitik. Hamburg und die Metropolregion sollen gleichberechtigt in diese Wachstumsstrategie einbezogen werden. Das erfordert vor allem gehöriges Umdenken in so manch einem Kopf. Nicht an der Landesgrenze mit dem Denken aufhören, so wie wir es in allen vorherigen Reden deutlich gehört haben,

(Jörg Hamann CDU: Das ist doch Kindergar- ten, was Sie hier erzählen!)

sondern zum Wohle aller über den Tellerrand hinwegblicken ist gefragt.

(Jörg Hamann CDU: Das ist ja noch nicht einmal Bezirksversammlungsniveau!)

Die machen keine schlechte Arbeit, oder, Herr Hamann? Ich finde, die im Bezirk machen sehr realitätsbezogene Arbeit und manchmal auch qualifiziertere Zwischenrufe als Sie, Herr Hamann.

(Beifall bei Dirk Nockemann AfD)

Die Zusammenarbeit muss detaillierter, verbindlicher, gleichberechtigter und mit klaren Beschlussfassungen bei möglichst vielen Belangen erfolgen, viel weitgehender als im bisherigen Maße oder in den unverbindlichen Regionalkonferenzen. Wir müssen mit den Nachbarländern und Gemeinden nicht nur so viel zusammenarbeiten, wie es eben gerade nottut, sondern die Zusammenarbeit so ausweiten, wie es nur geht. Aber diese Erkenntnis hat sich leider noch nicht durchgesetzt beziehungsweise fehlt der politische Wille dazu. Kleinstaaterei ist angesagt.

Dieser politische Wille fehlt, wie wir schon gehört haben, auch in anderer Hinsicht, und zwar in dem Sinne, dass nicht mit genügend Nachdruck dafür gesorgt wird, dass ausreichend geförderter Wohnraum geschaffen wird. Der Senat hat die Notwendigkeit erkannt, hier tätig zu werden, und will 3 000 geförderte Wohnungen einrichten. Das ist

gut, wobei ich nebenbei die zuvor erwähnte Metropolregion ansprechen möchte, die Verantwortung tragen muss und von der ich nicht weiß, ob sie dieser immer gerecht wird.

Aber diese sehr ehrgeizige Zielmarke reicht auf den ersten Blick nicht aus – wobei abzuwarten ist, ob die 3 000 geförderten Wohnungen überhaupt erreicht werden. Wir sagen, sie reichen nicht. Die Zahl 6 931 ist eine Begründung dafür, denn in 2016 fällt genau diese Zahl an geförderten Wohnungen aus der Bindung. Auch wenn diese Wohnungen dadurch nicht vom Wohnungsmarkt verschwinden, sind sie auf dem Markt der geförderten Wohnungen nicht mehr vorhanden. 400 000 geförderte Wohnungen gab es im Jahre 1970, heute sind es nur noch knapp 80 000. Davon sind gut 30 000 Wohnungen der SAGA GWG zuzurechnen, und die SAGA GWG selbst gibt an, dass bis 2020 weitere gut 6 500 Wohnungen aus der Förderung fallen werden. Zusammen mit den anderen geförderten Wohnungen im freien Bestand sind das 14 000 Wohnungen pro Jahr, also weit über 3 000 Wohnungen.

Ein weiterer Grund, weshalb die 3 000 Wohnungen nicht reichen, ist die schon derzeit herrschende Altersarmut, welche im Lauf der Jahre erheblich zunehmen wird. Hier wird ein noch nicht näher spezifizierter Bedarf erwachsen, der dringend abgedeckt werden muss, damit es künftig nicht so sein muss, dass Menschen, die ihr ganzes Leben hier verbracht haben und in den Ruhestand gehen, sich gezwungen sehen, aus dieser Stadt zu ziehen, weil sie keinen entsprechenden Mietraum mehr finden. Das wäre beschämend.

Zu guter Letzt haben 52 Prozent aller Mieterinnen und Mieter die Berechtigung, geförderten Wohnraum zu beziehen. Das Gros kann nicht bedient werden. Sie haben nur diesen Berechtigungsschein, aber keine entsprechende Wohnung in der Hand. Allein um diesen Bedarf abzubauen, bedarf es größerer Anstrengungen, als 3 000 Wohnungen zu schaffen.

Die AfD fordert daher: Verabschieden Sie sich von dem Drittelmix. Dieser hat seinen Zweck erfüllt, den Wohnungsbau wieder anzukurbeln, nachdem die CDU unter Herrn von Beust diesen auf null heruntergeschraubt hat. Wir fordern einen 10-30-60-Mix: 10 Anteile Eigentumswohnungen, 30 Anteile frei finanzierte Mietwohnungen und 60 Anteile geförderte Wohnungen. Ausgehend davon, dass ab jetzt jährlich 10 000 Wohnungen entstehen sollen, wären das 6 000 geförderte Wohnungen pro Jahr, wobei die Vorgabe dann noch wäre, dass von diesen 6 000 Wohnungen 50 Prozent plus x von der SAGA GWG zu errichten wären.

(Jörg Hamann CDU: Wo ist Ihr Haushaltsan- trag dazu?)

Eine weitere Forderung ist, bei den SAGA GWGWohnungen eine Bindungszeit von 30 oder womöglich von 45 Jahren festzusetzen.

Darüber hinaus halten wir weitere entscheidende Änderungen der jetzigen Stadtentwicklungsplanung für notwendig, die wir mit dem Titel "Eigentum statt Miete" überschreiben – eine Thematik, die bisher seitens des Senats äußerst lieblos behandelt wurde. Ich mache es kurz.

(Ksenija Bekeris SPD: Na ja, kurz!)

Wir fordern, dass die IFB entsprechend unserem Antrag ein Programm auflegen soll, entwickelt mit den Eckdaten jährliches Einkommen bis zu 50 000 Euro zuzüglich 15 000 Euro für jedes weitere Kind bei erstmaligem und selbstgenutztem Erwerb von Wohneigentum. Ferner sind von der öffentlichen Hand vergünstigte Darlehen beziehungsweise öffentliche Bürgschaften als Eigenkapitalersatz zu gewähren mit dem Ziel, die monatliche Belastung durch Zins und Tilgung auf 8 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche zu limitieren. Initiieren Sie in dem Zuge alles, was die Nebenerwerbskosten reduzieren kann, wie zum Beispiel Grundbucheinträge oder die Grunderwerbsteuer.

So manches könnte man jetzt noch zum Thema Stadtentwicklung sagen, zum Beispiel zu dem gestern von mir angesprochenen Hochmut, den Sie bei der Unterbringung der Asylsuchenden an den Tag gelegt haben – da mussten Sie erst von einer Bürgerinitiative auf den richtigen Weg zurückgebracht werden –, oder zu Ihrer Doppelzüngigkeit, wenn Sie sich als Verfechter der Sport-Dekadenstrategie präsentieren und vergessen, in neu geplanten Stadtteilen Sportplätze zu errichten.

Stichwort Denkmalschutz: Ob er bei Ihnen in guten Händen ist, mag man stark bezweifeln. Man mag von den City-Hochhäusern halten, was man will, am Ende dieser Debatte war auf jeden Fall klar, dass nicht nur die City-Hochhäuser abgerissen werden, sondern auch der Denkmalschutz im Zuge dieser Diskussion mit der Abrissbirne erheblich Schaden genommen hat.

Ein richtiger Gedanke ist, Wohnraum mit 1 800 Euro Herstellkosten pro Quadratmeter zu schaffen.

(Zuruf von Dirk Kienscherf SPD)

Richtig, Herr Kienscherf. Ich habe nicht gehört, dass irgendjemand etwas dagegen hat. Nur: Ihre Absicht, dieses gleichzeitig bei Einhaltung sämtlicher EnEV-Standards zu bewerkstelligen, alles barrierefrei einzurichten und zu guter Letzt noch ein begrüntes Dach obendrauf zu setzen, ist nicht naiv, auch nicht realitätsfern, sondern einfach nur Quatsch. Das ist die Quadratur des Kreises. Dass es bei einem von zwei Ihrer diesbezüglichen Modellversuche nur einen einzigen Bewerber gab, nämlich die SAGA GWG, sagt schon alles. Ich ver

mute, sie mussten, sonst wäre das ganze Ding von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen.

(Dirk Kienscherf SPD: Stimmt doch gar nicht, das ist gelogen!)

Über alles und vieles hätte man noch reden können. Das werden wir auch tun. Von daher: Auf Wiedersehen im neuen Jahr.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, das Wort bekommt Frau Senatorin Dr. Stapelfeldt.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hamburg wächst, wie viele große Städte in Europa und weltweit. Das 21. Jahrhundert ist, wie wir wissen, das Jahrhundert der Städte, deren Entwicklung über die Zukunft der Gesellschaften entscheiden wird. Prognosen sagen uns voraus, dass in knapp anderthalb Jahrzehnten in Hamburg 100 000 Menschen mehr leben werden, und aller Wahrscheinlichkeit nach wird diese Entwicklung auch danach nicht abbrechen. Das heißt, wir stehen jetzt in der Verantwortung, vorausschauend und mit Umsicht Hamburg zukunftsfähig zu machen. Das, liebe Frau Stöver, ist deutlich etwas anderes als das, was die CDU im vergangenen Jahrzehnt getan hat.

(Beifall bei der SPD)

Weitsichtig handeln, bedeutet in erster Linie kontinuierlich ein hohes Volumen an Wohnungsbau, jetzt 10 000 Wohnungen pro Jahr, vor allem bezahlbare Wohnungen. Es stellt sich die große soziale Frage: Auch in Zukunft müssen Menschen mit normalem Einkommen in unserer wachsenden Stadt und in der Mitte unserer Gesellschaft leben können.

In zweiter Linie muss selbstverständlich die Infrastruktur unserer Stadt mit dieser Entwicklung wachsen. Wir schaffen die Voraussetzungen für Wohnungsneubau, für moderne, zukunftsfähige Arbeitsstätten. Beides ist existenziell. Damit einher geht natürlich der Ausbau der Bildung und des öffentlichen Verkehrsnetzes.

Drittens geht es um die Quartiersentwicklung. Auch in Zukunft werden die Quartiere der Stadt für unser Zusammenleben bestimmend sein. Die Herausforderung ist hier, mit den Wohnungen ein gutes Wohnumfeld mit sozialer Infrastruktur zu schaffen. Auch dort, wo die Menschen stärker mit sozialen Problemen konfrontiert sind, wollen wir eine gute Lebensqualität und vor allen Dingen auch Vielfalt in den Stadtteilen ermöglichen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

(Detlef Ehlebracht)

Mit diesem Haushalt legen wir die Grundlage für eine soziale und qualitativ hochwertige städtebauliche Entwicklung unserer Stadt. Das Volumen des Einzelplans 6.1 wächst um fast 30 Prozent gegenüber 2016. Ein erheblicher Anteil des Einzelplans ist mit einem Anteil von rund 42 Prozent im Jahr 2017 und 46 Prozent in 2018 für die Wohnungsbauförderung gebunden. Das sind 139 Millionen Euro und 155 Millionen Euro als Zins- und Verlustausgleich für die Investitions- und Förderbank. Selbstverständlich setzt Hamburg alle Bundesmittel, die zum Glück erhöht worden sind, für den sozialen Wohnungsbau ein. Bezogen auf die Einwohnerzahl stehen wir damit an der Spitze aller Bundesländer.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die städtebauliche Entwicklung großer Gebiete mit unseren Wohnungsbaufinanzierungsprogrammen und Mitteln für die öffentliche Infrastruktur bildet einen weiteren Schwerpunkt.

Zur Quartiersentwicklung: Wir sichern und verbessern mit dem Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung weiterhin gezielt die Lebensqualität in den Quartieren. Auch hier ist es so, dass wir von Hamburg aus die Kofinanzierung aller Bund-Länder-Programme in der Städtebauförderung sicherstellen. Das heißt, 2015 sind rund 44 Millionen Euro Bundes- und Landesmittel in die geförderten Stadtteile geflossen. Für 2016 erwarten wir ein vergleichbares Ergebnis. Das ist richtig gut für die Stadtteile, die besonderen Entwicklungsbedarf haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Zu unserem Schwerpunkt Wohnungsbau: Der jetzige Wohnungsbau wäre ohne das Bündnis für das Wohnen und ohne den Vertrag für Hamburg nicht möglich. Deshalb zolle ich für diese herausragenden Leistungen meinen Respekt und meinen Dank an die Wohnungswirtschaft in Hamburg und an die Bezirke.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Seit 2011 konnte für über 57 800 Wohnungen der Bau genehmigt werden. In diesem Jahr konnten allein in den ersten elf Monaten Genehmigungen für rund 11 500 Wohnungen erteilt werden. Das ist schon jetzt im Verhältnis der letzten anderthalb Jahrzehnte ein absoluter Rekord.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)