Protokoll der Sitzung vom 12.04.2017

Ganz genau.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt liegt mir noch die Wortmeldung von Arno Münster von der SPD-Fraktion vor.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Schneider, ich möchte eines zum Ausdruck bringen: Wenn man als Veranstalter von der Versammlungsbehörde zu einem Gespräch gebeten wird, um den rechtsstaatlichen Ablauf zu besprechen und welche Routen man sich vorstellen könne, und die gegenüberliegende Seite sagt, sie nehme, wahrscheinlich weil es eine blaue Linie war, die einer mit dem Kugelschreiber hineingemalt hat, diese gern als Schutzzone, weil zu viele Demonstranten beziehungsweise Menschen auf der Straße seien und man gegenüber der anderen Bevölkerung Schutzräume vorrätig halten müsse, und man keinen Konsens erzielt, dann muss man aber nicht noch die anwesende Presse einladen, auf der Polizeipräsidiumstreppe ein Interview geben und sagen, es sei kein Kompromiss zu erzielen. So geht das natürlich nicht. Sie haben kein Alleinstellungsmerkmal für Demonstrationen in der Stadt.

(Antje Möller)

(Beifall bei der SPD und bei Carl-Edgar Jar- chow FDP)

Es gibt auch noch eine Zivilgesellschaft, die ein Anrecht auf Stadt hat, und es gibt auch noch einen Ort, wo sie ein Anrecht auf Tagung hat und nicht immer nur Sie – von wegen, jetzt kommen wir und alle müssen Platz machen. So funktioniert die Welt nicht.

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Das war jetzt offenbar das Schlusswort zu diesem Thema. Wir haben jetzt noch knapp zehn Minuten für das zweite Thema. Die FDP verzichtet auf den Aufruf des zweiten Themas. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Dann rufe ich die Tagesordnungspunkte 4, 4a und 4b auf, die Drucksachen 21/8485, 21/8537 und 21/8538: Deputationswahlen.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Schule und Berufsbildung – Drs 21/8485 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung – Drs 21/8537 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Schule und Berufsbildung – Drs 21/8538 –]

Die Fraktionen haben vereinbart, dass die drei Wahlen in einem Wahlgang durchgeführt werden können. Die drei Stimmzettel liegen Ihnen vor. Sie enthalten bei den Namen jeweils Felder für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Sie dürfen auf jedem Stimmzettel bei jedem der Namen ein Kreuz machen, aber bitte nur eines. Stimmzettel, die den Willen des Mitglieds nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Auch unausgefüllte Stimmzettel gelten als ungültig. Bitte nehmen Sie nun die Wahlentscheidung vor.

(Die Wahlhandlungen werden vorgenom- men.)

Ich darf die Schriftführung bitten, mit dem Einsammeln der Stimmzettel zu beginnen.

Sind alle Stimmzettel abgegeben worden? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Wahlhandlung. Die Wahlergebnisse werden gleich ermittelt und ich werde sie Ihnen im Laufe der Sitzung bekannt geben.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 35 auf, Drucksache 21/8513, Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN: Umsatzsteuerbetrug im Onlinehandel unterbinden.

[Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN: Umsatzsteuerbetrug im Onlinehandel unterbinden – Drs 21/8513 –]

Diese Drucksache möchte die FDP-Fraktion an den Haushaltsausschuss überweisen.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Hansjörg Schmidt von der SPD-Fraktion erhält es als erster Redner.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach so viel Aufregung lassen Sie uns über Gerechtigkeit im Internet sprechen. Ich habe mir ein Ladekabel bestellt, das wenig kostet und gut funktioniert. Aber eine ordentliche Rechnung – Fehlanzeige. Deswegen die Frage: Wann haben Sie das letzte Mal beim Onlineshopping auf die Rechnung geschaut? Meist liegt gar keine Rechnung mehr bei, denn bei den großen Marktplätzen im Internet ist es mittlerweile üblich, dass zwar jede Menge Gutscheine beiliegen, man aber eine vernünftige Rechnung häufig vergebens sucht. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich hierbei um System handelt, denn häufig wird für diese Verkäufe keine Umsatzsteuer entrichtet. Den Marktplätzen ist es egal. Sie verdienen trotzdem ordentliches Geld, und je mehr man über sie bestellt, umso mehr Geld fließt, denn die großen E-Commerce-Plattformen bieten Händlern nicht nur das Platzieren von Angeboten an, sondern auch das gesamte Fulfillment der Bestellung. Die Waren werden in Logistikhallen in Deutschland gelagert, und wenn der Kunde bestellt, werden sie verpackt, verschickt und das Geld eingesammelt. Das ist quasi die moderne Variante der Speicherstadt, denn vor der Bestellung wurde die Ware zwar in Deutschland gelagert, aber noch nicht offiziell eingeführt. Dies müsste der Verkäufer bei der Bestellung tun, was er aber häufig nicht tut. Amazon, eBay und Co. ist das egal. Sie verdienen trotzdem ordentliches Geld, denn bei jeder Transaktion streichen sie reichlich Provision ein. Vermutlich rund 70 Milliarden Euro werden im Onlinehan

(Arno Münster)

Die Wahlergebnisse sind auf Seite 4017 zu finden.

del 2017 in Deutschland umgesetzt. 45 Prozent des Umsatzes macht Amazon zum Beispiel mittlerweile mit den Marktplatzanbietern. Der Fiskus geht dabei häufig leer aus. Branchenkennern zufolge entgehen den deutschen Steuerbehörden Hunderte Millionen Euro Umsatzsteuer pro Jahr. Das ist nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der Ehrliche ist der Dumme in diesem Geschäft. Der Onlineshop aus Hamburg, der ein solches Kabel direkt verschickt und ordentlich versteuert, hat einen Wettbewerbsnachteil, den er gar nicht ausgleichen kann. Bei einem Produkt, das wenige Euro Kaufpreis kostet, machen 19 Prozent Mehrwertsteuer sich deutlich nachteilig bemerkbar. Ein fairer Wettbewerb ist das schon lange nicht. Das muss endlich ein Ende haben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Wir fordern deshalb, dass die großen Marktplätze ihrer Verantwortung nachkommen, auf die Einhaltung von Gesetzen achten und, wenn nötig, selbst für das Fehlverhalten ihrer Geschäftspartner aufkommen. Die Erfahrung aus Großbritannien zeigt, dass allein schon die Drohung von Konsequenzen wirkt. Denn nur, weil die britische Finanzverwaltung angekündigt hatte, Maßnahmen gegen betrügerische Versandhändler zu ergreifen, hat sich dort die steuerliche Anmeldung von Onlinehändlern verzehnfacht. Die ganze Sache ist natürlich nicht unkompliziert. Mehrwertsteuer ist ein Thema der EU, Zollfahndung ist keine Ländersache, das wissen wir alles, aber wenn es einfach wäre, könnten es auch andere machen. Es gibt mittlerweile eine Bund-Länder-AG zu diesem Thema, an dem Hamburg auch aktiv mitarbeitet. Wir sind der Meinung, dass dieses Thema mehr öffentliche Beachtung erfahren sollte, um somit Druck auf die Marktplätze zu erhöhen. Genau das unterstreichen wir mit diesem Antrag.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Hamburg hat ein vitales I nteresse an fairem Onlinehandel. Wir sind Handelsstadt aus Tradition und gut gerüstet für die Zukunft. Wir haben hier E-Commerce-Global-Player, Spitzenreiter in ihren Nischen und aufstrebende Start-ups. Erst kürzlich wurde mit Unterstützung des Senats der Next Commerce Accelerator für E-Commerce-Start-ups gegründet. Als Partner der Wirtschaft arbeiten wir an der Zukunft unserer Handelsmetropole. Zur Wahrung dieser Zukunft gehört auch, dass man sich für faire Rahmenbedingungen einsetzt. Das tun wir mit diesem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort erhält jetzt Thilo Kleibauer von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Durchsetzung von Steuergerechtigkeit ist von großer Bedeutung. Man kann immer kritisch über Steuergesetze diskutieren, aber wenn sie beschlossen sind, haben wir, denke ich, alle ein Interesse daran, dass diese Steuergesetze auch entsprechend durchgesetzt werden.

Gerade die Umsatzsteuer ist eine Steuer, deren Volumen, deren Aufkommen für den Staat, für Bund, Länder und auch für die Gemeinden von sehr großer Bedeutung ist. Gerade bei der Umsatzsteuer wissen wir, dass die Erhebung etwas schwieriger ist und die Lücken naturgemäß etwas größer sind als bei den Einkommenssteuern, die im Lohnsteuerabzugsverfahren häufig eingezogen werden. Da gab es viele Problematiken mit der Umsatzsteuer in den letzten Jahren. Im Endeffekt wurden nach und nach viele Lücken geschlossen, was Kettengeschäfte mit gewissen Warengruppen, was das Einführen von Kassensystemen et cetera angeht. Ich glaube, es ist auch in diesem Fall wichtig, dass die Lücke, die hier in den letzten Jahre massiv gewachsen ist, entsprechend geschlossen wird.

(Beifall bei der CDU)

Es geht dabei – daran haben natürlich gerade auch die Haushälter ein Interesse – nicht nur um die Einnahmen des Staates, sondern auch um den Aspekt der Wettbewerbsgerechtigkeit. Es kann nicht sein, dass Händler sich hier auf einem einfachen Wege Wettbewerbsvorteile verschaffen, die andere, sozusagen inländische deutsche Startups, die im Endeffekt mehr oder weniger das Gleiche machen, nicht haben. Das darf nicht sein. Dieses Steuerschlupfloch muss geschlossen werden. Es kann nicht in unserem Interesse sein, dass hier eine wachsende Schattenwirtschaft entsteht, der im Endeffekt große Konzerne ihr Dienstleistungsangebot zur Verfügung stellen. Das wollen wir nicht; das darf nicht sein.

(Beifall bei der CDU)

Herr Schmidt hat das Beispiel angeführt, wo er sich ein Kabel im Internet bestellt hat. Dabei geht es im Übrigen nicht nur um die steuerliche Thematik, Herr Schmidt. Wenn Ihnen das Kabel beim zweiten Mal abbrennt, würde jeder normale Händler sagen, er veranlasse einen Rückruf. All so etwas passiert mit Ihrem Kabel nicht. Also haben Sie sich eine große Gefahrenquelle eingekauft. Herrn Schmidt als herausragenden Abgeordneten der SPD-Fraktion würde ich als sehr aufgeklärten und kundigen Konsumenten, gerade was Internetgeschäfte angeht, einschätzen. Wenn Sie selbst das nicht durchschauen, scheint es durchaus Handlungsbedarf an dieser Stelle zu geben, Herr Schmidt.

(Beifall bei der CDU)

(Hansjörg Schmidt)

Also kurzum: Dieses Thema, das nicht neu ist und durch diesen Antrag keinen großen zusätzlichen Impuls bekommt, muss geregelt werden. Es gibt eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, in der Menschen sind, die durchaus auch auf Ebene der EU dieses Problem erkannt haben. Es gibt auch andere Länder, die dieses Problem gelöst haben, was Onlinemarktplätze angeht. Ich glaube, das kriegen wir auch hin. Es dauert nur ein bisschen, weil es immer relativ schwierig ist, weil man natürlich auch darauf achten muss, welche Auswirkungen andere Regelungen für die Händler haben, die es jetzt schon ehrlich machen, weil man die ja nicht über Gebühr belasten will. Insofern ist das ein sinnvoller Antrag, ein Antrag, den man gut im Haushaltsausschuss diskutieren muss, den wir hier aber auch im Grunde unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kleibauer. – Als Nächster hat das Wort Farid Müller von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben diesen Antrag gestellt, weil wir das Gefühl haben, dass die Bund-LänderArbeitsgruppe dieses Problem ein bisschen zu gediegen im Hinterzimmer wälzt und es gut ist, wenn Herr Schäuble von den Ländern nachdrücklich aufgefordert wird, das Problem anzugehen. Es geht um mehrere Hundert Millionen Euro, die dem Staat entgehen. Wir schätzen, es entgehen Deutschland wahrscheinlich um die 800 Millionen Euro und mehr. Soweit ich das in den Ländern und den Kommunen verstanden habe, haben sie nicht gerade zu viel Geld bei der Bewältigung ihrer Aufgaben, sondern wir können das hier alle sehr gut gebrauchen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das ist der eine Punkt, den ich als Haushälter gern loswerden wollte. Den anderen Punkt, die Wettbewerbsgleichheit, haben die Kollegen eben schon angesprochen. Es kann nicht sein – Hamburg ist nun einmal einer der großen Standorte für E-Commerce, auch mit OTTO und vielen kleinen anderen Newstartern in diesem Bereich –, dass insbesondere Händlern aus dem asiatischen Raum die Gelegenheit gegeben wird, ihre Produkte mit 19 Prozent, nämlich genau die Summe auf die Mehrwertsteuer, günstiger vorzulegen. Das wollen wir nicht länger dulden. Deswegen ist es richtig, dass wir hier heute darüber reden und dass aus Hamburg ein Signal an die anderen Bundesländer und insbesondere an Herrn Schäuble geht. Darüber kann man sicherlich länger reden, Herr Kollege Kleibauer. Es ist immer ein bisschen kompliziert, aber es gibt auch ganz einfache Maßnahmen, die man angehen kann. Das hat Großbritannien gezeigt. Dort

ist es so, dass die asiatischen Händler sofort eine Umsatzsteuer aufgedrückt bekommen. Für den, der das nicht tut,

(Thilo Kleibauer CDU: Das habe ich doch gesagt!)

haften zum Beispiel Amazon und andere, auf welcher Plattform das auch immer stehen mag. Das finden wir richtig; das könnte man auch sofort tun. Wie wir aus Großbritannien hören, hat das durchaus einen sehr großen Erfolg. Das so weit zu diesem Thema.

Sehen wir uns noch einmal an, was wir auf der CeBIT erlebt haben. Dort war dieses Mal Japan der Partner. Wir wissen, dass viele Dinge aus dem asiatischen Raum über Umwege wieder zurückkommen und angeboten werden. Weder die EU noch wir wollen alle diese haushalterischen Auswirkungen, dass uns über Jahre Milliarden Euro an Steuereinnahmen entgangen sind und wir eine massive Wettbewerbsverzerrung zwischen den Händlern in Asien und in Deutschland, insbesondere in Hamburg, haben. Deswegen ist es wichtig, dass wir schon jetzt mit Einzelmaßnahmen anfangen. Es muss nicht immer das große Paket sein; darüber wird jahrelang verhandelt. Uns entgehen hier und heute diverse Milliarden Euro. Wir wollen, dass die Unternehmen in dieser Stadt und im Land im Netz eine faire Chance haben. Wir wollen vor allen Dingen, dass neue Gründer eine faire Chance gegenüber Dumpingpreisen aus Asien haben. – Vielen Dank.