Protokoll der Sitzung vom 12.04.2017

Sehen wir uns noch einmal an, was wir auf der CeBIT erlebt haben. Dort war dieses Mal Japan der Partner. Wir wissen, dass viele Dinge aus dem asiatischen Raum über Umwege wieder zurückkommen und angeboten werden. Weder die EU noch wir wollen alle diese haushalterischen Auswirkungen, dass uns über Jahre Milliarden Euro an Steuereinnahmen entgangen sind und wir eine massive Wettbewerbsverzerrung zwischen den Händlern in Asien und in Deutschland, insbesondere in Hamburg, haben. Deswegen ist es wichtig, dass wir schon jetzt mit Einzelmaßnahmen anfangen. Es muss nicht immer das große Paket sein; darüber wird jahrelang verhandelt. Uns entgehen hier und heute diverse Milliarden Euro. Wir wollen, dass die Unternehmen in dieser Stadt und im Land im Netz eine faire Chance haben. Wir wollen vor allen Dingen, dass neue Gründer eine faire Chance gegenüber Dumpingpreisen aus Asien haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Jetzt erhält das Wort Herr Jersch von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Selten in der letzten Zeit habe ich in diesem Haus in einer Debatte so oft den Begriff Gerechtigkeit gehört. Das finde ich lustig, schon fast humoristisch, weil es um Steuern geht

(Farid Müller GRÜNE: Was ist daran humo- ristisch?)

und nicht einmal um die Steuern der einzelnen Mitbürgerinnen und Mitbürger. An anderer Stelle wäre dieser Begriff deutlich angebrachter gewesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Antrag hat bei uns viele Fragezeichen aufgeworfen, denn er hat eine lange Herleitung und ein Petitum, das ich nur als mikroskopisch bezeichnen kann. Großbritannien wird als Vorbild hervorgehoben und China als Buhmann; das erinnert mich an andere Diskussionen, die im Moment weltweit stattfinden. Ich glaube nicht, dass das die wirkliche Intention dieses Antrags ist. Wie ich mittlerweile er

(Thilo Kleibauer)

fahren habe und den Reden entnehmen konnte, soll dieser Antrag ein Vehikel sein, eine Denkstütze für den Bundesfinanzminister, ein Anschub und letztendlich, wie ich dem Beitrag des Kollegen Schmidt entnehmen konnte, eine Drohung, die an sich schon ausreichend sein müsste, um den Zustand zu beenden. Ich denke, dass dieses Haus andere Zwecke hat, als Drohungen zu formulieren, die irgendetwas beseitigen sollen. Gesetze müssen eingehalten werden, das ist klar. Aber so, wie dieses Petitum formuliert ist, wenn ich beiseitelasse, dass es nur eine Drohung sein soll, geht es nicht. Eine Carte blanche an den Senat, ein Holzhammer als Petitum und völlig undifferenziert, ohne auf die einzelnen Beispiele und Fälle einzugehen, ist zu wenig für so einen Antrag, um ihn dann auch wirklich beschließen zu können, weil wir hier die Katze im Sack kaufen; nichts anderes tun wir da.

(Jan Quast SPD: Was wollen Sie, Steuerge- rechtigkeit oder nicht?)

Es ist ein absurder Ansatz, sich auf Vermutungen und nicht auf konkrete Fakten zu berufen. Denn nach wie vor ist der klassische Umsatzsteuerbetrug in diesem Land das größere Thema. Da hat die Regierungskoalition – und da frage ich mich, wer da eigentlich sitzt – bisher unzureichend gewerkelt. Ja, um den Onlinebetrug muss man sich kümmern, aber die Baustellen, was die Umsatzsteuer angeht, sind deutlich größer.

(Beifall bei der LINKEN)

Uns fehlt in diesem Antrag eine wirklich differenzierte Behandlung, um wen es genau geht. Geht es um die Wholesale-Betriebe oder welche Beziehungen müssen die Onlineplattformen gegenüber den Händlern haben, damit entsprechende Maßnahmen, die nicht weiter formuliert worden sind, wirklich greifen können? Man kann etwas tun, man soll es tun, aber das, was Sie hier beauftragen – im Prinzip ein Outsourcing dessen, was die Steuerbehörden eigentlich leisten müssten –, ein Outsourcing dieser Tätigkeiten auf andere Betriebe, darüber gilt es erst einmal zu diskutieren. Wir denken durchaus daran, dass die Umsatzsteuer-ID eine notwendige Maßnahme ist, die vorgelegt werden muss. Dem würden wir durchaus zustimmen, wenn es denn nur so in diesem Antrag stünde. Aber da steht ja nichts.

(Farid Müller GRÜNE: Wir haben es doch gesagt!)

Deswegen ist für uns die Konsequenz: Machen Sie Ihren Job in Berlin und nehmen Sie nicht solche Anträge als Vehikel. Das bringt mich vielmehr zu der Erkenntnis, dass hier die eine Parteienseite die Verantwortung auf die andere Ebene abschüttelt, genauso wie Sie es letztendlich auch bei CETA machen, wo Sie in Hamburg zustimmen wollen

und Ihre Kolleginnen und Kollegen in Berlin sagen, sie seien stringent dagegen.

(Beifall bei der LINKEN – Farid Müller GRÜ- NE: Woher haben Sie das denn?)

Dieser Antrag wird uns so nicht weiterbringen und Europa ist ja auf dem Weg dazu. Ich weiß gar nicht, warum Sie im Moment hier noch in die Seite reingrätschen wollen. Sehen Sie sich doch die Vorschläge der Europäischen Union an und verzichten Sie darauf, dieses Haus als Unterstützungsgremium für Ihre Regierungspolitik zu missbrauchen, weil Sie in der Koalition schwach dastehen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Als Nächste erhält das Wort Katja Suding von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Immer mehr Deutsche kaufen online. Damit fordert der Onlinehandel nicht nur den stationären Handel heraus; auch der Wettbewerb zwischen Onlineshops und Onlineplattformen untereinander verschärft sich dadurch. Dieser Wettbewerb ist gut, wenn er zum Vorteil der Kundinnen und Kunden verläuft, die dadurch bessere Produkte günstiger einkaufen können. Klar ist jedoch, dass dabei vor allen Dingen die Spielregeln eingehalten werden müssen. Dazu gehört natürlich auch, sich an das jeweilige Steuerrecht zu halten, denn für einen fairen Wettbewerb gilt gleiches Recht für alle. Das gilt natürlich ebenso für Drittanbieter außerhalb der Europäischen Union, die ihre Waren über Marktplätze wie Amazon, eBay, Alibaba und Co. anbieten. Diese Drittanbieter dürfen sich nicht hinter den großen Handelsplattformen verstecken. Sie müssen eine Umsatzsteuer auf ihre Waren erheben, sofern sie davon nicht aufgrund ihrer Größe befreit sind, und sie müssen diese Umsatzsteuer natürlich auch an den Fiskus abführen. Passiert das nicht, dann ist der Wettbewerb verzerrt und die Steuergerechtigkeit bleibt auf der Strecke. Darüber hinaus kann und soll der Fiskus natürlich auch nicht auf diese Einnahmen, die ihm zustehen, verzichten müssen. Insofern können wir die Forderung von SPD und GRÜNEN aus dem vorliegenden Antrag durchaus unterstützen.

Was aber die geforderten Maßnahmen angeht, stellen wir uns die Frage, inwieweit es sich der Staat hier nicht etwas zu einfach mache und inwieweit es juristisch Bestand hätte. Denn die Verantwortung zur Verfolgung von Steuervergehen soll einfach pauschal auf die Onlinemarktplatzbetreiber abgewälzt werden. Diese müssten dann letztendlich für sämtliche Steuerangaben oder auch für die Nichtangaben von Zigtausenden Drittanbietern haften. Einer ähnlichen Logik würde es folgen, wenn man einen Shopping-Mall-Betreiber dafür

(Stephan Jersch)

haften ließe, dass alle Ladengeschäfte in seinen Einkaufszentren ordentliche Kassensysteme nutzen und ihre Steuern korrekt abführen. Auf diese Idee kämen Sie schließlich auch nicht.

(Milan Pein SPD: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!)

Außerdem sehen wir grundsätzliche rechtsstaatliche Fragen in dem Antrag berührt, denn die in der Einleitung erwähnten weitgehend verdachtsunabhängigen Sammelauskünfte als Ermittlungsgrundlage sind kein Instrument eines liberalen Rechtsstaats. Es müssen schon konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die eine entsprechende Auskunft oder gar eine Strafverfolgung rechtfertigen. Inhaltlich unklar ist aus unserer Sicht außerdem, in welchem Umfang Drittanbieter, die dafür eine Tochterfirma in Deutschland gründen, die sogenannte Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen könnten oder inwieweit auch die Lieferschwelle der sogenannten Versandhandelsregelung nicht überschritten wurde. In beiden Fällen würde ohnehin keine Umsatzsteuer fällig. Gern würden wir diese und auch weitere offene Fragen im Ausschuss besprechen und haben das auch entsprechend beantragt. Sollten die Regierungsfraktionen sich dem heute verweigern, dann werden wir uns in der Sache zunächst einmal enthalten. Ich möchte aber an die Adresse von SPD und auch CDU, die in Berlin zusammen die Große Koalition bilden, ganz deutlich sagen, dass wir endlich mehr Engagement der Bundesregierung, namentlich von Finanzminister Schäuble, fordern, was die Steuervermeidungstricks von internationalen Konzernen angeht. Wir wollen, dass auch diese Unternehmen endlich ganz selbstverständlich ihren Anteil an der Finanzierung des Gemeinwesens leisten.

(Beifall bei der FDP)

Das ist aber bei einigen großen internationalen Unternehmen, die hier ihre Gewinne erzielen und in Deutschland unsere Infrastruktur nutzen, nicht der Fall. Hier müssen auf europäischer und internationaler Ebene Maßnahmen ergriffen werden. Das ist ein sehr zentraler Aspekt, wenn man über das Thema Steuergerechtigkeit spricht, denn dabei wird der Wettbewerb zwischen Großen und Kleinen massiv verzerrt. Deshalb wundere ich mich sehr, warum entsprechende Forderungen an die Adresse der Bundesregierung hier heute unterblieben sind.

(Thilo Kleibauer CDU: Weil es nicht Gegen- stand des Antrags ist!)

Das wäre glaubwürdig gewesen, so bleibt tatsächlich ein fahler Beigeschmack. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nun erhält das Wort Frau Oelschläger von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Beginnen wir mit einem Faktencheck. Sie behaupten, es wäre zu einfach, neben der Umsatzsteuer auch Zölle und andere Abgaben zu vermeiden. Das stimmt so nicht. Die Zollverwaltung funktioniert grundsätzlich und hat genügend rechtliche und tatsächliche Handhabe. Zölle und insbesondere die Einfuhrumsatzsteuer werden von den Händlern erhoben. Wir reden hier beim Thema Umsatzsteuerhinterziehung von der Umsatzsteuer, die auf die Handelsmarge in Deutschland anfällt. Die Einfuhrumsatzsteuer würde schließlich bei der Steuererklärung in Abzug gebracht. Das macht Ihr Anliegen nicht schlecht, denn auch mit dem Abzug der Einfuhrumsatzsteuer entsteht natürlich ein Schaden. Richtig und völlig unstrittig ist, dass zur Steuergerechtigkeit auch gehört, dass alle Marktteilnehmer sich an Regeln halten. Aufgabe der Steuerverwaltung ist es unter anderem, genau das sicherzustellen. Es darf dabei keinen Unterschied machen, ob ein Internethändler selbst als Verkäufer tätig wird oder ob er für einen anderen die Ware nur vorhält und verschickt, also die Logistik übernimmt. Wir haben es hier mit einem Umsetzungsproblem zu tun. In der Praxis ist es für ausländische Händler viel zu einfach, die Steuerpflicht zu ignorieren. Auf das Problem reagieren Sie aber mit der ganz großen Keule. Im Petitum wollen Sie generell ECommerce-Marktplätze für die Unternehmen von Händlern in Haftung nehmen – also für inländische, für ausländische, auch für Insolvenzfälle, ganz allgemein. Ich halte eine derartige Regelung für übergriffiges Verwaltungshandeln; es gibt nämlich mildere Mittel. Verpflichten Sie die Betreiber dieser Marktplätze, bestimmte Angaben von Händlern zu erheben und zu veröffentlichen, insbesondere die deutsche Steuernummer. Verstöße werden mit Bußgeldern geahndet; diese dürfen auch gern empfindlich sein. Es ist dann für die Steuerverwaltung mit überschaubarem Aufwand möglich, die Anbieter zu überprüfen und in Verdachtsmomenten, wie bei jedem anderen Steuerpflichtigen auch, zu ermitteln.

(Thilo Kleibauer CDU: Genau das sagt der Antrag!)

Im Zusammenspiel von Finanzamt und Zoll ist auch das Eintreiben von Steuerforderungen im Wege der Warenfestsetzung auch etwa von chinesischen Importeuren möglich. Ihre Lösung ist unverhältnismäßig, die pauschale Haftung zudem systemfremd. Auch ist das Petitum zu weit gefasst und würde doch für alle Konstellationen eine generelle Haftung eröffnen und nicht nur für die Fälle, in denen es tatsächliche Probleme gibt. Wir sehen die Sache also etwas differenzierter. Dem ersten

(Katja Suding)

Punkt können wir so allgemein nicht zustimmen. Betrug hingegen wollen wir natürlich auch bekämpfen. Daher werden wir dem zweiten Punkt gern zustimmen und auch im Ausschuss darüber beraten. – Danke.

(Beifall bei der AfD)

Zu Wort gemeldet hat sich jetzt Finanzsenator Dr. Peter Tschentscher.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Hinterziehung von Zöllen und Einfuhrumsatzsteuern durch falsche Angaben über die eingeführten Waren ist seit jeher ein Problem, weil der Zoll nur einen Bruchteil der Importe genau kontrollieren kann. Darüber hinaus haben sich durch den Internethandel und Onlineverkaufsportale die Warenströme zwischen Verkäufern und Endkunden in den letzten Jahren stark verändert, was erhebliche Auswirkungen auf die Umsatzbesteuerung hat. ECommerce-Marktplätze sind wie Makler im Auftrag einer Vielzahl von Verkäufern in unterschiedlichsten Ländern tätig. Die Lieferung erfolgt aus dem Herkunftsland direkt an den privaten Endkunden ins Zielland oder über ein Zwischenlager, das sich wiederum in einem dritten Land befinden kann. Die Warenströme sind dabei zunehmend intransparent. Sie erfolgen immer häufiger ohne Beteiligung klassischer lokaler Einzelhändler, die von den Finanzämtern registriert sind und entsprechend geprüft werden können. In diesem modernen Warenverkehr ist die Kontrolle der Umsatzbesteuerung schwierig und eine Umsatzsteuerhinterziehung mittlerweile vermutlich sehr weit verbreitet. Die sich daraus ergebenen Steuerausfälle sind nicht hinnehmbar. Sie verursachen Wettbewerbsnachteile für ehrliche Händler, verstoßen gegen die Steuergerechtigkeit und führen dazu, dass die fehlenden Einnahmen für die Erfüllung notwendiger öffentlicher Aufgaben nicht zur Verfügung stehen. Der Antrag von SPD und GRÜNEN verlangt deshalb zu Recht neue Regelungen zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Besteuerung im Onlinehandel. Hierzu sind voraussichtlich nicht nur einzelne, sondern eine ganze Reihe von Maßnahmen erforderlich. Herr Jersch, das ist ein Thema auch der Länder, die für die Steuerverwaltung zuständig und maßgeblich an der Steuergesetzgebung beteiligt sind. Deswegen ist hier nicht nur ein Appell an die Bundesregierung erforderlich, sondern auch an die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder.

(Beifall bei der SPD)

Das Problem ist, dass all diese Maßnahmen, die wir beschließen, europaweit eingeführt und wirksam sein müssen, weil Waren, die für den deutschen Markt bestimmt sind, in allen Mitgliedsstaa

ten der Union für den freien Verkehr abgefertigt werden können. Es liegt auch nicht in unserem Interesse und würde die Zielsetzung des Antrags unterlaufen, wenn E-Commerce-Plattformen beziehungsweise deren Warenlager in andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verlagert oder die Wareneinfuhr statt über den Hamburger Hafen über Rotterdam oder Antwerpen erfolgen würden. Nur ein einheitliches Vorgehen aller Mitgliedsstaaten der EU-Ebene kann den Umsatzsteuerbetrug im Onlinehandel nachhaltig unterbinden. Der Senat wird das Ersuchen der Bürgerschaft, sofern Sie es jetzt beschließen, daher gern aufnehmen und in die laufende Diskussion mit den anderen Ländern und dem Bundesfinanzministerium einbringen, an der sich die Hamburger Steuerverwaltung – einige Vertreterinnen und Vertreter sind heute auch da – aktiv beteiligt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn jetzt keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte nun zunächst die Drucksache 21/8513 an den Haushaltsausschuss überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das mehrheitlich abgelehnt.

Dann kommen wir zur Abstimmung in der Sache. Die Fraktion der AfD hat hierzu eine ziffernweise Abstimmung beantragt.

Wer möchte Ziffer 1 des gemeinsamen Antrags der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN aus Drucksache 21/8513 folgen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das mehrheitlich angenommen.

Wer möchte dann noch Ziffer 2 seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist auch das angenommen.

Mir liegen jetzt auch die Wahlergebnisse für die Deputationswahlen vor.