Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Senatsmitteilung aus der Drucksache 21/8844 Kenntnis genommen hat.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf, Drucksache 21/8722, Unterrichtung durch die Präsidentin: Bürgerschaftliches Ersuchen vom 16. und 29. Juni 2016: Patriarchalische Rollenbilder aufbrechen: Präventives Projekt zum Schutz von Frauen und Mädchen in Hamburg und Initiative StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt stärken.
[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Bürgerschaftliche Ersuchen vom 16. Juni 2016 und 29. Juni 2016: "Patriarchalische Rollenbilder aufbrechen: Präventives Projekt zum Schutz von Frauen und Mädchen in Hamburg" – Drs. 21/4697 – und "Initiative 'StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt' stärken" – Drs. 21/4891 – Drs 21/8722 –]
Auch dieser Tagesordnungspunkt ist von der GRÜNEN Fraktion als Kurzdebatte angemeldet worden, sodass wiederum jeder Rednerin und jedem Redner pro Debattenanteil zwei Minuten Redezeit zur Verfügung stehen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schon 2010 haben wir GRÜNEN einen Antrag in dieses Haus eingebracht zur Einrichtung eines Präventionsprojekts nach dem Vorbild HEROES, einem bekannten Projekt aus Berlin, bei dem es darum geht, im kreativen Dialog mit männlichen Jugendlichen patriarchales Denken infrage zu stellen. Dieses Ziel haben wir nun gemeinsam mit unserem Koalitionspartner sieben Jahre später endlich erreicht. Auf der Grundlage unseres gemeinsamen Antrags von 2016 führt nun der Verein Jungenarbeit Hamburg das Projekt unter dem Namen Commitment an Hamburger Schulen sowie in Hamburger Freizeiteinrichtungen durch. Von dieser Stelle aus wünschen wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viel Erfolg für dieses wichtige und sensible Vorhaben.
Altertümliche und frauenfeindliche Rollenbilder stehen unserem Bild einer offenen und funktionierenden Gesellschaft entgegen, egal aus welcher Richtung sie kommen. Es ist von zentraler Bedeutung, diesen Einstellungen, so früh es geht, entgegenzutreten, aber es ist dabei auch wichtig, dies auf eine pädagogische und sinnvolle Art zu machen, ohne weitere Ausgrenzungen, aber dafür mit der Möglichkeit, selbst die Initiative zu ergreifen. Genau das tun wir mit unserem Projekt und sorgen dafür, dass auch sensible Themen bearbeitet werden, ohne Scheindebatten, ohne Schaum vor dem Mund. Ich freue mich auf das Projekt und freue
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gewalt gegen und Missachtung von Frauen in Deutschland und auch in Hamburg ist keine Häufung von tragischen Einzelschicksalen, sondern angesichts von 25 Prozent Frauen, die schon einmal Gewalt durch den Beziehungspartner erfahren haben, geradezu ein alltägliches Phänomen, insbesondere in unserer Nachbarschaft. Dabei dürfen wir als Politik uns nicht allein auf die Stärke des Rechts verlassen. Wer Gewalt gegen Frauen verübt, macht sich in Deutschland strafbar, doch mit Gesetz und Strafverfolgung lässt sich dieser gesellschaftlichen Problematik nur teilweise begegnen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt vor allem in der Prävention und gesellschaftlichen Sensibilität. Mit den Projekten Commitment und StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt haben wir als rot-grüne Koalition zwei Projekte, die durch präventive Aufklärung und Sensibilisierung in gesellschaftlichen Strukturen Gewalt gegen Frauen verhindern wollen.
Nachdem Frau Demirel soeben zu Commitment gesprochen hat, möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal mit StoP beschäftigen. Die Initiative StoP hat es sich zum Ziel gesetzt, Beziehungsgewalt entgegenzuwirken, und setzt dabei auf die Nachbarschaft. Die Sensibilität für das Thema Partnergewalt in der unmittelbaren räumlichen Umgebung ist ein entscheidender Faktor beim Kampf gegen Gewalt in Beziehungen. Viel zu oft gibt man sich damit zufrieden, dass die Nachbarin mit den blauen Flecken schon wieder im Treppenhaus gestürzt ist. Diesem Phänomen wirkt StoP aktiv entgegen. Durch Fortbildung, Aktionsgruppen, Jugendarbeit und Informationsveranstaltungen werden soziale Netzwerke in den Stadtteilen gestärkt und es wird auf das Thema Partnergewalt aufmerksam gemacht. Durch aufmerksame Nachbarn, die Stellung gegen Gewalt beziehen, anstatt wegzuschauen, die mutmaßliche Opfer ansprechen, anstatt ihnen aus dem Weg zu gehen, können im Einzelfall Leben und Gesundheit von Menschen geschützt werden.
Diese wichtige Arbeit haben wir als rot-grüne Koalition mit weiteren Mitteln unterstützt. Damit werden nicht nur die erfolgreichen StoP-Projekte in Horn und Steilshoop gestärkt, sondern auch ein drittes Projekt in Osdorf aufgebaut. Die drei Standorte befinden sich in einem permanenten fachlichen Austausch, um ihre Arbeit zu evaluieren und sich im Kampf gegen Beziehungsgewalt zu vernetzen.
Letzter Satz: Darauf sind wir stolz. Lassen Sie uns gemeinsam auch in Zukunft dafür kämpfen, dass Frauen und Mädchen in Hamburg sicher sind. Gewalt in der Partnerschaft ist keine Privatsache, sondern geht uns alle an. – Vielen Dank.
Ja, Sätze können manchmal ganz schön lang werden. – Frau Grunwaldt von der CDU-Fraktion, bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Im Hinblick auf die Speed-Debatte möchte ich einen Aspekt herausgreifen. Bekanntermaßen haben wir beiden Anträgen zugestimmt. Dem Antrag zum Aufbrechen der Rollenbilder haben wir besonders gern zugestimmt, weil er sich an dem wirklich erfolgreichen Projekt HEROES in Berlin orientiert hat. Das Ergebnis dessen ist nun aber, dass ich in der Unterrichtung hier lesen muss, mit dem Berliner Projekt HEROES werde ein fachlicher Austausch angestrebt. Das widerspricht dem, was wir hier in der Bürgerschaft verabschiedet haben. Das war für uns die Grundlage dafür, dass wir diesem Antrag zugestimmt haben, und ich kann nur dringend an den Senat appellieren, bitte endlich mit dem Projekt Kontakt aufzunehmen und das nicht nur anzustreben, sondern bitte sofort zu tun. Das Projekt HEROES hat viele Auszeichnungen erfahren, es ist ein wirklicher Erfolg, und man ist dort selbst darüber verwundert, warum es eigentlich zu keiner weiteren Kontaktaufnahme gekommen ist. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir LINKE haben damals, als wir den Antrag zum Projekt HEROES diskutiert haben, zu einer Differenzierung aufgerufen und konnten dem Antrag schlussendlich nicht zustimmen, denn einerseits befürworten wir eine Thematisierung und Aufklärung über patriarchale Rollenbilder, über Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen, aber andererseits sehen wir es als ein großes Problem, wenn beide Projekte sich lediglich an geflüchtete junge Männer richten. Keinesfalls weil es dort keinen Bedarf gibt, das sagen wir nicht, sondern vielmehr, weil es eben nicht nur dort auftritt und ein grundsätzliches gesellschaftliches Problem darstellt.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Demirel?
Zwischenfrage von Phyliss Demirel* GRÜNE: Im Petitum unseres Antrags zu dem Projekt nach dem Vorbild HEROES steht, dass es sich unter anderem an jugendliche Flüchtlinge richtet. Es ist meiner Meinung nach nur eine Anknüpfung und keine ausschließliche Ausrichtung dieses Projekts in Richtung Flüchtlinge. Denken Sie nicht auch so?
Ich denke nicht, was ich will, sondern ich lese das und versuche das zu verstehen. Bei der letzten Debatte war es aber so, Frau Demirel, dass Sie sich vor allem auf die Silvesterübergriffe bezogen haben und dass es eben darum ging, jungen geflüchteten Männern gewisse Werte nahezubringen. Das war Ihr Ansatz und ich beziehe mich auf diesen Ansatz.
(Phyliss Demirel GRÜNE: Wiederum ist hier entscheidend, was … – Gegenruf von Sabi- ne Boeddinghaus DIE LINKE: Machen wir jetzt Dialoge? – Glocke)
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Moment, wir machen keinen Dialog. Frau Özdemir fahren Sie fort, ich schalte das Redezeitmessgerät jetzt auch wieder an.
Wir finden einfach, dass es wichtig ist, dieses Angebot auch an junge Männer und Männer zu richten, die vielleicht einen anderen kulturellen und ethnischen Background haben und nicht nur an diejenigen, die vor Kurzem aus dem Mittleren Osten gekommen sind.
Natürlich ist mit dem Projekt ein gewisser erster Beitrag zum Schutz gegen Gewalt gesetzt, aber es kann nicht bei Projekten aufhören, die sich mehrheitlich an Geflüchtete richten. Wir LINKE haben gefordert, dass noch einmal ein Bezug auf das Projekt StoP hergestellt wird, dass dieses Projekt auch in anderen Stadtteilen Hamburgs etabliert werden soll, und wir befürworten, dass das Projekt jetzt in Osdorf etabliert werden soll. Wir fordern aber dennoch weiterhin, dass der Senat seinen Blick nicht nur auf eine bestimmte Gruppe richtet, sondern zum Beispiel auch die geflüchteten Frauen noch einmal stärker in den Blick nimmt. Dazu werden wir wahrscheinlich noch Diskussionen führen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vieles ist schon gesagt worden und für eine gründliche Debatte ist im Rahmen einer Speed-Anmeldung ohnehin kaum Zeit, deshalb in Kürze: Es ist schön, dass die Projekte langsam Fahrt aufnehmen. Positiv ist auch, dass wieder einmal ein Projekt im Rahmen einer Ausschreibung vergeben wurde. Klar ist mir noch nicht, warum in dieser Ausschreibung steht, dass die Zuwendungsempfänger Träger und Institutionen sein sollen, die bereits in Hamburg tätig sind oder waren. Es scheint, dass hier ohne Not eine Einschränkung stattfindet, weil potenzielle Träger noch nicht in Hamburg tätig sind oder waren. Insofern ist es wenig erstaunlich, dass sich nur zwei Träger auf dieses Projekt beworben haben.
Davon abgesehen halten wir die Ausweitung des Projekts StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt noch immer für eine Schaffung von Doppelstrukturen, weil wir im Bereich der Beratungsleistungen für die Opfer häuslicher Gewalt in Hamburg sehr gut aufgestellt sind. Man sollte dann doch eher einmal über eine Verzahnung sprechen, anstatt immer mehr Projekte zu schaffen, ohne überhaupt die Bedarfe zu analysieren. Insofern ist die Einrichtung dieser zusätzlichen Institutionen unseres Erachtens nach in dieser Senatsdrucksache immer noch nicht hinreichend begründet. – Damit habe ich es dann auch, ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die rot-grüne Landesregierung will uns heute wieder zeigen, wie sie unsere abendländischen Werte und Verhaltensweisen an Menschen vermittelt, die aus dem Orient und aus Afrika zu uns gekommen sind, genauer, wie sie deren Frauen- und Männerbild – wörtlich – aufbrechen will
und damit Gewalt und Übergriffe gegen Frauen beenden will. Wie drängend diese Probleme sind, wissen wir nicht erst seit Silvester mit 1 500 Übergriffen in einer einzigen Nacht, denn allein seit 2010 gab es fast 200 Morde an Frauen und Mädchen hier in Deutschland aus Gründen der sogenannten Familienehre und auch ungefähr 22 000 Zwangsverheiratungen mitten unter uns.
Und wie viele Frauen dürfen fremden Männern heute nicht die Hand geben, müssen verschleiert herumlaufen, dürfen keinen Sport machen, sind männlichen Familienmitgliedern voll und ganz ausgeliefert? Dieser jahrtausendeaalten, tief verwurzelten Kultur, an der sich auch die Franzosen in ihren Banlieues, Briten, Holländer, Belgier, Schweden die Zähne ausbeißen, will der Hamburger rotgrüne Senat jetzt, man höre, mit ganz eigenen Methoden zu Leibe rücken. Und womit, was steht im Zentrum dieser teuren Projekte? Rollenspiele mit Theaterpädagogen und Theaterleuten, Workshops mit Genderforscherinnen. Als ob man Migranten unsere Werte einfach nur vorspielen, erzählen oder vortanzen müsste und dann sagen die: Menschenskind, natürlich, da haben wir jahrtausendelang Fehler gemacht, jetzt wissen wir es. Glauben Sie das? Ich glaube das nicht und große Teile der deutschen Bevölkerung auch nicht.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mir ist daran gelegen, hier noch einmal zwei Dinge deutlich zu machen. Es ist trotz der Speed-Debatte viel Inhaltliches zu der Drucksache gesagt worden, das will ich nicht im Einzelnen wiederholen. Ich möchte nur noch einmal sagen, wir haben von der Bürgerschaft aufgegeben bekommen, eine Ausschreibung nach dem Vorbild von HEROES zu machen, und das haben wir auch getan. Das Ergebnis ist eben, dass sich dieser Träger durchgesetzt hat, und es ist nicht so gewesen, dass man sich nicht auch aus anderen Städten hätte bewerben können. Wenn man einen Kooperationspartner hier in Hamburg gehabt hätte, wäre das durchaus möglich gewesen. Insofern ist das keine unzulässige Verengung, sondern steht einfach vor dem Hintergrund der Erfordernisse, dass man die Strukturen hier vor Ort auch gut kennen sollte – die Schulstruktur, die Kooperationspartner, die Träger, die Stadtteile; das gehört zu erfolgreicher Präventionsarbeit auch dazu. Das war mir noch einmal wichtig und das würde ich hier gern richtigstellen.
Eine zweite Sache wird mir gegenüber immer wieder kommuniziert, wenn wir über das Thema Partnergewalt in den Stadtteilen sprechen, und das werden wir im November am Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen auch wieder tun. Ich finde es sehr schwierig, wenn ausgerechnet aus der Richtung, aus der auch propagiert wird, dass
zum Beispiel alleinerziehend ein selbst gewähltes Lebensmodell ist, das keiner weiteren staatlichen Unterstützung zugeführt werden soll … Damit liefert man übrigens auch diese Frauen möglicherweise Strukturen und Zusammenhängen aus, die unabhängig von der Religion ihres Ehepartners sehr schwierig, belastend und gewalttätig sein können. Ich finde es ein bisschen doppelbödig, wie hier argumentiert wird.