Protokoll der Sitzung vom 14.06.2017

(Jörg Hamann CDU: Das sind Menschen, die auch arbeiten!)

Und es wachsen die Gewinne der Konzerne und Versicherungen. Wir haben das gerade wieder bei der sogenannten Reform der Betriebsrente erlebt. Was auch wächst, ist die Armut. Gestern wurde in einem neuen OECD-Bericht zur Arbeitsplatzsituation in Deutschland und in den Industriestaaten wieder festgestellt, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer mehr auseinandergeht. Diesen zentralen Punkt, dass die prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse zunehmen, nehmen Sie nicht zur Kenntnis. Armut wächst im Alter. Das lässt Sie völlig kalt, davon ist überhaupt keine Rede in Ihrem Debattenbeitrag. Das finde ich sehr erschreckend, Herr Trepoll.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Was ebenfalls wächst, sind Fremdenfeindlichkeit, rechtspopulistische bis faschistische Kräfte in Deutschland und in Europa. Darüber sollten wir sprechen.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Auch die Exportüberschüsse werden immer größer.

(Jörg Hamann CDU: Ja, wir sind so erfolg- reich in Deutschland. Es ist fürchterlich!)

Selbst der neoliberale Macron hat begriffen, dass das etwas zu tun hat mit dem wachsenden Rückgang der Wirtschaft der anderen südeuropäischen Länder. Darüber müssen wir reden.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Und es gibt immer mehr Waffenexporte, immer mehr Kriege in aller Welt. Auch darüber haben Sie in Ihrer Rede kein Wort verloren. Verantwortlich sind CDU und SPD gemeinsam im Bund, allen voran Angela Merkel. Sie trägt die Verantwortung dafür, dass Deutschland sich in der EU zunehmend isoliert durch Dominanz, durch Arroganz. Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung, denn sie führt zur Entsolidarisierung in Europa und zu nationalstaatlichen Fantasien. Das alles können wir überhaupt nicht gebrauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen sagen wir, dass die Große Koalition am 24. September abgewählt werden muss und Angela Merkel auf ihr berechtigtes Altenteil darf. Wir brauchen einen Zug, der in eine völlig andere Richtung fährt.

(Carsten Ovens CDU: Ab nach Moskau!)

Es ist uns vollkommen egal, wer der Schaffner ist, aber wir brauchen eine grundsätzliche Neuausrichtung. Da kommt dann allerdings die SPD ins Spiel. Martin Schulz muss sich durchaus mehr bewegen. Was er zum Beispiel letzte Woche mit Andrea Nahles abgeliefert hat, um das Rentenniveau auf 48 Prozent zu halten, ist beschämend. Da könnte man fast einmal darüber nachdenken, ob Kohl mit 53 Prozent Steuerquote Sozialist war.

Wir als LINKE machen klare Angebote. Wir brauchen eine Politik, die auf Frieden gründet. Wir brauchen eine Politik, die den Reichtum von oben nach unten umverteilt. Das ist die Grundlage für soziale Gerechtigkeit und da muss sich die SPD deutlich bewegen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Suding von der FDP-Fraktion, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Schulzzug oder Wachstumslokomotive? Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich finde, Sie haben einen sehr merkwürdigen Titel gewählt. Ich kann erahnen, was Sie mit Schulzzug gemeint haben könnten. Ich finde es wirklich sehr bedauerlich, dass Martin Schulz nach seinem Umfragehöhenflug am

(Sabine Boeddinghaus)

Anfang des Jahres so abgestürzt ist. Das meine ich wirklich ernst. Häme, lieber Herr Trepoll, ist da völlig unangebracht, denn Demokratie lebt von der Auswahl an echten Alternativen. Ein starker Herausforderer der Kanzlerin wäre für die politische Kultur in unserem Land wirklich gut gewesen.

(Beifall bei der FDP – Wolfgang Rose SPD: Abwarten!)

Und noch wichtiger finde ich, dass der politische Wettbewerb der CDU gut getan hätte. Vermutlich hätte er sie zu mehr Mut zu Reformen angetrieben. Vielleicht hätte die CDU sich dann tatsächlich darüber Gedanken gemacht, wie man eine gute Zukunft in unserem Land gestalten kann. Denn das ist, wenn man sich die Regierungsbilanz anschaut, dringend notwendig.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Nun ist es aber so, dass Frau Merkel und ihre CDU sich wieder zurücklehnen und in aller Ruhe den Status quo verwalten können – mit Agenda 2010, Herr Trepoll, ist da nämlich gar nichts. Also mit der Wachstumslokomotive, die Sie im Titel nennen, können Sie nicht ernsthaft die CDU oder Frau Merkel gemeint haben. Es war beeindruckend, wie sie gestern beim Digitalisierungsgipfel mit fünf Fachministern im Schlepptau ankam. Aber auch diese Delegation kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich bei dem wichtigen Thema Digitalisierung offenbar alle gegenseitig die Verantwortung zuschieben, sodass sich am Ende niemand verantwortlich fühlt. Anders ist es wohl kaum zu erklären, dass die IT-Infrastruktur in Deutschland, verglichen mit anderen Nationen wie Südkorea oder Japan, noch so sehr in den Kinderschuhen steckt. Laut OECDStudie belegt Deutschland bei der Versorgung mit Glasfaseranschlüssen nur Platz 28 von 32. So, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, gewinnen Sie mit Sicherheit keine gute Zukunft.

(Beifall bei der FDP)

Hinsichtlich der durchaus guten wirtschaftlichen Situation, um die uns viele Länder beneiden, darf man sich nicht täuschen lassen. Dafür sind nämlich der niedrige Euro, künstlich niedrige Zinsen und Rohstoffpreise verantwortlich. Das daraus entstandene Wachstum konnte nicht einmal die schlechte Politik der Großen Koalition abwürgen. Herr Trepoll, da ist das Lob für diese Politik wirklich völlig fehl am Platz.

(Beifall bei der FDP)

Recht haben Sie aber, wenn Sie darauf hinweisen, dass man sich darauf nicht ausruhen kann. Es muss jetzt darum gehen, die Rahmenbedingungen für eine gute Zukunft zu setzen – für uns, für unsere Kinder, für unsere Enkelkinder –, damit unser Land wettbewerbsfähig bleibt und wir auch in Zukunft noch unseren Wohlstand erwirtschaften kön

nen. Deswegen ist es jetzt wirklich höchste Zeit für eine echte Agenda 2030. Auf dieser Agenda steht ein flexibler Arbeitsmarkt, der sich an die Arbeitswelt von morgen anpasst, die sich dramatisch verändern wird. Die überbordende Bürokratie, die Neugründungen behindert und Wirtschaftswachstum hemmt, muss abgeschafft werden. Wir müssen innovativer und digitaler werden. Wir müssen die Verantwortung für die Digitalisierung in einem Ministerium bündeln. Für Bildung müssen wir mehr tun, damit unsere Kinder auf die Anforderungen der Arbeitswelt von morgen vorbereitet sind und ihre Chancen im Leben auch wirklich nutzen können.

Wir müssen unsere Infrastruktur instand setzen, wir dürfen nicht zulassen, dass der Sanierungsstau auf unseren Straßen, Brücken und Schienen jedes Jahr größer wird. Und wir müssen vor allen Dingen in den Ausbau eines leistungsfähigen Glasfasernetzes investieren. Das alles ist möglich, man muss es aber wollen und man muss es vor allen Dingen können, und das ist bei der Großen Koalition offensichtlich nicht der Fall.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen eine neue Balance zwischen Staat und Bürgern. Die Politiker anderer Parteien wollen den Menschen möglichst viel von ihrem Geld wegnehmen und dann entscheiden, wofür sie deren Geld ausgeben. Wir machen das anders. Wir wollen, dass der Staat sich zurücknimmt und die Menschen möglichst viel von ihrem Geld behalten können, damit sie selbst entscheiden können, welche Ziele sie damit für sich selbst und ihre Familien verfolgen können.

(Wolfgang Rose SPD: Die bauen dann sel- ber die Autobahnen!)

Jetzt hören wir wieder die Ankündigungen von Wolfgang Schäuble – wir hören sie in jedem Wahlkampf und immer nur zu Wahlkampfzeiten; in der Legislaturperiode werden diese Ankündigungen zurückgenommen. Jetzt sollen es also 15 Milliarden Euro sein, um die die Bürger entlastet werden. Das ist aber angesichts der 54 Milliarden Euro, die allein als Mehreinnahmen gegenüber der letzten Steuerschätzung von 2016 zu erwarten sind, viel zu wenig. Der Mann will also auf dem Geld der anderen Leute sitzenbleiben, es sich da bequem machen. Das ist wirklich ein Schlag ins Gesicht der Steuerzahler.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen muss der Soli spätestens 2019 weg, die kalte Progression muss abgeschafft werden, und wir wollen den Erwerb von Grundeigentum befördern, indem wir einen Freibetrag auf die Grunderwerbsteuer einführen. In Nordrhein-Westfalen ist die CDU auf unseren klugen Vorschlag bereits eingegangen; dazu wird es auch bald eine Bundesratsinitiative geben.

Solange die SPD bei ihrer Agenda 1995 bleibt und die CDU bei der Agenda 2010 verharrt,

(Glocke)

wird weder der Schulzzug rollen noch wird Frau Merkel zur Wachstumslokomotive. Dafür braucht es die Agenda 2030 der Freien Demokraten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Dr. Baumann von der AfD-Fraktion hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das ist heute wieder so ein Heiße-Luft-Thema, das die CDU aus, man muss es schon sagen, billigen Wahlkampfgründen einbringt. Richtig ist dabei auf jeden Fall, dass Martin Schulz der völlig falsche Mann fürs Kanzleramt ist. Er warb jahrzehntelang auf Brüsseler EU-Ebene für einen rigiden EU-Zentralismus, den die Menschen nicht mehr wollen, für die Übernahme fremder Schulden, für den Bruch des Maastricht-Vertrags, für Eurobonds, für weitere Schuldenvergemeinschaftung und ein neues, zentrales Wirtschafts- und Finanzministerium, das all diese Irrwege doch nur weiterführen würde. Ausgerechnet da, wo die SPD im Bund in diesem Jahrhundert eine wirtschaftspolitische Sache einmal halbwegs vernünftig gemacht hat – Agenda 2010, die HartzReform –, will Schulz aus relativ billigen sozialpopulistischen Gründen wieder zurückrudern. Man muss es so sagen, Schulz ist ein Sozialpopulist. Wachstumsbremse ist in diesem Zusammenhang das richtige Wort, Herr Trepoll. Er ist wirtschaftspolitisch ein Null ouvert, der Deutschland schaden würde, das kann man nicht anders sagen.

(Beifall bei der AfD – Jörg Hamann CDU: Da war Schröder besser!)

Das ist aber auch das einzig Richtige am heutigen Thema der CDU, denn auch Merkel ist alles andere als eine Wachstumslokomotive; wir wissen es doch. Die derzeit heiß laufende Konjunktur ist die Folge eines völlig falsch konstruierten Euro und unseliger Gelddruck-Euro-Politik in Billionenhöhe. Sie verzerrt auf schlimme Weise zentrale Steuerungsgrößen unserer Volkswirtschaft und des zentralen Wirtschaftsverkehrs: die Preise für deutsche Exportgüter, die Preise für Importgüter und selbst den Preis für Kapital. Der Zins ist ins Unkenntliche verzerrt. Das Neudrucken von Billionen Euro, das Aufblähen der Zentralbankgeldmenge, treibt den Euro auf den Devisenmärkten in die Unterbewertung. Diese Scheinblüte, wie es sie zu stabilen D-Mark-Zeiten nie gegeben hat, ist das eigentlich Fundamentale. Über die zentrale Stellschraube Wechselkurs im globalen Wirtschaftsgeschehen kommt es zur Überhitzung von Konjunktur und Beschäftigungslage. Das ist nicht gut für unser Land.

(Beifall bei der AfD)

Der aus deutscher Sicht völlig unterbewertete Euro verbilligt künstlich die deutschen Exporte. Sie werden durch die Wechselkursverzerrung quasi gedopt. Das verschafft ihnen künstlich eine scheinbare Wettbewerbsfähigkeit, ist aber nicht das Produkt einer Leistung, sondern einer Währungsmanipulation und einer Preisverzerrung. Gleichzeitig werden die deutschen Unternehmen, die ihre Waren hierzulande verkaufen, aufgrund des niedrigen EuroWechselkurses gegen Konkurrenten aus dem Ausland geschützt, deren Preise durch den EuroWechselkurs und die Billionen-Euro-Druckerei verteuert werden. Das sind die beiden Gründe für das derzeit schillernde Beschäftigungshoch, und nicht die CDU-Politik, wie Herr Trepoll es heute ausgeführt hat. Mit guter Wirtschaftspolitik der MerkelCDU hat diese Beschäftigungslage gar nichts zu tun, Herr Trepoll, eher mit dem Gegenteil. Was Sie hier verbreiten, ist Anmaßung und Wahlkampflügerei, man kann es nicht anders sagen.

(Beifall bei der AfD)

Denn die Lage ist noch schlimmer. Die Politik des Dopings durch verzerrte Wechselkurse schädigt auf Dauer auch die heimischen Unternehmen ebenso wie Arbeitnehmer und Verbraucher. Denn den deutschen Exportunternehmen wird vorgegaukelt, sie seien wettbewerbsfähig und produktiv – von daher ist das Wort Doping gar nicht falsch. Das heißt, der Antrieb, sich im echten Wettbewerb mit unverzerrten Wechselkursen stetig zu verbessern und die Produktivität zu steigern, fällt aus. Er verfällt zunehmend hinter einer Fassade und Scheinblüte. Eine solche Produktivitätspeitsche durch ehrliche Wechselkurse und eine vernünftige Geldpolitik blieb unter der D-Mark immer stabil. So war während der großen Exporterfolge, die wir in den letzten Jahrzehnten hatten, immer die D-Mark auf Aufwertungskurs, und so müsste es auch sein. Das verhindert Ihre Politik.

Das von Merkel unterstützte Euro-Doping in Billionenhöhe schädigt aber auch Arbeitnehmer und Verbraucher. Sie können sich mit ihren Einkünften immer weniger leisten. Die verzerrten Wechselkurse verteuern zentrale Öl- und Energieimporte, die Treibstoffe und riesige Mengen anderer Rohstoffe, sie verteuern alle importierten Waren, für alle Bürger: die gigantischen Mengen, die in China produziert werden, an Kleidung, an Möbeln, an Konsumprodukten aller Art, die koreanischen und taiwanesischen Computer, die sie haben, die Laptops und Handys bis hin zur amerikanischen Software, die sie nutzen, und den Online-Diensten. Überall zahlt der deutsche Verbraucher heftig und völlig unnötig drauf. Das ist das Ergebnis dieser Wirtschaftspolitik, Herr Trepoll. Sie ist nicht nur eine Mogelpackung, sondern wirkt auf Dauer wie ein Schädigungsprogramm für die deutsche Wirtschaft und alle Verbraucher.

(Katja Suding)

(Beifall bei der AfD)