Protokoll der Sitzung vom 28.06.2017

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP, ver- einzelt bei den GRÜNEN und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Ich glaube, wir sind uns gar nicht uneinig darin, dass die Perspektive sein muss, dass irgendwann solche Willensbildungsprozesse in der Generalversammlung der Vereinten Nationen ankommen müssen. Aber solange wir dort eine Situation haben, bei der es schwierig ist, einen politischen Konsens unter 192 Mitgliedsstaaten zu erreichen, können wir doch nicht sagen, solange das noch nicht handlungsfähig sei in der UN-Vollversammlung, werde auch nicht geredet. Was ist denn das für ein Wahnsinn von weltpolitischer Vorstellung, die Sie hier verbreiten? Deshalb muss es gerade solche informellen Dialogformen wie G20 geben, damit wir über diese gravierenden Probleme sprechen, die Sie ja auch nicht abstreiten, aber wo Sie sich völlig verweigern, wie eine reale Lösungsfindung auch in dieser Welt möglich sein soll.

(Beifall bei der SPD, der CDU und bei der FDP – Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Yildiz?

Danke, Herr Dressel. – Eine Frage an Sie: Nennen Sie mir doch bitte ein Beispiel, welchen Konsens die G20 in den letzten Jahren gefunden hat bei ihren Treffen, der bis jetzt umgesetzt worden ist. Geben Sie mir ein Beispiel, was sie bis jetzt erreicht haben.

Wir können uns jetzt gern durch die Beschlüsse scrollen. Natürlich geht es nicht darum, dass einzelne Beschlüsse eine konkrete Rechtsverbindlichkeit erzeugen, sondern das fließt in alle möglichen anderen Prozesse ein und ist häufig Voraussetzung dafür, dass es zum Beispiel das Weltklimaabkommen gibt. Dazu war G20 ein entscheidender Faktor.

(Hansjörg Schmidt SPD: Ohne G20 hätte es das Pariser Klimaabkommen nicht gege- ben!)

Das können Sie doch nicht in Abrede stellen. Das ist absolute Realitätsverweigerung, die Sie abliefern.

(Beifall bei der SPD, der CDU und bei der FDP)

Damit hier nicht immer nur über G20 geredet wird: Wir haben noch weitere Gastländer dabei, zum Beispiel Senegal und Vietnam, und dann Chefs vieler internationaler Organisationen wie der UNO – sie ist auch dabei, siehe da, das könnte jetzt auch DIE LINKE verstehen –, die Weltbank, Weltwährungsfonds, WTO, OECD, die ILO und auch die Vorsitzenden regionaler Organisationen wie der Afrikanischen Union. All das Gerede, es werde an Afrika vorbeiargumentiert, löst sich bei näherer Betrachtung in Luft auf, liebe LINKE.

(Beifall bei der SPD)

Auch südostasiatische Nationen, die ASEAN, und die afrikanische Entwicklungsorganisation NEPAD sind dabei.

(Zuruf von Martin Dolzer DIE LINKE)

Das allein zeigt doch, dass G20 nicht nur G20 ist, sondern zusätzlich viele andere Organisationen dabei sind – die Agenda können Sie auf der Hamburg-Seite, auf der Seite der Bundesregierung herunterladen. Aber wie soll man Ihr Engagement für Welternährung, gegen Hunger, für Frieden eigentlich ernst nehmen, wenn Sie all das in Abrede stellen? Ich finde, dass DIE LINKE damit wirklich einen Offenbarungseid leistet.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP, ver- einzelt bei den GRÜNEN und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Sie reden immer von demokratischer Legitimation. Natürlich muss man bei den Staatschefs an einigen Stellen ein paar Abstriche machen. Trotzdem sind die Staatschefs, über die wir hier reden, maßgeblich demokratisch legitimiert, auch wenn uns das Zustandekommen der demokratischen Legitimation nicht überall gefällt. Aber ohne sie ist eine Lösungsfindung für unsere Probleme absolut ausgeschlossen. Wie soll denn eine Lösungsfindung bei diesen Themen zustande kommen, ohne dass man auch Herrn Trump, Herrn Putin und Herrn Erdogan auf den richtigen Weg bringt? Es geht nicht ohne sie, und deshalb muss man auch gerade mit den zweifelhaften Staatschefs einen vernünftigen Dialog führen.

(Beifall bei der SPD)

Sie lehnen G20 ab, aber der Alternativgipfel auf Kampnagel soll die Lösung bringen. Ich will gar nichts gegen diesen Gipfel sagen. Aber wie demokratisch legitimiert als Ersatzwillensbildung ist er?

Sie lehnen G20 ab, aber solche Alternativgipfel sind das Alleinseligmachende – das kann nicht sein. Es muss beides geben, die Zivilgesellschaft – Civil20 hat in Hamburg stattgefunden, all die anderen Veranstaltungen ebenso –, aber das andere auch. Das sind notwendig zwei Seiten einer Medaille. Nur so werden wir die Welt gemeinsam nach vorn bringen können.

(Beifall bei der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU und den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft die Drucksache 21/9367 zur Kenntnis genommen hat.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25, Drucksache 21/9443, Bericht des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Integration: "Schwerpunktthemen des G20-Gipfels im Bereich Beschäftigung".

[Bericht des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Integration zum Thema: "Schwerpunktthemen des G20-Gipfels im Bereich Beschäftigung" (Selbstbefassungsange- legenheit) – Drs 21/9443 –]

Dieser Tagesordnungspunkt ist von der SPD-Fraktion als Kurzdebatte angemeldet worden, sodass jeder Rednerin und jedem Redner pro Debattenbeitrag jeweils zwei Minuten Redezeit zur Verfügung stehen.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Herr Rose von der SPD-Fraktion, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zeit ist kurz. Das Ergebnis der SPD aus der Beratung im Sozialausschuss lautet: Reden wir nicht länger darüber, ob die G20 hier tagen dürfen oder nicht, sondern reden wir endlich darüber, um welche Inhalte es dabei geht und gehen soll, zum Beispiel für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Hamburg und weltweit. Reden wir über die Forderungen der internationalen Gewerkschaften als Labour20, gerechte und faire Arbeitsbedingungen weltweit, und die Verantwortung der G20-Staaten, der Regierungen und der Konzerne dafür. Unterstützen und reden wir über die Forderung, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter, die in Indien und Bangladesch Baumwolle pflücken und unsere T-Shirts nähen, dafür faire Löhne bekommen, von denen sie leben können.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Reden wir darüber, dass sie bei ihrer Arbeit geschützt sind statt gefährdet durch Gifte und marode Bauten und dass endlich ihre Rechte respektiert werden, sich in Gewerkschaften zu organisieren und für ihre Interessen zu kämpfen. Genauso die Arbeiterinnen und Arbeiter, die in China unsere Handys zusammenbauen oder in Lateinamerika oder Vietnam unseren Kaffee produzieren oder, oder, oder. Unterstützen wir die Forderung an die G20, dass überall entlang der globalen Lieferketten mindestens die Kernarbeitsnormen der internationalen Arbeitsorganisationen eingehalten werden, dass Mindestlöhne gelten und begrenzte Arbeitszeiten statt unbegrenzter Ausbeutung.

Als SPD und als rot-grüne Koalition stehen wir für gute Arbeit in Hamburg und in Deutschland, aber wir wollen das nicht nur für uns, sondern wir wollen es für alle Menschen auf der ganzen, auf der einen Welt.

(Beifall bei der SPD)

G20 ist eine gute Gelegenheit, den global Verantwortlichen mit Nachdruck zu sagen, was wir von ihnen erwarten. Wir sollten das gemeinsam nutzen.

(Glocke)

Also auf zur "Protestwelle" auf die Alster am 2. Juli und "Haltung zeigen" am 8. Juli.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Grunwaldt von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Reden wir auch darüber, dass es uns, was das Thema Beschäftigung anbelangt, wirklich gut geht, dass wir unsere Erwerbstätigenzahl gegenüber 2005 um 5 Millionen steigern konnten, dass wir eine Jugendarbeitslosigkeit von ungefähr 6 Prozent haben und, was mir besonders am Herzen liegt, dass wir ein duales Ausbildungssystem haben. In der Selbstbefassung haben wir erfahren, dass sich die meisten Länder geweigert haben, das Wort duale Ausbildung im Rahmen der Jugendbeschäftigung aufzunehmen. Und warum? Das kann ich Ihnen sagen: weil in Deutschland die Privatwirtschaft jährlich 28 Milliarden Euro in die duale Ausbildung investiert.

(Wolfgang Rose SPD: Das sind doch ihre Arbeitnehmer!)

Bitte?

(Zuruf von Wolfgang Rose SPD)

Meine Zeit läuft ab, ich muss weiterreden. Kurzdebatte, Herr Rose.

(Dr. Andreas Dressel)

Es wird investiert, das wissen Sie: in Ausbilder, Infrastruktur, Löhne, Prüfungsgebühren. Es werden Investitionen für das Ausbildungssystem getätigt. Lassen Sie uns dieses große Glück der dualen Ausbildung zelebrieren und als Heiligtum für uns feiern.

Was bedeutet das für Hamburg? Wir haben 5 000 offene Lehrstellen, die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch höher. So viele Schülerinnen und Schülern gehen nach der 9. und 10. Klasse erst einmal in die Ausbildungsvorbereitung, 2 000 von 5 000. Dieses und nächstes Jahr erwarten uns sehr viele Absolventen der AVM-Klassen, fast 2 000.

(Wolfgang Rose SPD: G20! – Barbara Du- den SPD: Falsches Manuskript gegriffen, oder was?)

Nein. Duale Ausbildung ist ein wichtiges Thema, auch im G20.

Vielen Dank, und ich hoffe, dass wir bald auch wieder zu den wichtigen landespolitischen Themen kommen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Möller von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch beim Thema Arbeit müssen wir die Aufgabe von G20 noch weiter auffächern. Ich teile, was Wolfgang Rose gesagt hat, die Forderungen von Labour20, all das, was die Gewerkschaften schon immer wollen, was wir mit guter Arbeit wollen. Aber wir haben bei der Präsentation des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Sozialausschuss auch lernen müssen, dass die Erklärungen von Labour20 – genauso wie die von Business20 – schlicht zur Kenntnis genommen werden, aber noch lange nicht in den Prozess hineinkommen. Da bleibt noch eine Menge Arbeit zu tun.