Zu guter Letzt: G20 übt auf vielfältige Art und Weise strukturelle Gewalt aus. Dabei bilden Form und Inhalt eine Einheit. Denn diese strukturelle Gewalt spiegelt sich auch in den Mitteln der Durchsetzung der G20 in Hamburg wider, in den Demonstrationsverboten, in der Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Hamburgerinnen und Hamburger und in der verfassungsrechtlich fragwürdigen militärischen Absicherung sowie zum Beispiel auch in der Verlegung von 80 Häftlingen in andere Bundesländer, was rechtlich mehr als bedenklich ist. Deshalb stehen wir zur Zivilgesellschaft, die einen vielfältigen Protest organisiert. Und das ist richtig und gut so. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die Redezeit unserer Fraktion für den gesamten Tag würde nicht ausreichen, um all den Quatsch, Herr Dolzer, den Sie gerade durcheinandergeworfen haben, zu entkräften.
(Beifall bei der FDP, der SPD und der CDU – Karl-Heinz Warnholz CDU: Bravo! – Vize- präsident Dr. Wieland Schinnenburg über- nimmt den Vorsitz.)
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, denken Sie bitte an den parlamentarischen Sprachgebrauch.
Ich möchte einen Punkt herausgreifen, weil Sie gerade gesagt haben, es würde strukturelle Gewalt ausgeübt. Ich glaube, der überwiegende Teil dieses Hauses ist der Auffassung, dass es sich nicht um strukturelle Gewalt handelt, wenn es klare Regelungen dazu gibt, wo in dieser Stadt zu diesem Gipfel wann was erlaubt ist. Das hat nichts mit Gewalt zu tun, Herr Dolzer. Es ist Teil eines Prozesses, um den gewaltfreien Protest, den es geben soll und geben darf, zu organisieren. Sie können das kritisieren,
Ich möchte auch festhalten, dass wir nicht an der Bundesregierung beteiligt sind und deswegen unverdächtig sind.
Aber unsere Bundesregierung ist sehr wohl demokratisch legitimiert, an einem solchen Gipfel teilzunehmen. Sie ist demokratisch legitimiert, ihn auszurichten. Sie ist auch organisatorisch in der Lage, ihn hier auszurichten. Sie dürfen nicht einfach irgendetwas durcheinanderwerfen, irgendetwas behaupten und damit auch noch davonkommen, Herr Dolzer; das ist nicht in Ordnung. Deshalb sollten Sie sich in der Art und Weise Ihrer Kritik in Mäßigung üben.
Wenn wir inhaltlich über das Thema reden, dann würde ich gern zu der Frage von Frau Duden, ob es gut in der Welt läuft, die Frage hinzufügen: Sorgen wir eigentlich genügend dafür, dass es in der Welt gut läuft? Werden wir unserer Rolle ausreichend gerecht als Land, das wirtschaftlichen Wohlstand, Frieden und auch große Freiheiten genießt? Welche Implikationen bedeutet es eigentlich, wenn man sagt, vielleicht werden wir nicht an jeder Stelle dieser Rolle gerecht? Deswegen begrüßen wir, dass Sie das Thema heute zur inhaltlichen Befassung angemeldet haben.
Wir sind allerdings nicht dabei, wenn Sie sagen, es werde schon Geschichte geschrieben, nur weil sich Trump und Putin das erste Mal treffen. Meine persönliche Definition von Geschichteschreiben wäre, dass sie sich nicht nur treffen und unterhalten, sondern dass dabei auch etwas Produktives für die Welt herauskommt. Ich glaube, wenn das erreicht wird, dann können wir wirklich sagen, dass in dieser Stadt Geschichte geschrieben wird. Dann wird Hamburg künftig mit positiven Ergebnissen in der Weltpolitik assoziiert. Dann wird man sagen: Hamburg 2017 hat dieses und jenes erreicht. Hamburg 2017, da ist dieses und jenes beschlossen worden und darauf bauen weitere Beschlüsse auf. Wenn wir uns die letzten Jahre ansehen, dann war 2015, glaube ich, das Jahr der Angst. 2017 könnte das Jahr des Mutes werden. Deswegen sollten wir als gute Gastgeber dazu beitragen, dass dieser Gipfel bestmöglich gelingt und mutige Entscheidungen für die Menschen auf dieser Welt produziert. Ich glaube, wenn solche positiven Entscheidungen mit Hamburg verbunden werden, dann haben wir sehr viel Positives erreicht. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte bei der Rede von Herrn Westenberger anknüpfen und auf Afrika als einen Schwerpunkt des diesjährigen G20-Treffens in Hamburg eingehen. Diese Schwerpunktsetzung unterstützen wir. Mehr noch, wir betonen deren Dringlichkeit, denn die Zahl der nach Europa strebenden Afrikaner hat seit Jahresbeginn deutlich zugenommen. Ein als vertraulich bezeichnetes Papier deutscher Sicherheitsbehörden berichtet, dass in den Staaten Nordafrikas und weiteren Mittelmeeranrainern bis zu 6,6 Millionen Menschen auf eine Weiterreise nach Europa warten. Die Ursachen für diese riesigen Migrationsströme sind vielfältig: absolute und relative Armut, Bevölkerungsexplosion, kritische und religiöse Konflikte, Klimaextreme. Die Bekämpfung dieser Ursachen und deren Erfolg, dessen müssen sich die Politiker der G20 bewusst sein, wird die Zukunft der Menschen in Afrika wie in Europa maßgeblich beeinflussen. Die AfD bekennt sich dazu, die ökonomischen Fluchtursachen zu bekämpfen und vor Ort in Afrika den Menschen zu helfen, auch wenn dies für die westliche Wirtschaft mit Einschränkungen verbunden ist und natürlich auch Geld kostet, das man dafür in die Hand nehmen muss.
Die Gruppe der G20 möge ein starkes politisches Signal in diese Richtung setzen mit Programmen und Abkommen, die darauf gerichtet sind, den Menschen in Afrika eine lebenswerte Perspektive zu bieten. Im Interesse der Afrikaner ebenso wie in unserem eigenen Interesse, auch um Fluchtursachen zu bekämpfen und den Menschen dort eine wirtschaftliche Perspektive zu geben. Wir denken, dass damit den Menschen in Afrika mehr gedient ist, als ihnen mit offenen Grenzen und den Verlockungen des Sozialstaates Anreize zu geben, ihre Länder zu verlassen und zu uns zu kommen. Damit werden die Länder Afrikas ausgeblutet und wir helfen ihnen damit nicht, sondern wir schaden ihnen. In diesem Sinne hoffen wir auf ein Signal der G20 für Afrika und für Europa. – Vielen Dank.
Lieber Herr Kruse, das Wort strukturelle Gewalt ist ein wissenschaftlicher Begriff. Auch wenn Sie das, was ich sage, nicht richtig finden, sollten Sie sich damit auseinander
setzen, dass in Afrika durch Rüstungsexporte, durch Kriege, durch Land Grabbing, durch Umweltzerstörung, durch Überfischung, durch das Festhalten am afrikanischen Franc und durch die anhaltende Ausbeutung der Ressourcen bei Nichtzulassen der volkswirtschaftlichen Regenerierung beziehungsweise des ersten volkswirtschaftlichen Aufbaus vieler Staaten Afrikas strukturelle Gewalt ausgeübt wird. Das können wir nicht verleugnen, sondern darüber müssen wir diskutieren. Jede Expertin, jeder Experte, egal aus welchem politischen Lager, wird Ihnen sagen, dass das Probleme der strukturellen Gewalt sind, die es zu überwinden gilt.
Nehmen wir den Krieg in Libyen; da ist Gewalt angewendet worden. Nehmen wir den Irak, nehmen wir Syrien, und daran sind mitverantwortlich genau die federführenden Staaten der G20. Damit müssen wir uns auseinandersetzen und das ist strukturelle Gewalt.
Zum Teil ist es sogar nicht nur strukturelle Gewalt, sondern auch physische Gewalt durch Kriege, die von der G20 beschlossen werden. Genau deshalb muss die G20 sich nicht treffen, sondern die UN. Denn dort sind alle Staaten organisiert,
auch diejenigen Staaten und die Bevölkerungsgruppen, die durch diese strukturelle Gewalt am meisten geschädigt werden. Da können Sie noch so lange versuchen, das wegzudiskutieren und zu sagen, die G20 werden das schon richten. Nein, die werden es nicht richten. Das kann nur innerhalb der UN reguliert werden, weil es dort auf Grundlage des Völkerrechts stattfindet und bei den G20 nicht. Sie sollten vielleicht zur Kenntnis nehmen, dass es nichts bringt, jemanden zu diffamieren, der eine andere Meinung hat. Das ist einfach vollkommen unredlich, was Sie hier gemacht haben.
Ich erkläre Ihnen das noch einmal am Beispiel der Elfenbeinküste. Da gab es eine Regierung, die versucht hat, die Volkswirtschaft aufzubauen. Dann gab es eine Wahl, bei der die oberste Wahlkommission von einem Wahlbetrug gesprochen hat. Der Präsident ist dort bis heute im Amt und er hat im Sinne von Neoliberalisierung der Wirtschaft alle Errungenschaften, die dort zur Stabilisierung der Volkswirtschaft gemacht worden sind, zerschlagen.
Libyen, man kann menschenrechtlich dazu sagen, was man will, aber das war ein Land mit einem Pro-Kopf-Einkommen wie in der Schweiz und es
hat versucht, eine afrikanische Zentralbank aufzubauen und einen afrikanischen Währungsfonds. Es war auf dem Weg, um Afrika zu stabilisieren, und dann hat der Krieg dort stattgefunden.
Hätte man das anders gewollt, hätte man mit der Afrikanischen Union sprechen können und etwas anderes machen können als Krieg.
(Michael Kruse FDP: Das möchte hier kei- ner, Herr Dolzer, aber wir reden hier über das G20-Treffen!)
Das ist strukturelle Gewalt, das wollen wir nicht. Deshalb begrüßen wir zum Beispiel auf dem Kampnagel die zivilgesellschaftlichen Organisationen, diejenigen Akteure wie Jean Ziegler, die ebenfalls hier in Hamburg sind, die wirklich eine Stärkung der Zivilgesellschaft und des Friedens fordern und fördern. Und dafür ist der G20-Gipfel überhaupt nicht notwendig. – Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege Dolzer, Sie haben gerade sehr deutlich gemacht, worum es Ihnen eigentlich geht. Es geht Ihnen überhaupt nicht um die Problemlösung in dieser Welt, Sie wollen nichts anderes haben als ein Konfliktfeld, an dem Sie sich reiben können. Aber um die wahre Lösung der Probleme unserer Welt, ob das eine kriegerische Auseinandersetzung in Syrien ist, ob es zerfallende Staaten in der Welt sind, ob das die Flüchtlingskrise ist, die den gesamten Erdball beschäftigt, geht es Ihnen überhaupt nicht. Sondern Sie sagen von vornherein, die G20 seien unter sich, lösten keine Probleme, redeten über nichts, aber Sie, Herr Dolzer, könnten sich ordentlich daran reiben. Wunderbar. An diesem Weltbild, lieber Herr Dolzer, werden Sie eines Tages wirklich scheitern, und in diesem Hause werden Sie niemanden mehr hören, der auf Ihre Argumentationslinie eingeht. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Lieber Herr Dolzer, diese Debatten zeigen – und ich finde es gut, dass wir uns heute einmal richtig Zeit für G20 nehmen –, dass wir bei allen Unterschieden, die es vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch im Haus gibt, hier trotzdem eine sehr große
Einigkeit haben, wie wichtig die Themen sind, die bei G20 bewegt werden, auch für die Themen der Welt. Sie haben sich aus diesem Konsens, der sich doch hier abzeichnet, völlig verabschiedet,
obwohl es um so wichtige Themen geht, für die Sie sonst immer stehen. Aber diesbezüglich verabschieden Sie sich völlig von der Diskussion und stellen sich damit meiner Meinung nach ein Armutszeugnis aus.