Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Bedeutung einer angemessenen und menschlichen Pflege wird in einer alternden Gesellschaft immer größer, darüber sind wir uns, glaube ich, alle einig – wenn ich mir das Interesse im Saal anschaue, spiegelt das die Wichtigkeit nicht unbedingt wider. Folgerichtig hat die CDU auf Bundesebene drei westliche Reformschritte angeschoben. Erstens: mehr Geld. Angehörige bekommen höhere Zuschüsse und zusätzliche Hilfen. Zweitens: zusätzliches Personal. Pflegekräfte erhalten Unterstützung im Pflegealltag. Und drittens: die Ausbildungsreform. Die Ausbildung der Pflegekräfte wird generalisiert und modern ausgerichtet. Ergänzend hat die Bundesregierung vor rund zwei Monaten die Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen in bestimmten Krankenhausbereichen auf den Weg gebracht. Das sind die Stellschrauben, für die Politik und der Staat verantwortlich sind. Nichts anderes.
Trotzdem stehen wir immer wieder vor der grundsätzlichen Frage: Wie viel Staat brauchen wir? Macht der Staat wirklich immer alles besser? Was muss der Staat machen, was kann auch privatwirtschaftlich erfolgen?
Es ist immer wieder populär, wenn im sozialen Bereich nach dem Staat gerufen wird. Der böse Kapitalismus nutze die Hilflosigkeit von alten und kranken Menschen aus, so die Intention des Antrags der LINKEN, der schützende Staat müsse eingreifen und die Pflege ganz an sich ziehen, koste es, was es wolle. Natürlich lässt die Nachricht, dass PFLEGEN & WOHNEN an den amerikanischen US-Investor Oaktree verkauft wird, aufschrecken, und die Sorge, dass Oaktree in Wirklichkeit vielleicht auf die Immobilien schielt, scheint nicht ganz unberechtigt. Hier – das hat Frau Wowretzko schon gesagt – ist es Aufgabe des Senats, die Alten- und Pflegeeinrichtungen nicht zu Spekulationsobjekten werden zu lassen.
Die richtigen Stellschrauben sind das Planrecht, aber auch die Wahrnehmung einer Fachaufsicht, die ihren Namen verdient. Und das, meine lieben Kollegen von der LINKEN, trauen Sie im selben Atemzug mit Ihrem Antrag der Stadt nicht zu. Sie trauen der zuständigen Behörde nicht zu, dass sie mit dem Instrument der Fachaufsicht
und der bestehenden Gesetzgebung für die menschliche und kompetente Betreuung und Pflege sorgen kann – im Falle Hamburgs vielleicht gar nicht ganz zu Unrecht. Ich erinnere an den Fall Kottysch.
Der Box-Olympiasieger litt an Demenz und lebte drei Jahre in dem Seniorenpflegeheim Emilienhof, und obwohl er Pflegestufe 4 hatte, wurde er offensichtlich unzureichend betreut. Was ist da schiefgelaufen? Aus der Antwort des Senats auf meine Anfrage ging hervor, dass die Senioreneinrichtungen nur zu ungefähr einem Drittel kontrolliert werden, und diese mangelnde Kontrolle führt dazu, dass Missstände zu spät entdeckt werden. Statt nun mit der Verstaatlichung der Pflege zu beginnen, müssen wir erst einmal die staatlichen Kontrollmechanismen schärfen. Meines Erachtens hat an dieser Stelle der Senat und vor allen Dingen die zuständige Senatorin versagt.
Die sind nämlich derzeit in den Bezirken angesiedelt und dort gut vernetzt. Eine Zentralisierung würde diese Netzwerke zerschlagen und die schnelle Entdeckung und Meldung von Missständen behindern. Mein Appell also: Vergessen Sie dieses Vorhaben ganz schnell wieder und lassen Sie die Wohn-Pflege-Aufsichten dort, wo sie sind.
Die Situation von PFLEGEN & Wohnen vor zehn Jahren – Sie haben sie vorhin beschrieben, aber das sind eben immer nur Halbwahrheiten. Richtig ist, dass PFLEGEN & WOHNEN und damit die dortige Pflege selbst in einem völlig desolaten Zustand war. PFLEGEN & WOHNEN lag buchstäblich auf der Intensivstation und konnte nur durch horrende Ausgleichsbeträge aus Steuermitteln künstlich am Leben erhalten werden. Die Ursachen für diesen dramatischen Zustand lagen seinerzeit in der Unwirtschaftlichkeit der Betriebsstrukturen, der hoffnungslos überdimensionierten Verwaltung und den hohen Pensionsbelastungen bei gleichzeitig fehlender Rückstellung begründet, und das ist
Als neuen Eigentümer hat der CDU-Senat damals Vitanas verpflichtet, eine Mindestinvestition von über 50 Millionen Euro zu tätigen. Aus dem Pflegefall von damals ist heute ein kerngesunder Erfolgsfall geworden – der Staat macht eben nicht alles besser.
Unser Antrag ist kein Show-Antrag, sondern wir wollen mit ihm für Transparenz sorgen und der Vergesslichkeit von SPD und GRÜNEN entgegenwirken. Deshalb fordern wir, die Hintergründe und Umstände der Privatisierung von PFLEGEN & WOHNEN darzustellen und die Unternehmensentwicklung nachzuzeichnen. Aufgrund von Fakten können wir alle sehr viel mehr und besser die gute Pflege in Hamburg beurteilen. Mit Halbwahrheiten kommen wir nicht weiter.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Stöver, Stichwort Vergesslichkeit: Ich bin doch einigermaßen erschüttert über Ihre Vergesslichkeit in Bezug auf die damalige CDU-Alleinregierung.
Sie waren 2007 bereits drei Jahre in der Regierung und hätten alle Zeit der Welt gehabt, um diese Verantwortung wahrzunehmen.
Wenn Sie festgestellt haben in Ihrer CDU-Alleinregierung, dass es dort nicht gut läuft, hätten Sie handeln können. Was haben Sie stattdessen gemacht, da liegt die Ursache für das heutige Problem? Sie haben PFLEGEN & WOHNEN verkauft,
Dieses miserable Vertragswerk – Herr Thering, das sollten Sie sich vielleicht noch einmal zu Gemüte führen – ist heute dafür verantwortlich, dass zum frühestmöglichen Zeitpunkt, nämlich bereits nach zehn Jahren, PFLEGEN & WOHNEN wieder verkauft werden kann und dass die Stadt ihr Vor
(Zurufe von Thilo Kleibauer, Dennis Thering, beide CDU, und André Trepoll CDU: Ja, das glaube ich! Stichwort Vergesslichkeit!)
Das trägt dazu bei, dass wir heute die Situation haben, wie wir sie haben. Ihr Antrag, der wie eine Selbstbeweihräucherung daherkommt, kommt wirklich zu einer Unzeit. Dieser Antrag, den die CDU gestellt hat und der vor Selbstbeweihräucherung nur so trieft, trägt null Komma null zur Lösung des heutigen Problems bei.
Was muss stattdessen passieren? Immerhin sind 1 700 Mitarbeiter und 2 700 Pflegebedürftige betroffen davon. Was muss passieren? Es muss politisch gehandelt werden, und das hat dieser Senat getan. Jeder Kaufinteressent von PFLEGEN & WOHNEN muss wissen, dass der Erhalt der Pflegeheime nicht verhandelbar ist. Es wird keine andere Verwertung der Grundstücke geben. Dafür hat der Senat gesorgt, indem er die planungsrechtliche Sicherung der Flächen vorangetrieben hat, an sich gezogen hat, und dort, wo es noch nicht geschehen war, die Flächen als Gemeinbedarfsflächen für Alten- und Pflegeeinrichtungen ausgewiesen hat. Das ist politisches Handeln zur richtigen Zeit.
Wir werden auch weiterhin alles Notwendige dafür tun, dass die Sicherheit der Pflegeheime erhalten bleibt, und vor allen Dingen, dass für die pflegebedürftigen Bewohner Ruhe einkehrt. Alles Notwendige, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, heißt nicht, dass wir PFLEGEN & WOHNEN zurückkaufen müssen. Wir müssen das Unternehmen nicht kaufen, um die Standorte und die Pflegeplätze langfristig zu sichern; das tun wir – ich erwähnte es bereits – über das Planungsrecht. Wir müssen es auch nicht kaufen, um gute Pflege- und Betreuungsqualitäten zu sichern; das schaffen wir mit dem Hamburgischen Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz. Und wir müssen das Unternehmen auch nicht kaufen, um die Tarifbindung zu erhalten. Die Tarifparteien nehmen diese Aufgabe autonom wahr. Aber ich will an dieser Stelle sagen, dass der CDU-Senat damals gleichzeitig mit der Privatisierung dafür gesorgt hat, dass die Tarifbin
diese Sicherheit zu erreichen, für die Pflegebedürftigen und für die Mitarbeiter. Es ist daher nicht notwendig, einen dreistelligen Millionenbetrag auszugeben; das in Richtung Links-Fraktion. Und es wäre auch nicht zu rechtfertigen, da ein Rückkauf – wir haben die Zahl gelesen, 500 Millionen Euro – automatisch zulasten anderer Zukunftsinvestitionen geht.
Ich erwähnte bereits – das ist ein Selbstgänger –, dass wir den Antrag der CDU ablehnen. Dass diese Werbebroschüre hier noch zur Abstimmung steht, finde ich schon schrecklich genug,
(Dennis Thering CDU: Weil Sie offensichtlich vergessen haben, wie die Situation damals war! – André Trepoll CDU: Wir dürfen ja wohl noch Anträge stellen!)