Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich dachte eigentlich, dass der Antrag in der Sache oder in der Problembeschreibung insgesamt relativ unkontrovers gesehen wird. Zumindest was die Problembeschreibung betrifft, hat DIE LINKE auf jeden Fall recht; sie hatte auch schon letztes Jahr recht, als sie einen ähnlichen Antrag eingebracht hat. Insofern kann ich Frau Jürgens' Forderung nach einem neuen Antrag, der die Probleme richtig beschreibt, nicht nachvollziehen. Die Problembeschreibung im Antrag der LINKEN ist meiner Meinung nach, das hört DIE LINKE selten von mir, recht konsequent.

(Beifall bei Martin Dolzer DIE LINKE)

Überrascht hat mich, Frau Dr. von Berg, dass Sie sagen, die Probleme hätten sich erledigt. Ich weiß nicht, welche Zahlen Sie sich angesehen haben, aber so nett, wie Sie es gerade dargestellt haben, ist es nicht. Sie haben Ihre Zielzahlen im alten System nicht erreicht und erreichen Sie auch im neuen System nicht. Wenn, wie DIE LINKE in ihrem Antrag richtig beschreibt, der Anteil von Kindern, die am Ende des Schulschwimmunterrichts Bronze erreichen, von 82,7 Prozent auf knapp 60 Prozent sinkt, dann muss man sich doch zumindest einmal Gedanken machen, woran das liegen könnte. Oder halten Sie diese Zahlen etwa für unproblematisch? Wenn Sie der Ansicht sind, diese Zahlen seien kein Problem, dann kann ich Ihr Statement verstehen. Meines Erachtens sollten wir aber diesen Antrag zumindest an den Ausschuss überweisen, um gemeinsam zu prüfen, an welchen Stellen auch das neue System evaluiert und möglicherweise nachgebessert werden müsste. Die Gutscheine sind übrigens eine gute Idee gewesen. Auch wir haben damals gesagt, dass etwas getan werden muss und wir eine besondere freiwillige Förderung für diejenigen, für die der normale Unterricht nicht ausreicht, gut finden und gern ausprobieren möchten. Aber die vorgelegten Zahlen zeigen, dass das Gutscheinsystem nicht nachgefragt wird. Also ist es wohl kein geeignetes Mittel, um die Defizite zu beheben.

Allerdings können auch wir dem Antrag in der vorliegenden Fassung nicht zustimmen. Wir würden zwar einer Überweisung zustimmen, nicht aber dem Antrag in der Sache, da er einige Inkonsistenzen aufweist. Viele Ihrer Forderungen scheitern schon allein an den nicht vorhandenen Wasserzeiten. Frau Jürgens hat das Problem gerade klar be

nannt und gesagt, selbst wenn man mehr machen wollen würde, könne man es nicht, weil es nicht genug Wasserzeiten gebe. Frau Dr. von Berg sagte, man müsse eigentlich gar nichts ändern. Ich bin da eher bei Frau Jürgens, wobei ich sagen muss, dass wir uns diese Wasserzeiten nicht aus den Rippen schneiden können. Dass es nicht genug Wasserzeiten gibt, ist seit Jahren ein anerkanntes Problem in Hamburg. Insofern spricht das meines Erachtens für eine Überweisung an den Ausschuss, um dort zu überlegen, wie man diesem Defizit an Wasserzeiten mittelfristig abhelfen kann.

Bei Ihrer ersten Forderung, beim Schulschwimmen eine verpflichtende Mindestschwimmstufe einzuführen, merkt man dann doch wieder einmal, dass man einen Antrag der LINKEN liest. Wie wollen Sie das umsetzen? Wie wollen Sie denn jemanden verpflichten, am Ende des Schwimmunterrichts auf jeden Fall Bronze erreicht zu haben? Wenn er es nicht geschafft hat, was dann?

(Gerhard Lein SPD: Verteilen!)

Das ist zwar, wie viele Ihrer anderen Vorschläge auch, eine nette Idee, deren Umsetzung ich mir aber nur schwer vorstellen kann. Dasselbe gilt für die Forderung unter l., wo Sie auf den großen Finanzbedarf hinweisen – eine Ausweitung der Wasserzeiten hat ohnehin einen hohen Finanzbedarf. Zur Gegenfinanzierung fallen Ihnen, wie üblich, zentrale Mittel ein. Ja, Sie lachen, aber das sage ich Ihnen immer wieder, und Sie werden es auch immer wieder von mir hören.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Nein, ich lache nicht!)

Sie sollten sich einmal etwas mehr zur Gegenfinanzierung einfallen lassen, gerade wenn es um einen so wichtigen Antrag geht. Wir stimmen Ihnen zu, dass das sichere Schwimmen der Kinder in Hamburg oberste Priorität haben muss. Es geht schließlich nicht darum, ob jemand ein Instrument spielen kann oder nicht oder ob jemand sportlich ist oder nicht, sondern ums Leben. Würden Sie uns einen sinnvollen Vorschlag zur Gegenfinanzierung machen, würde ich nicht ausschließen, in diesem Fall auf Ihrer Seite zu stehen. Aber Sie tun uns den Gefallen nicht, sondern fordern zentrale Mittel. Das machen wir natürlich nicht mit. Über eine Überweisung, um diese Punkte zu diskutieren, würden wir uns freuen. In der Sache enthalten wir uns, weil Ihre Lösungen vermutlich keine sind, da Sie nicht umsetzbar sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Herr Dr. Wolf von der AfD-Fraktion bekommt nun das Wort.

Das meiste ist schon gesagt. Ich werde mit deutlich weniger Worten so

(Dr. Stefanie von Berg)

gleich zu dem Ergebnis kommen, wie es eben Herr Oetzel für die FDP-Fraktion begründet hat. Auch wir unterstützen grundsätzlich einzelne Punkte in dem Antrag. Die Finanzierung ist jedoch zu dünn bis gänzlich fehlend, bloße Umschichtung macht keinen Sinn. Die Schwerpunktsetzung Schwimmen und Inklusion halten wir für verfehlt. Deswegen: Überweisung an den Ausschuss ja, inhaltlich Enthaltung, falls es nicht zur Überweisung kommen sollte. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt nun Herr Dr. Flocken.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Volksvertreter! Diese Debatte hätten wir kaum zu einem besseren Zeitpunkt führen können. Morgen jährt sich zum 300. Mal die Verkündung des Schulzwangs in Preußen. Der Antrag der LINKEN atmet aus jedem Abschnitt den Geist von Friedrich Wilhelm dem Ersten, dem Soldatenkönig. 1717 trug der Erlass eher eine Symbolik. Der Staat hatte damals weder die Anstalten noch die Lehrerstellen und erst recht nicht den Repressionsapparat, um den Widerstand der Eltern zu brechen. Und heute? Schwimmhallen fehlen, schlecht bezahlte Schwimmlehrer gibt es zwar, aber verkalkuliert hat sich der Senat 2005, als er dachte, es würden sich Mütter für einen kostenlosen Bringdienst finden. Seit Januar dieses Jahres steht zwar der richterliche Rückhalt für das Zwangsschwimmen, aber es fehlen Polizisten, die sich nicht scheuen, säumige Kinder zum staatlichen Zwangsschwimmen abzuführen. Mit fünf Jahren können Kinder sinnvoll anfangen, das Schwimmen zu lernen. Auch ich habe in diesem Alter von meiner Mutter Schwimmen gelernt. Der Anlass: Meine ältere Schwester als Nichtschwimmerin war akut vom staatlichen Schwimmzwang bedroht. Heute besuchen deshalb viele Kinder in diesem Alter private Schwimmkurse. Falls sie nicht auf Anhieb erfolgreich sind, probieren sie es später mit weiteren Kosten wieder. Gerade Bildungsbürgern fällt es oft schwer, ihren Ehrgeiz gut zu dosieren. Manchmal sind Väter oder auch Omas erfolgreicher, die entspannter und mit längerem Atem handeln. Bis zum Beginn des staatlichen Zwangsschwimmens bleiben ja noch einige Jahre.

(Anna Gallina GRÜNE: Was hat diese Kin- derrechtsanalyse mit dem Thema zu tun?)

Wenn Sie samstags in ein Schwimmbad gehen – ich habe das mit meinen Kindern jahrelang gemacht –, begegnen Sie dort besonders häufig einer sehr fleißigen Art getrennt erziehender Väter, denen die Angst im Nacken sitzt, wie der Verein Väter es ausdrückt, als Vater entsorgt zu werden.

Es gibt erstens also Kinder, die bereits schwimmen können, wenn der Staat daherkommt. Ein staatli

cher Schwimmunterricht für sie wäre nur gerechtfertigt, wenn dort regelmäßig mehr gelernt würde, zum Beispiel das Kraulen oder das anspruchsvollere und gefährlichere, aber auch wichtigere Schwimmen in Naturgewässern. Das ist aber nach meinem Kenntnisstand nicht der Fall. Also, Herr Senator, lassen Sie diese Kinder einfach in Ruhe.

Zweitens gibt es Kinder, die Schwimmen lernen wollen, bei denen das bisher Erwähnte aber nicht geklappt hat aus Gründen, über die wir nicht zu richten haben. Für diese Kinder würde sich ein freiwilliges Schulschwimmen anbieten, das sicher kostengünstiger und vermutlich auch wirksamer wäre, allerdings mit der Möglichkeit, den Zeitpunkt von 8 bis 18 Jahren frei zu wählen. Zwang und Lernen passen grundsätzlich nicht zusammen, am wenigsten beim Schwimmen. Das Gutscheinsystem funktioniert vielleicht auch deshalb nicht, weil bei einigen Kindern das Schwimmen zunächst einmal mit Zwang konnotiert ist und nicht mit Spaß, ins Wasser zu gehen.

Drittens gibt es Kinder, die nicht schwimmen können und es auch nicht lernen wollen, jedenfalls nicht im Rahmen eines staatlichen Zwanges. Ob ich ins Wasser gehe und meinen Kopf unter Wasser halte, unterliegt meinem Recht auf körperliche Selbstbestimmung – für jeden freiheitlich gesonnenen Menschen ein unveräußerliches Recht. Wenn wir uns heute herausnehmen, darüber zu debattieren, dann leben wir das Erbe des Soldatenkönigs. Über das unveräußerliche Recht am eigenen Körper hat kein Souverän zu bestimmen, kein König, kein Volk, kein Volksvertreter, sondern allein das Individuum, im Kindesalter gemeinsam mit den Eltern.

(Anna Gallina GRÜNE: Sie erinnern sich an die Abtreibungsdebatte!)

Niemand ist deswegen dem Staat gegenüber Rechenschaft schuldig. Wir wissen, dass alle, besonders Faschisten, ihre Kinder nicht gern schwimmen lassen. Dann wird darüber diskutiert, warum denn nicht. Ist das vielleicht die Ausübung der Religionsfreiheit? Ist das eine bewusst demonstrative Ablehnung unserer Regeln? Ist das Unterdrückung, Bevormundung von Kindern, besonders von Mädchen? Das hat uns nicht zu interessieren. Debattieren könnte man darüber, ob es recht und weise sei, einen Badesee für Tausende Schwimmer zu sperren, weil dort mehrere Faschisten ertrunken sind. Unverständlich, liebe LINKE, bleibt mir aber, dass die Anwesenheit von Nichtschwimmern unter uns offensichtlich für Sie unerträglich ist, die von Mördern und Vergewaltigern aber nicht.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist un- fassbar! – Glocke)

(unterbrechend) : Herr Dr. Flocken, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Dr. Alexander Wolf)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Frau Boeddinghaus von der Fraktion DIE LINKE bekommt nun das Wort.

Bevor wir ganz weich im Kopf werden von diesen Reden, kurz mein Kommentar: Frau Jürgens, Sie haben vollkommen recht. Bereits vor einem Jahr haben wir mit einem kleineren Antrag einen zaghaften Versuch unternommen, in der Hoffnung, den Senat anregen zu können, das Schulschwimmkonzept dahin gehend zu überarbeiten, dass mehr Kinder Schwimmen lernen. Das ist nicht passiert. Mit dem Haushaltsantrag von SPD und GRÜNEN ist verabschiedet worden, dass die Schwimmbegleitung durch Erzieherinnen und Erzieher erfolgt; auch das haben wir jetzt abgefragt. Der Senat weiß noch nicht genau, wie das umgesetzt wird. Außerdem hat das überhaupt nichts mit der Qualität des Schwimmunterrichts in der Schwimmanstalt zu tun.

Diese Debatte ist meiner Meinung nach ähnlich derjenigen in der Aktuellen Stunde. Von Rot-Grün wird überhaupt keine Zahl aufgenommen. Ich danke Herrn Oetzel sehr für seinen Redebeitrag. Es wird überhaupt nicht darauf eingegangen, dass in schwierigen Lagen nur jedes fünfte Kind schwimmen kann. Es wird überhaupt nicht darauf eingegangen, dass diese vielen Zusatzprogramme eben nicht tragen, weil sie nicht wahrgenommen werden, weil Eltern sich auf den Weg machen müssen, weil sie sich kümmern müssen, weil die Schulen aus ihrem Schulbudget zahlen müssen. Es wird nicht darauf eingegangen, dass die Inklusion mitnichten eine Rolle im Schwimmunterricht spielt. Das ist alles Stückwerk. Wir haben nachgefragt, wie die Qualifizierung der Bademeister aussieht. Ja, das machen diese vielleicht einmal, wenn sie Glück haben, in der Dienstbesprechung. Ich finde es traurig, dass die Realität überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wird und der Reflex eher wieder der ist, dass DIE LINKE einen Antrag einbringt, den es abzulehnen gilt. Ich habe nicht erwartet, dass Sie unseren Antrag annehmen. Aber ich hätte erwartet, dass Sie die Größe haben, ihn an den Fachausschuss zu überweisen, wo wir ihn in aller Ruhe hätten debattieren können. Das zumindest hätte ich erwartet, und das hätten auch die Kinder erwartet.

(Beifall bei der LINKEN)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht; damit kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte dem Antrag der Fraktion DIE LINKE aus Drucksache 21/10375 seine Zustimmung ge

ben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 35, Drucksache 21/10369, Antrag der FDP-Fraktion: Mitspracherecht der Länder bei der Positivliste der Bundesagentur für Arbeit.

[Antrag der FDP-Fraktion: Mitspracherecht der Länder bei der Positivliste der Bundesagentur für Arbeit – Drs 21/10369 –]

Auch hier sind die Fraktionen übereingekommen, auf die Debatte zu verzichten. Wir kommen also zur Abstimmung.

Wer einer Überweisung der Drucksache 21/10369 an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist diese Überweisung erfolgt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen jetzt zur

Senatsbefragung

Dazu liegt uns vonseiten der Fraktionen der CDU und der GRÜNEN jeweils eine Fragestellung vor. Für jede dieser Fragen und weitere Nachfragen sowie deren Beantwortung stehen jeweils 20 Minuten zur Verfügung. Ich möchte vorab darauf hinweisen, dass Antworten auf Fragen, die hier und heute nicht beantwortet werden können, zu Protokoll nachgereicht werden.

[Die Zahlen der Bürgerbeschwerden und Flugverspätungen nach 23 Uhr am Hamburger Flughafen sind weiter stark steigend und führten jetzt, neben der Verweigerungshaltung von SPD und Grünen beim Kampf gegen den Fluglärm, zu einer Volkspetition mit 15 000 Unterschriften, in der gefordert wird, die Betriebszeiten des Flughafens zu reduzieren. Welche Maßnahmen, außer der minimalen Erhöhung der Landeentgelte, will der Senat umsetzen, um die Fluglärmbelastung der Anwohnerinnen und Anwohner spürbar zu reduzieren und einen Volksentscheid über die Verkürzung der Betriebszeiten zu verhindern? (Fragethema der CDU-Fraktion) ]

Wir beginnen nun also mit der Fragestellung der CDU. Wer möchte diese vortragen? – Herr Thering, Sie haben das Wort für maximal eine Minute.

Herr Senator, die Zahlen der Bürgerbeschwerden und Flugverspätungen nach 23 Uhr am Hamburger Flughafen sind weiter stark steigend und führten jetzt, neben der Verwei

gerungshaltung von SPD und GRÜNEN beim Kampf gegen den Fluglärm, zu einer Volkspetition mit rund 15 000 Unterschriften, in der gefordert wird, die Betriebszeiten am Hamburger Flughafen zu reduzieren.

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich über- nimmt den Vorsitz.)

Deshalb meine Frage an Sie: Welche Maßnahmen, außer der minimalen Erhöhung der Landeentgelte, will der Senat umsetzen, um die Fluglärmbelastung der Anwohnerinnen und Anwohner spürbar zu reduzieren und einen Volksentscheid über die Verkürzung der Betriebszeiten zu verhindern?

Vielen Dank. – Das Wort erhält Herr Senator Horch.