Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

In diesem Sinne werden wir unsere Politik gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern weiterführen. Das ist unsere Aufgabe.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Dora Heyenn fraktionslos)

Als Nächster erhält das Wort Dennis Gladiator von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kienscherf, in einem Punkt hatten Sie recht: Der Bürgermeister macht viele Veranstaltungen. Das Problem ist, er macht sie, wenn er im Wahlkampf durch Deutschland reist, in Bierzelten auftritt und für die SPD wirbt. Er ist aber nicht in Hamburg unterwegs, er ist nicht in den Stadtteilen, er interessiert sich nicht für diese Stadt.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Das zeigt sich doch auch daran, wie der Bürgermeister hier auftritt.

(Unruhe bei der SPD)

Er redet von der Wirklichkeit in dieser Stadt, und man merkt deutlicher denn je, dass er völlig über ihr schwebt. Er hat sich seine eigene Welt gebastelt, die ihn glauben macht, er sei der Größte, der Unfehlbarste und Kritik an ihm sei geradezu Gotteslästerung. Ich habe selten einen so arroganten Bürgermeister erlebt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Das führt dann auch zu der Konsequenz, dass man es mit der Wahrheit nicht mehr so genau nimmt. Sie sprechen hier davon, es habe keine Einsparungen bei der Polizei gegeben. Vor zwei Wochen hat der Innensenator uns im Innenausschuss zu dem groß angekündigten Personalpaket erklärt, man würde jetzt die Stellen besetzen, die

(Dirk Kienscherf)

man bisher aufgrund der Sparpolitik freigehalten habe.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist mit Si- cherheit falsch, was du sagst!)

Das hat uns der Innensenator erzählt, Herr Bürgermeister. Es wundert mich aber nicht, dass Sie das nicht wissen, denn im G20-Sonderausschuss haben wir erfahren, dass Sie mit Ihrem Innensenator überhaupt nicht reden. Insofern ist es kein Wunder, dass Sie die Wahrheit hier gar nicht kennen.

(Beifall bei der CDU)

Dann sprechen Sie davon, man solle nicht nur Überschriften lesen. Mutig gesagt, Herr Bürgermeister, nachdem Sie bewiesen haben – und auch das haben wir im Sonderausschuss erfahren –, dass Sie sich mit dem Sicherheitskonzept zu G20 überhaupt nicht befasst haben, aber trotzdem gesagt haben, Sie garantieren für die Sicherheit der Hamburgerinnen und Hamburger. Also Überschriftenkönig sind wirklich Sie, Herr Bürgermeister, da sollten Sie sich mit solch klugen Ratschlägen zurückhalten.

(Beifall bei der CDU)

Dann behaupten Sie als Regierungskoalition, die Straftaten seien minimal zurückgegangen. Sie sagen aber nicht vollständig die Wahrheit, dass nämlich in Ihrer Regierungszeit die Straftaten überproportional explodiert sind, wir uns auf einem Zehnjahreshoch der Kriminalität befinden und Sie es nicht einmal schaffen, Ihre eigenen Fehler zu reparieren. Sie verteilen kleine Trostpflaster, die großen Wunden dieser Stadt bleiben aber nach wie vor offen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man so gegen die Lebenswirklichkeit in dieser Stadt spricht, muss man schon wirklich abgehoben sein. Menschen, die an immer mehr Orten um ihre Sicherheit bangen und sich vor Einbrechern und anderen Straftätern fürchten – wir sprechen häufig genug darüber –,

(Jan Quast SPD: Wo wohnen Sie eigent- lich?)

zu sagen, die von ihnen wahrgenommene Realität stimme nicht, denn im Senat nehme man diese nicht wahr, dort spreche man ganz anders, das ist wirklich abgehoben und meist der Anfang vom Ende.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt ist Frau Anna Gallina von der GRÜNEN Fraktion an der Reihe.

Als ich mich gemeldet habe, dachte ich noch nicht, dass ich den Faden am

ehesten bei Herrn Jarchow würde aufnehmen wollen, aber so ist es jetzt gekommen.

(André Trepoll CDU: Hätten wir uns auch nicht träumen lassen!)

Wie kann es sein, dass Sie gleich zu Beginn anfangen zu pöbeln, obwohl Sie noch gar nicht wissen, was kommt?

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Jarchow, ich fand die von Ihnen gewählten Worte wirklich sehr bedenkenswert. Das Thema, Politik müsse sich selbst auf ihre Verantwortung hin überprüfen, ist tatsächlich eines, das wir in den nächsten Tagen gemeinsam diskutieren sollten. Ich finde aber auch, dass Ihre Einführung in das Thema nicht besonders gelungen war. Sie trägt nicht zu einem konkreten politischen Diskurs bei, sondern vermittelt eher den Eindruck, als gebe es das Bedürfnis, eine Stammtischrede oder eine Bewerbungsrede zu halten. Das finde ich an dieser Stelle nicht so glücklich.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben in diesem Land einen Rechtsruck erlebt. Wir haben gesehen, dass es sehr wohl eine Spaltung zwischen Ost- und Westdeutschland gibt, die jedenfalls mich sehr betroffen macht. Ich weiß noch, dass das einschneidendste politische Großereignis in meiner Kindheit der Fall der Mauer war und ich auch aus familiären Strukturen heraus das Gefühl hatte, es könne jetzt wirklich etwas zusammenwachsen. Ich glaube, da haben wir in den nächsten Jahren noch eine große Aufgabe vor uns.

Zum Stichwort Verantwortung möchte ich einen Aspekt beleuchten, der zurzeit von der CDU diskutiert wird. Es wird darüber debattiert, ob man nicht doch stärker hätte nach rechts blicken müssen, um bestimmte Meinungen einzuholen. Das halte ich nicht für die richtige Debatte, denn wir müssen endlich erreichen, dass wir dem Potenzial von 20 Prozent, das wir für Stimmen ganz rechts im Haus haben, die Ursachen entziehen. Hass sollte in keiner Partei maßgebend sein. Deswegen rate ich Ihnen sehr davon ab, den Kurs eines Herrn Seehofers einzuschlagen. Man hat ja gesehen, dass selbst das nicht funktioniert.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Auch nicht verantwortungsbewusst ist es, eine Stadt wie Hamburg, die wirklich lebenswert ist, schlechtzureden, weil man gerade irgendwie meint, man könne ein bisschen draufhauen. Das halte ich für nicht sinnvoll. Wir können gern über alle möglichen konkreten Dinge sprechen. Natürlich tragen wir alle die Verantwortung dafür, dass es in diesem Land auch für diejenigen besser wird, die noch nicht genug gesehen werden, für diejenigen, die als junge Menschen oder im Alter von Armut bedroht sind.

(Dennis Gladiator)

(Zuruf von Dennis Thering CDU)

Ja, beispielsweise.

Dem sollten wir uns gemeinsam nähern und vor allem endlich begreifen, dass wir die Ursachen herausfinden und lokale Strategien finden müssen. Solche Debatten, wie wir sie heute geführt haben, werden uns nicht weiterhelfen. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Als voraussichtlich letzte Rednerin, wenn sich der Senat nicht noch einmal meldet, erhält das Wort Frau Sudmann von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Kienscherf, ja, Sie haben es richtig erkannt: Frustrierte Ex-Genossinnen und Ex-Genossen der SPD fühlen sich in der LINKEN sehr wohl. Denn bei Ihnen haben sie viel Frust erleben müssen, weil Sie nicht mehr sozial und sozialdemokratisch sind.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Nicht alle!)

Aber ich halte das heutige Thema, auf das Sie nicht eingegangen sind, für viel wichtiger. Es gibt bei fast allen unserer Parteien viele ex-frustrierte Wählerinnen und Wähler. Es wurde, mit Ausnahme von Frau Boeddinghaus, nicht darüber gesprochen, warum viele Wählerinnen und Wähler abwandern, warum sie glauben, es würde helfen, aus Protest eine Partei zu wählen, die menschenverachtend ist, die nicht nur rechtspopulistisch, sondern teilweise nazistisch ist. Das ist wirklich ein armseliges Zeichen.

Ich weiß nicht, Herr Scholz und SPD und GRÜNE, warum Sie nicht prüfen, welchen Anteil daran Ihre Politik haben könnte. Ich zeige das gern am Beispiel Verkehr auf. Sie selbst, Herr Scholz, haben einmal bestätigt, dass Sie an langen Planungen hängen. Osdorfer Born wartet seit den Siebzigerjahren auf die Erfüllung Ihres Versprechens.

(Dirk Kienscherf SPD: Da waren Sie noch gar nicht geboren!)

Die Menschen dort fühlen sich wirklich abgehängt und glauben Ihnen Ihre Wahlkampfversprechen irgendwann nicht mehr.

(Beifall bei Sabine Boeddinghaus DIE LIN- KE)

Sehen wir uns einmal die Lebensbedingungen an. Es ist eine alte Weisheit, dass im Osten dieser Stadt die Lebensbedingungen schlechter sind, die Luft schlechter ist.

(Zuruf von Dirk Kienscherf SPD)

In Ihrem Luftreinhalteplan sind erstaunlicherweise auch wieder die Stadtteile betroffen, die ärmer sind, die sich nicht so sehr wehren. Denken Sie