Protokoll der Sitzung vom 11.10.2017

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich dir, lieber Sören, sagen, dass die letzten Jahre mit dir im Europaausschuss wirklich angenehm waren. So richtig kennengelernt haben wir uns auf den Reisen innerhalb Europas, bei denen du regelmäßig gute Nerven bewiesen hast, wenn es nicht nur darum ging, das Hotel oder

die öffentlichen Verkehrsmittel zu finden, sondern auch noch darum, mich zu betreuen.

(Sören Schumacher SPD: Hab ich gern ge- macht!)

Es war immer besonders interessant mit dir. Danke schön.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Im Übrigen geht auch die regelmäßige Einladung von Schülern auf einen Kunstgriff des Kollegen Schumacher zurück. Daran sieht man, dass er schon ein bisschen länger dabei war als ich, und damit möchte ich gleich zum Thema kommen.

1949 hatten wir in Hamburg den ersten europäischen Kongress der Europa-Union, und ich möchte aus zwölf Thesen etwas wiedergeben, was meines Erachtens heute nichts, aber auch gar nichts an Aktualität verloren hat. These 1:

"Eine auf föderative Grundlage gerichtete Europäische Gemeinschaft ist ein notwendiger und wesentlicher Bestandteil jeder wirklichen Weltunion. Die Europäische Union fügt sich in die Organisation der Vereinten Nationen ein. Die Mitglieder der Europäischen Union übertragen einen Teil ihrer wirtschaftlichen, politischen und militärischen Rechte auf eine gebildete Föderation. Die Europäische Union setzt die Rechte und Pflichten ihrer Bürger in der Erklärung der Europäischen Bürgerrechte fest."

All das, was später in die Europäische Menschenrechtskonvention gegossen worden ist, Teil des Vertrags der Europäischen Gemeinschaft ist, Teil des Vertrags der Europäischen Union ist, haben diese jungen Menschen im Jahre 1946 in Hamburg schon zu Papier gebracht. Ich kann Ihnen jetzt beweisen, dass das an Aktualität nichts, aber auch gar nichts verloren hat. In der Expertenanhörung sagten Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Corveystraße, ihnen sei es sehr wichtig, dass die EU zusammenhalte und auch der gemeinsame Binnenmarkt sowie der freie Personenverkehr bestehen blieben, weil es den Alltag erleichtere. Zudem fühlten sie sich innerhalb der EU nicht mehr abgeschottet und jedes Land werde offener. Es sei wichtig, diesen spezifischen Völkerbund sowie das Gemeinschaftsgefühl noch mehr zu festigen. Nie wieder sollten die Grenzen geschlossen werden und eine Abschottung stattfinden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Dennis Gladiator CDU)

Das zu protokollieren muss eine Freude gewesen sein. Ich freue mich über diese wundervollen Sätze, die ihre Angel in dem Wiederaufbau Europas 1946 haben, und darüber, sie in einem Europaausschuss gemeinsam zu debattieren. Das ist für mich als bekennenden Europäer hoch angenehm.

(Sören Schumacher)

Unsere Aufgabe als Parlament und als diejenigen, die unsere Gesellschaft abbilden, ist, die gemeinsamen Werte von 1946, wie im Jahr 2017 auch formuliert, weiterzugeben. Immer dann, wenn wir auf Widerstand stoßen, der zum Teil berechtigt ist, müssen wir mit Leidenschaft, aber auch mit einer gewissen Kraft dem entgegnen und versuchen, unsere Probleme auch innerhalb des gemeinsamen Hauses Europa miteinander in Einklang zu bringen. Wie wir alle wissen, hat Europa noch nie eine Zeit des Wohlstands, des Friedens, der sozialen und inneren Sicherheit erlebt wie seit 1945.

Ich möchte mit einem Beispiel enden. Als mein Onkel, Baujahr 1946, seinen letzten Arbeitstag hatte, sagte er mir abends in einem Straßencafé, dass er nie in den Krieg ziehen musste. Ich brauchte etwas Zeit, um zu verstehen, was er mir damit sagen wollte: Er hat in diesem Land in Wohlstand, Frieden, innerer und äußerer Sicherheit sein Leben leben können und musste nicht, wie viele Generationen vor ihm, 1914 bis 1918 oder 1939 bis 1945 wie andere um sein Leben bangen. Ich glaube, jede Generation in Europa hat das Recht, am letzten Arbeitstag dasselbe sagen zu dürfen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN und bei Michael Kruse FDP)

Vielen Dank, Herr Westenberger. – Es erhält das Wort Herr Gözay von der GRÜNEN Fraktion.

Lieber Sören, auch ich möchte mich für die gute Zusammenarbeit bei dir bedanken und wünsche dir für das neue Ressort alles Gute.

(Sören Schumacher SPD: Danke!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kinder von heute sind Europas Zukunft. Aus unseren Gesprächen im Rahmen des EU-Projekttages habe ich die Überzeugung gewonnen, dass unsere jungen Mitmenschen Europa gut verstehen, manchmal sogar besser als wir Erwachsenen. Sie wollen Europa kennenlernen und fordern ausdrücklich mehr Europa im Alltag und im Unterricht. Diese Neugier auf Europa und das Verständnis für das komplexe politische Gebilde der EU haben mich begeistert.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Der Europatag hat gezeigt, dass der fachliche Austausch mit Jugendlichen keine Einbahnstraße ist und wir nicht immer die Experten sind. Wenn Schülerinnen und Schüler eine Marine Le Pen geradeheraus als Rechtspopulistin erkennen, wenn sie den europäischen Binnenmarkt als Luxus verstehen und nationale Grenzen als Abschottung begreifen, dann sind sie in ihrem Verständnis von Europa weiter als so mancher hier im Plenarsaal.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das macht Mut für die Zukunft eines geeinten und starken Europas. In diesem Sinne haben wir gute Arbeit geleistet. Doch wir dürfen jetzt in unseren Bemühungen nicht nachlassen. Wir dürfen der Erklärungen nicht müde werden. Europa bleibt ein komplexes Gebilde, und die Bedrohung seiner Freiheiten kann nur erkennen, wer die Idee Europas versteht und sich selbst als Europäer kennenlernt.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Michael Westenberger CDU)

Dieses Bewusstsein, dass es egal ist, ob man Kind waschechter Hamburger oder Kind syrischer Einwanderer ist, dass es egal ist, ob man in Bayern, Katalonien oder in Jütland geboren wurde, dieses Bewusstsein, dass man immer auch Europäer sein wird und sein darf, müssen wir bei unseren Kindern wecken.

(Beifall bei der SPD)

Denn aus diesem Selbstverständnis wächst das Verständnis für die Idee Europas. Daher müssen wir die vorhandenen Formate außerhalb unserer Schulen noch stärker nutzen und bei den Jugendlichen bekanntmachen. Bürgerinitiativen wie Pulse of Europe bieten eine optimale Plattform, um Europa jenseits aller bürokratischen Hürden erfahrbar zu machen. Wir müssen mehr Bewusstsein für die Identität als Europäer schaffen, und zwar nicht nur in den Schulen, sondern auch im Alltag unserer Jugend. Hier können und müssen wir mehr tun. Denn letztlich folgen wir damit nur der Aufforderung unserer künftigen Wählerinnen und Wähler, sie heute mit den Informationen zu versorgen, die sie morgen für die Gestaltung eines starken Europas brauchen. Auch wenn ich mich wiederhole: Die Kinder von heute sind Europas Zukunft, wir sollten auf sie hören. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Gözay. - Als Nächster erhält das Wort Herr Dolzer von der Fraktion DIE LINKE.

Liebe Hamburgerinnen, liebe Hamburger, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Herr Präsident! Wir führen in der Bürgerschaft viel zu selten Debatten über die EU. Das finde ich schade, weil die EU auch einen sehr großen Einfluss auf die Gestaltung Hamburgs hat.

Die Diskussion mit Schülerinnen und Schülern an der Europaschule über den EU-Projekttag war sehr erkenntnisreich und wertvoll. Es wurde deutlich, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchgehend ein respektvolles und an den Menschenrechten orientiertes Zusammenleben der Men

(Michael Westenberger)

schen in Europa und weltweit anstreben. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Es wurde auch deutlich, dass die Projekte an den einzelnen Schulen sehr verschieden und mit unterschiedlicher Intensität umgesetzt wurden. Schülerinnen und Schüler einiger Schulen sagten zum Beispiel, dass sie im Vorfeld des Projekttags nur wenig Mitspracherecht hatten. Ihnen seien Themen vorgesetzt worden, und sie hätten ziemlich wenige Entscheidungsmöglichkeiten gehabt. Ich denke, da ist noch Luft nach oben, das zu verbessern.

Sehr interessant war ein Projekt, in dem sich mit dem Erstarken des Rechtspopulismus beschäftigt wurde und Zukunftsszenarien für Europa aufgemacht wurden. Das ist wichtig und gut. Ich hätte da eine Idee für den nächsten Projekttag oder möglicherweise sogar für eine Projektwoche, die sich nach unserer Debatte aus einem Gespräch mit Schülerinnen und Schülern der Europaschule entwickelt hat. Es könnte eine gute Idee sein, nicht nur die Szenarien zu entwickeln, sondern auch die Gründe für das Erstarken des Rechtspopulismus zu analysieren und zu hinterfragen. Dabei darf es meines Erachtens nicht ausbleiben, auch die kritischen Aspekte der Europäischen Union stärker zu hinterfragen, zum Beispiel die Demokratiedefizite, die mangelnden Mitbestimmungs- und Impulsrechte des Europaparlaments oder auch die Kritik der griechischen, italienischen oder portugiesischen Bevölkerung an der Austeritätspolitik aufgrund der verheerenden Auswirkung auf ihre Länder. Davon war viel zu wenig die Rede, da ist auf jeden Fall auch Luft nach oben.

(Beifall bei der LINKEN)

In diesem Zusammenhang wären auch das Machtgefälle und die asymmetrischen Mitbestimmungsmöglichkeiten der Länder zu thematisieren. Frankreich und die Bundesrepublik haben im Vergleich zu anderen Ländern weite Entscheidungsbefugnisse. Auch im Rahmen des jetzigen Projekttages wurde zu wenig die zu Recht oft kritisierte große Einflussnahme der Lobbyverbände, wie zum Beispiel des European Roundtable of Industrialists, auf die Politik der EU benannt. Wir sollten von hier aus ein Signal setzen, dass das wichtig wäre. Wir müssen auch die Gründe und Hintergründe analysieren, damit wir den jungen Menschen an die Hand geben können, wie welche Tendenzen in der EU gestärkt werden müssen. Wie werden emanzipatorische, freiheitliche und Tendenzen zur Demokratisierung gestärkt, oder wie werden nationalistische oder rechtspopulistische Tendenzen gestärkt? Wenn das stärker analysiert werden würde, wäre meiner Meinung nach allen geholfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Grundsätzlich begrüßen wir als LINKE den Projekttag. Das ist eine sehr gute Idee, zu deren Umsetzung Herr Schumacher viel beigetragen hat. Ihnen noch einmal ein Dankeschön für Ihre Arbeit im Europaausschuss. Aber wir wollen die EU auch kritisch hinterfragen und keine reine Lobhudelei. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Dolzer. - Es erhält als Nächster das Wort Herr Kruse von der FDP-Fraktion.

Heute ist ein Tag mit vielen Abschieden. Sören Schumacher, glücklicherweise bleiben Sie uns erhalten und wechseln nur das Fachgebiet. Sie haben inhaltlich viel Richtiges gesagt, und ich möchte jetzt nicht alles wiederholen, sondern mich bei Ihnen für die gute Zusammenarbeit im Ausschuss bedanken. Als ich in diesen Ausschuss gekommen bin, waren Sie schon da. Dieser Ausschuss lebt besonders davon, dass die Fraktionen eng miteinander zusammenarbeiten. Für dieses enge miteinander Zusammenarbeiten waren Sie immer ein fester Block. Ich hoffe, das bleibt auch in Zukunft so.

Wenn ich an das Thema unserer Debatte, den Europa-Projekttag, zurückdenke, erinnere ich ihn als immer spannend, weil man nie genau weiß, worüber die anwesenden Schülergruppen reden wollen. Da schließt sich auch ein bisschen der Kreis zu Ihrem neuen Themengebiet, der Innenpolitik. Beim Thema Europa hat einmal ein Schüler gesagt, Europa und Politik insgesamt hätten eine wesentlich höhere Legitimation, wenn sich die Politik mehr um die Aufgaben vor Ort kümmern würde. Als wesentliches Beispiel nannte er die Freiwillige Feuerwehr in dieser Stadt, die schlecht ausgestattet sei und deren Mitglieder ihre Arbeitsschuhe selbst kaufen müssten.

(Sören Schumacher SPD: Deswegen wechsle ich ja!)

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrem neuen Themengebiet Innenpolitik. Um diese Fragestellung können Sie sich gleich als Erstes kümmern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kruse. – Als letzter Redner erhält Herr Dr. Wolf von der AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich als Vorsitzender des Europaausschusses möchte Herrn Schumacher, den ich als Schriftführer des Europaausschusses kennengelernt habe, für seine stets kompetente und konstruktive Arbeit danken.

(Martin Dolzer)

Sein Ausscheiden ist ein Verlust für den Europaausschuss.