Protokoll der Sitzung vom 08.11.2017

Nun ist die Frage: Wie bekommen wir das hin? Natürlich kann man jetzt zwangsverordnen, dass alle Fahrrad fahren und den ÖPNV nutzen. Man kann sich aber auch überlegen, was denn eigentlich passiert, wenn man ein Mobilitätsangebot schafft, das im Prinzip genau dasselbe ist, aber ohne eigenes Auto funktioniert. Genau da sind wir bei dem Thema ITS und Digitalisierung des Verkehrs. Früher hat man das Anruf-Sammeltaxi genannt. Aber mit on demand mobility, also der Tatsache, dass man das Auto bestellt und es irgendwann auch autonom fahren wird, wird eine völlig neue Mobilität in der Stadt entstehen, nämlich die Mobilität eines Dienstleisters, der sagt: Ich komme mit einem autonom fahrenden Auto vorbei und bringe dich von A nach B, und zwar bis vor die Haustür, wo Ihre Freunde so unbedingt gern hinfahren wollen.

(André Trepoll CDU: Wann wird das denn so weit sein, Herr Tjarks? – Gegenruf von Dirk Kienscherf SPD: Du wirst es noch erleben!)

Nun warten Sie mal ab.

(Zuruf: Wir warten alle ab!)

Ich glaube, innerhalb der nächsten zehn Jahre haben Sie da sehr realistische Ansätze.

Die Frage ist doch: Gestalten wir diese Entwicklung selbst oder lassen wir sie von Uber, Google, Apple, Facebook gestalten? Ich bin sehr dafür, dass wir diese Entwicklung selbst gestalten und es so machen, dass das teilintegriert im ÖPNV ist. Sie können das als privatwirtschaftliches Angebot machen oder Sie können es als Angebot des öffentlichen Nahverkehrs machen, das ist die große globale Weichenstellung, die sich jetzt stellt. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Problematik als Stadt Hamburg begreifen, erfassen, und in dem Rahmen, in dem wir sie steuern können, sie auch selbst in die Hand nehmen, um zu steuern. Denn dann haben wir die reale Chance, mit derselben Servicequalität, mit derselben Komfortqualität die Anzahl der Autos in unserer Stadt wirklich deutlich zu reduzieren. Dafür braucht man dann kein eigenes Auto mehr, um sich etwa beim Automechaniker herumzuärgern, weil alles teurer wird, sondern da hat man dieselbe Qualität und es ist Teil des öffentlichen Nahverkehrs. Das wäre das Beste. Dann

(Ewald Aukes)

kommt man wirklich in eine Situation, wo man die Autos in der Stadt deutlich reduzieren kann. Über diese Chance müssen wir reden. Wir sollten sie ergreifen und wir sollten sie proaktiv ergreifen, aber vorher müssen wir sie verstehen. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Schmidt für die SPD-Fraktion bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man die Thesen der Opposition hört und das einmal in den Kontext setzt zu dem, was in der letzten Woche passiert ist – der US-amerikanische Präsident Donald Trump hat einen Erlass verkündet, dass die Car-to-Car Communication nun doch nicht kommen soll –, dann hat man das Gefühl, dass man es hier mit ähnlich rückwärtsgewandter Politik in unserem Hause zu tun hat, und das ist bei diesem Thema wirklich schade.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Chance ist zum Greifen nahe, und deswegen ist es so gut, dass dieser Kongress hier in unserer Stadt stattfinden wird. Drei Thesen dazu.

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich über- nimmt den Vorsitz.)

Die Mobilitätswende, über die wir reden, hat in den Städten bereits begonnen. Wenn Sie einmal mit offenen Augen durch die Stadt gehen und den Kopf von Ihrem Display heben würden, Herr Thering, dann würden Sie sehen, was in dieser Stadt mittlerweile an Mobilitätsmix vorhanden ist. Das ignorieren Sie dauerhaft mit dem, was Sie hier von sich geben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ein weiteres großes Thema, das noch nicht angesprochen worden ist, ist die Elektromobilität. Die Elektromobilität ist der Schlüssel der Energiewende im Verkehr. Dazu werden wir nachher noch länger diskutieren, deswegen reiße ich das hier gar nicht weiter an.

Der dritte große Punkt ist die wirtschaftliche Dimension. Die Verkehrswende wird auch dem Industriestandort Deutschland helfen, und zwar wenn man es so macht, wie wir es in unserer Stadt machen. Wir gehen Kooperationen mit den Automobilherstellern in unserem Lande ein. Wer das kritisiert, Frau Sudmann, der riskiert die Arbeitsplätze in unserer Stadt und in unserem Land. Denn die Automobilindustrie ist das Rückgrat unserer Industrie in Deutschland und sie sollte man nicht ohne Grund einfach so aufs Spiel setzen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man sich dann anschaut, wie momentan die Koalitionsverhandlungen in Berlin ablaufen, sieht

man auch dort, dass Union und FDP diesen wichtigen Umbau einer Schlüsselindustrie dauerhaft blockieren, mit Argumenten, die aus der Vergangenheit kommen.

(Michael Kruse FDP: Koalitionsverhandlun- gen haben noch gar nicht angefangen!)

Und das ist der Punkt, wo man nur sagen kann: Das Festhalten am Status quo – und das ist das, was hier die ganze Zeit von dieser Seite und auch von der ganz linken Seite kommt –

(André Trepoll CDU: Sie meinen den Braun- kohleausstieg, oder?)

ist das größte Risiko für die Arbeitsplätze in unserem Land. Das ist das, was Sie mit Ihrer Politik verbreiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dann sehe ich keine weiteren Wortmeldungen zu dem ersten Thema und rufe das zweite Thema auf, angemeldet von der CDU-Fraktion

Strafvollzug und Polizei am Limit – Gewerkschaften schlagen Alarm

Wer begehrt das Wort? – Herr Gladiator von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hamburgs Polizei ist am Limit. Das ist kein Befund der Opposition allein. Das haben wir uns nicht ausgedacht, nein, das ist der Hilferuf einer Hamburger Polizeigewerkschaft. Wir wissen, dass Sie als Regierungsfraktionen die Opposition schon aus Prinzip nicht ernst nehmen. Das haben Sie gezeigt, als Sie alle unsere Warnungen und Verbesserungsvorschläge in den letzten Monaten und Jahren einfach in den Wind geschlagen haben.

(Arno Münster SPD: Stimmt doch nicht!)

Aber auf den Bund Deutscher Kriminalbeamter sollten Sie hören. Und, Herr Grote, Sie sollten vor allem Ihre Mitarbeiter ernst nehmen. Das kann und das muss man von einem Hamburger Innensenator erwarten.

(Beifall bei der CDU)

Der Hilferuf des BDK ist mehr als deutlich. Ich darf zitieren:

"Wir sind am Ende, können viele Fälle nicht mehr ermitteln!"

Eine solche Warnung, ein solcher Hilferuf ist nun wirklich alarmierend und macht deutlich, wie ernst die Lage bei der Polizei ist. Das spürt offensichtlich auch der Innensenator. Wie sonst kann man es sich erklären, dass ihm die Nerven durchgegangen

(Dr. Anjes Tjarks)

sind und er den Vorsitzenden des BDK im Rahmen der Vereidigung hier im Rathaus wirklich wüst beschimpft hat? Das war unanständig. Da fehlen mir die Worte, Herr Grote. Sie sollten sich beim BDK entschuldigen.

(Beifall bei der CDU und bei Christiane Schneider DIE LINKE – Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie die Störung. – Die Senatsbank ist kein Infotresen.

(Heiterkeit)

Ich würde bitten, das zu berücksichtigen.

(Zurufe)

Herr Gladiator, fahren Sie bitte fort.

Mit Ihrem Verhalten, Herr Senator Grote, haben Sie gezeigt, dass Sie nicht verstanden haben, worum es geht. Ich will es Ihnen deshalb gern noch einmal kurz erklären. Das Problem sind nicht die Gewerkschaften, Herr Grote, die auf die Missstände hinweisen, das Problem ist dieser Senat, der die Probleme und den Personalmangel verursacht und zu verantworten hat. Das müssen Sie vielleicht einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Sie sollten also, statt gestandene Polizisten zu beschimpfen, endlich anfangen, Ihre Verantwortung wahrzunehmen, denn die Notlage bei der Polizei ist das Ergebnis Ihrer Politik, und dafür müssen Sie geradestehen.

(Beifall bei der CDU)

Sie und Ihr Vorgänger im Amt haben jahrelang bei der Polizei gespart,

(Zurufe von der SPD: Oh!)

indem Sie unzählige Stellen nicht besetzt haben, auch wenn Sie immer wieder anderes behauptet haben, und zwar wahrheitswidrig. Sie haben uns immer wieder erzählt, bei der Polizei werde nicht gespart. Aber die Stellen, die Sie jetzt besetzen wollen, sind die Stellen, die Sie bisher freigehalten haben, um einen Einsparungsbeitrag abzuliefern. Sie haben also nicht nur bei der Polizei gespart, Sie haben die Öffentlichkeit darüber auch grob getäuscht.