Meine Damen und Herren! Das müssen Sie sich unbedingt noch einmal in der Videoanalyse anschauen. Das ist das klassische Beispiel des Anfangs vom Untergang. Dass Sie das glauben, was Sie hier gesagt haben … Sie machen dasselbe wie der Senator für Justiz vor einem Jahr, als wir zum Thema Justizvollzug debattierten. Ich hätte eigentlich meine Rede von vor einem Jahr aufwärmen können – das mache ich heute nicht –, es sind dieselben Probleme. Er stand da und sprach: Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen.
Im Justizvollzug ist es genau dasselbe, und deswegen sind wir heute hier und müssen das schon wieder debattieren. Die Zahlen und Fakten sprechen eine eindeutige Sprache.
Häufig haben wir heute – die wesentlichen Fakten – nur noch die Hälfte der Dienstposten in den JVAs besetzt. Ende Juni 2015 gab es noch 894 Beamte in den Anstalten, Ende August 2017 sind es 867 – und das bei einem Aufwachsen der Gefangenenzahlen um 400 auf 1 957. Was glauben Sie eigentlich, wie es bei uns in den Justizvollzugsanstalten aussieht? Da ist es inzwischen so, dass eine ganze Abteilung nur noch von Auszubildenden – die heißen dort Anwärter – betreut wird. Das ist gefährlich. Es bedeutet nämlich drei Dinge. Erstens: Die Sicherheit ist in einigen Abteilungen nicht mehr gewährleistet. Zweitens: Die Fehlzeiten steigen weiter an, weil die Belastung so hoch ist. Und drittens führt das zu mehr Überstunden. Auf gut Deutsch: 13,6 Prozent durchschnittliche Fehlzeit derzeit und 60 000 Mehrarbeitsstunden am 30. September dieses Jahres.
Was das weiter bedeutet, im Klartext: Die Gefangenen können keiner Arbeit nachgehen, sie können keinen Sport machen und sie bekommen weniger Besuch. Dass das zu weiterem Druck führt, können Sie sich vorstellen, und dass da die Resozialisierung leidet und wir mit so einer Ausstattung über ein Resozialisierungsgesetz zum derzeitigen Zeitpunkt überhaupt nicht sprechen brauchen, dürfte auch klar sein.
verbessern. Es kann nicht so sein wie im letzten Jahr, als es hieß: Na gut, wir müssen wohl mehr ausbilden, das machen wir dann jetzt auch. Und dabei bleibt es dann. Es wird nicht weitergedacht, es werden keine Entwicklungsmöglichkeiten geboten und keine Beförderungsoptionen.
Was macht der Kapitän? Der sagt, es sei kein Geld da. Ich sage, die Mittel sind da, wir müssen sie nur richtig einsetzen und die richtigen Prioritäten setzen.
Ein klassisches Beispiel: Für 19 Verwaltungsbeamte sind die Stellenhebungen schon beschlossen gewesen. Der Kapitän sagt, es sei kein Geld da. Stattdessen gönnt er sich anderes. Was glauben Sie, wie viele Pressesprecher es gibt bei der kleinen Justizbehörde? Da gab es einmal einen. Jetzt sind es drei plus Gericht plus Staatsanwalt. Kleine Behörde, fünf Pressesprecher, zwei E13-Stellen plus eine Hebung der Pressesprecherin, die vorher schon da war. Das kostet 135 000 Euro. Die Verwaltungsmitarbeiter hätten 85 000 Euro gekostet, und die warten immer noch darauf.
Ich komme zum Schluss. Dieser Regierungskahn hat Schlagseite. Er läuft voll. Sie merken es nur noch nicht. Sie werden krachend abgewählt werden in zweieinhalb Jahren. Hören Sie auf meine Worte.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Richard Seelmaecker, ich habe großes Verständnis dafür, wenn die Opposition Kritik dort anbringt, wo sie vielleicht einmal angezeigt ist, weil Dinge nicht optimal laufen – und das tun sie im Strafvollzug nicht, das muss man nicht beschönigen. Wofür ich aber kein Verständnis habe, ist der Furor und die Intensität, mit der Sie quasi ein Zerrbild der Wirklichkeit zeichnen. Dadurch machen Sie sich auch nicht viel glaubwürdiger.
Vor allem erstaunt es mich, weil im Strafvollzug dasselbe der Fall ist wie – das haben wir gerade noch einmal gehört – bei der Polizei: was ausgerechnet diejenigen, die in ihrer Regierungszeit ein Minimum an Ausbildung betrieben haben, jetzt kritisieren. Im letzten Senat, von Beust und Ahlhaus, und das wissen Sie genau, gab es null Ausbildungslehrgänge im Strafvollzug – mittlerweile haben wir fünf –, und das sind natürlich auch Folgeprobleme, die jetzt weiterhin durchschlagen.
Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Seelmaecker?
Ich wollte mich nur danach erkundigen, wie viele Ausbildungsgänge es denn zur Alleinherrschaft der SPD gegeben hat.
Wir haben die Ausbildungslehrgänge wieder aufgenommen unter der Justizsenatorin Schiedek, als sie ins Amt kam. Wir haben bei null angefangen und sind, wie gesagt, mittlerweile bei fünf. Natürlich haben wir mit einem angefangen, das stimmt. Das ließ sich auch damals dadurch rechtfertigen, dass wir vor über zehn Jahren um die 3 000 Gefangene hatten und dann zeitweise bei ungefähr 1 500 waren.
(André Trepoll CDU: Also war das richtig, nicht so viel auszubilden? Sie haben uns doch dafür kritisiert!)
Jetzt geht es wieder auf 2 000 zu. Insofern haben wir damals immerhin gesehen, dass man etwas tun muss. Man darf es nie so weit kommen lassen, dass man das auf null herunterfährt. Damit haben wir heute noch zu tun.
Die anderen Probleme sind vorhin schon benannt worden. Das sind im Prinzip politisch konsensuale Sondereffekte. Die erfolgreiche Ermittlungsarbeit der Sokos, die erfolgreiche Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaften führt zu mehr Gefangenen. Die Sanierung des B-Flügels der Untersuchungshaftanstalt – ich habe mich lange dafür eingesetzt, mittlerweile ist sie da, im März 2018, mit einer leichten Verzögerung, aber ich glaube, wir freuen uns alle, dass er dann saniert ist – führt eben auch dazu, dass viele Untersuchungsgefangene im Moment in der JVA Billwerder untergebracht werden müssen. Das führt zu einem erhöhten Personalbedarf, weil dort ein neues Haus, Haus 7, besetzt werden musste. Absehbar – im März – wird dieses Haus geschlossen werden können, und das wird einen personellen Entlastungseffekt von ungefähr 10,5 Vollzeitäquivalenten haben.
Darüber hinaus: Was müssen wir tun? Müssen wir die Ausbildungsbemühungen auf hohem Niveau halten? Fünf Lehrgänge pro Jahr sind auch weiterhin angestrebt. Dann können wir es schaffen, dass wir im Jahr 2018 den Trend umgekehrt haben. Das geht leider nicht schneller.
Im Übrigen bin ich – genauso wie Sie, Herr Kollege Seelmaecker, sicher auch – im Gespräch mit dem LVHS, mit dem Landesverband der Strafvollzugs
bediensteten. Ich war erst letzten Freitag dort, habe mich mit denen den gesamten Vormittag über unterhalten, und natürlich werden wir deren Vorschläge auswerten. Dass das nicht immer so einfach ist, alles 1:1 umzusetzen – ich nenne als Beispiel nur, die Vorführabteilung durch die Polizei zu ersetzen, da bekommen wir wahrscheinlich alle Probleme mit unseren Innenpolitikern –, das wissen auch Sie. Aber wir sollten bereit sein,
konstruktiv zusammen an einer weiteren Verbesserung zu arbeiten. Dazu lade ich die Opposition ein, auch im Zusammenhang mit unserem geplanten Justizvollzugsfrieden. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss sagen, Herr Seelmaecker, Frau von Treuenfels, Sie zeichnen hier ein Bild von einer Gefährdung, von einem Untergang, von einem Rechtsstaat, der zusammenbricht,
(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das habe ich überhaupt nicht gesagt! Ich vertraue dem Rechtsstaat! Hören Sie doch mal zu!)
und das finde ich ein völlig falsches Bild und eine Unverschämtheit vor dem Hintergrund, dass wir 123 Stellen innerhalb von zwei Jahren geschaffen haben im Justizbereich. Ich wiederhole die Zahl noch einmal: 123. Das sind so viele Stellen, das ist ein so gewaltiger Stellenaufwuchs, und dann zeichnen Sie so ein Bild – das ist wirklich völlig neben der Realität.
Zum Strafvollzug. Es wissen alle, dass die Situation im Strafvollzug schwierig ist. Das ist seit Jahren so, das ist nichts Neues,
und gerade weil das so ist, werden wir das jetzt ändern. Uns interessiert nicht nur, was seit zwei Jahren ist, uns interessiert, was in zwei Jahren ist. Wir tun nämlich konkret etwas, anstatt immer nur zu dramatisieren, und das ohne Lösungsvorschläge.
Wir handeln. Wir investieren nicht nur, wie schon gesagt, in Stellen im Gesamtjustizbereich, wir investieren in Ausbildung.
Es ist klar, dass es dauert, bis sich das auszahlt, denn die Auszubildenden müssen erst einmal fertig werden. Aktuell haben wir 155 Auszubildende, verteilt auf acht Lehrgänge. Im nächsten Jahr, 2018, sind drei Lehrgänge mit insgesamt 62 Auszubildenden beendet. Das wird sich dann schon deutlich auswirken. Vor allem sichern wir den Nachwuchs dauerhaft, denn wir wollen regelmäßig pro Jahr bis zu 100 Nachwuchskräfte ausbilden; auch das eine hohe Zahl: 100 Nachwuchskräfte in fünf Lehrgängen. Das ist eine dauerhaft wirksame Maßnahme.