Protokoll der Sitzung vom 20.12.2017

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.

Dann frage ich, wer die Vorlage an den Haushaltsausschuss überweisen möchte. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das war einstimmig.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 46 unserer Tagesordnung, Antrag der AfD-Fraktion, Drucksache 21/11243: Mitgliedschaft des DITIB Landesverbandes Hamburg e. V. im Staatsvertrag an die Bedingung einer Satzungsreform knüpfen.

[Antrag der AfD-Fraktion: Mitgliedschaft des DITIB Landesverbandes Hamburg e.V. im Staatsvertrag an die Bedingung einer Satzungsreform knüpfen – Drs 21/11243 –]

Die AfD-Fraktion möchte die Drucksache federführend an den Innen-, mitberatend an den Verfassungsausschuss überweisen.

Das Wort bekommt Herr Professor Kruse für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute wieder einmal über die DITIB und über die Muslime, aber es wäre falsch, anzunehmen, das sei das Gleiche. Den Fehler hat schon der Hamburger Senat gemacht, als er einen Staatsvertrag mit der DITIB geschlossen hat, weil er hoffte, damit

einen Beitrag zur Integration der Muslime in Hamburg zu leisten. Leider ist oft das Gegenteil der Fall. Ob die DITIB die Integration der Muslime in unsere Gesellschaft eher fördert oder sie eher behindert, ist allenfalls eine offene Frage. Die DITIB ist eine Organisation ohne jegliche demokratische Legitimation und ohne demokratische Strukturen. Die DITIB hat keinerlei Berechtigung, für die türkischen Muslime zu sprechen. Der Repräsentationsgrad ist gering. DITIB ist der Vollstreckungsarm eines autokratischen Herrschers eines fremden Landes, das kein Rechtsstaat mehr ist und auch fast keine echte Demokratie mehr.

Wenn wir die formalen und faktischen Zusammenhänge zwischen dem Autokraten Erdogan und der DITIB hier in Hamburg beleuchten wollen, müssen wir drei Delegationsstufen unterscheiden. Die erste, nämlich die zwischen Erdogan und der türkischen Religionsbehörde Diyanet ist die einfachste, wenngleich das für unser säkulares Verständnis äußerst befremdlich ist. Die Diyanet ist der türkische Staat. Die Identifikationsmethode ist der Befehl.

Zweitens: Der formale Zusammenhang zwischen der Diyanet und der DITIB-Zentrale in Köln ist etwas undurchsichtiger. Der Deutschlandfunk hat versucht, das aufzuklären. Er hat die DITIB um eine Übersendung ihrer Satzung gebeten, was diese verweigert hat.

(Vizepräsident Detlef Ehlebracht übernimmt den Vorsitz.)

Daraufhin hat der Deutschlandfunk sich das vom Amtsgericht Köln besorgt und gesehen, warum das verweigert wurde. Es ergibt sich nämlich sehr eindeutig daraus, dass die DITIB auch formal direkt aus Ankara gesteuert wird. Das mächtigste Gremium ist der Beirat für religiöse Angelegenheiten. Dieser Beirat besteht aus fünf Religionsbeauftragten, die Funktionäre der Diyanet und Beamte des türkischen Staats sind. Der Vorsitzende des Beirats ist der Präsident des Amtes für religiöse Angelegenheiten aus Ankara. Der mächtige Beirat muss an allen grundlegenden Entscheidungen beteiligt werden. Der DITIB-Vorstand selbst wird zwar gewählt, zur Wahl stellen können sich aber nur Leute, die entsprechend von dem Beirat benannt werden. Das heißt also mit anderen Worten: Es handelt sich um eine Scheinwahl. Der darüber hinausgehende faktische Einfluss von Diyanet auf die DITIB ist völlig offensichtlich und wir alle wissen das. Der türkische Staat finanziert das Ganze. Noch wichtiger: Sämtliche Imame in DITIB-Moscheen in Deutschland werden von der Diyanet in der Türkei ausgebildet und für zwei oder fünf Jahre in das fremde Land Deutschland geschickt. Sehr viele von diesen können kein Deutsch und kennen auch nicht die Lebensrealität der Gläubigen, die von ihnen auch politisch indoktriniert werden.

(Senator Dr. Peter Tschentscher)

Die dritte Stufe betrifft das Abhängigkeitsverhältnis der DITIB-Nord, also auch des Landesverbandes Hamburg, von der DITIB-Zentrale in Köln und damit vom türkischen Staat. Der DITIB-Landesverband Hamburg, also der Vertragspartner der Freien und Hansestadt Hamburg, hat zwar eine eigene Satzung, ist aber tatsächlich weitgehend einflusslos. Eine demokratische Verbandsorganisation, wie wir uns das vorstellen, sieht sicherlich völlig anders aus. Zum Aufgabenbereich des religiösen Beirats, der dort auch das zentrale Gremium ist, gehören praktisch alle Entscheidungen, die es überhaupt in diesem Bereich zu treffen gilt, und an diesem kommt keiner vorbei. Also auch das wird direkt gesteuert.

Diese Einschätzungen, die ich jetzt eben in Kürze genannt habe, weil ich wenig Redezeit habe, stammen alle aus einem Rechtsgutachten von Heinrich de Wall, das die Bundesregierung in Auftrag gegeben hat, und zwar gerade bezüglich des Hamburger Staatsvertrages. Darin sollte die Frage geklärt werden, ob die DITIB überhaupt eine Religionsgemeinschaft ist. Das wird in dem Rechtsgutachten infrage gestellt. Und wörtlich gefolgert ist es empfehlenswert, schreibt der Autor, dass in der Satzung des DITIB-Landesverbandes verankert wird, dass die Grundsätze des Religionsunterrichts durch eine unabhängige Kommission definiert werden, der keine Amtsträger des türkischen Staates oder von DITIB angehören.

Herr Bürgermeister, daraus sollten Sie die Konsequenzen ziehen. Jetzt ist er gerade nicht da, aber er wird es sicher zu erfahren bekommen. Sie sollten DITIB-Nord klarmachen, dass die jetzigen institutionellen Strukturen und die Machtstrukturen mit einer extremen Dominanz des autokratischen türkischen Staates undemokratisch und damit inakzeptabel sind. Der Durchgriff aus Ankara muss gekappt werden. Ich würde noch einen Satz weitergehen: Das sollten wir eigentlich auch für die DITIB-Zentrale in Köln vornehmen, nur, das können wir nicht aus Hamburg machen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Professor Kruse. – Es erhält das Wort Herr Wysocki von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Professor Kruse, es ist ja nicht so, dass wir dieses Thema hier noch nicht diskutiert hätten oder dass das Thema jetzt besonders neu ist. In der letzten Debatte war es die Schura; da haben wir Ihnen, glaube ich, sehr deutlich gemacht, dass Ihr Antrag allein schon handwerklich nicht dem entspricht, was man hier eigentlich unter Anträgen versteht. Bei diesem Antrag ist es ähnlich. Deswegen will ich mich auf wesentliche

Punkte beschränken, denn aus allen Ihren Anträgen atmet eigentlich der Geist, dass aus Ihrer Sicht die Verträge mit allen islamischen Religionsgemeinschaften gekündigt werden müssen, weil Sie dieses schlichtweg so nicht wollen. Die Mehrheit des Hauses sieht das anders und ich bin sogar sehr zuversichtlich, dass es dabei bleiben wird.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich habe selten einen solchen Antrag gelesen, der mit so zusammengeschusterten Argumenten versucht hat, ein Bild zu zeichnen, das Sie hier eben fortgesetzt haben, der wahrscheinlich in einem Ihrer Seminare schon die Ebene Ihres Assistenten nicht durchschritten hätte, wenn das ein Student vorgelegt hätte, weil er nicht einmal im Mindesten den Ansprüchen entspricht, die hier an einen Antrag oder an ein Thesenpapier gestellt werden müssten, selbst wenn man das großzügig auslegt.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Sie bringen ständig die Bundes- und die Landesebene von DITIB durcheinander. Ein längst geklärter Vorfall in einer Wilhelmsburger Moschee ist es ebenfalls noch einmal wert, in Ihrem Papier aufzutauchen. Auch dieses ist mit der DITIB besprochen worden.

Vielleicht kurz zu den Fakten, wobei ich immer nicht den Eindruck habe, dass Fakten die AfD in irgendeiner Weise beeindrucken. Das war schon bei Schura so; sonst hätte man sich vielleicht noch einmal überlegt, ob man diesen Antrag hier vorlegt. Also zu den Fakten: Es gab am 21. November 2017 ein Gespräch mit DITIB hier im Rathaus. Herr Professor Dr. Kruse selbst war auch anwesend, alle Sprecher der Fraktionen waren dazu eingeladen. Es gibt die Information, dass die Bundesebene am 24. Dezember wählt und auch über Satzungsänderungen spricht. Danach wählt dann auch der Landesverband in Hamburg; das wird im Januar oder Februar passieren. Wir haben uns in diesem Kreis mit Ihnen darauf verständigt, dass wir diese Gespräche hier fortsetzen wollen und dass wir dann darüber informiert werden, was auf diesen Versammlungen passiert ist, also sowohl was die Personenwahl ergeben hat als aber natürlich auch, ob die von uns gemeinsam angemahnten Veränderungen der Satzung dort auf diesen Versammlungen besprochen beziehungsweise vollzogen worden sind. Insofern können wir hier und heute überhaupt noch nicht endgültige Urteile darüber abgeben, ob diese Wahlen sowohl in den Personen- als auch bei den Satzungsänderungen stattgefunden haben, ob die vollzogen worden sind. Bis zur Vorlage der neuen Informationen, Herr Professor Kruse, ist es einfach so, dass wir dann ein Gespräch führen mit DITIB. Das ist uns zugesagt worden und dann werden diese Informationen im Lichte dieser Wahl und dieser Versammlung hier in Hamburg auch neu bewertet werden.

(Dr. Jörn Kruse)

Ihr Antrag kommt also auch noch zur Unzeit. Deswegen ist die Vermutung sehr naheliegend, dass es Ihnen eben überhaupt nicht um den Sachverhalt geht, sondern dass Sie hier ein Klima erzeugen wollen, das mich ärgert; aber das ist ein persönliches Problem. Viel wichtiger ist die politische Wirkung, die Sie damit erzielen wollen, und die finde ich problematisch. Denn es ist wichtiger, gerade in dieser Zeit, auch an die türkischstämmigen Muslime das Signal zu geben, dass diejenigen unterstützt werden, die sich auf einen konstruktiven Weg gemacht haben. Gerade im Vorfeld von Wahlen ist das so.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Das macht man unserer Ansicht nach nicht, indem man einen Antrag hier vorlegt, in dem Ultimaten formuliert werden. Das ist schlichtweg unpolitisch; es zielt darauf ab, dass man einen Verband unter Druck setzt, wobei von uns allen weitergegeben worden ist, welche Erwartungshaltung wir an die Wahlen und an die Landesversammlung hier in Hamburg haben. Wir werden sehen, ob das eintritt und dann werden die weiteren Gespräche geführt. Aber dieser AfD-Antrag ist es nicht einmal wert, hier an den Innenausschuss oder an welchen Ausschuss auch immer, an den Verfassungsausschuss, beschieden zu werden, weil wir schlichtweg die Informationen abwarten müssen, die DITIB uns nach der Landesversammlung hier gibt. Und damit sind wir eigentlich auf einem Weg, den wir in Hamburg auch so fortsetzen wollen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Wysocki. – Es erhält als Nächster das Wort Herr Wersich von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist ja im Hause bekannt, dass wir als CDU die Entwicklung der DITIB mit Sorge betrachten, mit großer Sorge, und dass wir auch die Aussetzung des Vertrages mit der DITIB gefordert haben, bis die hinlänglich bekannten Vorwürfe aufgeklärt sind. Es ist auch so, dass wir bis heute darauf warten, dass der Senat uns das Ergebnis seiner Überprüfung in dieser Frage vorlegt. Das wäre, glaube ich, längst an der Zeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es ist auch so, dass wir als CDU immer gesagt haben: Wenn sich die Kräfte durchsetzen, die DITIBNord zum verlängerten Arm des türkischen Präsidenten machen wollen, dann fehlt die Basis für eine vertragliche Zusammenarbeit. Aber ich sage: Wir haben als CDU auch die Hoffnung, dass sich diejenigen Kräfte durchsetzen, die wissen, worum es geht. Dazu gehört der Vorsitzende Herr Simsek

genauso wie viele andere, die in der DITIB-Nord tätig sind.

Anders dagegen fällt unsere Wertung aus zum Versuch der AfD, heute wieder einmal mit Scheinfakten oder alternativen Fakten Stimmung zu machen und Vorwände gegen den Vertrag zwischen Hamburg und den Religionsgemeinschaften zu konstruieren. Da haben Sie uns ausdrücklich nicht an Ihrer Seite, Herr Professor Kruse.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Es ist wieder so, ich hatte das schon einmal gesagt: Sie irrlichtern in Ihrer Begründung des Antrages durch Texte und Drucksachen, Sie lesen und zitieren irgendetwas und zeigen damit, dass Sie offenbar immer noch nicht verstanden haben, was Sie dort zitieren. Dazu gehört für mich nach jetzt mehreren Jahren der Zusammenarbeit leider auch der Befund, dass Sie immer noch nicht die im Grundgesetz in Verbindung mit der Weimarer Reichsverfassung festgelegten Grundsätze der Religionsfreiheit in Deutschland begriffen haben.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Bitte gleichen Sie Ihre Reden einmal mit diesen den Religionsgemeinschaften verbürgten Rechten ab. Dann werden Sie auch merken, dass Sie da außerhalb des Grundgesetzes agieren.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN und der LINKEN)

Herr Professor Kruse, Sie irren, wenn Sie sagen, die Bundesregierung hätte diese Gutachten in Auftrag gegeben. Nein, es sind die Gutachten, die Hamburg 2011 und 2012 selbst in Auftrag gegeben hat, um die Fragen für den Vertrag zu klären. Diese Gutachten enthalten auch überhaupt keine Empfehlungen für die Vertragsfähigkeit und sie sprechen auch überhaupt nicht gegen die Anerkennung als Religionsgemeinschaft, sondern im Gegenteil: Diese Gutachten haben das bestätigt, was richtig ist, dass es eine Empfehlung für den Fall gibt, wenn es um den bekenntnisorientierten Religionsunterricht geht. Nur um den geht es, für den gibt es eine Empfehlung. Für alle Laien sei das kurz dargestellt: In Deutschland kann eine Staatsreligion eines anderen Staates als Religionsgemeinschaft anerkannt werden. Das haben die Gutachter festgestellt. Wir haben aber, was das Recht der Religion des Religionsunterrichts angeht, die Trennung von Kirche und Staat. Deshalb ist es denklogisch nicht möglich, dass eine Staatsreligion eines anderen Staates über die Inhalte des Religionsunterrichts in Deutschland bestimmt. Nur um diese Frage geht es für den Fall, dass eine Staatsreligion eines anderen Landes in Deutschland bekenntnisorientierten Unterricht erbringen will, dass dann dieses rechtliche Problem entsteht. Aber nur in diesem Fall. Das hat nichts mit dem Betrieb von Bildungseinrichtungen und so weiter

(Ekkehard Wysocki)

und so fort zu tun. Deshalb sind Ihre ganzen Weiterungen daraus auf die Artikel 4 und 5 des Vertrages wirklich völlig gegenstandslos. Diesem Problem, das objektiv ein Problem wäre, wenn die DITIB bekenntnisorientierten Unterricht in staatlichen Schulen anbieten wollte, ist im Vertrag vorgebeugt, denn dort steht, dass diese Möglichkeit nur besteht, wenn die Voraussetzungen erfüllt werden. Das heißt, es ist davon abhängig gemacht.

Das Zweite ist unser gemeinsamer Hamburger Unterricht. Der sieht eben genau nicht vor, dass eine Religionsgemeinschaft die Inhalte bestimmt, sondern es ist eine gemeinsame Kommission gebildet worden mit Vertretern aller Verbände, die gemeinsam handeln müssen. Das heißt, Hamburg hat genau diesem Mangel Abhilfe geschaffen.

Also lange Rede, kurzer Sinn: Dieser Antrag zeugt wieder einmal entweder von Mangel an Sinn und Verstand oder aber von einer Manipulation, die aus politischem Eifer erfolgt nach dem Motto, was nicht passt, wird passend gemacht. Deswegen sollten Sie in jedem Fall sich und uns die Peinlichkeit ersparen, diesen Antrag hier zur Abstimmung zu stellen. Ziehen Sie ihn lieber zurück. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Wersich. – Es erhält das Wort Frau Dr. von Berg von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Wersich, ich danke Ihnen für das kleine Proseminar. Ich fand es sehr erhellend und ich fand es tatsächlich gut zusammengefasst, wo die inhaltlichen, juristischen Probleme in diesem Antrag sind. Da kann ich Ihnen nur voll zustimmen. Wie gesagt, ich bedanke mich bei dem Kollegen Wersich für diese Worte.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Auch Herr Wysocki hat schon auf die inhaltlichen Schwierigkeiten, sage ich jetzt einmal, in diesem Antrag hingewiesen. Dazu will ich auch gar nichts weiter sagen, weil meine beiden Vorredner dazu schon hinlänglich alles Wichtige gesagt haben.