Protokoll der Sitzung vom 28.02.2018

(Zurufe)

Ich bin froh, dass ich überhaupt hier stehe und das trotz meiner Erkältung einigermaßen hinbekomme.

(Beifall bei der LINKEN)

Diejenige Person, die die gesamte Zeit sowohl diese Einschätzung damals mit den 1,3 Milliarden Euro gegeben hat, die Verantwortung auch für die jetzige Situation hat, ist der Vorstandsvorsitzende Ermisch, von Ihnen eingesetzt als derjenige, der vor allen Dingen die Vermögensinteressen der Freien und Hansestadt Hamburg mitverteidigen und das in gewisser Weise auch darstellen sollte, und eine der zentralen und wichtigen Personen in den Verkaufsverhandlungen der Stadt. Damit ist er ausgestattet worden. Jetzt pfeifen es alle Spatzen von den Dächern, dass dieser Herr Ermisch wahrscheinlich der neue Vorstandsvorsitzende der privatisierten Bank werden wird. In Bankenkreisen würde er natürlich hoch gefeiert, wenn er in der Lage ist, das Eigenkapital mit staatlicher Unterstützung der Freien und Hansestadt Hamburg kräftig aufzublähen. Er wäre der Star in der Bankenszene in dem Augenblick, wo das geschieht. Ich frage mich, wie der Senat garantieren kann, dass die mit dieser Person vorhandene Interessenkollision – auf der einen Seite Hamburgs Vermögensposition zu verteidigen und auf der anderen Seite aber für das neue Unternehmen und dessen Interessen zu agieren – nicht zulasten der Stadt läuft. Eine Entwicklung dieser Zahlen von 1,3 Milliarden Euro auf 10 Milliarden Euro innerhalb von drei Jahren lässt mich kritisch werden, inwieweit das nicht doch passiert. Wir wollen uns in dem Prozess, den wir in den nächsten Monaten vor uns haben, um das kritisch zu diskutieren, unter anderem angucken, inwiefern diese mysteriöse Entwicklung

der Zahlen eine ganz andere Erklärung hat als die, die Sie immer so schön darstellen nach dem Motto, Sie kämen vom Weißen Stern und hätten alles Tolle hier erreicht. Das kann einfach nicht der Fall sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Von daher stellen wir fest, dass wir noch etliches zu erreichen haben. Wir müssen gemeinsam erreichen, dass diese Katastrophe für Hamburg in irgendeiner Form nicht nur moralisch gebrandmarkt, sondern auch möglichst juristisch aufgearbeitet wird. Wir müssen uns erklären können, worin die Ursache für diese 9 Milliarden Euro an zusätzlich gezogener Garantie liegt und wie wir Zugang zu den Informationen innerhalb der Bank bekommen, um das beurteilen zu können. Wir werden uns auch genauer angucken, inwieweit in diesem ganzen Verkauf noch irgendwelche Nebenabsprachen sind, die durchaus gewisse Risiken in sich haben. Ich bin mir da nicht so sicher, denn es gibt ja etliche Konstruktionen von der Nebenbank und Bad Bank, die noch gegründet wird. Alles das müssen wir uns in Fleißarbeit genau angucken. Das heißt, es ist noch etliches zu tun und keine Situation, in der Sie den Weißen Ritter spielen und sagen können, Sie hätten alles gerettet. Nein, Sie haben einen schwarzen Fleck, den ich Ihnen hier erklärt habe, und den müssen Sie für uns aufklären. Es ist unsere Aufgabe, danach zu fragen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr Hackbusch. – Als Nächster erhält das Wort Michael Kruse für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die HSH Nordbank ist für den Hamburger Steuerzahler ein finanzielles Desaster. Das ist hier schon von verschiedenen Rednern festgestellt worden. Und wie schwer die Schäden sein werden, können wir heute noch gar nicht auf den Euro genau beziffern. Der Versuch, zwei Landesbanken zu einer internationalen Geschäftsbank zu machen, war der größte finanzpolitische Fehler, der in Hamburg je gemacht worden ist.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt viele Großprojekte in Deutschland, die auf der Kostenseite völlig ausgeufert sind – Stuttgart 21, der Berliner Flughafen BER, die Elbphilharmonie. Das Dramatische ist, sie alle zusammen kosten in etwa so viel, wie uns die HSH Nordbank unterm Strich kosten wird.

Herr Scholz, 2011 haben Sie sich wegen der Absenkung der Garantie als Retter dieser Bank inszeniert. Genau diese Garantieabsenkung hat aber dazu geführt, dass das EU-Verfahren eingeleitet wurde, an dessen Ende nun ein Verkauf oder die

Einstellung des Neugeschäfts mit immensen Verlusten stehen muss. Der Verkauf der HSH Nordbank mit Milliardenverlusten ist deshalb keine Erfolgsgeschichte für diesen Senat und keine für Sie, Herr Bürgermeister Scholz.

(Beifall bei der FDP)

Im Gegenteil, weder der Einsatz des Ersten Bürgermeisters für den Verbleib des Schifffahrtsportfolios bei der HSH Nordbank im Jahr 2011 noch der Herauskauf fauler Schiffskredite im Jahr 2016 waren kluge Entscheidungen, die unter diesem Senat getroffen worden sind. Ich bin schon etwas überrascht, dass auf diesen 2,4 Milliarden Euro schweren Deal keiner Ihrer Redner bisher hier eingegangen ist.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Es kommen ja noch weitere!)

Gerade Sie, Herr Tjarks, wissen, welche großen Probleme und zusätzliche Schäden das verursacht hat. Man kann nur mit dem Kopf schütteln, wenn Sie, Herr Scholz, heute in der Pressekonferenz auf die Frage, ob Sie auch Fehler gemacht haben, schlichtweg sagen, Sie sähen bei sich keine Fehler.

Wenn wir über die HSH Nordbank reden, reden wir über Verantwortung. Das Ende der HSH Nordbank in ihrer jetzigen Form lässt den Haushalt der Stadt Hamburg schwer gebeutelt zurück. Viele Milliarden Euro neuer Schulden sind das Ergebnis einer Politik, die dem Steuerzahler Risiken wie nie zuvor aufgelastet hat. Die Hauptverantwortung für diese Entwicklung liegt bei all jenen Politikern, die geglaubt haben, dass man aus einer einfachen Landesbank quasi über Nacht eine erfolgreiche international tätige Geschäftsbank machen kann. In Hamburg fand die systematische Ausweitung von Geschäft und damit auch von Klumpenrisiken unter einem CDU-geführten Senat statt, erst allein, später auch noch ein bisschen mit den GRÜNEN. Herr Tjarks, auch das haben Sie ein bisschen unter den Tisch fallen lassen. Deshalb wird dieses Desaster für immer auch mit Ihnen und Ihrer Regierungszeit in Hamburg verbunden werden, liebe CDU.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ihr wart doch da- bei in 2003! – Gegenruf von André Trepoll CDU: Verdrängt!)

In Schleswig-Holstein sind die Aussagen der SPDlerinnen und SPDler …

(Zurufe)

Das haben Sie doch eben auch noch gesagt. Da werden Sie doch jetzt …

(André Trepoll CDU: Alle waren dabei!)

Ja, stimmt, bei der Entscheidung, dass die Banken fusionieren, hatte die FDP einen Bildungssenator im Senat, ist richtig.

(Norbert Hackbusch)

(Beifall bei der FDP)

In Schleswig-Holstein sind die Aussagen der SPDlerin Heide Simonis, die damals auch die Aufsichtsratsvorsitzende war, ja legendär: Man sei besoffen gewesen. Nie wieder darf Politik so unverantwortlich handeln. Nie wieder darf der Steuerzahler solche Risiken aufgelastet bekommen und nie wieder darf die Stadt sich in Geschäften engagieren, die keiner überblickt. Nie wieder.

(Beifall bei der FDP)

Wenn wir über die HSH Nordbank reden, dann reden wir aber nicht nur über Verantwortung. Wir reden auch über Verantwortungslosigkeit. Und diese Verantwortungslosigkeit im Nachgang dieser Fehler, einige Vorredner sind darauf eingegangen, macht sprachlos. Es ist besonders bitter, dass für dieses Desaster niemand die Verantwortung übernehmen wollte. Jeder der vielen handelnden Akteure – einige sind angesprochen worden: Wolfgang Peiner, Heide Simonis und viele weitere – findet gute Gründe, warum er nur ein kleiner Teil eines großen Versagens ist. Deshalb fühlen sich viele Menschen mit diesen Milliardensummen nicht nur alleingelassen, sondern schlichtweg ohnmächtig. Es macht ohnmächtig, dass niemand die Verantwortung für dieses Desaster übernimmt. Es macht ohnmächtig zu wissen, dass wir künftig viele Milliarden Euro Schulden mehr haben werden, und es macht ohnmächtig, dass nachfolgende Generationen für diese Schulden werden bezahlen müssen.

(Beifall bei der FDP)

Ich wundere mich dann, dass hier nun dargestellt wird, was wir uns alles leisten könnten, wenn wir jetzt nicht das Geld in die HSH Nordbank geben würden. Ich möchte einmal feststellen: Wir können uns das ja gar nicht leisten. Es sind echte zusätzliche Schulden, die wir jetzt machen. Die HSHNordbank-Milliarden sind neue Schulden und deswegen können wir uns auch nicht irgendetwas anderes davon leisten, sondern wir hätten die Schulden nicht machen sollen.

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Und weil das so ist, ist heute auch kein Schlusspunkt für die HSH Nordbank und es ist auch kein Schlusspunkt unter das Desaster der HSH Nordbank, sondern wir werden Jahr für Jahr in den Haushaltsberatungen daran erinnert werden, dass wir viele neue Schulden haben, dass wir für diese vielen neuen Schulden Zinsen zahlen müssen und dass diese Zinsen dann in allen anderen Bereichen der Politik in dieser Stadt bitter fehlen werden.

Deswegen haben wir heute beziehungsweise in den nächsten Wochen eine schwierige Entscheidung vor uns. Deswegen ist Transparenz natürlich

das Gebot der Stunde. Wir erwarten vom Senat, dass er die unterschiedlichen Optionen vom Verkauf der Bank bis zur Einstellung des Neugeschäfts in seiner Drucksache lückenlos darlegt, um der Bürgerschaft eine gut informierte Entscheidung zu ermöglichen.

Die Bürgerschaft muss zudem Einsicht in das gesamte Vertragswerk inklusive Nebenabreden erhalten. Herr Tschentscher, ich würde mich freuen, wenn Sie das, was Sie uns an dieser Stelle vorab angekündigt haben, hier noch einmal wiederholen würden. Der Bürgermeister hat diese Passage nämlich ausgespart; er hat nur von der Drucksache gesprochen. Die wichtigste finanzpolitische Entscheidung, die in Hamburg jemals anstand, darf nicht auf der Basis einer unvollständigen Informationsgrundlage getroffen werden.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen müssen wir über die Details des Verkaufs, der unterschiedlichen Angebote, der Nebenabreden und auch der Verkaufsgrundlage vollumfänglich informiert werden. Herr Scholz, Herr Tschentscher, schaffen Sie vollständige Transparenz, damit wir unsere Arbeit machen können. Transparenz ist dringend notwendig. Denn Sie, Herr Scholz, sind uns heute viele Antworten schuldig geblieben. Wie haben denn die unterschiedlichen Angebote ausgesehen? Warum haben Sie sich für den jetzigen Käufer entschieden? Was hat Sie dazu bewogen, die Bank an einen Finanzinvestor zu verkaufen? Bis vor Kurzem wurden diese aus Ihren Reihen noch als Heuschrecken bezeichnet, liebe SPD. Selbsterklärend ist die heute präsentierte Lösung also keineswegs. Wir haben noch viele Fragen zu diesem Vorgang und auch die Öffentlichkeit hat viele Fragen. Wir haben heute von Ihnen, Herr Scholz, auch noch nichts Substanzielles zu der Zukunft der Bank gehört. Was macht Sie eigentlich optimistisch, dass der Verkauf der Bank nicht ebenfalls dramatische Auswirkungen auf den Standort haben wird? Die Ziele der Käufer für die Bank liegen bisher im Verborgenen; auch das ein Missstand. Aber wir haben wenig Hoffnung, dass die HSH Nordbank eine mittelstandsorientierte Bank für den Norden bleiben wird angesichts der hier schon dargestellten Hintergründe der jetzt ausgewählten Käufer. Deswegen muss der Verkauf der HSH Nordbank auf Herz und Nieren geprüft werden.

Denn warum sind wir überhaupt skeptisch, ob der Verkauf zwingend die beste Lösung ist? Ganz einfach, die Bank hat ein eigenes Interesse und das ist nicht deckungsgleich mit dem der Länder. Als wir hier Ende 2015 über die EU-Beihilfeentscheidung und den Herauskauf von bis zu 6,2 Milliarden Euro fauler Kredite abgestimmt haben, sind wir im Base Case davon ausgegangen, dass die Bank 2,1 Milliarden Euro von der Ländergarantie in Anspruch nehmen würde. Mittlerweile besteht die

Bank darauf, die 10 Milliarden Euro komplett abzurufen. Sie haben ja auch gleich mit in den Vertrag hineingeschrieben, sie benötige das Geld. Deswegen befinden wir uns hier schon in einer neuen Situation. Sie haben seitdem 2,4 Milliarden Euro in die Hand genommen; darauf sind Sie mit keinem Wort eingegangen. Die Bank ruft 8 Milliarden Euro mehr aus der Garantie ab, als damals im Base Case dargestellt, das heißt, wir zahlen 10 Milliarden Euro mehr in die Bank hinein. Die Bank hat sehr viel Eigenkapital liegen und all das ist uns sehr kurzfristig mitgeteilt worden. Wir haben erst im letzten Jahr erfahren, dass die Bank diese Milliardensummen alle benötigen wird, dass sie die 10 Milliarden Euro voll abrufen wird. Das zeigt, dass wir den Zahlen der Bank nicht vertrauen können. Wir als Hüter des Steuerzahlergeldes

(Jan Quast SPD: Was, Sie?)

haben das Interesse, dass der Vermögensschaden möglichst gering bleibt. Deshalb müssen wir überprüfen, ob die Einstellung des Neugeschäfts der HSH Nordbank die günstigere Option gegenüber einem Verkauf ist, denn wir müssen bedenken, dass die Bank gerade die letzten Steuerzahlermilliarden abruft. Sie hat 5 Milliarden Euro auf der Eigenkapitalseite liegen. Ich weiß nicht, ob Sie den Verkauf so jemandem ganz einfach erklären können. Aber wir sollten uns schon einmal in Ruhe darüber beraten und die Unterlagen gründlich checken. Wir werden in den nächsten Wochen überprüfen, ob wir eine Bank, in der gerade 5 Milliarden Euro Eigenkapital liegen, jetzt für eine Milliarde Euro verkaufen oder ob es nicht günstiger ist, die kontrollierte Abwicklung zu wählen. Dafür brauchen wir die Informationsgrundlage.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen auch einmal festhalten, dass Sie an dieser Stelle komplett auf der Basis der Zahlen der Bank argumentieren. Wir stellen fest, dass sich die Bank in den zehn Jahren, die sie jetzt in der Krise ist, noch nie zugunsten der Länder geirrt hat. Und deshalb müssen wir hier selbst für Klarheit sorgen.

(Beifall bei der FDP – Thilo Kleibauer CDU: Aber geirrt hat sie sich häufig!)

Wenn wir uns die Leistung der SPD-geführten Senate ansehen, erst des von der SPD allein geführten Senats und dann des rot-grünen Senats, möchte ich trotz dieser vorhandenen offenen Fragen, die wir hier heute zum Verkauf der HSH Nordbank haben, mit etwas Positivem beginnen. Wir haben Respekt vor dem Arbeitseinsatz des Senats, auch ganz persönlich vor dem Pensum, das Sie, Herr Tschentscher, in Sachen HSH Nordbank geleistet haben. Sie haben diese Mammutaufgabe stets mit großer Ernsthaftigkeit betrieben und ich glaube, keiner hier im Haus hat Sie um diese Aufgabe beneidet.

(Beifall bei Ewald Aukes und Daniel Oetzel, beide FDP)

Die große Bürde, die Sie bereits 2011 von Ihren Vorgängersenaten mit auf den Weg bekommen haben, war sicherlich nicht immer leicht zu tragen. Und deswegen ist es auch auf jeden Fall gut, dass wir heute den Verkauf der Bank als Option haben und damit auch die Möglichkeit, die immensen Vermögensschaden der Länder um einen kleinen Teil zu verringern. Dennoch sehen wir drei große Fehler, die Sie im Umgang mit der HSH-Nordbank-Krise begangen haben. Das Erste habe ich eben schon erwähnt: Sie haben viel zu lange auf die Aussagen der Bank vertraut und hätten sich früher eigenes Zahlenmaterial besorgen müssen, um auf dieser Basis eine eigene Einschätzung der Lage zu bekommen. Das ist Punkt 1.

Das Zweite ist der Kaufpreis, den Sie 2016 gezahlt haben. Und ich möchte daran erinnern, dass die Entscheidung, die Herr Tjarks angesprochen hat, Ende 2015 getroffen worden ist. Ende 2015 ging es darum, dass sich zum 31. Dezember 2015 die Gewährträgerhaftung dramatisch reduzieren würde. Aber der Herauskauf der faulen Kredite ist erst im Sommer 2016 erfolgt und somit lange Zeit später. Sie haben hier einen viel zu hohen Preis angesetzt. Und weil das so ist, wurde das Portfolio im ersten halben Jahr schon um rund 500 Millionen Euro abgewertet. Sie haben an dieser Stelle schlechtem Geld gutes Geld hinterhergeworfen. Und das machen wir Ihnen zum Vorwurf. Wir haben jetzt zusätzliches Geld in die HSH Nordbank hineingeschoben. Die HSH Nordbank kostet uns zusätzliches Geld.

Auch das Dritte möchte ich hier ansprechen. Wie kann es sein, dass die Kolleginnen und Kollegen im Schleswig-Holsteinischen Landtag durchgehend besser informiert sind, was den Verkaufsprozess der HSH Nordbank betrifft?